Titel: Zur Farbenfabrication. Von G. E. Habich in Veckerhagen.
Autor: G. E. Habich
Fundstelle: Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LXXV., S. 295
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LXXV. Zur Farbenfabrication. Von G. E. Habich in Veckerhagen. Habich, über Farbenfabrication. I. Pariserblau. Unter den Farben, welche wegen ihrer umfassenden Verwendung im größten Maaßstab fabricirt werden, steht das Pariserblau oben an. Die großen Vorzüge, welche ihm seine bedeutende Deckkraft und Aufstreichbarkeit verleihen, werden dieser Farbe ebenso die Zukunft sichern, als die Möglichkeit, durch Mischung mit Chromgelb daraus den beliebten grünen Zinnober oder Laubgrün herzustellen. Die Methoden, nach welchen bisher in den größern Fabriken gearbeitet wurde, sind zum Theil noch ziemlich kostspielig. So findet das bekannte Verfahren, den weißen Niederschlag aus Blutlaugensalz und Eisenvitriol mit Schwefelsäure und Salpetersäure zu behandeln und ihm dadurch seine Bläue zu ertheilen, noch immer seine Anhänger, obgleich es nicht möglich ist, mit dem dadurch erzielten Fabricat einen preiswürdigen grünen Zinnober darzustellen. Im Nachfolgenden sollen einige der bewährtesten und billigsten Methoden zur Fabrication dieses Artikels mitgetheilt werden. Erstes Verfahren. Es beruht auf der Anwendung des Chlors im Königswasser zur Zersetzung des weißen Niederschlags. Man verfährt dabei folgendermaßen. Der Niederschlag aus Blutlaugensalz und Eisenvitriol wird in bekannter Weise gemacht. Man hat sein Augenmerk darauf zu richten, daß der Eisenvitriol so viel als möglich oxydfrei ist, – was man am besten dadurch erreicht, daß man in den Bottich, in welchem sich die Eisenlauge klären soll, stets etwas metallisches Eisen vorräthig hält, wodurch man denn auch einen etwaigen Kupfergehalt des Eisenvitriols beseitigt. Man hat ferner zu beobachten, daß der Niederschlag in der noch heißen Blutlaugensalz-Lösung vorgenommen werde, um dadurch eine Sauerstoff-Absorption und vorzeitig herbeigeführte Bläuung des Niederschlags soviel als möglich zu vermeiden. Aus demselben Grunde hat man auch die Filtration des weißen Niederschlags gleich vorzunehmen und möglichst zu beschleunigen. Nur das durch Einwirkung des Chlors, der Salpetersäure etc. auf den noch weißen Niederschlag erzeugte Blau hat die dem Farbenfabrikanten nothwendige Farbenintensität, während der an der Luft blau gewordene Niederschlag, selbst nachdem man ihm das beigemengte Eisenoxydhydrat durch Salzsäure entzogen hat, stets eine wenig ausgiebige Farbe liefert, die nicht einmal für die Fabrication des grünen Zinnobers genügt. Was die Quantität des zuzusetzenden Eisenvitriols anlangt, so wird darin häufig ein Fehler begangen, indem man zu wenig Eisensalz zusetzt. Wenn auf 100 Pfund Blutlaugensalz 90 Pfund Eisenvitriol verwendet sind, so bringt ein Tropfen der Eisenlauge in einer abfiltirten Probe keinen Niederschlag mehr hervor; – der weiße Niederschlag hat dann eine Quantität Blutlaugensalz mit zu Boden gerissen, die ihm mechanisch beigemengt ist und durch Auswaschen mit Wasser entzogen werden kann. Diese Quantität des kostbaren Arbeitsmaterials würde also für die Ausbeute theilweise verloren gehen. Um diesem Verluste vorzubeugen, schlägt man am besten folgendes Verfahren ein. Man setzt unter fleißigem Umrühren so lange von der Eisenauflösung zu, bis kein Niederschlag mehr entsteht und fügt dann noch den neunten Theil von der bis dahin verbrauchten Menge der Eisenlauge bei. Rührt man jetzt das Gemenge noch eine Viertelstunde um, so kann man sicher seyn, alles mechanisch beigemengte Blutlaugensalz völlig zersetzt und die ökonomischen Vortheile, welche bei diesem Theile der Operation möglich sind, errungen zu haben. Um nun diesen Niederschlag, den man bis zu einem dicken Brei hat ablaufen lassen, durch Chlor zu bläuen, bediene man sich einer Mischung aus Salpetersäure und Salzsäure, die man sich schon Tags zuvor bereitet. Die Quantitäten, welche man zu dem Ende in einem Glasballon zu mischen hat, sind natürlich von dem Gehalte der käuflichen Säuren an wasserfreier Salzsäure und Salpetersäure abhängig. Die deßfallsigen Bestimmungen geschehen vermittelst guter Aräometer und der von Ure entworfenen und in jedem Handbuche der Chemie befindlichen Tabellen. Die Mischung wird nun so vorgenommen, daß auf je 54 Gewichtstheile wasserfreie Salpetersäure 36 1/2 Gewichtstheile wasserfreie Salzsäure vorhanden sind. Zum Bläuen des weißen Niederschlags verwendet man eine solche Quantität dieses Gemisches, daß auf 100 Gewichtstheile zur Fällung verwendeten Blutlaugensalzes 10 7/10 Gewichtstheile wasserfreie Salpetersäure im Gemische entfallen. Z.B. man habe eine Salpetersäure von 30º Baumé (= 1,256 spec. Gew. nach den in Graham's Lehrbuch mitgetheilten Tafeln) und eine Salzsäure von 23º Baumé (oder 1,185 spec. Gew.) als Fabrications-Material, so enthält ersten nach Ure's Tabellen 35 4/10 Procent wasserfreie Salpetersäure, letztere 37 1/4 Proc. wasserfreie Salzsäure. Nach den obigen Voraussetzungen müßte also das Gemisch bereitet werden aus 100 Pfund dieser Salpetersäure (mit 35 4/10 Pfund wasserfreier Salpetersäure) und 64 2/10 Pfund dieser Salzsäure (mit 23 9/10 Pfund wasserfreier Salzsäure). Und von dieser Mischung würden 49 Pfund ausreichen, um den Niederschlag von 100 Pfund Blutlaugensalz zu bläuen. Diese Quantität setzt man unter fortwährendem Umrühren nach und nach zu dem in einem hölzernen Bottich befindlichen weißen Niederschlage. Es kommt nun darauf an festzustellen, ob die Bläuung der Farbe auch vollständig erreicht ist, – ob die Intensität derselben durch weitern Zusatz der Säuremischung noch zu steigern wäre, oder ob vielleicht gar schon ein Ueberschuß derselben zugesetzt ist. Beide Fehler können nur bei mangelhafter Ausführung der zur Herstellung des Säuregemischs nothigen Vorarbeiten vorkommen. Um diese Prüfung vorzunehmen, bringt man ein wenig der gebläuten Farbe in ein Glas und setzt einen Tropfen des Säuregemischs zu. Von dieser Probe streicht man einen Tropfen auf weißem Papier auseinander und vergleicht ihn daselbst gegen eine Probe der Farbe, wie sie in dem Bottich ist. Hat der Säurezusatz die Intensität der Farbe gesteigert, so war zu wenig vom Säuregemisch verbraucht und es muß noch nachträglich davon zugesetzt werden. Hat die Probe aber einen Stich ins Grünliche bekommen, so war vom Säuregemisch entweder gerade hinreichend oder bereits zuviel zugesetzt. Um dieß zu entscheiden, nimmt man eine neue Probe ins Glas und setzt einen Tropfen von dem in Wasser aufgeschwemmten weißen Niederschlage hinzu. Zeigt sich die Farben-Intensität dadurch erhöht, so war zu viel Säuregemisch verbraucht und dieser Fehler wird dadurch reparirt, daß man so lange kleine Mengen des weißen Niederschlages (von welchem man sich in gut verstopften Glasballons oder Steinkrügen immer etwas Vorrath hält) hinzu setzt, bis die höchste Stufe der Intensität erreicht ist. Man schreitet nun zum Auswaschen u.s.w. wie gewöhnlich. Zweites Verfahren. Hierbei geschieht das Anbläuen des weißen Niederschlags aus Blut laugensalz und Eisenvitriol durch eine Auflösung von Eisenchlorid, welche durch diesen Proceß in Eisenchlorür (welches dann als Ersatz des Eisenvitriols dient) umgewandelt wird. Um das Eisenchlorid herzustellen, verschafft man sich zunächst einen möglichst reinen, d.h. von thonigen und kalkigen Beimengungen freien Eisenstein; es ist gleichgültig, ob es ein Roth- oder Brauneisenstein ist. Kann man einen solchen Eisenstein nicht bekommen, so bedient man sich der unter den Namen Caput mortuum, Colcothar, Englischroth etc. bekannten Rückstände der Vitriolölfabriken. Das disponible Eisenoxyd der einen oder andern Art wird nun als feines Pulver in einem hölzernen, mit dünnem Walzblei ausgelegten Bottich mit der gewöhnlichen eisenhaltigen Salzsäure (wie solche von den Sodafabriken als rohes Product geliefert wird) übergossen. Unter häufigem Umrühren läßt man das Gemisch einige Tage stehen und zapft dann die überstehende Flüssigkeit, welche sich mit Eisenoxyd gesättigt haben muß, in ein anderes Gefäß, in welchem sie sich völlig klären kann. Diese Eisenchlorid-Auflösung hält man sich zum Anbläuen stets vorräthig. Betreffs der Aufbewahrung solcher Laugen will ich hier auf einige Vortheile aufmerksam machen. Bekanntlich lassen hölzerne Gefäße die meisten Salzauflösungen alsbald durchsickern, – deßhalb sind auch hölzerne Krahne überhaupt zu verwerfen. Wendet man nun mit Walzblei ausgelegte Bottiche an, so hat die Application der Krahne wieder ihre Schwierigkeiten. Durch die Anwendung des vulcanisirten Kautschuks ist man aller Verlegenheit überhoben. Die Möglichkeit, durch den Mohr'schen Quetschhahn einen dichten Verschluß zu bewerkstelligen, bietet dem Techniker die größten Vortheile. Ich verweise deßhalb auf die in diesem Journale Bd. CXXXII S. 42 enthaltene Abhandlung des Dr. Mohr. Röhren von vulcanisirtem Kautschuk in allen Größen sind von Hrn. Martin Wallach in Kassel billig zu beziehen. – Am einfachsten läßt man einen kleinen Rohransatz der innern Bleifläche durch die Bottichwand gehen, auf welchem dann ein kurzes durch besagten Quetschhahn verschließbares Kautschukröhrchen durch Bindfaden befestigt wird. Ein solcher äußerst prakticabler und dauerhafter Krahn ist kaum theurer als ein hölzerner. Zu unserm Gegenstande zurückkehrend, schreitet man – bei hinreichendem Vorrathe von Eisenlauge (Eisenchlorid) – zur Anbläuung. Zu dem Ende bereitet man sich einen Niederschlag aus Blutlaugensalz und Eisenvitriol auf die bereits angegebene Weise, filtrirt ihn und erhitzt den breiförmigen Rückstand in einem kupfernen Kessel zum Sieden, worauf man denselben rasch in einen unter dem Krahne des Kessels befindlichen Bottich entleert und unter fortwährendem Umrühren mit dem Eisenchlorid versetzt, bis die höchste Farben-Intensität erreicht ist. Man braucht bei dieser Operation nicht so ängstlich zu seyn, wie bei dem früher erwähnten Anbläuen mit Königswasser; – überschüssiges Eisenchlorid thut der Reinheit der Farbe keinen Eintrag. Deßhalb setzt man solange vom Eisenchlorid zu, bis ein geringer Ueberschuß desselben vorhanden ist, d.h. bis in einer abfiltrirten Probe des Flüssigen durch einige Tropfen Blutlaugensalzlösung kein weißer, sondern ein deutlich blauer Niederschlag entsteht. Ist dieser Punkt erreicht, so filtrirt man die eisenhaltige Flüssigkeit ab (wenn man ziemlich Alles gewinnen will) oder läßt die Farbe bloß absetzen und zapft das Klare ab (wenn man einen größern Theil der Flüssigkeit verloren geben will). Diese Flüssigkeit ist – wie schon erwähnt – eine Auflösung von größtentheils Eisenchlorür (salzsaurem Eisenoxydul). Um sie ganz darein zu verwandeln, bringt man sie auf Bruchstücke von altem Eisen (Roheisen oder Blech), wo sie dann nach kurzer Zeit anstatt des Eisenvitriols zum Niederschlagen des Blutlaugensalzes dient, – ein besonderer Vortheil dieser Fabricationsmethode. Die Farbe wird ausgewaschen etc. wie allgemein bekannt. Drittes Verfahren. Diese Methode gründet sich darauf, daß das Anbläuen des weißen Niederschlags auch durch eine Auflösung von Manganchlorid (salzsaures Manganoxyd) zu bewirken ist. Die Vortheilhaftigkeit derselben ist lediglich durch locale Verhältnisse bedingt, und es ist dabei von Wichtigkeit zu merken, daß der Handelswerth der Manganerze adäquat ist ihrem Gehalte an Mangansuperoxyd, – daß die gewöhnlichen Erze aber meistens eine ziemliche Beimengung von Manganoxyd enthalten, die denselben durch Salzsäure in der Kälte entzogen werden kann, – daß also durch Extraction der gewöhnlichen Manganerze mit Salzsäure der Handelswerth derselben gesteigert und gleichzeitig ein Anbläuungsmittel für unsere Fabrication gewonnen wird. Was die Ausführung des Verfahrens anbetrifft, so verfährt man zunächst genau so, wie bei der Herstellung und Anwendung des Eisenchlorids. Da die über der blauen Farbe stehende Auflösung von Mangan chlorür für den Fabrikanten von keinem besondern Werthe ist, also jede übermäßige Verwendung des Manganchlorids beim Anbläuen sorgsam vermieden werden muß: so hat man beim allmählichen Zusatz des Anbläuungsmittels durch öfteres Ziehen und Vergleichen von Proben genau den Punkt festzustellen, wo die höchste Farben-Intensität erreicht ist. Bei der bekannten leichten Zersetzbarkeit des Manganchlorids ist das Vergleichen der Farbenproben der einzige Weg, welcher hier zum Zwecke führt. – Die sonstigen Manipulationen sind die gewöhnlichen. Die Rückstände der mit Salzsäure behandelten Manganerze werden natürlich erst sorgfältig ausgewaschen und getrocknet, ehe man sie als „Mangansuperoxyd“ oder „gereinigten Braunstein“ in den Handel bringt. Viertes Verfahren. Auch eine Auflösung von Chromsäure bildet ein vortreffliches Mittel, um den weißen Niederschlag von Blutlaugensalz und Eisenvitriol anzubläuen, – indessen ist diese Methode wiederum nur eine unter Bedingungen anempfehlenswerthe, da das resultirende Chromoxydulsalz in der Regel schwer zu verwerthen seyn wird. Das Verfahren ist folgendes. Es werden 10 Gewichtstheile rothes chromsaures Kali in ungefähr dem zehnfachen Gewichte heißen Wassers aufgelöst und nach dem Erkalten mit 13 1/2 Gewichtstheilen englischer Schwefelsäure versetzt. Diese Mischung wird in wohlverstopften Glasballons zum Gebrauch aufbewahrt. Um sie zum Anbläuen zu verwenden, macht man erst in bekannter Weise einen Niederschlag von Blutlaugensalz und Eisenvitriol, filtrirt, erhitzt zum Sieden und bringt dann so lange nach und nach von der chromsauren Flüssigkeit hinzu, bis das Maximum der Intensität der Farbe erreicht ist. Schließlich will ich noch auf einen Fehler aufmerksam machen, den man sich in Fabriken, welche das Pariserblau behufs der Laubgrün-Fabrication produciren und sich deßhalb einer sorgfältigem Behandlung überhoben glauben, oft zu Schulden kommen läßt. Es sind mir Fabriken bekannt, in denen man – unter Hintansetzung der oben erwähnten Vorsichtsmaßregeln – das Blutlaugensalz ganz einfach durch eine Eisenvitriol-Auflösung fällt, so lange noch ein Niederschlag entsteht, – das Gemisch durch den Zutritt der atmosphärischen Luft blau werden läßt, auswäscht und die Farbe weiter verwendet. Daß bei diesem Verfahren eine bedeutende Verschwendung des so kostbaren Blutlaugensalzes stattfindet, ist diesen Leuten nicht bekannt, und ich halte es deßhalb für passend darauf hinzuweisen. Es ist eine durch genaue chemische Versuche festgestellte Thatsache, daß 50 Procente des zu einer Eisenoxydulsalz-Fällung verwendeten Blutlaugensalzes mit dem ganzen Kaligehalte in den weißen Niederschlag eingehen, und daß der größte Theil desselben sich bleim Blauwerden an der Luft wieder auflöst und beim Auswaschen verloren geht. Diesem Verluste wird beim Anblauen nach einem der oben mitgetheilten Verfahren vorgebeugt, – wenigstens größtentheils. Und wenn man allen Verlust vermeiden will, so muß man auch die beim Abfiltriren des weißen Niederschlages erhaltenen Filtrate, welche fast immer wieder etwas Blutlaugensalz enthalten, sammeln und gelegentlich mit Eisenvitriol fällen. (Die Fortsetzung folgt.)