Titel: Ueber platinirte Kohle; von J. Stenhouse.
Fundstelle: Band 138, Jahrgang 1855, Nr. XCVI., S. 378
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XCVI. Ueber platinirte Kohle; von J. Stenhouse. Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Octbr. 1855, S. 36. Stenhouse, über platinirte Kohle. Die leichteren Arten von Holzkohle besitzen dadurch, daß sie das neunfache Volum Sauerstoffgas in ihren Poren condensirt enthalten, ein beträchtliches Vermögen, die größere Zahl der leichter veränderlichen Gase und Dämpfe zu oxydiren. Doch ist das Absorptionsvermögen der Kohle vergleichungsweise viel größer, als ihr Vermögen chemische Verbindung einzuleiten. In dieser Beziehung bildet die Kohle einen merkwürdigen Gegensatz zum Platinschwamm, welcher, wenn auch mit geringerem Absorptionsvermögen für einige Gase begabt (Platinschwamm absorbirt z.B. nur 30 Volume Ammoniakgas, Holzkohle hingegen 90), doch sich in Beziehung auf Oxydation und zur Beförderung chemischer Verbindung im Allgemeinen viel wirksamer zeigt. Da es für einige Zwecke wünschenswerh seyn kann, die oxydirenden Wirkungen der Kohle zu erhöhen, ohne das Absorptionsvermögen derselben zu schwächen, so versuchte ich, dieses durch Vereinigung der Kohle mit fein zertheiltem Platin zu erreichen. Es wird so eine Substanz hervorgebracht, die ich als platinirte Kohle bezeichne, und welche die wirksamen Eigenschaften ihrer beiden Bestandtheile besitzt. Um Holzkohle zu Platiniren, braucht man sie nur, als grobes Pulver oder in größeren Stücken, mit einer Lösung von Platinchlorid zu kochen, und wenn die Kohle mit der Platinlösung ganz imprägnirt ist (was meistens schon nach 10 bis 15 Minuten der Fall ist), sie in einem verschlossenen Gefäße, einem geräumigen Platintiegel z.B., zum Rothglühen zu erhitzen. 150 Gran Kohle mit 9 Gran Platin in dieser Weise imprägnirt, gaben ein Präparat, dessen äußeres Ansehen von dem der Kohle nicht verschieden war, obgleich die Eigenschaften desselben wesentlich andere waren. Wenige Grane dieser platinirten Kohle, zu trockenem Knallgas in einer mit Quecksilber abgesperrten Röhre gebracht, bewirkten die Vereinigung des Wasserstoffs und Sauerstoffs innerhalb weniger Minuten, gerade so, als ob eine aus Thon und fein vertheiltem Platin bestehende Kugel angewendet worden wäre. Wurde hingegen Kohle, die mit mehr Platin beladen war, zu trockenem Knallgas gebracht, so trat sogleich die Bildung von Wasser mit explosionsartiger Heftigkeit ein, gerade wie wenn Platinschwarz angewendet worden wäre. Werden kalte Stücke platinirter Kohle einem Strom von Wasserstoffgas ausgesetzt, so kommen sie rasch zum Glühen und entzünden dann das Gas. Schwach erwärmte platinirte Kohle erglüht auch rasch in einem Strom von Steinkohlengas, aber dieser Gasstrom wird nicht entzündet, weil hierzu Weißglühhitze nothwendig wäre. In dem Dampf von Weingeist oder Holzgeist wird platinirte Kohle rothglühend und bleibt so, bis kein Dampf mehr zuströmt. Weingeist wird in Berührung mit platinirter Kohle und Luft im Verlauf weniger Stunden zu Essig. Ich finde, daß 2 Procent Platin ausreichend sind, Kohle für die meisten Zwecke hinreichend zu Platiniren. Kohle, welche nur diesen geringen Gehalt an Platin hat, bewirkt die Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff im Verlauf etwa einer Viertelstunde, und solche Kohle erscheint am geeignetsten zur Verwendung in den Respiratoren,Man s. polytechn. Journal Bd. CXXXIV S. 397. durch welche die einzuathmende Luft von schädlichen Beimischungen befreit werden soll. Kohle, welche 1 Proc. Platin enthält, bewirkt die Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff in etwa 2 Stunden; und solche Kohle, welche nur 1/4 Proc. Platin enthält, bringt dieselbe Wirkung in 6 bis 8 Stunden hervor. Platinirte Kohle scheint mehrere sehr nützliche Anwendungen zuzulassen; eine der nächstliegenden ist die zu Luftfiltern und Respiratoren. Es ist klar, daß alle leicht veränderlichen organischen Dämpfe, wie Effluvien oder Miasmen, selbst bei kurzer Berührung mit der platinirten Kohle, zerstört werden müssen, indem ihr Kohlenstoff zu Kohlensäure und ihr Wasserstoff zu Wasser wird. Platinirte Kohle scheint auch mit großem Nutzen bei bösartigen Geschwüren anwendbar zu seyn, und ich glaube, daß sie bei ihrem mächtigen Oxydationsvermögen ein mildes, aber wirksames Aezmittel abgibt. Doch dürfte für diesen Zweck platinirter Asbest, für sich oder in Verbindung mit platinirter Kohle, noch besser anzuwenden seyn. Bei solchen Krankheiten, wo der innerliche Gebrauch von Kohle sich heilsam erwies, möchte auch die platinirte Kohle mit Vortheil angewendet werden. Auch in Bunsen's Kohlenbatterie dürfte meiner Ansicht nach die Anwendung platinirter Kohle vortheilhaft seyn. Es ist klar, daß der Gehalt der Kohle an Platin fast beliebig gesteigert werden kann, je nach der Stärke der bei der Darstellung des Präparats angewendeten Platinlösung, und je nach dem Zweck, zu welchem man dasselbe bestimmt. Fast in jeder Form und in jeder Größe läßt sich die platinirte Kohle erhalten – Umstände, welche ihre Anwendbarkeit beträchtlich erweitern.