Titel: | Ueber erdige Streu für Viehställe, nebst vergleichenden Versuchen über Strohstreu; von Professor Payen. Zweite Abhandlung. |
Fundstelle: | Band 130, Jahrgang 1853, Nr. LIV., S. 224 |
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LIV.
Ueber erdige Streu für Viehställe, nebst
vergleichenden Versuchen über Strohstreu; von Professor Payen. Zweite Abhandlung.Man s. die erste Abhandlung des Verfassers, S. 148 in diesem Bande des polytechn. Journals.
Aus den Comptes rendus, Juni 1853, Nr.
26.
Payen, über erdige Streu für Viehställe.
Die ersten Versuche über erdige Streu wurden bei Temperaturen zwischen + 12 und
15° R. angestellt, meine neuen Versuche aber bei höherer, zwischen 14 und
18° R. wechselnder Temperatur, ebenfalls mit Beihülfe der HHrn. Poinsot und Wood.
Die Dauer der Einwirkung des Harns auf den Thon, die Kreide oder das Kalkhydrat wurde
hinsichtlich der sechsten und siebenten Reihe von Analysen, deren Resultate hier
folgen, auf zehn Stunden verlängert.
Sechste Reihe. (Die Gemenge waren der Luft in 1 Centimet.
dicken Schichten ausgesetzt.)
Kuhharn.
Erdige Substanz.
Zeit.
Von
selbst
erfolgteGewichtsabnahme.
Stickstoff
per
100Kubikcent. Harn.
Verlust
per 100Stickstoff.
100 Kub. Cnt.
0
2 Stunden
(Normalzust.)
1,614
0
50
„
150 Thon *)
10 Tage
Gemenge, 172 Gr.
0,684
57,6
50
„
150 Kreide*)
10 Tage
Gemenge, 162 Gr.
0,218
87,1
50
„
50 Kalkhydrat
10 Tage
Gemenge, 85 Gr.
1,312
18,7
*) Zu allen diesen Versuchen wurde der graue plastische Thon von
Vaugirard und die geschlämmte Kreide von Meudon angewandt.
Unter diesen Umständen der längern Dauer und höheren Temperatur ergab sich, wie man
sieht, der größte Verlust an Stickstoff, 87 Procent desselben beim Gemenge mit
Kreide, während der Thon nur 57,6 Proc. und das Kalkhydrat noch weniger, nur 18,7
Proc. desselben verloren gehen ließ.
Die siebente Versuchsreihe hatte zum Zweck, die Wirkungen derselben in gleichen
Verhältnissen gemengten Substanzen zu vergleichen, wobei sie aber zehn Tage lang in
viermal dickern und nicht gerüttelten Schichten mit der Luft in Berührung gelassen
wurden; unter denselben Umständen wurden hierbei vergleichende Versuche mit mehreren
erdigen Gemengen von Thon und Kreide angestellt. Die Analysen gaben folgende
Resultate:
Siebente Reihe (in 4 Centimeter dicker Schicht gehaltene
Gemenge).
Kuhharn.
Erdige Substanz.
Zeit.
Vermindertes
Gewicht.
Stickstoff per
100Kubikcent. Harn.
Verlust per 100Stickstoff.
100 Kub. Cnt.
0
2 Stund.
(Normalzustand)
1,614
0
50
„
150
Thon
10 Tage
Gemenge, 185 Gr.
0,420
74
50
„
150
Kreide
10 Tage
Gemenge, 181 „
0,139
91,39
50
„
50 Kalk
10 Tage
Gemenge, 90
„
1,248
22,68
50
„
150
ThonKreide
135 15
10 Tage
Gemenge, 175 „
0,428
73,49
50
„
150
ThonKreide
120 30
10 Tage
Gemenge, 177 „
0,364
77,45
50
„
150
ThonKreide
75 75
10 Tage
Gemenge, 183 „
0,331
79,75
Aus den Zahlen in dieser Tabelle gehen einige wichtige Thatsachen hervor. Zuvörderst
ist der bei allen frühem Versuchen hinsichtlich des Thons, der Kreide und des
Kalkhydrats beobachtete Einfluß in gleichem Sinne daraus zu ersehen; das Kalkhydrat
läßt am wenigsten stickstoffhaltige Substanzen verloren gehen, während die Kreide
den größten Verlust zuläßt, und der Thon viel mehr als die Kreide, aber weniger als
der Kalk conservirte, indem letzterer kaum über 1/5 verloren gehen ließ. Merkwürdig
ist endlich noch, daß das Gemenge von 1 Kreide mit 9 Thon nicht mehr verlor, als der
für sich allein angewandte Thon, während das Gemenge von gleichen Theilen Kreide und
Thon einen sehr starken Antheil (nahezu 80 Procent des Stickstoffs) verloren gehen
kieß.
In einer achten Reihe von Versuchen beabsichtigte ich, den Einfluß des bei angehender
Rothglühhitze gleichförmig gebrannten Thons auf den Harn kennen zu lernen, also des
Thons, welcher die Eigenschaft verloren hat, mit Wasser einen Teig zu bilden. Die
Vergleichung geschah wie bei den vorhergehenden Versuchen, indem man die Gemenge in
dünnen Schichten sich austrocknen ließ oder sie in dicken Schichten feucht erhielt.
Die Temperatur variirte während der Versuche von 13 bis 17° R. Folgende
Tabelle gibt die so erhaltenen Resultate an:
Achte Reihe von Versuchen.
Kuhharn.
Gebrannter Thon.
Zeit.
Zurückgebliebener Stickstoff
per 100 Harn.
Verlust per 100Stickstoff.
100 Kub Cnt.
0
2
Stunden.
1,269
0
50
„
125
6 Tage in dünner Schicht an
der Luft.
1,250
0,78
50
„
125
6 Tage in 6 Centimeter dicker Schicht
0,656
48,3
Wie man sieht, besitzt der so weit gebrannte Thon noch ein sehr beträchtliches
Vermögen, die stickstoffhaltigen Substanzen des Harns zu conserviren; als das
Gemenge in dünner Schicht, welche die freiwillige Austrocknung erleichtert, der Luft
ausgesetzt wurde, betrug der Verlust in sechs Tagen kein ganzes Procent. Ein
ähnliches Gemenge, in dicker Schicht feucht erhalten (ohne eingedrückt zu seyn),
ließ 48,3 Procent der ganzen anfänglichen Stickstoffmenge zu Verlust gehen:
Eine neunte Versuchsreihe hatte zum Zweck, den Verlust des Harns an
stickstoffhaltigen Materien oder an äquivalentem Stickstoff unter dem Einfluß der
Strohstreu zu bestimmen; diese Versuche wurden zu gleicher Zeit mit den vorstehenden
begonnen, es wurde derselbe Kuhharn dazu verwendet und die gegenseitigen
Einwirkungen an der Luft hatten dieselbe Dauer.
Die Gemenge wurden vergleichend in dicken, nicht eingerüttelten Schichten und in
dünnen Schichten erhalten; endlich wurden sie gleiche Zeit lang noch einmal
versucht, aber mit Anwendung zehnmal kleinerer Quantitäten und verschiedener
Verhältnisse zwischen Stroh und Harn, um zu ermitteln, ob der Sinn der Resultate
dadurch verändert wird. Die Zusammensetzung des Strohes war vorher bestimmt worden;
es enthielt 0,0045 Stickstoff, welcher bei allen Gemengen in Rechnung gezogen
wurde.
Die Analysen, welche nach Verlauf der sechs Tage, die zu den freiwilligen
Einwirkungen verwendet wurden, angestellt worden waren, gaben folgende
Resultate:
Neunte Reihe von Versuchen.
Kuhharn.
Gebrannter Thon.
Zeit.
Zurückgebliebener Stickstoff
per 100 Harn.
Verlust per 100Stickstoff.
100 Kub. Cnt.
0,00 Gr.
2 Stunden.
1,269
0
50 „
10,00 „
6 Tage in dünner, 1 Centim. dicker Schicht
0,164
87
50 „
10,00 „
6 Tage in 5 Centim. dicker Schicht.
0,270
78,8
5 „
2,25 „
9 Tage in dünner Schicht.
0,180
85,7
10 „
2,25 „
6 Tage in dicker Schicht.
0,206
83,8
Aus diesen unter sich übereinstimmenden Resultaten ist zu ersehen, daß das mit Harn
getränkte und in dünner Schicht ausgebreitete Stroh nach Verlauf von sechs Tagen im
Mittel 86 Proc. des Stickstoffs im Harn zu Verlust gehen ließ; bei dicker Schicht
betrug der Verlust im Mittel noch immer 81,3 Proc. der ganzen Stickstoffmenge.
Die zehnte Versuchsreihe wurde angestellt, um zu ermitteln, welchen Einfluß das
Aufhäufen oder Einrütteln der Streu von gebranntem Thon und von Stroh auf den
Verlust an Stickstoff haben kann. Die Resultate dieser Reihe sind folgende:
Zehnte Reihe von Versuchen.
Kuhharn.
Streu.
Zeit.
Zurückgebliebener Stickstoff
per 100 Harn.
Verlust per 100Stickstoff.
100 Kub. Cent.
0
2 Stunden.
1,629
0
2 „
Thon 5,000 Gr.
6 Tage.
0,765
53,1
2 „
Stroh 0,997 „
6 Tage.
0,470
71,2
Das Aufhäufen hatte bei der Thonstreu gar keinen günstigen Einfluß; dadurch, daß auf
diese Weise eine größere Feuchtigkeit unterhalten wurde, ohne die Luft
auszuschließen, wurde vielmehr die Gährung etwas bethätigt.
Die Strohstreu, obwohl sie auch diesesmal einen viel größern Verlust als der Thon
verursachte, hatte unter dem Einfluß der Aufhäufung (Einrüttelung) doch weniger
verloren, als die vorhergehenden nicht aufgehäuften oder nicht eingerüttelten
Streuen.
Folgende Versuche bestätigen diesen Schluß, indem das Resultat darin noch deutlicher
hervortritt; sie wurden vergleichend mit demselben Harn und in gleicher Zeitlänge
angestellt, indem einerseits gebrannter Kalk und anderseits Stroh genommen wurde,
welches beinahe ganz von Harn durchnäßt war, so daß nur sehr wenig Luft
zwischengelagert blieb. Die Temperatur variirte in den fünf Tagen, welche die
Einwirkung dauerte, zwischen 14 und 16° R.
Eilfte Reihe von Versuchen.
Kuhharn.
Absorbirende Substanz.
Zeit.
Stickstoff per
100 Harn.
Verlust per 100Stickstoff.
100 Kub. Cent. Normalzustand
0
2 Stunden.
1,734
0
10 Kub. Cent.
Gebrannter Kalk, 10 Gr.
5 Tage.
1,603
7,6
100 „
Geschnitten. Stroh, 10
„
5 Tage.
0,893
48,6
Der angewandte gebrannte Kalk zeigte sich sonach eben so wirksam um den Harn gegen
freiwillige Zersetzung zu Schützen, als das pulverige Kalkhydrat (der gelöschte
Kalk). Die gebrannten Kalkstücke gehen unter dem Einfluß des Harns nur sehr langsam
in den Hydratzustand über; der Harn, tropfenweise darauf gegossen, blieb lange im
Ueberschuß über der Oberfläche; nach und nach erst zerfielen die Stücke in eckige
Bruchtheile, die mehr als 24 Stunden lang fortfuhren weiter zu zerfallen, während
reines Wasser das Zerfallen des gebrannten Kalks von demselben Stück und dessen
Uebergang in den Hydratzustand in einigen Minuten bewirkte.
Man wird bemerken, daß auch diesesmal das Stroh beim Harn einen beträchtlichen
Verlust eintreten ließ, indem derselbe 48 Proc. der anfänglichen Stickstoffmenge
überschritt; daß er aber dennoch viel geringer war als unter den anderen Umständen
der vorhergehenden Versuche.
Eine letzte Reihe von Versuchen wurde angestellt um zu ermitteln, ob die durch die
Einwirkung des Kalks conservirten stickstoffhaltigen Substanzen sich etwa zersetzen,
nachdem der Kalk durch Kohlensäure gesättigt worden ist, und andererseits um zu
bestimmen, ob das Kalkhydrat, in schwachem Verhältniß angewandt, die Zersetzung der
stickstoffhaltigen Materien des Harns während der langsamen Verdunstung desselben zu
verhindern vermag. Es wurden zu diesem Behufe 200 Kub. Cent. Kuhharn mit 20 Grammen
Kalkhydrat vermischt, das Gemenge im Wasserbad bis zur Trockne abgedampft, und drei
Tage hernach analysirt. Aehnliche Versuche wurden auch mit Menschenharn vorgenommen,
wobei man die Menge des Kalkhydrats auf 5 und sogar auf 2 Gramme per 100 Kub. Cent. Harn verminderte. Folgende Tabelle
enthält das Resultat dieser Versuche:
Zwölfte Reihe von Versuchen.
Stickstoff per
100 Harn.
Verlust per 100Stickstoff.
Harn (von Kühen) 100 Kub. Cent. in dem
Gemenge mit Kalk betragend
1,248
0
Harn (von Kühen) 100 Kub. Cent. desselben
Gemenges repräsentirend, nach der
Sättigung mit Kohlensäure und zwei Tage
langem Stehen an der Luft; 1,089
1,089
12,8
100 Kub. Cent., normaler Harn (von
Kühen)
1,350
0
100 Kub. Cent., Harn, in der Mischung von
200 Kub. Cent. mit 20 Gram.
Kalkhydrat
1,345
0,44
100 Kub. Cent., Menschenharn, im
Normalzustand
1,035
0
100 Kub. Cent., Menschenharn, zur Trockne
abgedampft, mit 5 Gram. Kalk
0,935
9
100 Kub. Cent., Menschenharn, zur Trockne
abgedampft, mit 2 Gram. Kalk *)
0,934
9
*) Die Vermischung mit Kalk geschah 12 Stunden nachdem er
gelassen, und die so bereitete Flüssigkeit ließ man dann vor dem Abdampfen zur
Trockne 24 Stunden lang stehen.
Wie man sieht, entwickelte das durch Kohlensäure gesättigte und zwei Tage an der Luft
gestandene Gemenge von Kalk und Harn das Aequivalent von 12,8 Proc. Stickstoff; es
würde daher sehr wahrscheinlich im Boden unter den atmosphärischen Einflüssen eine
derartige langsam gesteigerte Zersetzung erleiden. Ueber den Nutzen seiner Wirkung
beim Landbau könnten jedoch nur directe Versuche entscheiden.
Die Resultate der Analyse des in Berührung mit 10 Proc. seines Gewichts Kalkhydrat
ausgetrockneten Kuhharns zeigen, daß der Verlust an Stickstoff unter diesen
Umständen ein sehr geringer ist, da er kaum ein halbes Procent des gesammten
Stickstoffs beträgt.
Schlüsse.
1) Unter den Einflüssen einer höheren Temperatur und einer längern Dauer der
freiwilligen Einwirkungen conservirten die erdigen Substanzen die stickstoffhaltigen
Bestandtheile des Harns in demselben Sinne wie bei den ersten Versuchen; der Kalk
nahm in dieser Hinsicht die erste Stelle ein, dann kam der Thon, während die Kreide
den größten Verlust an Stickstoff eintreten ließ.
2) Ein Gemenge von Thon und Kreide mit 10 Proc. dieser letztern zeigte sich eben so
wirksam als der reine Thon.
Bei 50 Procent Kreidegehalt blieb die Wirkung desselben in der Mitte zwischen
derjenigen des Thons und der Kreide.
3) Gebrannter Thon, in seiner Vermischung mit Harn sehr feucht erhalten, ließ in
sechs Tagen nahezu die Hälfte des Stickstoffs verloren gehen; während ein ähnliches
Gemenge in dünner Schicht an der Luft freiwillig ausgetrocknet, in derselben Zeit
seinen ganzen Stickstoffgehalt, bis auf etwa ein Procent. behielt.
4) Was das Stroh anbelangt, so veranlaßte dasselbe bei allen Versuchen den größten
Verlust an Stickstoff, im Vergleich mit dem Kalk und Thon, wenn diese unter
günstigen Umständen angewandt wurden. Sehr wahrscheinlich ist bei der Praxis im
Großen der Stickstoffverlust der Strohstreu in den Ställen, namentlich wenn sie in
schwach gepreßten Haufen der Luft ausgesetzt ist, in der Regel noch größer.
5) In dieser Hinsicht scheinen ein recht gutes Zusammenschlagen und fast gänzliche
Ausschließung der Luft durch Dazwischenbringen von Harn selbst nach meinen Versuchen
die besten Mittel zu seyn, um den gewöhnlichen Stalldünger zu conserviren;Unabhängig von der Anwendung des Eisenvitriols, von welchem dann eine
kleinere Menge genügen würde. mehrere, seit langer Zeit in großen Wirtschaften beobachtete Thatsachen
führen zu demselben Schluß.
6) Endlich scheint der Zusatz von 10 Procent Kalkhydrat zum frischen Harn das Mittel
darzubieten, um diese Flüssigkeit dann ohne erheblichen Stickstoffverlust
concentriren zu können. Vielleicht würde bei einem raschen Verdunstungssystem eine
fünfmal geringere Kalkmenge hinreichen, so daß man alle festen Bestandtheile des
Harns benutzen könnte, wodurch eines der wichtigsten Probleme gelöst wäre, womit man
sich im Interesse der Landwirthschaft und der öffentlichen Gesundheit schon lange
beschäftigt.