Titel: Ueber die Anwendung des Dampfes bei der Schifffahrt; von Hrn. Ch. Dupin.
Fundstelle: Band 132, Jahrgang 1854, Nr. XLII., S. 163
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XLII. Ueber die Anwendung des Dampfes bei der Schifffahrt; von Hrn. Ch. Dupin. Aus den Comptes rendus, Januar 1854, Nr. 5. Dupin, über die Anwendung des Dampfes bei der Schifffahrt. Im November 1834 wurde auf Veranlassung des damaligen Marineministers Hrn. Baron Ch. Dupin ein Preis von 6000 Franken auf die beste Abhandlung über die Fortschritte der Dampfschifffahrt, besonders bei der Kriegsmarine, ausgesetzt. Seit jener Zeit bis zum Jahre 1848 wurden allerdings große Verbesserungen in dem Gegenstand des Preises gemacht, jedoch nicht in Frankreich, sondern in England und in Amerika. jetzt ist durch die Construction und durch den Erfolg des Napoleon, eines Linienschiffs mit Segeln und Dampfmaschinen, der Zweck des Preises vollständig erreicht. Hr. Dupin, welcher die Preisaufgabe vorschlug, hat der Akademie der Wissenschaften einen Bericht in dieser Hinsicht erstattet, welche nun nach dem Gutachten eines Ausschusses die 6000 Franken wie folgt vertheilte: 1. Hrn. Dupuy de Lôme, Marine-Ingenieurofficier, wurden 2000 Franken zuerkannt für den Entwurf des Segel- und Schrauben-Dampfschiffes Napoleon, bei welchem Schnelligkeit mit allen guten Eigenschaften eines Kriegsschiffes verbunden ist. 2. Dem Hrn. Moll, Marine-Ingenieurofficier und Unterdirector der Schiffsbau-Werkstätten zu Indret, 2000 Franken für die Berechnung der Mechanismen des Napoleon, für die vollkommene Ausführung dieser Constructionen und für die von ihm in Verbindung mit Hrn. Bourgeois angestellten Versuche über die Schraube, deren Resultate jetzt als Regel für die Ingenieure gelten. 3. Dem Hrn. Bourgeois, Fregatten-Capitän, 2000 Franken für seine mit großer Ausdauer durchgeführten Arbeiten über die Schraube, und wegen seiner zweckmäßigen Vorschläge über die progressive Umwandlung des jetzigen Materials der Kriegsmarine in eine gemischte mit Segel- und Dampfschiffen. Hr. Dupin bemerkt zuvörderst in seinem Bericht, daß in Frankreich lange vor Fulton der Marquis von Jouffroy auf der Saone ein Dampfboot betrieb, man habe aber die großen Vortheile dieser wichtigen Erfindung nicht erkennt und die Sache sey daher in Vergessenheit gerathen, während die Amerikaner sie besser zu würdigen verstanden. – England richtete im Jahr 1836 zuerst eine regelmäßige Dampfschifffahrt auf dem atlantischen Meer ein; die Amerikaner, welche schon einige Jahre vorher den Versuch gemacht hatten, auf diese Weise den Ocean zu durchschneiden, concurrirten sofort mit den Engländern, und dieser Wettkampf hatte großartige Folgen. Die französische Regierung richtete 1840 eine Meeres-Dampfschifffahrt ein, die dazu gebauten Schiffe blieben aber hinter den englischen und amerikanischen weit zurück. Die Ausgaben bei diesem riesigen Unternehmen überstiegen die Einnahmen, und man leistete auf das ganze Unternehmen Verzicht, ohne daß ein einziges Packetboot eine Reise gemacht hätte; die Dampfschiffe wurden darauf der Kriegsmarine übergeben und haben derselben als Transportschiffe gute Dienste gethan. Bis zum Jahr 1845 zog die Kriegsmarine aus der Anwendung des Dampfes nur untergeordnete Vortheile; da die Ruderräder die Bewaffnung der Seitenbatterien verhinderten, so mußte man nothwendig auf andere Fortschaffungsmittel denken, und man verfiel auf die Anwendung der Schraube. Dieß war keine neue Idee; die französische Akademie der Wissenschaften hatte schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts in prophetischem Geiste einen Preis ausgesetzt, welcher dahin lautete: „das beste Mittel zur Bewegung großer Schiffe ohne Anwendung der Windkraft aufzusuchen.“ Daniel Bernoulli machte im Jahre 1753 den Vorschlag, schiefe Ebenen anzuwenden, welche, indem sie in schiefer Richtung auf das Wasser drücken, sich um eine longitudinale und dem Gange des Schiffes parallele Achse drehen; die mit dem Preise gekrönte Abhandlung des berühmten Mathematikers enthält die Rudimente für die Triebschraube, welche jedoch erst nach langen Versuchen ihre jetzige vollkommene Einrichtung erlangt hat. Im Jahr 1768 schlug Paulton, nach Hook und Bouguer, vor, die archimedische Schraube zum Vorwärtstreiben der Fahrzeuge anzuwenden. Es schlugen der Reihe nach, Litleton im Jahr 1792, Dallery 1803, Cox Stevens und Livingston 1804, die Schraube vor, und man machte in diesem Zeitraume sogar einige erfolglose Versuche. Die HHrn. Delille und Sauvage in Frankreich, Smith und Ericsson in England lösten die Aufgabe weit schärfer; die Ehre des guten Erfolgs gebührt besonders Hrn. Francis Peter Smith, einem einfachen Pachter in Middlesex. Sein Patent ist vom 31 Mai 1836; seine Schraube war anfangs eine ununterbrochene; ein glücklicher Zufall führte ihn später darauf, ein bloßes Schraubensegment anzuwenden; er construirte sein erstes Fahrzeug auf der Themse; alsbald wagte er es gegen die Schwierigkeiten zur See anzukämpfen und ging in den Canal; er veranlaßte durch seine Ausdauer die englische Admiralität, ihm das Commando eines ersten Schraubendampfschiffes, des Archimedes, von 237 Tonnen anzuvertrauen, welches in 24 Stunden von Gravesend nach Portsmouth ging; 1843 führte er ein zweites Schraubendampfschiff, den Rattler, von 888 Tonnen Tragfähigkeit, welches noch besser war. Im Jahr 1845 baute man Schraubendampfmaschinen für kleine Schiffe von 70 bis 74 Kanonen, bei denen man die hohen Borde entfernte und die Anzahl der Geschütze verminderte; man schuf so durch Dampf getriebene Küstenwachschiffe, die mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 8 Knoten fuhren. Die beste theoretische und praktische Arbeit über die Schraube verdankt man dem schon erwähnten französischen Fregatten-Capitän Bourgeois, welcher in den Jahren 1844–1849 sehr viele Versuche mit dem Pelikan, einem Schraubendampfschiff von 120 Pferdekräften, machte; er bestimmte zuerst mittelst sehr einfacher Formeln das Verhältniß zwischen der durch den Dampf auf die Schraube übertragenen Kraft und dem Widerstand des Schiffes. Die von Hrn. Bourgeois zu seinen Versuchen angewandten Mechanismen wurden zu Indret unter der geschickten Direction des Hrn. Moll ausgeführt, welcher sich hauptsächlich an den Versuchen betheiligte. Im Jahr 1846 führte die französische Marine-Administration einen gemischten Betrieb der Kriegsschiffe ein, indem sie an den vorhandenen Linienschiffen eine mäßige Dampfkraft zur Aushülfe anbringen ließ. Den Bemühungen der HHrn. Moll und Bourgeois schloß sich damals Hr. Dupuy de Lôme an, und dadurch wurde die französische Marine aus ihrem niederen Stande emporgehoben. Zu den besten Schiffen dieser Art gehört der schon erwähnte Napoleon; die Dimensionen dieses Schiffes sind im Vergleich mit denen eines Segelschiffes von 90 Kanonen nachstehende: Segelschiff von    90 Kanonen.       Meter. Segel- und Dampfschiff     von 92 Kanonen.            Meter. Größte Länge auf dem Wasserspiegel       60,271            71,230 Größte Breite auf dem Wasserspiegel       16,210            16,800 Mittlere Wassertracht         6,070              8,960      Tonnen.           Tonnen. Volum des unter Wasser befindlichen Theils des    Schiffs, bei vollständig armirtem Fahrzeug     4058 2/10             5120 Bei vollständiger Armirung steht die unterste Batterie noch 2,03 Meter (6 1/2 Fuß) über der Wasserlinie, welches beim Kampf hinreichend ist, selbst auf einem sehr bewegten Meere. Es war zu befürchten, daß ein Schiff mit nur zwei Decken, aber von größerer Länge als die größten Dreidecker, auf dem Meere einen bedeutenden Bogen herausstellen würde, d.h. eine mißliche Form, veranlaßt durch die Ungleichheit der Massen, welche an den Enden vorwiegend sind, und durch die in der Mitte des Schiffes vorherrschende Repulsion des Wassers. Nach vollständiger Armirung ergab sich jedoch ein Bogen, dessen Pfeil nur 11 Centimeter (etwa 4 Zoll) betrug. Auf dem Meere hat sich beim stärksten Wellenschlage, so wie beim stärksten Rollen und Stampfen durchaus keine Mangelhaftigkeit des Baues bei dem Napoleon gezeigt. Das Segelwerk eines gewöhnlichen Schiffes von 90 Kanonen beträgt 31 Quadratmeter per Meter Maximal-Querschnitt des Kiels; diese wurden beim Napoleon auf 28,44 Quadratmeter reducirt, wodurch freilich beim bloßen Gebrauch des Segelwerks der Napoleon etwas hinter andern Schiffen zurückblieb; je stärker aber der Wind wurde, desto geringer wurde dieser Unterschied. Die Evolutionen konnten bei dem Napoleon stets leicht und sicher ausgeführt werden. Der ganze Dampfmaschinen-Apparat und die Kessel liegen unter dem Wasserspiegel. Zwischen den Maschinen und den Schiffswänden sind die Kohlenmagazine angebracht; sie dienen zum Schutz gegen die Geschosse, so daß die feindlichen Kugeln niemals einen Theil des Motors treffen können, was von großem Werth bei einem Kriegsschiff ist. Die Kohlenmagazine sind durch blecherne Scheidewände getrennt und vollkommen wasserdicht; ist nun eine Abtheilung der Kohlen entleert, so kann man in dieselbe mittelst eines Hahns zum Ersatz Wasser einlassen. Die Ausführung der Maschine ist in allen ihren Theilen trefflich und genau, sie hätte in den besten Maschinenbauwerkstätten Englands nicht besser hergestellt werden können. Die Maschine ist eine mit Niederdruck, nach dem Watt'schen System, jedoch kann der Dampfdruck in den Cylindern auf 119 Centimeter Quecksilberhöhe, d.h. bis auf 1,43 Atmosphären gebracht werden. Die Uebertragung der Bewegung auf die Schraubenwelle ist sehr sinnreich. Soll gesegelt werden, so wird bloß die Welle ausgerückt, so daß sie sich frei mit der Schraube bewegen kann, während bei anderen Schiffen dieser Art die Schraube aus dem Wasser gehoben werden muß. Man darf als sicher annehmen, daß der Napoleon bei ruhigem Meere und bloß mittelst der Schraube getrieben, 13 1/2 Knoten in der Stunde macht. Die englischen und amerikanischen Packetboote, welche über das atlantische Meer gehen, und deren Lauf durch die Strömungen befördert wird, vollenden die Fahrt zwischen Liverpool und New-York in wenigstens 10 Tagen, mit einer Geschwindigkeit von 12 Knoten. Der Leistungscoefficient (Wirkungsgrad) des Dampfes beträgt beim Napoleon 0,1793, während bis jetzt bei keinem Schiff ein größerer als 0,098 gefunden wurde; daher betrug auch die effective Maximal-Geschwindigkeit des Napoleon 13 1/2 Knoten anstatt 11 Knoten, obgleich die Kraft der Maschine anstatt 960 nomineller Pferde nur 900 betrug. Man sollte glauben, daß die Schraube durch ihre Rotationsbewegung eine störende Einwirkung auf das Steuerruder habe, so daß das Schiff demselben nicht so leicht wie sonst folgt, allein die Erfahrung hat bei dem Napoleon bewiesen, daß eine solche Befürchtung ganz unbegründet ist. Auch fürchtete man, daß durch das Leergehen der Schraube beim Segeln, ein nicht unbedeutender Kraftverlust stattfinde; da aber die Reibung der Zapfen in den Lagern auf ein Minimum reducirt wurde, so ist dieser Kraftverlust nur ein sehr geringer. – Die Erfahrung ergab, daß der Napoleon bei jedem Schraubenumgang im Mittel um 8,32 Meter vorwärts getrieben wird. Baron Dupin schließt den erwähnten Bericht mit folgenden Bemerkungen: „Der große Fehler des jetzigen Systems die Schiffe mittelst Dampf zu treiben, ist der beträchtliche Brennmaterialverbrauch. Zur Unterbringung von Kohlenvorräthen in dem ohnehin beschränkten Raume am Bord eines Schiffes muß man sich zu großen Opfern hinsichtlich der Lebensmittelvorräthe herbeilassen, die bei Kriegsschiffen doch so wichtig sind. „Nun könnte man aber durch Anwendung der Maschinen von mittlerem Druck, von 4 bis 5 Atmosphären, schon bedeutend an Brennmaterial sparen; man könnte dabei leichtere, minder voluminöse und weniger kostspielige Maschinen benutzen. Die Amerikaner wenden dieses System bei ihren Handelsschiffen an, und dasselbe ist mit nicht mehr Gefahr verbunden, als die Schifffahrt mit Niederdruck-Dampfmaschinen. „Die eben so wichtigen als neuen Betrachtungen Regnault's Polytechn. Journal Bd. CXXVIII S. 285. zeigen, welche große Wärmemenge bei den Niederdruckmaschinen und selbst bei denen mit Hochdruck verloren geht. „Fortschritte in dieser Beziehung sind besonders für Frankreich (und Deutschland) sehr wünschenswerth, und für uns bei weitem nothwendiger als für die Engländer und Amerikaner. „Die hohen Preise des Brennmaterials sind die Hauptursache weßhalb die Einführung des Dampfes bei der französischen Handelsmarine bis jetzt die gehörigen Fortschritte nicht gemacht hat. Jede wesentliche Verminderung des Steinkohlenverbrauchs ist daher für Frankreich von der größten Wichtigkeit. „Der effective Tonnengehalt der Handels-Dampfschiffe beträgt in Amerika 481805 Tonnen, in England 187600 Tonnen, in Frankreich aber nur 13925 Tonnen. „Der Schiffbau muß auch noch große Anstrengungen machen, um sich dem Ziele der Vollkommenheit mehr zu nähern. Hauptsächlich muß man darauf hinzuwirken suchen, daß bei großen Geschwindigkeiten die so nachtheiligen Schwingungen, besonders nach hintenzu, wegfallen. Kleinere und leichtere Dampfmaschinen, welche nicht so viel Brennmaterial erfordern, gestatten den Tiefgang der Schiffe zu vermindern, was für die Geschwindigkeit ein Vortheil ist. „Die Schraube bleibt hinsichtlich der Leistung hinter den Ruderrädern zurück, da sie beiläufig um ein Fünftel weniger Triebkraft entwickelt als letztere; sie ist aber in vielen anderen Beziehungen weit vortheilhafter.