Titel: | Ueber die Beziehungen, welche zwischen den Procentgehalten verschiedener Zuckerlösungen, den zugehörigen Dichtigkeiten und den Baumé'schen Aräometergraden stattfinden; vom geheimen Regierungsrath Hrn. Brix in Berlin. |
Fundstelle: | Band 136, Jahrgang 1855, Nr. LIV., S. 214 |
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LIV.
Ueber die Beziehungen, welche zwischen den
Procentgehalten verschiedener Zuckerlösungen, den zugehörigen Dichtigkeiten und den
Baumé'schen Aräometergraden stattfinden; vom geheimen Regierungsrath Hrn.
Brix in
Berlin.
Im Auszug aus den Verhandlungen des Vereins zur
Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1854, fünfte
Lieferung.
Brix, über den Procentgehalt der Zuckerlösungen bezüglich der
Baumé'schen Aräometergrade.
Die nächste Veranlassung zu dieser Arbeit ging von dem Hrn. Commerzienrath Hecker zu Staßfurth aus, welcher als ein denkender
Praktiker bei dem Betriebe einer der größten Rübenzucker-Fabriken unseres
Landes sehr bald die Nothwendigkeit erkannte, im Besitz einer möglichst genauen
Vergleichung zwischen den, durch das Baumé'sche Aräometer ermittelten
Dichtigkeiten der Zuckerlösungen und deren Procentgehalten an festen Substanzen zu
seyn. In der That ist eine solche Vergleichung nicht bloß zur Beurtheilung der
Verhältnisse der festen Substanzen zum Wasser in den Lösungen und der bei der
Fabrication erlittenen Verluste, sondern auch zur Benutzung des
Polarisations-Apparates für saccharometrische Zwecke, und überhaupt zu einer
rationellen Leitung des Fabrikbetriebes in allen seinen Stadien, ganz
unentbehrlich.
Die Sache, um welche es sich hier handelt, würde höchst einfach seyn, wenn bei der
Mischung von reinem Krystallzucker und Wasser keine Raumveränderung stattfände, d.h.
wenn beispielsweise 50 Raumtheile Zucker gemischt mit 50 Raumtheilen Wasser eine
Lösung von 100 Raumtheilen gäben; denn dann bedürfte es bloß der Kenntniß der
Dichtigkeit des reinen ZuckersDas spec. Gewicht des reinen Rohrzuckers wurde etwas kleiner gefunden, als
gewöhnlich angenommen wird, nämlich = 1,5578. in Bezug auf Wasser, um sofort die Dichtigkeit einer Zuckerlösung von
gegebenem Procentgehalte und die entsprechenden Aräometergrade berechnen zu
können.
Allein jene Voraussetzung, obgleich dieselbe nach dem Vorgange von Treviranus
Polytechn. Journal, 1839, Bd. LXXIV S. 421. allgemein als richtig angenommen wird, trifft in der Wirklichkeit keineswegs
zu; vielmehr zeigt sich nach genauer Untersuchung, daß bei der Vermischung von
Zucker und Wasser allemal eine Raumveränderung stattfindet, und zwar eine Contraction, die nach Maaßgabe des Verhältnisses der
zusammengemischten Bestandtheile in ähnlicher Weise, wie bei der Vermischung von
Alkohol und Wasser, veränderlich ist. Bevor also von einer saccharometrischen
Vorherbestimmung die Rede seyn kaunkann, muß zuerst das Gesetz ermittelt werden, nach welchem jene
Veränderlichkeit der Contraction sich richtet. Der Verfasser hat bei der
betreffenden mathematischen Untersuchung die von Prof. Balling zu Prag gemachten Bestimmungen des specifischen Gewichts von
Zuckerlösungen verschiedenen, aber genau bekannten GehaltsNr. 38 der ökonomischen Neuigkeiten und Verhandlungen vom Jahre 1839, S.
297. als experimentelle Grundlage benutzt.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung des Verf. enthält die folgende Tabelle, worin den
Graden des Baumé'schen Aräometers zur Seite die entsprechenden Procentgehalte
und specifischen Gewichte der Zuckerlösungen aufgeführt sind. Was die in der
vierten, fünften und sechsten Spalte nach Zollpfunden
ausgeworfenen absoluten Gewichte betrifft, so liegt bei ihrer Berechnung die der
Wahrheit sehr nahe kommende Voraussetzung zum Grunde, daß das Gewicht eines
preußischen Kubikfußes destillirten Wassers bei einer Temperatur von 14° R.
gleich 66,015 preuß. Pfund, oder gleich 61,752 Zollpfund ist; und da 27 preuß. Quart
auf 1 Kubikfuß gehen, so ergibt sich das Gewicht von einem Quart destillirten
Wassers bei der angegebenen Temperatur gleich 2,445 preuß. Pfund, oder gleich 2,2871
Zollpfund.
Tafel zu verschiedenen saccharometrischen Bestimmungen nach
Maaßgabe des Baumé'schen Aräometers für die Normal-Temperatur von
14° R.
Textabbildung Bd. 136, S. 216
Aräometer-Grade nach
Baumé; Zuckergehalt in Gewichts-Procenten; Specifisches Gewicht
der Lösung; Absolutes Gewicht von 1 pr. Quart der Lösung; Ein preußisches Quart
der Lösung enthält; Zucker; Wasser; n; x; σ; Z; W; Zollpfund; pr.
Quart
Textabbildung Bd. 136, S. 217
Aräometer-Grade nach
Baumé; Zuckergehalt in Gewichts-Procenten; Specifisches Gewicht
der Lösung; Absolutes Gewicht von 1 pr. Quart der Lösung; Ein preußisches Quart
der Lösung enthält; Zucker; Wasser; n; x; σ; Z; W; Zollpfund; pr.
Quart
Textabbildung Bd. 136, S. 218
Aräometer-Grade nach
Baumé; Zuckergehalt in Gewichts-Procenten; Specifisches Gewicht
der Lösung; Absolutes Gewicht von 1 pr. Quart der Lösung; Ein preußisches Quart
der Lösung enthält; Zucker; Wasser; n; x; σ; Z; W; Zollpfund; pr.
Quart
Ueber den Gebrauch der vorstehenden Tafel zu verschiedenen saccharometrischen
Bestimmungen fügt der Verf. folgende Bemerkungen hinzu:
Wie man mit Hülfe derselben berechnen kann: wie groß das absolute Gewicht einer in
preuß. Quarten gegebenen Menge Zuckerflüssigkeit ist, deren Grädigkeit nach dem
Baumé'schen Aräometer vorher ermittelt worden; wie viel Zollpfunde reinen
Zuckers und Wassers darin enthalten sind, und welches Volumen der zuletzt genannte
Bestandtheil nach Quarten einnimmt? bedarf keiner weitern Erläuterung, da diese
Fragen durch die Angaben der Tabelle fast unmittelbar beantwortet werden. Dagegen
wollen wir uns mit der Lösung der Aufgabe beschäftigen: wie viel Quart Wasser der
oben erwähnten Zuckerflüssigkeit – dem Safte
– durch Verdampfung entzogen werden muß, um sie auf einen bestimmten
Grad der Concentration zu bringen?
Angenommen, man habe Q Quart einer Flüssigkeit, für
welche die Tabelle nach Maaßgabe der angestellten Aräometerprobe auf jedes Quart z Pfd. Zucker und w Quart
Wasser nachweiset, und es soll dieselbe so weit abgedampft werden, daß jedes Quart
des eingedickten Saftes z' Pfd. Zucker und w' Quart Wasser enthält.
Bezeichnet V die zu verdampfende Wassermenge und Q' das Volumen des entstehenden Saftes, so hat man die
beiden Gleichungen
zQ = z'Q'
und wQ – V = w'Q',
welche sich darauf gründen, daß die Menge des reinen Zuckers
in Q und Q' gleich groß, die
Menge des reinen Wassers aber in Q' um das abgedampfte
V kleiner als in Q ist.
– Aus diesen Gleichungen erhält man
Q' = z/z' Q; V =
(w – z/z' w') . Q
zwei Formeln, welche zur Beantwortung der gestellten Fragen
dienen.
Hat man z.B. Q = 1500 Quart Saft von 10 1/2°
Baumé, der bis auf 24° Baumé eingedickt werden soll, so gibt
die Tafel beziehungsweise für n = 10,5, z = 0,4678, w = 0,8742; für
n' = 24, z' = 1,2059,
w' = 0,6727. Mit Rücksicht auf diese Angaben findet
man nacheinander:
Q' = 0,4678/1,2059 . 1500 = 582,0 Quart;
V = (0,8742 – 0,4678/1,2059 . 0,6727) 1500 =
919,8 Quart.
Um also den vorhandenen Saft bis zu dem verlangten Grade der
Concentration zu bringen, müssen 919,8 Quart Wasser verdampft werden, wonach der
eingedickte Saft noch 582,0 Quart Raum einnimmt.
Mit Rücksicht auf die sowohl bei der ganzen oder theilweisen Entmischung wie bei der
Vermischung statthabende Raumänderung bedarf es wohl kaum der Erinnerung, daß hier
nicht Q = Q' + V, oder V = Q – Q' seyn kann, wie
das allerdings der Fall wäre, fände gar keine Raumänderung statt. Will man aber die
Probe machen, so erwäge man, daß sich nach der Tabelle der Wasserbestandtheil des
ursprünglichen Saftes zu 1500 . 0,8742 = 1311,3 Quart, der des eingedickten Saftes
dagegen zu 582 . 0,6727 = 391,5 Quart ergibt, und daß folglich die Verdampfungsmenge
1311,3 – 391,5 = 919,8 Quart betragen haben muß, wie es auch durch die vorige
Rechnung gefunden wurde.
Zusammengesetzter wird die Rechnung, wenn man zwei Zuckerlösungen verschiedener
Grädigkeit n, n' hat, durch deren Vermischung ein Saft
von der mittleren Grädigkeit n'' hervorgebracht werden
soll. Es sey Q die Quartmenge der einen, Q' die der anderen Lösung; z,
w und z', w' seyen
die Zucker- und Wasserbestandtheile, welche nach der Tabelle je in einem
Quart der fraglichen Lösungen enthalten sind. Haben nun die Buchstaben
Q'', z'' und w'' dieselbe Bedeutung für den durch die Vermischung
entstandenen Saft, so ergeben sich folgende Gleichungen:
zQ + z'Q' = z''Q'';
wQ + w'Q' = w''Q'';
sich darauf gründend, daß bei der Vereinigung beider
Flüssigkeiten sowohl die Summe ihrer Zucker-, als auch die ihrer
Wasserbestandtheile sich unverändert in der Mischung wiederfinden müssen.
Betrachtet man nun die Quartmenge Q der einen Lösung als
gegeben, so findet man aus vorstehenden Gleichungen:
Q' = (zw'' – z''w)/(z''w' – z'w'') . Q;
Q'' = (zw' – z'w)/(z''w' – z'w'') . Q.
Als Beispiel werde angenommen, man habe Q = 800 Quart
einer Zuckerlösung von 12° B., die durch einen angemessenen Zusatz einer
schwächeren Lösung von 7 1/2° B. auf 10 Grad gebracht werden soll. Wie viel
Quart Q' der schwächern Lösung muß man zusetzen, und wie
groß wird das Volumen Q'' der Mischung?
Nach der Tabelle findet man zunächst:
für n = 12° Baumé,
z = 0,5412
und
w =
0,8543;
“ n' =
7,5 „
z' =
0,3260 „
w' =
0,9124;
“ n'' =
10 „
z'' =
0,4436 „
w'' = 0,8806;
und mit Rücksicht auf diese Zahlen liefern die obigen Formeln
nach einander:
Q' = 9761324/11766504 . 800
= 664,5 Quart;
Q'' =
21528908/11766504 . 800
= 1463,7 „
In der Praxis kann man aber von der Raumänderung, die hier verhältnißmäßig nur
unbedeutend ist, füglich ganz absehen und einfacher nach der Alligationsregel
verfahren. Nach derselben stellt sich die Rechnung bekanntlich folgendermaßen:
z = 5412
z' = 3260
z'' = 4436
z'' – z' = 1176, Verhältnißzahl für Q;
z – z'' =
976, „ „ Q'.
Also hat man, weil Q = 800 ist,
die Proportion:
1176 : 976 = 800 : Q';
woraus Q' = 663,9 folgt, nahe
genug übereinstimmend mit dem oben gefundenen Werthe von Q'.
Schließlich muß ausdrücklich erinnert werden, daß alle vorhergehenden numerischen
Bestimmungen nur für die Temperatur von 14 Graden der Réaumur'schen Scala
gültig sind; denn bei dieser Temperatur sind nicht bloß die Balling'schen Versuche gemacht, sondern auch das Baumé'sche
Aräometer setzt dieselbe als Normal-Temperatur voraus. Welche Aenderungen die
Dichtigkeit einer Zuckerlösung bei andern, namentlich höheren Wärmegraden erleidet,
ist bis jetzt noch nicht mit Sicherheit ermittelt worden. In dieser Beziehung
erwartet die Saccharometrie noch den Abschluß, den die Alkoholometrie bereits vor
einer Reihe von Jahren durch Gilpin, Tralles,
Gay-Lussac, Meißner und Andere gefunden hat.