Titel: Die Kessel des Dampfschiffes „Arctic“.
Fundstelle: Band 134, Jahrgang 1854, Nr. CXIV., S. 404
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CXIV. Die Kessel des Dampfschiffes „Arctic“. Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, Nov. 1854, S. 397. Ueber die Kessel des Dampfschiffes „Arctic“. Hr. Prosser hielt in der Versammlung der mechanischen Ingenieure zu Birmingham einen Vortrag über überhitzten Dampf, wobei er hauptsächlich die Construction der Kessel des „Arctic“ besprach, welcher so eben Liverpool bei Beginn seiner letzten Reise verlassen hatte. Der Hauptzweck seiner Abhandlung war, zu zeigen daß die große Quelle der Schwierigkeiten und Gefahren bei der Benutzung des Dampfes weit mehr in der hohen Temperatur, als in dem hohen Druck desselben zu suchen ist, und daß unter übrigens gleichen Verhältnissen dasjenige Medium, welches zur Hervorbringung eines gegebenen Drucks die höchste Temperatur erfordert, das schwierigste und gefährlichste bei der Anwendung als Triebkraft ist. Bei den Kesseln des „Arctic“ hatte man den Plan befolgt, den Dampf, nachdem er erzeugt war, noch anderweitig zu erhitzen, und dieß erklärt Hr. Prosser als im Princip unrichtig und einen größern Brennmaterialaufwand veranlassend. Um die Erhitzung des Dampfs zu bewerkstelligen, wurde ein Theil desselben durch gußeiserne Röhren getrieben, welche sich in dem Kesselofen befanden, und nachdem der Dampf in denselben erhitzt worden war, wurde er mit dem andern Antheil, welcher nicht so erhitzt worden war, wieder vereinigt und strömte dann in die Dampfbüchse und in den Cylinder. Die äußerlich 5 Zoll weiten Röhren waren hinten und vorne horizontal in jedem Ofen angebracht, an jeder Seite eine; die untern standen mit den obern durch senkrechte Röhren von gleichem Durchmesser, mittelst Knieröhren von geschmeidigem (getempertem) Gußeisen, in Verbindung. Die Anwendung von erhitztem Dampf ist im Princip nichts Neues, denn sie wurde bereits von Watt ins Werk gesetzt, aber als unnütz wieder aufgegeben. Verschiedene andere Maschinenbauer haben seitdem den Plan als neu wieder aufgenommen und durch irrige Versuche dessen Vortheile zu beweisen gesucht; Hr. Prosser behauptet dagegen, es sey gar kein Vortheil dabei den Dampf zu erhitzen, sondern im Gegentheil Verlust. Er ging hauptsächlich auf die Versuche und Berechnungen ein, welche zu dem Entschluß führten, das „Gemisch“ von Dampf und erhitztem Dampf beim Betriebe des „Arctic“ anzuwenden. Diese Versuche und Berechnungen sind im Jahrgange 1854 des Journal of the Franklin Institute ausführlich mitgetheilt; sie wurden von Hrn. Isherwood nach den Notizen des Hrn. Martin zusammengestellt; sie hatten den Zweck, die Vortheile des erhitzten Dampfs vor dem normalen und diejenigen der erwähnten Mischung vor jenen beiden bei ihrer Anwendung in Dampfmaschinen darzuthun, mögen letztere mit oder ohne Condensation arbeiten. Nun wird man aber bei einigem Nachdenken gewahr werden, daß wenn überhaupt etwas bewiesen wurde, es gerade das Gegentheil von den aus den Versuchen gezogenen Folgerungen ist. Die Benutzung der Hochdruckdämpfe hielt man lange für gefährlich, sie sind es aber weniger wegen ihres Drucks als wegen ihrer hohen Temperatur, und bei den erwähnten Versuchen ergab sich auch, daß der Filzmantel der Dampfröhre verbrannt wurde. Der „Arctic“ erhielt 16 Doppelöfen in vier Kesseln. Jeder Doppelofen befand sich in einer Röhrenkammer und hatte eine Heizoberfläche von etwa 1000 Fuß, durch welche etwa 1000 (Fahrenheit'sche) Wärmegrade dem Wasser im Kessel mitgetheilt wurden, die dasselbe in Dampf verwandelten. Die Dampfheizer in jedem Doppelofen setzten ungefähr 50 Quadratfuß der directen Einwirkung des Feuers aus, und die hinzukommende Heizoberfläche wurde zu 5 Procent von der ganzen, welche die Kessel vorher hatten, angenommen. Der mittlere angewendete Druck betrug etwa 16 Pfd. über dem atmosphärischen. Die Dichtigkeit des Dampfes würde daher ungefähr 1/856 von der des Wassers seyn, und jene hinzugekommene Heizfläche dürste die Dichtigkeit um etwa 5 Proc. steigern, und die entsprechende Steigerung der Spannung beträgt 2 Pfd., oder mit andern Worten, wir dürfen auf einen Gewinn von etwa 7 Proc., bei einem größeren Brennmaterial-Verbrauch von nur 5 Proc. oder von 4 Ton. täglich rechnen, wenn wir den gewöhnlichen (jetzigen) Verbrauch von 80 Ton. in 24 Stunden annehmen. Man wollte aber die Hitze nicht so, sondern zur Erhitzung des Dampfes verwenden. Da nun der Dampf nur ungefähr 1/4 der specifischen Wärme des Wassers hat, so folgt, daß durch den Dampf oder das Wasser der vergrößerten Oberfläche nicht dieselbe Wärmemenge in dem gleichen Zeitraum entzogen werden kann. Selbst unter der unmöglichen Annahme, daß der Dampf dieselbe Dichtigkeit wie das Wasser hat, kann das Absorptionsvermögen (für die Wärme) nur 1/4, oder gleich der specifischen Wärme des Dampfes im Vergleich mit Wasser seyn, es erfordert daher nur die Verbrennung von 1 Tonne statt 4 Tonnen Steinkohlen per Tag, da der Dampf nicht mehr Wärme aufzunehmen vermag. Da nun die Dichtigkeit des Dampfes nur 1,800 von derjenigen des Wassers beträgt und die Hälfte des ganzen erzeugten Dampfs durch die Dampfheizer geleitet wird, so folgt, daß die Geschwindigkeit 400 Mal größer seyn muß, als in dem Falle wo Wasser statt des Dampfs erhitzt wird. Hr. Prosser hat somit gezeigt, erstlich daß diese Versuche gar keinen Werth haben, weil sie einen nicht möglichen Fall betreffen; und zweitens, daß die Beigabe von 5 Procent Heizfläche zu einem Kessel weit wirksamer seyn wird, wenn sie auf dem gewöhnlichen Wege zur Verdampfung des Wassers und folglich zur Vergrößerung der Spannung des Dampfes angewendet wird, als wenn man sie zum Erhitzen des Dampfs benutzt. Der große Vortheil bei Anwendung des Wassers als Medium zur Wärmeaufnahme besteht in seiner großen Dichtigkeit im Vergleich mit seinem Dampf; und diese, nebst der großen Menge latenter Wärme im Wasserdampf, ist eine Hauptquelle der Sicherheit, indem dadurch die Gefahr vermieden wird, welche mit einer plötzlichen Zunahme der Wärme verbunden ist; das Wasser absorbirt nämlich dieselbe, ohne den gefährlichen Zustand der Schwächung des Metalles herbeizuführen, welchen eine wiederholte Ueberhitzung desselben nothwendig veranlassen muß, wenn wir auch die Verminderung der Festigkeit in Folge der etwas höheren Temperatur, als sie gewöhnlich in den Dampfheizern angewendet wird, unberücksichtigt lassen wollen. Dampf wird sogleich verdichtet, wenn er mit irgend einem Körper in Berührung kommt, der kälter als er selbst ist, und dadurch entsteht ein ungeheurer Verlust, welchen Manche durch Anwendung des erhitzten Dampfes vermeiden zu können glaubten. Dieses Mittel ist jedoch mit Schwierigkeiten und Gefahren verbunden, welche Wenige kennen und die noch größer sind als bei Anwendung von Dampf mit sehr hohem Druck. Schließlich empfiehlt Hr. Prosser die Anwendung von Hochdruckdämpfen, mit Expansion und mit Kondensation ohne Luftleere, bei Meeresdampfschiffen. Hochdruckdämpfe, sagt er, sind stets trocken, wenn sie unter gewöhnlichen Umständen mit Expansion benutzt werden, und wenn überdieß der Dampfcylinder einen Dampfmantel hat, so ist es mehr als wahrscheinlich, daß man ohne Steigerung der Gefahr eine viel größere Ersparung erlangen wird, als bei der Benutzung von erhitztem Dampf.