Titel: Titrirung der gebundenen Schwefelsäure auf alkalimetrischem Wege; von Carl Mohr in Coblenz.
Fundstelle: Band 133, Jahrgang 1854, Nr. LXXXVIII., S. 363
Download: XML
LXXXVIII. Titrirung der gebundenen Schwefelsäure auf alkalimetrischem Wege; von Carl Mohr in Coblenz. Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, 1854, Bd. XC S. 165. Mohr, über Titrirung der gebundenen Schwefelsäure auf alkalimetrischem Wege. Die bisherigen Bestimmungen der Schwefelsäure auf maaßanalytischem Wege befriedigten die Anforderungen an diese Methode entfernt nicht. Die von Gay-Lussac vorgeschlagene Ausfällung mit einer Chlorbariumlösung von bestimmtem Gehalt ist wohl ganz unausführbar, da man wegen des schwebenden Niederschlages die Wirkungen neuer Zusätze nicht erkennen kann, und die neue, von Schwarz angegebene, sehr sinnreiche Methode ist, obgleich im Princip ganz richtig, dennoch, wie der Verfasser selbst zugibt, zu weitläufig, als daß sie eine Anwendung in der Technik verspräche. Bei Gelegenheit einer Untersuchung über die Bestimmung der Kohlensäure nach der Methode meines Vaters, welche in einer Titrirung des kohlensauren Baryts bestand, kam ich auf den Gedanken, ob sich dieselbe Methode nicht zur Bestimmung der Schwefelsäure anwenden ließe. Es wird nämlich die Kohlensäure unter allen Umständen an Baryt gebunden und dieser nach dem Auswaschen mit Normalsalpetersäure (1 Aeq. in Grammen aufs Liter) und einem gleich starken Natron titrirt. Hat man eine bestimmte Menge Barytsalz abgewogen, und vor dem Fällen desselben mit kohlensaurem Ammoniak oder Natron eine unbekannte Menge eines schwefelsauren Salzes zugesetzt, so wird eine dem schwefelsauren Salze entsprechende Menge des Barytsalzes niedergeschlagen werden, und nach dem Fällen mit kohlensauren Alkalien eine kleinere Menge kohlensauren Baryts erhalten werden. Aus dem fehlenden kohlensauren Baryt berechnet sich die Schwefelsäure mit derselben Bestimmtheit, womit sich der kohlensaure Baryt bestimmen läßt. Die Titrirung des kohlensauren Baryts geschieht in der folgenden Art. Ist die Kohlensäure an Alkalien gebunden, so werden diese mit Chlorbarium gefällt. Der ausgewaschene Niederschlag, welcher die Kohlensäure in Form von kohlensaurem Baryt enthält, wird mit Lackmustinctur versetzt und mit einer reinen Salpetersäure vom Normalgehalt im Ueberschuß versetzt, die Kohlensäure weggekocht und dann mit Aetznatron rückwärts titrirt. Es fällt jedesmal Barythydrat nieder, welches sich in der freien Säure wieder löst, bis letztere abgestumpft ist; alsdann tritt sogleich die blaue Farbe ein. Da alle Normalflüssigkeiten denselben Gehalt haben, nämlich 1 Aeq. (H = 1) in Grammen aufs Liter, so stellt jeder Kubikcentimeter der Probeflüssigkeiten 1/1000 Aeq. vor, und man hat in allen Fällen die beobachteten Kubikcentimeter mit dem 1000sten Theil des Aequivalentgewichtes desjenigen Körpers zu multipliciren, den man in Untersuchung hat, um diesen in Grammen ausgedrückt zu erhalten. Ich will sogleich einen concreten Fall vornehmen. 3 Grm. fein zerriebener trockener salpetersaurer Baryt wurden mit kohlensaurem Ammoniak und Aetzammoniak kochend zersetzt, filtrirt und ausgewaschen, bis das ablaufende Wasser nicht mehr auf rothes Lackmuspapier wirkte. Das nasse Filtrum wurde mit dem Niederschlag in die Flasche zurückgebracht, Lackmustinctur hinzugefügt und aus der Bürette 25 Kubikcentimeter Normalsalpetersäure zugesetzt. Nach dem Wegkochen der Kohlensäure wurde mit Natron rückwärts titrirt und genau 2 Kubikcentimeter verbraucht. Es waren also 23 Kubikcentimeter Normalsalpetersäure gesättigt worden. Das Aequivalentgewicht des salpetersauren Baryts ist 130,54. Multipliciren wir den tausendsten Theil davon oder 0,13054 mit 23, so erhalten wir 3,00242 salpetersauren Baryts statt 3 Grm., welche in Anwendung genommen waren. Es geht daraus hervor, daß die Normalflüssigkeiten ganz richtig gestellt sind. weil sie die in Arbeit genommenen Mengen wieder ausgeben. Es wurden nun wieder 3 Grm. salpetersauren Baryts abgewogen und demselben in viel Wasser gelöst 1,5 Grm. trockenes schwefelsaures Kali zugesetzt. Nachdem sich der schwefelsaure Baryt gebildet hatte, wurde der Rest des Barytsalzes mit kohlensaurem Ammoniak kochend gefällt. Beide Fällungen müssen in der Siedehitze ausgeführt werden, indem, nach der Angabe von Mitscherlich, bei der Fällung in der kalten Lösung bis zu 5 Procent salpetersaurer Baryt dem schwefelsauren beigemengt ist. Es stellte sich als sehr günstig heraus, daß man nicht vom schwefelsauren Baryt abzufiltriren braucht, indem das kohlensaure Alkali den schwefelsauren Baryt in dieser Verdünnung nicht zersetzt. Der gemischte Niederschlag wurde auf ein Filtrum gebracht, die trübe Flasche sowie das Filtrum gut mit heißem Wasser gewaschen und dann das Filtrum sammt dem gemischten Niederschlag in die Fällungsflasche zurückgebracht. Der schwefelsaure Baryt stört die Erkennung der Sättigung gar nicht, indem die rothe und blaue Farbe auf dem weißen Untergrund sehr deutlich erscheinen. Das Filtrum löst man durch Schütteln in Fetzen auf. Die Operation vermeidet dadurch das Reinigen der Fällungsflasche von dem anhaftenden Niederschlage, weil die titrirende Säure in dieselbe Flasche kommt und das Abspritzen des Niederschlages vom Filter ist weniger sicher und leicht, als das Zerreißen desselben. In die Flasche wurden 10 Kubikcentimeter Normalsalpetersäure gebracht, wodurch die Lackmustinctur hellroth gefärbt wurde. Um die blaue Farbe zu erzeugen, waren 4,3 Kubikcentimeter Natron erfordert worden. Es sind also von dem kohlensauren Baryt 10 – 4,3 = 5,7 Kubikcentimeter Normalsalpetersäure gesättigt worden. Hätten wir kein schwefelsaures Kali zugesetzt, so wären, wie im ersten Falle, 23 Kubikcentimeter gebraucht worden. Es sind also 23 – 5,7 = 17,3 Kubikcentimeter Normalsalpetersäure weniger gebraucht worden. Das Aequivalentgewicht des schwefelsauren Kali ist 87,2 und 17,3mal 0,0872 ist 1,5086 Grm. Wir haben also 1,5086 Grm. schwefelsaures Kali statt der angewendeten 1,500 Grm. gefunden. 4 Grm. salpetersaurer Baryt und 2 Grm. schwefelsaures Kali wurden in Arbeit genommen. Wenn 3 Grm. salpetersaurer Baryt 23 Kubikcentimeter Säure entsprechen, so mußten 4 Grm. 30,667 Kubikcentimeter Salpetersäure erfordern; es wurden aber nur 7,7 Kubikcentimeter verbraucht, folglich sind 22,967 Kubikcentimeter Säure durch das schwefelsaure Kali weniger gebraucht worden. 22,967. 0,0872 = 2,0027 Grm., statt 2 Grm. schwefelsaures Kali, welche angewendet waren. Da die jedesmalige Abwägung des salpetersauren Baryts zu mühsam erschien, so wurde eine titrirte Lösung von Chlorbarium versucht. Dieses Salz wurde in krystallisirtem Zustand luftrocken dargestellt und 1 Aequiv. = 121,96 Grm. auf ein Liter gelöst. Diese Flüssigkeit mußte jetzt so stark seyn, als die Normalsalpetersäure. Es wurden deßhalb 10 Kubikcentimeter der Chlorbariumlösung pipettirt, mit kohlensaurem Ammoniak kochend gefällt und der kohlensaure Baryt titrirt. Es wurden 10,09 Kubikcentimeter und 9,95 Kubikcentimeter, im Mittel 10,025 Kubikcentimeter Salpetersäure gebraucht. Diese Uebereinstimmung ist genügend, um die bereitete Chlorbariumlösung als vom richtigen Titre anzusehen. Es wurde deßhalb zu den folgenden Versuchen diese Lösung verwendet. 1 Grm. trockenes schwefelsaures Natron wurde mit einer überschüssigen Menge dieser Flüssigkeit, die man in diesem Falle berechnen konnte, versetzt. Es wurden 20 Kubikcentimeter davon mit einer Pipette herausgenommen. Der noch aus dem Reste niedergeschlagene kohlensaure Baryt, in beschriebener Art titrirt, forderte 5,9 Kubikcentimeter Säure. Diese von 20 Kubikcentimeter abgezogen, lassen 14,13 Kubikcentimeter übrig und diese mit 0,0712, dem 1000sten Theil des Aequivalentgewichts des schwefelsauren Natrons, multiplicirt, geben 1,006 Grm. statt 1 Grm. Derselbe Versuch wiederholt gab 0,9989 statt 1 Grm., also noch übereinstimmender. Die Zuverlässigkeit der Methode ist hierdurch genügend bewiesen. Es wurde deßhalb die Schwefelsäurebestimmung zu technischen Untersuchungen in Aussicht genommen und bei Gegenwart größerer Mengen fremder Salze geprüft. Ich machte mir ein Gemenge von 4 Theilen reinem kohlensaurem Natron und einem Theil trockenem Glaubersalz. In 2,5 Grm. dieses Gemenges sind also 0,5 Grm. schwefelsaures Natron enthalten. Das kohlensaure Natron wurde mit reiner Salzsäure gesättigt, dann 10 Kubikcentimeter Normal-Chlorbariumlösung zugesetzt und wie bekannt der kohlensaure Baryt titrirt. Er brauchte 2,98 Kubikcentimeter Säure. Die Differenz beträgt 7,02 Kubikcentimeter Säure. 7,02. 0,0712 gibt 0,49982 Grm. schwefelsaures Natron, statt 0,5 Grm. Es fehlt also noch nicht 2/10 Milligramm. 2 Grm. Landpotasche von der Mosel wurden gelöst mit Salzsäure übersättigt, mit 10 Kubikcent. Normal-Chlorbariumlösung versetzt und wie oben behandelt. Es wurden 4,17 Kubikcent. Salpetersäure gesättigt. Die Differenz entspricht dem schwefelsauren Kali, 5,83. 0,0875 ist 0,50013 Grm. schwefelsaures Kali. Der Versuch mit derselben Potasche wiederholt gab 0,513 Grm. schwefelsaures Kali. Beide Angaben stimmen gut mit einander überein und ergeben einen Gehalt von 25 Proc. schwefelsaurem Kali, was auch mit anderen Resultaten der Bearbeitung dieser Potasche stimmt. Dieselbe enthält nur 68 Procent kohlensaures Kali. Um die Schwefelsäure in solchen Salzen zu bestimmen, deren Basen mit Kohlensäure unlösliche Verbindungen geben, muß die Basis mit kohlensaurem Natron gefällt werden. Wenn diese Zersetzung vollständig ist, so enthält das Filtrat die ganze Menge der Schwefelsäure als schwefelsaures Natron im Ueberschuß mit kohlensaurem Natron. Man hat also die Zusammensetzung einer rohen Soda und behandelt sie auch ebenso. Es wird mit Salzsäure übersättigt, mit Chlorbariumlösung gefällt und der Rest des Barytsalzes alkalimetrisch bestimmt, wie oben. 1 Grm. Zinkvitriol wurde mit reinem kohlensaurem Natron kochend gefällt, filtrirt, angesäuert, mit 20 Kubikcentimeter Normalchlorbarium gefällt und zu Ende geführt. Der niedergeschlagene kohlensaure Baryt sättigte 13 Kubikcentimeter. Es sind also nur 20 – 13 = 7 Kubikcentimeter Säure weniger durch die schwefelsaure Verbindung gebraucht worden. Das Aequivalentgewicht des krystallisirten Zinkvitriols ist 143,2. 7mal 0,1432 gibt 1,002 Grm., statt 1 Grm. Zinkvitriol. 2,082 Grm. Kupfervitriol wurden ebenso wie der Zinkvitriol bestimmt. 20 Kubikcentimeter Chlorbariumlösung wurden zur Fällung der Schwefelsäure verwendet. Der kohlensaure Baryt wurde mit 3,38 Kubikcentimeter Salpetersäure abgestumpft. Die Differenz der Kubikcentimeter mit dem 1000sten Theil des Aequivalentgewichts des Kupfervitriols multiplicirt ergibt 2,077 Grm., statt 2,082 Grm. Kupfervitriol. Bei dieser Analyse hat man nur eine Filtration mehr und ein sorgfältiges Auswaschen, bis das ablaufende Wasser keine Schwefelsäure mehr enthält. Dadurch vermehren sich die Flüssigkeiten in einem größeren Maaße. Man setzt der alkalischen filtrirten Flüssigkeit einige Tropfen Lackmustinctur zu, wodurch diese einen leichten Stich ins Blaue erhält. Vermittelst dieser Färbung kann man die Säuerung mit Salzsäure bis eben nur über die Gränze der Neutralität treiben, und ebenso auch nachher die Fällung des noch vorhandenen Barytsalzes mit kohlensaurem Natron. Die vorstehend beschriebene Methode der Bestimmung der gebundenen Schwefelsäure schließt sich ganz an die Alkalimetrie an, und ihre Resultate haben dieselbe Zuverlässigkeit, wie die alkalimetrischen Resultate. Die Operation ist sehr einfach und schnell auszuführen, so daß diese Methode sich gerade für Techniker, wie Sodafabrikanten, vorzüglich eignet.