Titel: Ueber die Gesetze des Ausströmens der Gase durch die Poren des Cements und über die Anwendung von Cementröhren als Leitung für Leuchtgas; von Hrn. Viard.
Fundstelle: Band 134, Jahrgang 1854, Nr. XCIX., S. 358
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XCIX. Ueber die Gesetze des Ausströmens der Gase durch die Poren des Cements und über die Anwendung von Cementröhren als Leitung für Leuchtgas; von Hrn. Viard. Aus den Comptes rendus, Octbr. 1854, Nr. 17. Viard, über die Gesetze des Ausströmens der Gase durch die Poren des Cements. Zu Grenoble wurde eine Röhre zur Leitung von Leuchtgas, auf der Stelle selbst, aus einem Gemenge von gleichen Theilen Cement, Sand und Geschieben angefertigt, und nachdem ich mich überzeugt hatte, daß diese Röhren für die Gase nicht undurchdringlich sind, habe ich die von der Porosität des Materials herrührenden Gasverluste gemessen. Zur Messung derselben wurden mehrere Verfahrungsarten nach einander angewendet; die einfachste und genaueste aber bestand darin, jede Röhre an ihrem oberen Ende zu verstopfen, an ihrem unteren Ende einen Vorstoß von Glas anzukitten, dessen erweiterter Theil sich im Innern der Röhre, und dessen Hals sich außerhalb derselben befand; ferner an der Seite eine kleine gläserne Röhre einzuführen, deren äußerer Theil mit einer Mariotte'schen mit Wasser gefüllten Flasche in Verbindung stand und deren innerer Theil das Wasser in den Vorstoß ausgoß. Es ist einleuchtend, daß, wenn der Vorstoß verpfropft wurde, nachdem eine erste Periode schnellen Ausströmens das eingeschlossene Gas zusammengepreßt hatte, dann die in einer bestimmten Zeit ausgeflossene Wassermenge das Gasquantum maß, welches die Röhre in derselben Zeit verloren hatte. Der Druck wurde entweder durch ein Wassermanometer bestimmt, oder durch die Entfernung des untern Theils der Röhre an der Mariotte'schen Flasche bis zur Ausflußöffnung. Sieben Reihen von Versuchen, welche auf diese Weise mit sieben verschiedenen Röhren angestellt wurden, nämlich fünfzig Versuche unter einem Druck der von 1,7 Centimeter bis 2,22 Meter wechselte, ergaben: 1) daß die Ausströmungs-Geschwindigkeit einfach dem Druck proportional ist; 2) daß das Verhältniß der Ausströmungs-Geschwindigkeiten des Leuchtgases und der Luft zwischen 1,58 und 1,54 beträgt. Es muß bemerkt werden, daß diese Resultate ähnlich denen sind, welche Girard für den Ausfluß der Gase durch lange Röhren erhielt, wobei der Einfluß der Reibung zu berücksichtigen ist. Die Untersuchung der Veränderung, welche eine Röhre in Beziehung auf ihre Durchdringlichkeit erleidet, in dem Maaß als sie seit längerer Zeit fabricirt ist, bot große Schwierigkeiten dar, denn die Resultate schienen mir anfangs widersprechend. Einerseits fand ich, daß die Durchdringlichkeit einer in meinem Laboratorium gebliebenen Röhre mit der Zeit immer zunahm, so daß sie z.B. nach Verlauf eines Monats zwanzigmal größer werden konnte, während die Röhren von verschiedenem Alter, welche ich in hergestellten Leitungen herausschneiden ließ, zur Zeit ihres Herausnehmens eine um so geringere Durchdringlichkeit ergaben, je älter sie waren. Directe Versuche bewiesen, daß der Unterschied daher rührte, daß im erstem Fall die in der Luft gebliebenen Röhren austrockneten, während im zweiten Fall der Cement dichter wurde, indem er Wasser absorbirte und sich mit einem Theil desselben sogar chemisch verband. Man muß daher annehmen, daß unter den Verhältnissen, in denen sich eine Gasleitung befindet, die Durchdringlichkeit sich vermindern wird, mehr oder weniger, je nach der Feuchtigkeit der Erde, worin die Röhre liegt. Unabhängig von diesen beiden Einflüssen, dem Alter und dem Feuchtigkeitszustande der Röhren, gibt es noch einen dritten, welcher auffallend hervortritt, wenn man die Durchdringlichkeit einer großen Anzahl von Röhren vergleicht; es ist dieß die Art und Weise ihrer Verfertigung. Man weiß aus den Versuchen Vicat's, daß die hydraulischen Mörtel und Cemente, wenn sie dick angerührt wurden, viel dichter sind und weit weniger Wasser absorbiren, als wenn sie dünn angerührt wurden. Man begreift daher, daß die erstem weniger durchdringlich seyn müssen, als die letztern. Ich habe dieß durch directe Versuche bestätigt gefunden. Die Unterschiede zeigen sich hauptsächlich wenn die Röhren austrocknen, und in den äußersten Fällen stieg das Verhältniß auf 20. Man hätte befürchten können, daß beim Zusammenkitten mehrerer Röhren deren Durchdringlichkeit sehr groß würde; eine Röhre mit vier gekitteten Stellen ergab mir jedoch keine merklich größeren Verluste als eine gleichzeitig angefertigte ganze Röhre. Ich habe auch die chemische Einwirkung untersucht, welche das Leuchtgas auf den Cement ausübt, und nach Untersuchung von zwei Jahre alten Röhren, kann ich versichern, daß sie bloß oberflächlich statt findet und keinen nachtheiligen Einfluß auf die bekannte Festigkeit derartiger Röhren hat. Nach Versuchen mit denselben Röhren endlich, welche in einer Leitung herausgeschnitten wurden, die damals zwei Jahre im Gebrauch war und jetzt vier Jahre im Gebrauch steht, betrug der Verlust durch Porosität allein 0,33 Liter per Quadratmeter und per Stunde unter dem Druck von 0,7 Meter; und dieser Verlust würde sich unter dem Druck von 3 Centimeter Wasser, welcher der gewöhnliche in den Gasometern ist, auf 0,02 Liter reducirt haben. Aus diesen Versuchen und nach einer vor vier Jahren bei Grenoble angestellten praktischen Probe scheint hervorzugehen, daß die Cementröhren Hinsichtlich deren Anfertigung verweisen wir auf das bewährte Verfahren der Gebrüder Born in Erfurt, welches S. 136 in diesem Bande des polytechn. Journals beschrieben ist. A. d. Red. bei Gasleitungen mit Vortheil angewendet werden können. In Folge der zu schnellen Ausführung der Leuchtgasleitung zu Grenoble ist dieses Resultat jedoch noch nicht ganz sicher.