Titel: Ueber die Leistungen der Versuchs-Seidenzuchtanstalt zu Sainte-Tulle im J. 1854; von den HHrn. Guérin-Mèneville und Eug. Robert.
Fundstelle: Band 134, Jahrgang 1854, Nr. CXI., S. 392
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CXI. Ueber die Leistungen der Versuchs-Seidenzuchtanstalt zu Sainte-Tulle im J. 1854; von den HHrn. Guérin-Mèneville und Eug. Robert. Aus den Comptes rendus, August 1854, Nr. 7. Ueber die Leistungen der Versuchs-Seidenzuchtanstalt zu Sainte-Tulle im J. 1854. Wie im vorigen Jahre, hatten wir wieder gegen die traurigen Wirkungen einer seit mehreren Jahren unter unsern schönen französischen Seidenwürmer-Racen herrschenden Epidemie zu kämpfen. Diese die Ernten in Frankreich bedeutend schmälernde allgemeine Krankheit hat im gegenwärtigen Jahre auch Spanien erreicht, woher man bisher sehr gute Seidenwurm-Eier sich verschaffte, um diejenigen möglichst zu ersetzen, welche die geschicktesten Seidenzüchter nicht mehr aus den bei uns (in Frankreich) geernteten Cocons zu ziehen wagen. Unsere Züchter werden daher im nächsten Jahre gezwungen seyn, sich ausschließlich von Italien her zu versorgen, dem einzigen Land des westlichen Europa's, wohin die Eierkrankheit noch nicht in bedenklicher Weise gedrungen zu seyn scheint. Aus diesen Thatsachen geht klar hervor, daß diese Seuche (gattine) sich jedes Jahr weiter verbreitend, in Gegenden dringt, wo man sie bisher noch nicht beobachtet hatte, so daß sie möglicherweise nach und nach sich über alle seidenzüchtenden südlichen Länder verbreiten und folglich der Seidenindustrie einen unheilbaren Schlag versetzen kann. Es leuchtet ein, daß dieser Zustand unsere Lage zu einer sehr schwierigen macht. Vor der Epidemie bemühten wir uns hauptsächlich, diejenigen Racen aufzusuchen, welche unserem Clima am besten zusagen, sie durch rationelle Mittel zu verbessern und die Acclimatisirung derjenigen zu versuchen, welche gute Resultate versprachen. In dieser Zeit der Epidemie aber, welche das Thierreich und das Pflanzenreich gleich heimsucht, kann unser Streben nur dahin zielen, die französischen Racen und diejenigen welche wir nach 15jähriger mühevoller Arbeit acclimatisirt und verbessert haben, vom Untergange zu retten. Erst wenn, wir diesen Kampf nicht mehr zu bestehen haben werden, können wir unsere früheren Bemühungen wieder aufnehmen. Alle Seidenzüchter und Industriellen wissen, daß die französischen Racen die geschätztesten sind, daß ihre Cocons einen um 12 bis 15 Procent höhern Werth haben als solche von fremden Racen, und daß diese Cocons allein jene schöne Seide liefern, welche den Lyoner und überhaupt den französischen Seidenwaaren den seit so langer Zeit ihnen einstimmig zuerkannten Vorzug sicherten. Die Spinner und Fabrikanten beklagen die Einführung fremder Racen bei uns, diese traurige Folge der unsere Racen verheerenden Epidemie; denn in Folge derselben hat sich der Preis der Seide aus unseren besten Spinnereien demjenigen vieler fremden Sorten gleich gestellt, welche früher den Vergleich mit den unserigen nie bestehen, noch deren Preis erreichen konnten. Der Einfluß der in Frankreich nun bald seit sechs Jahren herrschenden Seuche hat nachgerade die Seidenzucht aus in Frankreich erzeugten Eiern sehr schwierig und zu einem sehr gewagten Unternehmen gemacht. Nur durch ganz besondere Aufmerksamkeit und häufiges Ausschießen der von der Krankheit befallenen Individuen kann man zu einem befriedigenden Erfolge gelangen. Diese, in gewissen Fällen und an gewissen Orten unüberwindlichen Schwierigkeiten erklären die Verschiedenheit der Resultate jener Züchter, welche Eier aus der Sainte-Tuller-Anstalt anwandten. In der Anstalt zu Ste.-Tulle erhielt man durchschnittlich sehr befriedigende Resultate. Wir bekamen vortreffliche, sehr schöne Cocons, aus welchen wir die zur Fortpflanzung für das nächste Jahr bestimmten sorgfältig wählten. Die Eier wurden, wie im vorigen Jahr, nach den bewährtesten Vorschriften erzeugt. Außer diesen, von der Regierung angeordneten Arbeiten stellten wir auch, wie seit acht Jahren, zahlreiche Versuche über die besten Zuchtmethoden und Untersuchungen über die verschiedenen Seidenwürmer-Racen an, welche bei der jetzt die Seidenindustrie bedrohenden Gefahr nothwendiger sind als je. Nur auf diesem Wege dürfte in mehr oder weniger ferner Zeit die Lösung vieler wichtigen Fragen gelingen, welche bisher ihre Erledigung nicht finden konnten.