Titel: Ueber den Blutegelsumpf zu Montsalut (Landes-Depart.); Bericht von Hrn. Soubeiran.
Fundstelle: Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LXI., S. 224
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LXI. Ueber den Blutegelsumpf zu Montsalut (Landes-Depart.); Bericht von Hrn. Soubeiran. Aus dem Journal de Pharmacie, Mai 1854, S. 336. Soubeiran, über den Blutegelsumpf zu Montsalut. Hr. Rollet, correspondirendes Mitglied der (französischen) Akademie der Medicin, hat die Blutegelzucht im Landes-Departement unternommen und stellt ein fast ganz neues System auf, welches alle Beachtung verdient. Hr. Rollet besitzt in diesem Departement ein Grundeigenthum, dessen Boden wegen seiner geringen Fruchtbarkeit bekannt ist. Auf diesem Gute hielt er mit vieler Mühe ein paar magere Kühe, die sich durch Abfressen der Binsen und des Heidekrauts nothdürftig ernährten. Einige Sümpfe befanden sich daselbst, welche die Luft verdarben und die Hr. Rollet zur Blutegelzucht zu verwenden beschloß. Zur Ernährung seiner Blutegel benützte er seine Kühe, deren Anzahl er aber vermehren mußte. Diese Vergrößerung des Viehstandes trug wieder zur Verbesserung des Feldbaues bei. Vermehrter Dünger gibt bessere Weiden und die wohlgenährten Kühe konnten ohne üble Folgen von Zeit zu Zeit in den Sumpf getrieben werden. Diese neue Art der Blutegelzucht verdient ausführlich besprochen zu werden und wir lassen ihre Darlegung mit Rollet's eigenen Worten folgen: „Es wurden bisher bei der Blutegelzucht drei Hauptfehler gemacht: 1) Man gab dem zur Blutegelzucht bestimmten Sumpf bisher eine zu große Ausdehnung, wodurch zu viele Blutegel dem Handel entzogen werden; überdieß konnten die Züchter auf dem Grund eines solchen Sumpfs keinen festen Boden machen, daher sich Blutegel in demselben verschlüpfen und umkommen; 2) fehlte ein constantes Niveau des Sumpfwassers, daher die Züchter gezwungen sind, das Wasser zur Zeit der Eierlegung abzulassen, und wenn sie glauben, daß diese vorüber ist, es wieder einzulassen; dadurch geht eine zur Ernährung der kleinen, nicht zeugungsfähigen Blutegel kostbare Zeit (vom Monat Juni bis December) verloren; möglicherweise tritt auch ein Verlust bei Regenwetter ein, wo die Erde, in welche die Cocons gelegt wurden, aufgeweicht wird, daher diese Cocons nicht zur Reife gelangen können; noch einen Verlust erleidet man dadurch, daß während des Trockenliegens der Sümpfe nicht gefischt werden kann, weßhalb die Preise der Blutegel zu dieser Jahreszeit immer in die Höhe gehen; 3) der dritte Fehler, welcher den Züchtern den meisten Nachtheil brachte, ist, daß die Blutegelzucht nicht zu einem Bestandtheil des Landwirthschaftsbetriebs gemacht wurde, was eine nothwendige Bedingung ist, um die Blutegel gehörig zu ernähren, ohne die zu ihrer Ernährung dienenden Thiere zu erschöpfen; deßhalb sehen sich die Züchter gezwungen, alte und erschöpfte Pferde zu benützen, welche den Blutegeln ein wenig nahrhaftes Blut liefern; viele dieser Thiere sterben in den Sümpfen, was den Züchtern ebenfalls große Kosten verursacht, während kräftige Thiere, außer der Ernährung der Blutegel, auch Arbeit und Dünger liefern würden. „Diese Fehler müssen die Züchter in ihrem eigenen Interesse abstellen; man weiß jetzt, daß zum Ernähren der Butegel, wenn sie sich fortpflanzen sollen, lebendiges Blut erforderlich ist.“ „Ich bediene mich in meinen Bassins folgenden einfachen Verfahrens. Wenn die kleinen Blutegel sich an der Oberfläche des Wassers zeigen, wird eine fette und gesunde Kuh in das Bassin geführt. Das Geräusch, welches sie bei ihrem Gang durch das Wasser macht, und der Geruch, den sie verbreitet, locken eine Menge dieser Thierchen an, welche in einem Augenblick die Füße der Kuh überziehen, sich unter den Haaren festsetzen und vollsaugen und bedeutend angeschwollen natürlich ins Wasser zurückfallen. Nach dieser guten Mahlzeit muß eine mehrere Tage oder Wochen dauernde Verdauung folgen, wobei aber diese Keimthierchen in Fadenblutegel übergehen; nach auf einander folgenden ähnlichen Mahlzeiten werden sie im ersten Jahr zu Mittlern und in anderthalb Jahren zu großen, der Fortpflanzung fähigen Blutegeln.“ „Meine Bassins sind, wie gesagt, von sehr geringer Ausdehnung, weßhalb der Gesundheitsrath von Bordeaux noch in seinem vorletzten Bericht über die Blutegelteiche sie ganz überging; nachdem er sie aber gesehen hatte, war er von meinen Fortschritten in Beziehung auf die Gesundheit sowohl, als auf die Fortpflanzung der Blutegel, und die Landwirthschaft, wahrhaft überrascht.“ „Ich begann damit, meine natürlichen Sümpfe mittelst Abzugsgräben zu entleeren, und mit Hülfe eines natürlichen Gefälls konnte ich einen derselben ganz von seinem Torf befreien, mit Ausnahme der Ränder, welche ich stehen ließ; ich setzte nun Blutegel ein, welche ich noch nicht zu ernähren vermochte, sie wanderten großentheils aus; nur einige derselben machten Cocons, legten sie aber vier Zoll über das Niveau des Wassers; ungeachtet meiner Gräben, sind nämlich diese Sümpfe, wegen der in denselben vorhandenen Quellen, stets mit Wasser versehen. „Diese Lage der Cocons gab mir den Schlüssel zu meinem System. Ich brachte Torferde in die Mitte meines Sumpfes und bildete damit Inseln von 3 Fuß Breite und 4 Fuß Höhe über dem Niveau des Wassers, ließ dann diese Inseln, so wie deren Ränder mit Rasen belegen, und umgab sie mit Gattern, damit die Kühe nicht auf die Böschung steigen konnten; da ferner der Boden nicht überall fest war, ließ ich eine Menge Kies zuführen, daher meine Kühe die Bassins betreten konnten, ohne in den Schlamm zu versinken. Allein die Kühe blieben nicht ruhig stehen, und vergebens liefen ihnen die Blutegel nach, nur sehr wenige konnten anbeißen. Ich ließ nun mitten auf den Inseln Krippen anbringen und legte Futter für die Kühe auf, und band diese sogar an, damit sie nicht weglaufen konnten. Es gelang mir auf diese Weise so viele Kühe gleichzeitig in die Bassins zu bringen, daß alle aus der Erde gekrochenen Blutegel zugleich gefüttert werden konnten. Sobald eine Kuh ziemlich angebissen war, führte man sie aus dem Bassin und nahm die Blutegel von ihr ab, welche auf dem Weg nicht abgefallen waren. Auf diese Weise litten die Kühe durchaus nicht durch den stattgefundenen Blutverlust. Dieses Verfahren wurde nur in der schönen Jahreszeit wöchentlich einmal, und dann zweimal wiederholt. Denn in der zweiten Woche greifen nur solche Blutegel an, welche verdaut haben oder das erstemal faul waren. Man läßt die Kühe eine, höchstens zwei Stunden im Bassin. Diese, besser als gewöhnlich gefütterten Kühe wurden fett, statt mager, und gaben ebenso gute und ebenso viel Milch wie sonst. Nun legte ich ein zweites Bassin an, größer als das erste, theilte dasselbe in vier Abtheilungen, wie ich das erste in zwei getheilt hatte, und warf 12000 aus dem erstem gefischte, große Blutegel hinein.“ „Ich kaufte, um den Fehler nicht zu begehen, welchen manche Züchter so theuer büßen mußten, keine ungarischen Blutegel, sondern nur inländische, sogenannte starke aus dem Landes-Departement; dieselben sind vortrefflich und vertragen das Versenden, die Hitze und Nachlässigkeiten in der Behandlung besser, als andere Sorten, weßhalb sie, vorzüglich im Sommer, von den Apothekern in Bordeaux sehr gesucht sind.“ „Nachdem meine Bassins fertig waren, ließ ich sie mit Pfahlwerk umgeben und zwischen beiden ein sehr hohes Wächterhaus bauen, mit Schießscharten und Glocke und guten Wachthunden versehen.“ „Nichts fehlt mehr, als ein Reservoir für die entleerten Blutegel, welches ich dieses Jahr, wo ich selbst im Winter werde fischen können, anzulegen beabsichtige.“ „Mit zwei Bassins mußte ich auch meine Heerde vergrößern und statt des Haidekrauts nach und nach Futterkräuter zu erhalten suchen, und so bekam ich dadurch, daß ich die Blutegelzucht zu einem Theil der Bewirtschaftung machte, ein Wirthschaftsgut mit Wiesen- und Feldbau und schönem Viehstand. Meine Kühe befanden sich so wohl dabei, daß sogar Nachbarn mich ersuchten ihre Kühe in meine Bassins zu lassen, unter der Bedingung daß sie von meinem guten Futter erhalten. So stunden mir in diesem Jahre 60 eigene und fremde Kühe zu Gebot, um die Blutegel in Bassins zu füttern, deren Flächenraum zusammen nicht über 1/4 Hektare beträgt, während die Züchter an den Ufern der Garonne, welche 100 Hektaren Blutegelsümpfe haben, nur 100 bis 150 magere, schlecht genährte Pferde besitzen.“ „Meine Blutegel befinden sich sonach in den natürlichsten Verhältnissen; sie nehmen Nahrung zu sich wenn sie Hunger haben, kriechen in die Erde zurück wenn es ihnen gefällig ist, machen ihre Cocons wenn sie wollen. Sie haben reichliche Nahrung und werden rasch groß.“ „Es wurde die Frage aufgeworfen, ob die Blutegelzucht bei so kleinen Bassins einträglich seyn könne. Ich kann hierauf bejahend antworten, denn ich habe auf einer 3 Fuß langen Insel bis 300 Cocons gezählt. Es ist mithin zu hoffen, daß eine nach meinem System gehörig betriebene Zucht den Preis der Blutegel nach wenigen Jahren so herabdrücken wird, daß sie selbst den ärmsten Kranken verordnet werden können.“ „Die unerläßlichen Bedingungen für die Fortpflanzung der Blutegel sind in Kürze folgende: 1) ein natürlicher Sumpf, der in eine beträchtliche Anzahl aus der Erde des Sumpfes gebildeter Inseln abgetheilt ist, welche mit Rasen belegt sind, die Mittagsonne haben, 1 bis 1 1/2 Fuß hoch und wenigstens 3 Fuß breit, mit Gattern umgeben und mit Krippen für die Kühe versehen sind; 2) das Wasser muß in diesen Sümpfen stets auf einem constanten Niveau erhalten werden; 3) man besetze sie so viel als möglich mit inländischen Blutegeln; 4) am Grunde des Sumpfes muß ein fester Boden hergestellt seyn; 5) man muß mit einer beträchtlichen Anzahl wohlgenährter Kühe versehen seyn, so daß keine derselben durch den Blutverlust leidet; man führe die Thiere nur während der schönen Jahreszeit, ein- bis zweimal wöchentlich, hinein und zwar so nahe beisammen, daß alle Blutegel einer Abtheilung an demselben Tage anbeißen können; 6) man lege ein Reservoir für entleerte Blutegel an, mit der Erde des Sumpfes hergestellt, damit die Blutegel nöthigenfalls ihre Cocons hineinlegen, hauptsächlich aber, damit sie nicht entweichen können.“ Die Fütterung der Blutegel mit dem Blut lebendiger Thiere hat sich also auch hier als ein sehr zweckmäßiges Verfahren bewährt, welche Erfahrung schon von Mehreren gemacht wurde, unter andern von Hrn. Guénard, welcher dabei beobachtete, daß beim Heimgang der Thiere aus dem Teich in den Stall durch das bloße Gehen das Blut aus ihren Füßen immer fortfließt und verloren geht, dann in den Ställen die Streu blutig macht. Er empfiehlt daher das Vieh, ehe man es heimführt, in Ruhe weiden zu lassen, damit die Blutegelwunden Zeit haben sich fest zu schließen. Ferner bemerkte Hr. Guénard, daß die Blutegel hauptsächlich das Hammelblut lieben, auf diese Thiere begierig zugehen und von deren Blut bald dick werden.