Titel: Ueber die Vertilgung des Weinstock-Fallkäfers; von Hrn. P. Thenard.
Fundstelle: Band 135, Jahrgang 1855, Nr. XXXV., S. 151
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XXXV. Ueber die Vertilgung des Weinstock-Fallkäfers; von Hrn. P. Thenard. Aus den Comptes rendus, Nov. 1854, Nr. 19. Thenard, über die Vertilgung des Weinstock-Fallkäfers. Der Weinstock-Fallkäfer (Eumolpus vitis, Latr.; Cryptocephalus vitis, Geoffr) ist ein an Gestalt, Farbe und Gewohnheiten dem Maikäfer ähnlicher Hornflügler, welcher wie dieser zu bestimmten Zeiten wiederkehrt; der Größe nach aber erreicht er kaum das sogenannte Herrgottsvögelchen. Er wird in Frankreich auch Ecrivain (Schreiber) genannt, weil er auf den Blättern und andern grünen Theilen des Weinstocks, von denen er sich nährt, Spuren zurückläßt, wie man sie mit einer Feder ohne Tinte erhielte, deren beide Spitzen wohl offen sind. Dieser leichten Verwundung der grünen Theile des Weinstocks wurde der von diesem Thierchen angerichtete Schade zugeschrieben, welcher oft so groß war, daß man nach 10 Jahren schon einen Stock ausreißen mußte, der sonst wohl 30 Jahre kräftig getragen hätte. Um zu ermitteln, ob darin wirklich der Grund des Nebels lag, oder ob etwa andere Organe tiefer verletzt werden, stellte ich im Jahr 1845 in meinem Weinberg zu Buny (bei Chalon- sur Saône) eine Untersuchung an. Ich fand an den ergriffenen Weinstöcken die Rinde, das Holz und Mark in Ordnung. Die Wurzeln aber waren bei den meisten erkrankten Stöcken bedeutend verletzt, bei den gesunden nicht. Diese Verletzungen waren ganz gleicher Art wie bei den grünen Theilen. Die Wurzeln also sind der Sitz der Krankheit. Dieselben werden nicht von dem ausgebildeten Insect, sondern von dessen Larve befallen, welche wie jene des Maikäfers, sich in der Erde aufhält. Als ein Mittel gegen diese Krankheit, welches für die Larve ein Gift ist, ohne der Pflanze zu schaden, wählte ich zuerst Schwefelcalcium (durch Glühen von Gyps mit Kohlenpulver bereitet), gab es aber wieder auf, ohne den Erfolg ganz abzuwarten, um ein anderes zu versuchen, das in reichlicher Menge zu haben, leicht an Ort und Stelle zu schaffen ist, und sehr kräftig als Gegenmittel und zugleich als Dünger wirkt. Da bekanntlich die ätherischen Oele auf die Insecten tödtlich wirken, so mußten die Oelpreßkuchen der Cruciferen (kreuzblüthigen Pflanzen) hier von sehr guter Wirkung seyn, was sich auch bestätigte. Es ist dabei aber vorzüglich zu beachten, daß die Oelsamen vor dem Auspressen nicht über 64° R. erwärmt werden, weil sie sonst kein ätherisches Oel mehr enthalten, und daß ihnen ferner zum Ausziehen des Oels mittelst der Presse, möglichst wenig, höchstens 1 bis 2 Procent, Wasser zugesetzt werbe. Die Wirkung solcher Oelpreßkuchen, als Dünger (wie das Schwefelcalcium) gesäet, war vortrefflich, und alle Weinstöcke blieben gesund und frei vom Insect, während die zum Gegenversuch mit diesem Mittel nicht versehenen Abtheilungen außerordentlich verheert wurden. Die Wirkung des Schwefelcalciums war bei weitem nicht so gut; dasselbe wirkte unverkennbar vertilgend auf die Insecten, war jedoch als Dünger dem Weinstock nicht so zuträglich. Es verdient übrigens bemerkt zu werden, daß die als Gegenprobe für das Schwefelcalcium dienenden, also nicht mit demselben bestreuten Abtheilungen, sich fast in ebenso gutem Zustand befanden, und zwar deßhalb, weil sie im December gehackt wurden, welche Operation also ebenfalls einen zerstörenden Einfluß auf den Fallkäfer haben muß, wahrscheinlich in Folge der Auflockerung des Bodens und daher seines tiefern Gefrierens im Winter. Am besten bewährten sich die Oelkuchen, und zwar nicht nur die von Reps und Kohlsaat, sondern auch die vom Leindotter und besonders von weißem Senf. 300 Kilogr. Preßkuchen von weißem Senf, alle drei Jahre auf 1 Hektare Weingärten verbreitet, reichen hin, um solche von diesen Käfern frei zu erhalten. Der Preßkuchen von schwarzem Senf wäre wohl der kräftigste; er ist aber auch der theuerste und ließe befürchten, daß Samen von ihm im Weinberg zurückbleiben, welche schwer wieder auszurotten wären. Ich blieb beim Reps- und Kohlsaat-Preßkuchen stehen und bringe jährlich auf ein Drittel des Weinlandes 1200 Kilogr. per Hektare. Die Preßkuchen von oben angegebener Beschaffenheit werden in einer Oelmühle zu Pulver gemahlen, welches man von Mitte Februar bis Mitte März zu der Zeit verbreitet, wo der Weinstock zum erstenmal gehackt wird. Zu diesem Behufe trägt der Winzer jeden Morgen in seiner Butte einen der Bodenfläche, die er den Tag über zu hacken hat (etwa 1/24 Hektare) entsprechenden Vorrath (50 Kilogr.) von Preßkuchenmehl herbei. Von demselben säet er eine kleine Menge im Fluge aus, hackt sogleich die Fläche Bodens, welche sie empfing, und fährt damit so lange fort, als seine Arbeit keine Unterbrechung erleidet. Es ist wesentlich, daß man das Preßkuchenpulver in kleinen Portionen ausstreue und dann sogleich hacke, denn wenn dasselbe zu lange mit der Feuchtigkeit des Bodens in Berührung bliebe, so könnte der größte Theil seines ätherischen Oels in die Luft verdunsten, wo es dann nicht mehr gegen den Käfer, sondern nur als Dünger wirken würde. 1000 Kilogr. Preßkuchen kosten im Durchschnitt 11,50 Frcs.; per Hektare betrafen demnach die Kosten 138 Frcs. für drei Jahre, oder 46 Frcs. jährlich. Abgesehen von dem um 15 bis 20 Procent größern Ertrag der Ernte, hat man noch den Vortheil einer längern Dauer des Weinstocks.