| Titel: | Ueber die Anwendung des vulcanisirten Kautschuks zur Anfertigung von Kämmen und anderen Artikeln in der Fabrik zu Beaumont im französischen Oise-Departement. | 
| Fundstelle: | Band 132, Jahrgang 1854, Nr. XXXI., S. 126 | 
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                        XXXI.
                        Ueber die Anwendung des vulcanisirten Kautschuks
                           								zur Anfertigung von Kämmen und anderen Artikeln in der Fabrik zu Beaumont im
                           								französischen Oise-Departement.
                        Aus Armengaud's Publication industrielle, t. IX p.
                              								63.
                        Ueber die Anwendung des vulcanisirten Kautschuks zur Anfertigung
                           								von Kämmen etc.
                        
                     
                        
                           Hr. Morey, Großhändler in den Vereinigten Staaten, hat in
                              									der letzten Zeit zu Beaumont eine bedeutende Fabrik errichtet, um einerseits
                              									elastischen und weichen Kautschuk zu den Stoßscheiben bei
                              									Eisenbahnwagen, und andererseits harten Kautschuk in Tafeln, zur Anfertigung von Kämmen aller Art darzustellen.
                           Diese Fabrik wird durch eine sehr starke Wasserkraft in Thätigkeit gesetzt, welche
                              									mehrere Walzenpaare treibt, die ihrerseits mit Dampf geheizt werden.
                           
                           Der rohe Kautschuk, welcher aus Indien, aus Brasilien und den Vereinigten Staaten in
                              									Form von Flaschen, Schuhen, Handschuhen oder in Stücken kommt, wird zuerst sortirt,
                              									dann zerschnitten, in heißem Wasser gewaschen, hierauf getrocknet und endlich
                              									zwischen die beiden Walzen eines Walzwerks geworfen. Diese beiden Walzen können
                              									mittelst Stellschrauben, welche auf die Zapfenlager einer von ihnen wirken, einander
                              									genähert werden. Ihr Durchmesser beträgt ungefähr 16 1/2 Par. Zoll und ihre Länge 3
                              									Fuß; die Umdrehungsgeschwindigkeit beläuft sich auf 5 bis 6 Umgänge per Minute. Jede dieser zwei (neben einander liegenden)
                              									Walzen wird besonders bewegt und geheizt. Der Laufriemen, welcher von einer
                              									Triebwelle aus bewegt wird, die wenigstens 60 Umdrehungen in einer Minute macht, und
                              									deren Scheibe 2 Fuß 5 Zoll im Durchmesser hat, ist 6 1/2 Zoll breit, ein Beweis, daß
                              									der zum Betriebe eines jeden Walzwerks erforderliche Kraftaufwand ziemlich bedeutend
                              									ist. Die Getriebe, welche an den Achsen der Walzen angebracht sind, haben einen viel
                              									größern Durchmesser als letztere, nämlich von 2 Fuß, und wenigstens 3 2/3 Zoll
                              									Zahnbreite.
                           Die schmiedeisernen Dampfleitungsröhren, wovon die eine sich an dem Ende der einen
                              									Walze, welches deren Räderwerk gegenüber ist, die andere am entgegengesetzten Ende
                              									der zweiten Walze befindet, sind mit Hähnen versehen und durch andere Röhren kann
                              									nach Bedürfniß kaltes Wasser eingelassen werden um zu verhindern daß sich die Walzen
                              									allzusehr erhitzten. Man übersteigt in der Regel nicht die Temperatur von 50 bis
                              									60° C. (40 bis 48° R.).
                           Nachdem die Kautschukstücke, wie oben erwähnt, zwischen die beiden Walzen geworfen
                              									sind, werden sie durch dieselben zerquetscht und erwärmt, und fallen dann in einen
                              									flachen hölzernen Kasten hinab; der Arbeiter hat sie von da wegzunehmen und sogleich
                              									wieder zwischen die Walzen zu bringen, damit sie von neuem zusammengepreßt werden,
                              									und auf diese Weise werden sie wiederholt durchgewalzt. Es kann nicht fehlen, daß
                              									sie sich in Folge des Warmwerdens vereinigen, und wenn man die Walzen einander mehr
                              									nähert, alsbald eine Art Tafel oder grober runzeliger Haut bilden.
                           In diesem Zustande incorporirt man dem Kautschuk Schwefelblumen. Zu dem Ende läßt der
                              									Arbeiter, welcher dabei die Walzen einander immer mehr nähert, die Kautschukplatte
                              									sich um eine derselben wickeln, z.B. um die hintere; hierauf streut er
                              									Schwefelpulver über die ganze Länge derselben, sowie auf die Oberfläche der vorderen
                              									leeren Walze. Dieses Pulver durchdringt, in Folge der Walzenumdrehung, den
                              									Kautschuk, und wenn man die Operation einige Minuten fortgesetzt hat, so bemerkt
                              									man, daß der Kautschuk
                              									die Farbe wechselt: von Schwarz wird er Graugelb; man muß jedoch den Kautschuk,
                              									damit er eine gleichmäßige Farbe erhält und damit das Gemenge vollkommen gleichartig
                              									wird, nach und nach mehreren Walzprocessen unterwerfen, indem man ihn drei-
                              									bis viermal zwischen die Walzen zurückbringt und ihn um sich selbst zusammenrollen
                              									läßt, aber so daß er in verschiedenen Richtungen zwischen jene zu liegen kommt,
                              									nämlich bald der Länge und bald der Breite nach oder in schräger Richtung gewalzt
                              									wird. Bei jedem Gange werden die beiden Walzen immer mehr geschlossen. Wenn die
                              									Platten oder Tafeln zur Fabrication von Kämmen bestimmt
                              									sind und daher einen gewissen Härtegrad erhalten müssen, um dem Hörne ähnlich zu
                              									werden, so muß man den Schwefelblumen eine Quantität sehr fein gepulverte Magnesia
                              									beimengen.
                           Auf diese Weise erhält man mit Schwefel incorporirte viereckige Kautschukplatten von
                              									1 1/2 bis 2 Fuß Länge, die man über sehr dünne Messingplatten ausbreitet und nun
                              									einer bestimmten Temperatur aussetzt, damit aus ihnen sogenannter vulcanisirter Kautschuk wird.
                           Man bringt nämlich diese Stücke in senkrechter Stellung in einen Kessel von
                              									Eisenblech, der hermetisch verschlossen werden kann, wobei man zwischen ihnen einen
                              									kleinen Raum frei läßt, damit sie sich nicht berühren, also die Wärme überall
                              									circuliren kann. Die Erhitzung geschieht mittelst Hochdruckdämpfen, welche man 7 bis
                              									8 Stunden lang durch den ganzen innern Raum des Kessels strömen läßt. Der Erfolg
                              									hängt gänzlich von dem Temperaturgrad ab; ist die Temperatur zu niedrig, so erfolgt
                              									keine Vulcanisirung, ist sie zu hoch, so verderben die Stücke, sie verbrennen und
                              									werden ganz unbrauchbar. In den Fabriken macht man meistens ein Geheimniß aus dem
                              									richtigen Temperaturgrad und bringt, damit ihn die Arbeiter nicht erfahren, an den
                              									Apparaten unrichtige Thermometer an. Nach dem in England von Hrn. Newton für Hrn. Goodyear im
                              									Jahr 1844 genommenen Patente,Polytechn. Journal Bd. XCV S. 94 ist der Temperaturgrad 270° Fahrenheit (132° C. oder
                              									105° R.).
                           Jedenfalls kann die Temperatur nicht für alle Gattungen von Gegenständen dieselbe
                              									seyn: so setzt man z.B. die Stoßscheiben und die zur Fabrication von Bufferfedern
                              									bestimmten Scheiben nicht unmittelbar der Einwirkung des Dampfes aus; zuvörderst
                              									verschließt man sie, damit sie ihre Form nicht verlieren, in gußeiserne Cylinder,
                              									nachdem man einen Eisenstab durch ihre Mitte gesteckt hat, und bringt sie nun erst
                              									entweder in den oben erwähnten Kessel oder in einen solchen mit Dampfgehäuse.
                           
                           Zu derartigen Erzeugnissen nimmt man, da große Reinheit des Materials gerade kein
                              									Erforderniß ist, auch nicht die besten Kautschuksorten.
                           Hr. Fauvelle, einer der geschicktesten Kammfabrikanten zu
                              									Paris, hat zur Verfertigung von Kämmen aller Art aus gehärtetem Kautschuk die oberen
                              									Localitäten der Fabrik zu Beaumont gepachtet, wohin die auf beschriebene Art
                              									vulcanisirten Tafeln geliefert werden und wo er gegen 150 Arbeiter, Männer und
                              									Frauen, beschäftigt. Die Verarbeitung des so hergerichteten Kautschuks geschieht bis
                              									jetzt gerade so, wie die des Büffel- oder Ochsenhorns; man zerschneidet
                              									nämlich die Tafeln oder Platten in Stücke, welche die äußere Gestalt von Kämmen
                              									haben; hierauf schneidet man mittelst kleiner Fräsmaschinen, welche außerordentlich
                              									rasch arbeiten, die Zähne aus. Man bildet auch, nach Erforderniß, auf gewissen
                              									Theilen Zeichnungen, mittelst kleiner Drehkolben welche man am Ende der Achse einer
                              									Drehbank anbringt, der man ebenfalls eine sehr große Geschwindigkeit ertheilen kann.
                              									Man gibt diesen Kämmen nach Belieben bogenförmig gewölbte und gekrümmte Formen,
                              									indem man sie bis zu einer gewissen Temperatur erwärmt, vermittelst Kohlenpfannen
                              									die mit Pariser Kohle gefeuert werden. Endlich vollendet man sie durch Poliren, was
                              									gewöhnlich durch Handarbeit von Frauen oder Kindern geschieht.
                           Hr. Fauvelle, welcher zur Zeit der Londoner
                              									Industrieausstellung mit einer Recherche über den Umfang der Kammfabrication in
                              									Paris beauftragt wurde, hat ermittelt, daß dieser Gewerbszweig jährlich für 6
                              									Millionen Franken producirt, wovon 4 Millionen auf die gewöhnlichen Kämme von
                              									Büffel- und Ochsenhorn, die beiden anderen Millionen auf die kostbaren Kämme
                              									von Schildpatt und Elfenbein kommen. Nimmt man nun an, daß nur die Büffelhornkämme
                              									durch Kautschukkämme ersetzt würden, so dürfte die Production der letztem um so mehr
                              									auf jährlich 2 Millionen steigen, da die Kämme von gehärtetem Kautschuk den Kämmen
                              									von Büffel- oder Ochsenhorn sehr vorzuziehen sind; einerseits weil sie nicht
                              									so leicht Riffe oder Sprünge bekommen wie diese und in Folge dessen die Haare
                              									verderben, und andererseits weil sie weit längere Zeit brauchbar bleiben.
                           Dieser Artikel muß sich übrigens um so mehr verbreiten, da man, wie wir nach den von
                              									Hrn. Fauvelle angestellten Proben überzeugt sind, es
                              									alsbald zu einer wesentlichen Vereinfachung in der Fabrication bringen wird, indem
                              									man die Stücke unmittelbar zwischen Matrizen formt und vulcanisirt. Auf diese Art
                              									verfertigt man bereits Hefte für Rasirmesser und gewöhnliche Messer,
                              									Rohrstockknöpfe, kleine Standbilder und eine Menge anderer Gegenstände, welche ganz das Aussehen
                              									geschnitzter Körper haben und eine solche Vollendung in der Arbeit und Politur
                              									zeigen, daß sie nichts zu wünschen übrig lassen.