Titel: Ueber unterirdische Elektro-Telegraphen Drähte; von Prof. Faraday.
Fundstelle: Band 133, Jahrgang 1854, Nr. VII., S. 20
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VII. Ueber unterirdische Elektro-Telegraphen Drähte; von Prof. Faraday. Aus dem Philosophical Magazine, Juni 1854, S. 396. Faraday, über unterirdische Elektro-Telegraphen-Drähte. Es wird mir jetzt ein Bericht über einige merkwürdige Erscheinungen mitgetheilt, welche Hr. Lieutenant Werner Siemens zu Berlin an den unterirdischen Leitungen beobachtete und im April 1850 veröffentlichte. Es sind dieselben Erscheinungen, welche mir Hr. Latimer Clarke zeigte und die ich in meiner Abhandlung (im polytechn. Journal Bd. CXXXII S. 348) benutzt habe, um die Wahrheit meiner längst ausgesprochenen Ansichten über Isolation, Vertheilung (Induction) und Leitung nachzuweisen. Die Gerechtigkeit erfordert, daß ich den wesentlichen Inhalt jenes Berichts nachtrage, welcher in den Annales de Chimie, 1850, Vol. XXIX p. 398, erschien;Und als besondere Broschüre bei Springer in Berlin unter dem Titel: Mémoire sur la télegraphie électrique par W. Siemens. die Wirkungen werden mit Drähten hervorgebracht, welche mit Gutta-percha überzogen und in den Erdboden gelegt sind. „Bei langen, gut isolirten unterirdischen Leitungen, kann man beständig folgende merkwürdige Erscheinung beobachten. Nehmen wir an, das eine Ende B des Drahtes sey isolirt, und das andere Ende A werde dann mit einem Pole einer Säule in Contact gebracht, deren anderer Pol mit der Erde in Verbindung steht; dann nimmt man im Augenblicke der Berührung in den nicht zu weit von der Säule entfernten Theilen des Drahtes einen kurz andauernden Strom wahr, und zwar in derselben Richtung wie der Strom, welcher entstehen würde, wenn man durch die Verbindung des anderen Drahtendes B mit dem Boden die Kette schließt; dieser Strom hört in vollkommen isolirten Leitungen nach kurzer Zeit vollkommen auf. Vertauscht man dann plötzlich mit Hülfe einer Wippe die Säule gegen einen trägen Leiter, so erhält man einen zweiten momentanen Strom von ungefähr gleicher Intensität wie der erste, aber dießmal in entgegengesetzter Richtung. Unterbricht man ferner an dem Ende A jede Verbindung sowohl mit der Säule, als mit dem Erdboden, so daß dieses Drahtende nun isolirt ist, und setzt in demselben Augenblicke das andere Ende der Leitung B mit der Erde in Verbindung, so zeigt sich abermals ein momentaner Strom von etwa gleicher Intensität wie die früheren, jetzt aber wieder in der Richtung des erst beobachteten, d.h. in der Richtung des continuirlichen Stromes der geschlossenen Kette. Das letztere Experiment kann man natürlich nur dann anstellen, wenn man eine Linie mit doppelter unterirdischer Leitung zur Disposition hat; dann kann man es so einrichten, daß beide Enden der Leitung A und B sich auf derselben Station neben einander befinden, indem man am andern entfernten Endpunkte der Linie beide Drähte gegen den Boden isolirt mit einander verbindet, so daß sie nur eine einzige hin- und zurücklaufende Leitung bilden.“ „Wenn man lediglich auf die Richtung dieser Ströme sieht, so könnte man im ersten Augenblicke versucht seyn, diese Erscheinungen für Polarisationsströme zu halten. Aber gegen diese Annahme streiten mehrere Thatsachen: 1) Jene Erscheinungen zeigen sich um so deutlicher, je vollkommener der Draht isolirt ist. 2) Die Ströme sind von viel kürzerer Dauer als die Polarisationsströme. 3) Die Intensität der Ströme ist proportional der elektromotorischen Kraft der Säule und unabhängig von der Strom-Intensität der Nebenschließungen, wenn, in Folge von Isolationsfehlern, deren vorhanden sind; hieraus folgt, daß die Intensität dieser momentanen Ströme beträchtlich größer seyn kann, als die höchste Intensität, welche die Polarisationsströme in derselben Kette zu erreichen fähig sind. 4) Endlich ist die Intensität dieser momentanen Ströme proportional der Länge des Leitungsdrahtes, während das Entgegengesetzte der Fall seyn müßte, wenn dieselben von Polarisations-Erscheinungen herrührten.“ „Die Erklärung dieser Erscheinungen ergibt sich aber sehr leicht, wenn man sich an den schönen Versuch erinnert, durch welchen Volta die Identität des Galvanismus und der Maschinen-Elektricität so eclatant darthat. Volta zeigte, daß, wenn man den einen Pol einer seiner Säulen mit der Erde, und den anderen mit der inneren Belegung einer nicht isolirten Leydener Flasche in Verbindung setzt, man innerhalb einer kaum wahrnehmbaren Zeit eine Ladung der Batterie erhält, welche der Kraft der Säule proportional ist. Zu gleicher Zeit beobachtet man in dem Leiter, welcher die Säule mit der inneren Belegung der Flasche verbindet, einen momentanen Strom, welcher, nach Ritter, alle Eigenschaften gewöhnlicher Ströme besitzt. Nun kann man augenscheinlich die unterirdische Leitung mit ihrem isolirenden Ueberzuge als eine colossale Leydener Flasche betrachten. Die Glaswand der Flasche ist vertreten durch den isolirenden Gutta-percha-Ueberzug; die Oberfläche des Kupferdrahtes bildet die innere Belegung, und der feuchte Erdboden endlich die äußere Belegung. Man erhält eine Idee von der Capacität dieser neuen Art Batterie, wenn man bedenkt, daß die Oberfläche des Drahtes ungefähr 7 Quadratmeter für jeden Kilometer der Länge beträgt.“ „Indem man das eine Ende des Drahtes mit einer Säule in Berührung bringt, deren anderer Pol mit dem Erdboden verbunden ist, während das zweite Ende des Drahtes isolirt erhalten wird, so muß der Draht eine Ladung von demselben Zeichen und von derselben Spannung wie der mit ihm verbundene Pol der Säule annehmen. Dieß geschieht während des ersten der zuvor erwähnten momentanen Ströme. Wenn bei dem Volta'schen Versuche die Communication zwischen dem Pol und der Säule aufgehoben und beide Belegungen der letztern durch einen Schließungsdraht verbunden werden, so erfolgt eine Entladung in gewöhnlicher Weise. Dieser Entladung entsprechen, wie leicht ersichtlich, die anderen beiden momentanen Ströme, welche in einander entgegengesetzten Richtungen an den beiden Enden der Leitung beobachtet werden, wenn man diese Enden, nach Ausschaltung der Säule, mit dem Erdboden in Verbindung setzt. Es ist übrigens einleuchtend, daß der erste momentane Strom, nämlich der, welcher die Ladung bewirkt, in gleicher Weise, wenn schon mit geringerer Intensität, auch dann auftreten wird, wenn das andere Ende der Leitung nicht isolirt ist, sondern mit dem feuchten Erdboden in leitender Verbindung steht. Der momentane Strom geht alsdann dem continuirlichen voraus, oder verstärkt denselben, wenn man lieber will, in den ersten. Augenblicken. Uebrigens hat der momentane Strom eine weit bedeutendere Intensität, als der continuirliche; ohne Zweifel deßhalb, weil bei dem Acte der Ladung die Elektricität um so viel kürzere Wege zu durchlaufen hat, um zu den verschiedenen Punkten des Drahtes zu gelangen, je näher dieselben der Säule liegen.