Titel: Ueber einen elektrischen Apparat, welcher als Ventil wirkt; von Hrn. J. M. Gaugain.
Fundstelle: Band 138, Jahrgang 1855, Nr. XLIX., S. 181
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XLIX. Ueber einen elektrischen Apparat, welcher als Ventil wirkt; von Hrn. J. M. Gaugain. Aus den (Comptes rendus t. XL p. 640, durch Poggendorff's Annalen, 1855, Nr. 5. Gaugain, über einen elektrischen Apparat, welcher als Ventil wirkt. Es gibt eine ziemlich zahlreiche Classe von elektrischen Strömen, die man als eine Reihe mehrerer anderer Ströme von abwechselnd entgegengesetzten Richtungen betrachtet. Um die wahre Beschaffenheit solcher zusammengesetzten Ströme definitiv festzusetzen, halte ich es für nützlich, die partiellen Ströme, aus welchen sie bestehen, zu sondern, und um dahin zu gelangen, hatte ich mir vorgenommen, einen Apparat zu finden, welcher die Eigenschaft besäße (wie ein Ventil) die Ströme von einer Richtung aufzufangen, und die von der anderen frei durchzulassen. Ich habe nach einander mehrere Combinationen studirt, die diesen Zweck mehr oder weniger vollständig erfüllen und auf den bekannten Eigenschaften der Spitzen und dem Versuch mit der durchbohrten Karte beruhen. Allein ich werde mich auf die Beschreibung eines Apparates beschränken, welcher mir weit genügendere Resultate als alle übrigen gegeben hat und, meines Wissens, auf einer neuen Thatsache beruht. Nimmt man ein gewöhnliches elektrisches Ei, überzieht die obere Kugel, nebst dem Stiel und der Fassung, welche sie tragen, mit einer isolirenden Substanz, dabei nur einen außerordentlich kleinen Theil der Kugeloberfläche entblößt lassend, bringt man das so zubereitete Ei in die Kette des Ruhmkorff'schen Apparats, in die man zugleich ein Galvanometer einschaltet, so kann man die folgenden Thatsachen beobachten: Wenn die den Unterbrechungen des Inductors entsprechenden Inductionsströme (die einzigen, welche das luftleere Ei durchläßt) von der überzogenen Kugel zu der nackten gehen, nimmt die vom Galvanometer angezeigte Stromstärke mit gesteigerter Luftverdünnung im Ei beständig zu; anders verhält es sich, wenn die Inductionsströme von der nackten Kugel zu der überzogenen durch das Ei gehen; dann wächst die Stromstärke anfangs mit abnehmendem Luftdruck, allein so wie dieser Druck unterhalb einer gewissen Gränze gesunken ist, verringert sich die Ablenkung des Galvanometers; bei einer gewissen Gränze wird sie Null, und endlich, wenn das Vacuum so vollkommen ist, wie man es mit einer guten Luftpumpe erhalten kann, ändert sie das Zeichen. Diese Abnahme der Stromstärke bei einer gewissen Abnahme des Drucks, und diese Umkehrung des Stromes bei einer noch größeren Verringerung des Drucks sind recht merkwürdige Thatsachen, allein für jetzt habe ich nicht gesucht sie zu deuten. Für den Zweck, den ich im Auge habe, genügt es, die Hauptsache festzusetzen, welche darin besteht, daß die Ströme das Ei, wenn es gehörig evacuirt ist, in der Richtung von der überzogenen Kugel zu der nackten frei durchdringen, und nicht in der entgegengesetzten Richtung. Daraus folgt, daß das elektrische Ei, vorgerichtet wie ich es angegeben, gegen eine gewisse Classe von elektrischen Strömen die Rolle übernimmt, welche Ventile gegen Flüssigkeiten spielen. Ich glaube, daß das Ventil-Ei (oeuf-soupape) bei einer gewissen Zahl von Untersuchungen benutzt werden kann, und ich habe mich desselben schon bedient, um eine Aufgabe zu lösen, die Hr. du Moncel in einer seiner letzten Mittheilungen an die Akademie aufgestellt hat. Wenn man in die Kette eines Ruhmkorff'schen Apparats einen Condensator einschaltet, so dauert die elektrische Bewegung fort, wie es die physiologischen Wirkungen und Licht-Erscheinungen dieser Kette beweisen. Allein man kann zweierlei Hypothesen über die Natur dieser Bewegung machen. Man kann annehmen, der Strom pflanze sich durch die isolirende Schicht des Condensators, wie durch einen leitenden Körper fort, und alsdann würde seine Richtung stets dieselbe sey. Oder man kann voraussetzen, die beiden durch den Inductionsapparat entwickelten Elektricitäten häufen sich während der Wirkungszeit der elektromotorischen Kraft auf den beiden Condensatorflächen an, und vereinigen sich darauf wieder, wenn die elektromotorische Kraft zu wirken aufhört. In dieser letzten Voraussetzung muß der Strom abwechselnd entgegengesetzte Richtungen einschlagen. Die strenge Discussion der Thatsachen, glaube ich, würde hinreichend seyn, zu entscheiden, welche der beiden Hypothesen die richtige sey; allein die Frage kann mittelst der Ventil-Eier auf eine entscheidende Weise beantwortet werden.Vergl. über diesen Gegenstand auch Poggendorff's Annalen Bd. XCIV S. 326 bis 328. Zu größerer Bestimmtheit setze ich voraus, der angewandte Condensator sey eine horizontal gelegte Franklin'sche Tafel und ihre Unterseite verbunden mit dem negativen Pol des Inductionsapparats. Errichtet man nun zwei Verbindungen A und B zwischen dem positiven Pol des Apparats und der oberen Belegung des Kondensators, schaltet in jeden Zweig der Kette ein Galvanometer und ein Ventil-Ei ein und stellt die beiden Eier dergestalt, daß in dem Zweige A der Strom vom Pol zum Condensator, im Zweige B dagegen nur vom Kondensator zum Pol gehen kann, so ist leicht vorherzusehen, was nach jeder der beiden fraglichen Hypothesen geschehen wird. Ist die Richtung der Ströme constant, so werden sie, je nach der Richtung des Inductors, ausschließlich durch den Zweig A oder ausschließlich durch den Zweig B gehen. Besteht dagegen die elektrische Bewegung aus einer Folge von abwechselnd entgegengesetzten Strömen, so werden die beiden Zweige A und B gleichzeitig von den entgegengesetzten Strömen durchlaufen werden, und die Richtung jeder dieser Ströme, die allein durch die Stellung des Eies bedingt ist, wird unabhängig von der Richtung des Inductors seyn. Letzteres ist, was geschieht. Das Daseyn der Ströme, welche die Zweige A und B zugleich durchlaufen, erweist sich sowohl durch das Licht in den elektrischen Eiern, als durch die Ablenkung des Galvanometers. Die Intensitäten der beiden Ströme weichen wenig von einander ab. Man wird dieß aus folgenden Zahlen beurtheilen. Bei einem meiner Versuche bewirkte der Strom, der die Ladung des Condensators hervorbrachte, eine Ablenkung von 63°, der andere entladene Strom eine von 61°. Daraus folgt offenbar, daß die durch Dazwischensetzung einer isolirenden Schicht unterbrochene elektrische Bewegung aus einer Folge von zwei abwechselnd entgegengesetzten Strömen besteht. Dieß Resultat erlaubt von einer Thatsache Rechenschaft zu geben, deren ich in meiner früheren Note, aber ohne Erklärung, gedacht habe. Ich meine die symmetrischen Lichterscheinungen, welche man in dem gewöhnlichen elektrischen Ei (dessen Kugeln beide nackt sind) beobachtet, wenn man zwei gleiche Inductionsströme einander entgegenstellt; wie ich gezeigt habe, rühren die beobachteten Erscheinungen ausschließlich von dem einen der angewandten Inductionsapparate her; allein da die elektrische Bewegung, welche zu ihnen Anlaß gibt, sich durch isolirende Substanzen fortpflanzt,Hr. Prof. Poggendorff fügt hier folgende Bemerkung hinzu: Zur Erläuterung dieser an sich unverständlichen Stelle mag aus der früheren Notiz, auf welche der Verfasser sich bezieht und die übrigens wenig Erhebliches enthält (siehe Compt. rend. T. XL. S. 358), hervorgehoben seyn, daß derselbe die schwache Lichterscheinung, welche er erhielt, als er die Inductionsströme zweier Apparate in entgegengesetzter Richtung mit dem elektrischen Ei verband, ausschließlich derivirten Strömen zuschreibt, die sich durch die unvollkommen isolirenden Hüllen der Inductionsketten hin einstellen. – Ich habe in solchem Falle mit meinen Apparaten gar keine Lichterscheinung wahrnehmen können (siehe Annalen Bd. XCIV S. 331) und auch Hr. G. ist der Meinung, daß sie bei anderen Beobachtern aus dem Mangel eines vollkommen Synchronismus der Unterbrechungen beider Apparate, in Folge ungleicher Magnetisirbarkeit der Eisenbündel, hervorgegangen seyen. keineswegs aber aus einem gleichzeitigen Durchgange der beiden entgegengesetzten Ströme Um jene ungleiche Magnetisirbarkeit zu vermeiden, wendet übrigens Hr. G. ein einziges langes Drahtbündel an, welches durch die inducirenden Rollen beider Apparate gesteckt ist. so befindet sie sich in dem Fall der eben studirten Ströme und muß durch die Aufeinanderfolge zweier entgegengesetzter Ströme gebildet seyn. Diese Ströme folgen einander in einer Zeit, die kürzer ist als die Dauer des Gesichtseindrucks, und so müssen die Lichterscheinungen, welche sich zeigen, das Resultat der Superposition der Erscheinungen seyn, die einerseits der Ladungsstrom und andererseits der Entladungsstrom bewirken würde, wenn jeder für sich wirkte: das ist wirklich der beobachtete Effect.