Titel: Bemerkungen über die sogenannte Antifrictionscurve und deren Anwendbarkeit beim Maschinenbau; von C. A. Brückmann, Professor an der Bergakademie zu Freiberg.
Fundstelle: Band 133, Jahrgang 1854, Nr. LXXVII., S. 334
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LXXVII. Bemerkungen über die sogenannte Antifrictionscurve und deren Anwendbarkeit beim Maschinenbau; von C. A. Brückmann, Professor an der Bergakademie zu Freiberg. Aus dem Civilingenieur, 1854, Bd. I S. 233. Brückmann, über die sogenannte Antifrictionscurve und deren Anwendbarkeit beim Maschinenbau. Im Juniheft des Practical Mechanic's Journal 1849 (polytechn. Journal Bd. CXII S. 331 und Bd. CXIII S. 8) erschien ein Aufsatz von Schiele über seine „Antifrictionscurve“, worin er darauf hinweist, daß bei Ventilen und anderen Maschinentheilen, welche eine Drehbewegung und gleichzeitig einen Druck in der Richtung ihrer Drehungsachse erfahren, eine ungleichförmige Abnutzung an den Berührungs- oder Auflagerungsflächen eintrete, und daß namentlich bei conischen Hähnen das dickere Ende sich schneller abnutzen müsse, als das dünnere, da bei Drehung des Hahnes jeder Punkt am dickeren Ende einen größeren Reibungsweg zurückzulegen hat, als ein Punkt am dünneren Ende. Die Folge davon ist, daß der Hahn undicht und fester angezogen wird, als eigentlich nöthig ist, und nun um so schneller sich abnutzt. Diesen Uebelständen läßt sich nach Schiele's Vorschlag dadurch abhelfen, daß man den Hahn in Gestalt eines Rotationskörpers ausführt, dessen erzeugende Curve eben eine gleichförmige Abnutzung des Hahnes und Hahngehäuses und somit einen stets dichten Schluß bedingt. Schiele gibt irrigerweise und ohne allen Beweis an, daß die angeführten Bedingungen ein Rotationskörper erfülle, dessen Oberfläche durch Rotation einer gemeinen Tractorie oder ZuglinieDiese Curve kann man sich bekanntlich dadurch entstanden denken, daß in einer Horizontalebene ein undehnsamer Faden AB , an dessen Ende bei B eine träge Masse, z.B. ein Stein angeschlossen ist, mit seinem anderen Ende A auf einer Geraden AY fortgezogen wird, welche auf AB in seiner anfänglichen Lage rechtwinkelig steht; hierbei beschreibt der Schwerpunkt des Steines eine krumme Linie, bei welcher die Länge der Tangenten zwischen der Curve und der Asymptote AY konstant und zwar gleich der Länge des Fadens AB ist. Schiele hat am angeführten Orte ein sehr einfaches Instrument angegeben, welches dazu dient, derartige Curven zu beschreiben. um ihre Asymptote als Achse beschrieben wird. Nachstehende Zeilen haben nun den Zweck, die Unrichtigkeit dieser und mehrerer anderer Behauptungen Schiele's zu beleuchten und nachzuweisen: 1) welches die zweckmäßigste Form für Hahnventile ist, und 2) daß es nur bedingungsweise zweckmäßig sey, Zapfenstifte stehender und anderer Wellen, welche einen Druck in der Richtung ihrer Achse auszuhalten haben, nach der Curve der gleichförmigen Abnutzung zu gestalten. 1) Zweckmäßigste Form von Hahnventilen. Die Abnutzung der verschiedenen Theile der Mantelfläche eines conischen Hahnventiles hängt, abgesehen vom Materiale und der Beschaffenheit der sich reibenden Flächen, ab: 1) von der Intensität des Reibungswiderstandes an den einzelnen Flächenelementen, und 2) von der Länge des. Weges, welchen einzelne Elemente der Reibungsfläche bei einer ganzen oder theilweisen Umdrehung des Hahnes zurücklegen. Insofern nun die Intensität der Reibung an den einzelnen Flächenelementen dem auf dieselben wirkenden Normaldrucke proportional ist, kann man behaupten, daß die Abnutzung irgend eines Elementes der Mantelfläche eines Hahnes proportional sey dem Producte aus dem auf dieses Element wirkenden Normaldrucke und der Weglänge, welche dieses Element bei einer Drehung um einen gewissen Winkel ω zurücklegt. Da aber dieses Product, multiplicirt mit dem bezüglichen Reibungscoefficienten, die hierbei verzehrte mechanische Arbeit der Reibung jenes Elementes darstellt, so können wir unsere Behauptung auch so fassen: die Abnutzung jedes Elementes der Mantelfläche eines Hahnventiles ist der mechanischen Arbeit des Reibungswiderstandes an diesem Elemente direct proportional. Es stelle nun Fig. 18 ein Stück eines Hahnconoides, welches die Bedingung der gleichförmigen Abnutzung erfüllt, im Aufrisse, Fig. 19 in der unteren Ansicht dar. Sein größter Halbmesser AB sey – a, der kleinste CH = b; der Druck in der Achse ACY, welche wir hier, der Kürze der Bezeichnung wegen, vertical voraussetzen wollen, = Q. Denkt man sich den Hahn durch Schnitte rechtwinkelig zur Achse AY in unendlich dünne Scheiben wie DEE₁D₁ zerlegt, bei welchen durchgängig die Normalprojection der Seitenlinie EE₁ gegen AB gleich NN₁ = dx seyn soll; zerlegt man ferner die Mantelfläche jeder solchen Scheibe durch unendlich viele radiale Schnitte im Elemente EJJ₁E (Fig. 19), und geht von dem Grundsatze aus, daß der auf jedes Flächenelement wirkende Verticaldruck dQ = q der Horizontalprojection des Elementes proportional sey, so ist, wenn man den Winkel ECJ (Fig. 19) = dψ, AN = x, EN = y setzt, die Horizontalprojection eines Elementes: EE₁J₁J = x.dφ.dx der darauf wirkende Verticaldruck q ergibt sich aus der Proportion: q : Q = (x . dφ . dx) : (a² – b²)π. 1) Textabbildung Bd. 133, S. 336 und zerlegt sich in den die Reibung erzeugenden Normaldruck n (Fig. 18), und den Horizontaldruck h; letzterer wird durch den Horizontaldruck – h des diametral gegenüber liegenden Elementes DD₁ der Umfläche des Conoides aufgehoben. Nun ist, wenn man den Winkel ETX, welchen die Tangente an E mit der Abscissenachse AX einschließt, α nennt: Textabbildung Bd. 133, S. 336 2) Textabbildung Bd. 133, S. 336 Dreht sich der Hahn um den Winkel ω, so legt der Punkt E den Weg zurück; nennt man also den bezüglichen Reibungscoefficienten f, so ist die bei jener Drehung verzehrte Arbeit der Reibung pro Element: 3) Textabbildung Bd. 133, S. 336 Soll nun die Abnutzung aller Elemente gleich groß seyn, so muß hier dL eine constante Größe, d.h. /cosα constant seyn, da der eingeklammerte Ausdruck nur constante Factoren enthält. Für x = a gehe α über in α₁, mithin gilt für die das Profil des Hahnventiles bildende Curve die Bedingung: 4)   x²/cos α = a²/cos α₁ oder x² = a². cos α/cos α₁ Bei der fraglichen Curve verhalten sich also die Quadrate der Abscissen wie die Cosinus der zugehörigen Tangentenwinkel. Die Arbeitsgröße dL wird mithin auch 5) Textabbildung Bd. 133, S. 336 gesetzt werden können und unter übrigens gleichen Umständen ein Minimum werden, wenn – cos α₁ ein Maximum, d.h. α₁° = 180° gemacht wird. Dieser Annahme entspricht natürlich auch das Minimum der Abnutzung. Ferner folgt aus Gleichung 4), da darin weder f noch Q auftritt, daß die geometrische Form eines Hahnventiles mit gleichförmiger Abnutzung weder vom Materiale des Hahnkörpers und Hahngehäuses, noch von dem Achsendrucke Q abhängig ist. Um weitere Eigenschaften der zu untersuchenden Curve zu ermitteln, sehen wir, indem wir nach Obigem α₁° = 180° annehmen, x² = – a²cos α und bezeichnen das Differenzial des Bogens mit ds. Nun ist hier: cos (π – α) = – cos α = dx/ds zu setzen, daher: x² = (a².dx)/ds oder 6)          ds = a². dx/x², woraus: 7) Textabbildung Bd. 133, S. 337 wenn die den Endpunkten des Bogenstückes s entsprechenden Abscissen bezüglich mit , und x͵͵ bezeichnet werden. Für HB = S ist x͵ = CH = b und x͵͵ = AB = a, mithin 8)          HB = S = a(a–b)/b. Dieser Ausdruck ist sehr bequem zu construiren, denn zieht man (Fig. 20) HP parallel zu AY, macht AP₁ = AP = b, zieht die Gerade BP₁, fällt von P aus die Normale PR gegen BP₁ und verlängert dieselbe bis zum Durchschnitte mit der Geraden BK in K, welche rechtwinkelig auf AB steht, so stellt BK die Länge des Curvenstückes BH dar; denn aus den beiden ähnlichen Dreiecken ABP₁ und PBK folgt: BK : PB = AB : AP₁, BK = AB/AP₁ . BP = a(a–b)/b, also BK = BH = S. Aus Gleichung 6) folgt fernerweit, wenn wir ds = √(dx² + dy²) einführen, 9) Textabbildung Bd. 133, S. 337 (negativ, da y abnimmt, wenn x wächst). Die so erhaltene Differenzialgleichung unserer Curve bezogen auf das rechtwinkelige Coordinatachsensystem AXY mit dem Punkte A als Anfangspunkt gilt auch für eine Curve, welche beschrieben wird, wenn eine an den horizontalen Faden AB (Fig. 20) angeschlossene, träge Masse auf einer horizontalen Ebene mittelst dieses Fadens so fortgezogen wird, daß das zweite Ende A des Fadens auf der Achse AY fortgleitet und die Länge des Fadens stets in der Weise vergrößert wird, daß das zwischen einem Punkte E (x, y) jener Curve und der Achse AY enthaltene Stück der Tangente T₁E, d.h. die variable Fadenlänge = a²/x ist, wenn man wie vorher AB = a, AN = x und NE = y setzt; denn unter Annahme dieser Entstehungsweise erhält man: T₁E/x = ds/dx oder a²/x² = ds/dx (wie in Gleichung 6) und √(dx² + dy²) = a²/x² . dx also 10) Textabbildung Bd. 133, S. 338 Durch Integration der gefundenen Gleichung erhält man, wenn man x und y in Theilen von a ausdrückt, also a als Einheit annimmt: 11) Textabbildung Bd. 133, S. 338 Will man dieses Integral in eine Reihe auflösen, so hat man zur Bestimmung der Konstanten die Beziehung, daß für x = 1 y = 0 wird. Durch Anwendung der Simpson'schen Regel findet man: für x = 1/4    y₁ = 2,3640   „  x = 1/2    y₂ = 0,8381   „  x = 3/4    y₃ = 0,1512 Diese Werthe reichen in der Mehrzahl der Fälle zu einer hinreichend genauen Construction der Curve aus. Berücksichtigt man überdieß, daß für x = 0 y = ∞ wird, also die Achse AY Asymptote unserer Curve seyn muß, so läßt sich letztere, wie Fig. 20 zeigt, leicht construiren; dabei kann man, wie auch hier geschehen ist, Nutzen daraus ziehen, daß die Tangentenlängen T₁E zwischen der Curve und der Achse AY = 1/x d.h. die reciproken Werthe der Abscissen sind. Die praktische Ausführung von Hahnventilen mit gleichförmiger Abnutzung wird jedenfalls erleichtert, wenn man, wie in Fig. 21, nur den etwa innerhalb der Gränzen = 0,314.a und x͵͵ = 0,75.a enthaltenen Theil der Curve zum Hahnprofile benutzt, obwohl dadurch bei gleicher Höhe des Hahnes ein etwas größerer Durchmesser bedingt wird. Legt man bei der Construction von Hahnventilen die in Fig. 21 benutzten Verhältnisse zu Grunde, so ist, wenn man den Durchmesser der Röhrenleitung, in welche der Hahn eingeschaltet werden soll, mit d bezeichnet, der Parameter OZ der zu benutzenden Curve ZR a = OZ = 1,284.d zu machen. Den Abscissen ON₁ = 1/4 OZ,   ON₂ = 1/2 OZ,   ON₃ = 3/4 OZ entsprechen dann die Ordinaten N₁P₁ = 3,035.d; N₂P₂ = 1,076.d; N₃P₃ = 0,194.d; Ferner hat man die halbe Höhe der Durchgangsöffnung CB = CJ = 2/3.d, AC = 0,16.d, CO = CU = 1,236.d, CM = CS = 1,042.d, BD = BE = 0,47.d, JL = JK = 0,15.d, ST = 0,403.d zu machen. Alle diese Werthe werden durch sehr einfache Rechnungen gefunden, indem man von der Annahme ausgeht, daß die Höhe BJ der Durchgangsöffnung (Bohrung) des Hahnes = 4/3 d und der Querschnitt derselben = d²π/4 seyn soll. Das mechanische Moment der Reibung würde sich hier, da Textabbildung Bd. 133, S. 339 zu setzen ist, wo a‚ den Eintauchungshalbmesser MP₃ (Fig. 21) bezeichnet, nach Gleichung 5) ergeben: Textabbildung Bd. 133, S. 339 Fühlt man hierin a‚ = 0,75.a und b = 0,341.a ein, so wird Textabbildung Bd. 133, S. 339 Wäre der Hahn conisch und hätte zum Profile ein Trapez MP₃TS, so würde sich die Größe L auf folgende Weise ergeben. Hier wäre MS = 1,623.a,   MP₃ = a‚ = 0,75.a,   ST = b = 0,314.a zu setzen, und der halbe Convergenzwinkel β des Hahnes zu bestimmen aus der Gleichung tg β = (0,75 – 0,314)/1,623 = 0,436/1,623. Man erhält: β = 15°2'. Wie leicht zu finden, wird nun: Textabbildung Bd. 133, S. 340 so daß durch Anwendung conoidischer Hähne in der That eine kleine Ersparung an Reibungsarbeit erzielt werden kann. Da, wo es sich, wie bei Gelbgießern und in Maschinenbauwerkstätten, darum handelt, eine größere Zahl von Hähnen gleicher Form und Größe zugleich herzustellen, wird man sich zum Ausdrehen der Hahngehäuse und Abdrehen der Hahnkörper eine Lehre oder Schablone aus Blech schneiden, welche zugleich zur Prüfung der Durchmesser und des Profiles des Drehstückes dient; ja es wird sich sogar der Mühe lohnen, hierzu eine Schablone am Support anzubringen, welche den Gang des Drehstahles so bestimmt, daß die gewünschte Curvenform am Drehstücke auf mechanischem Wege erzeugt wird. Die Nachtheile, welche das Einschmirgeln der gewöhnlichen conischen Hähne mit sich bringt und bringen muß, fallen aus leicht zu ermessenden Gründen hier großentheils von selbst weg; der Mehraufwand an Mühe bei der Herstellung von Hähnen mit concavem Mantel wird also nicht so bedeutend seyn, als auf den ersten Anblick erscheint, und wird noch überdieß reichlich aufgewogen. Ich glaube also die Anwendung von Hähnen der besprochenen Form für Wasser und andere Flüssigkeiten, vorzüglich bei hydraulischen Pressen und Wassersäulenmaschinen, bei denen eine bedeutende Druckhöhe vorhanden ist, ferner bei Dampfkesselarmaturen, namentlich aber statt der Scheiben- oder Sectorhähne (Regulatoren) bei Locomotiven empfehlen zu müssen, da sie außer dem Hauptvortheile dauernd dichten Schlusses noch den kleinerer Reibung bieten. 2) Zapfenstifte. Wollte man, wie Schiele und nach ihm Andere vorgeschlagen haben, die Zapfenstifte stehender und anderer Wellen, welche in der Richtung ihrer Achse einen Druck erleiden, nach der Curve der gleichförmigen Abnutzung gestalten, so würde der Arbeitsverlust durch Reibung unter übrigens gleichen Umständen circa dreimal so groß seyn, als bei einem cylindrischen Zapfenstift mit ebener Basis und von gleichem Durchmesser. Denn versteht man unter ω die Winkelgeschwindigkeit eines nach der Curve der gleichförmigen Abnutzung gestalteten Zapfens, dessen größter Halbmesser a, dessen kleinster Halbmesser b ist, so ist – wenn f den bezüglichen Zapfenreibungscoefficienten, Q den Druck in der Achse des Zapfens bedeutet, der Tangentenwinkel des obersten Elementes aber möglichst günstig, d.h. α₁° = 180° genommen wird – nach Gleichung 5) das mechanische Moment der Zapfenreibung: 12) Textabbildung Bd. 133, S. 341 Nimmt man b = 0, d.h. den Zapfen unendlich lang an, so wird L₁ = 2 faωQ. Nimmt man, wie Schiele, an, daß ein abgestumpft conoidischer Zapfenstift nur mit seiner Mantelfläche aufruhe, so wird für b = 1/2a   L₂ = 4/3 faωQ; für b = a, d.h. wenn der Zapfen nur in einer Kreislinie vom Halbmesser a aufruhte, würde L₃ = faωQ seyn.Bei dieser Vergleichung ist natürlich von der im letzten Falle eintretenden Schneiden-Reibung als solcher abgesehen. Bei einem cylindrischen Zapfenstifte vom Halbmesser a mit ebener Basis würde L₄ = 2/3 faωQ werden; L₁ ist also dreimal, L₂ zweimal, und der in der Praxis nicht vorkommende Werth L₃ immer noch 3/2 mal so groß als L₄. Man ersieht aus dieser Vergleichung, daß, gerade so wie bei Spitzzapfen, nur dann bei conoidischen Zapfenstiften der beregten Art auf eine Ersparniß an Arbeit in Vergleich gegen cylindrische Zapfenstifte gerechnet werden darf, wenn man den Eintauchungshalbmesser a möglichst klein macht, hierin setzt aber die Vorsicht gegen zu schnelle Abnutzung Gränzen.