Titel: Vergleichende Analysen des amerikanischen Salzfleisches; von Professor J. Girardin in Rouen.
Fundstelle: Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LII., S. 222
Download: XML
LII. Vergleichende Analysen des amerikanischen Salzfleisches; von Professor J. Girardin in Rouen. Aus den Comptes rendus, November 1855, Nr. 19. Girardin's vergleichende Analysen des amerikanischen Salzfleisches. Seit Ende vorigen Jahres haben in Folge eines Decretes vom Monat August 1854, welches gegen einen äußerst geringen Eingangszoll die Einführung gesalzenen oder geräucherten Fleisches in Frankreich gestattet, bedeutende Sendungen solcher Fleischsorten sowohl aus den La Plata, als den Vereinigten Staaten Amerika's stattgefunden. Dünkirchen, Havre und andere Seehäfen erhielten gesalzenes Schweine- und Rindfleisch in ziemlich gutem Zustande, und viele Leute, hauptsächlich Fabrikanten, säumten nicht, einen Versuch damit zu machen. Das gesalzene Schweinefleisch aus Amerika wurde zu 1 Frc. bis 1 Frc. 20 Cent. per Kilogr. verkauft. Das knochenfreie, gesalzene Rindfleisch wurde und wird noch im Detail zu 60 bis 75 Cent. per Kilogr. verkauft. In der Voraussetzung daß diese Fleischsorten wirklich gesunde und angenehme Nahrungsmittel sind, entstand nun die Frage, ob es mit Rücksicht auf ihre Preise vortheilhaft ist, sie anstatt des Fleisches unserer Schlachtbanken anzuwenden; denn wenn das Ernährungsvermögen dieser Fleischsorten viel geringer als dasjenige des frischen Fleisches wäre, so könnte es offenbar nicht an die Stelle des letztern treten, welches unter allen Umständen besser schmeckt und appetitlicher aussieht. Um diese Frage zu lösen, unternahm ich auf Verlangen der Gesellschaft der untern Seine für Beförderung des Handels und der Industrie, mit Beihülfe der HHrn. Caneaux und Thorel, jener Oberarzt, dieser Oberapotheker des Hôtel Dieu zu Rouen, eine Reihe von Versuchen, über welche ich hier kurz berichte. 1) Mehrere Töpfe, die einen mit Fleisch aus der hiesigen Schlachtbank, die anderen mit gesalzenem Rindfleisch aus Amerika, wurden mit oder ohne Gemüse auf die gewöhnliche Weise beigesetzt. Folgendes sind die Resultate eines solchen vergleichenden Versuches: A. 950 Gram. frisches Rindfleisch mittlererQualität, ohne Knochen, mit 750 Gr. Gemüseund 50 Gram. Salz gaben nach dem Kochen 650 Gr. abgetropftes Fleisch, welches ausgetrocknet    200 Grm. wog; 100 Grm. Fett;2,250 Kil. Fleischbrühe, welche 80 Gram.    trockenes Extract lieferte. Das gekochte Fleisch sah sehr gut aus und schmeckte sehr gut. Die Fleischbrühe war von feinem Geschmack und kräftig. B. 950 Gram. gesalzenes Rindfleischaus Amerika, welche man vorher in 6 Lit.Wasser 12 Stunden lang behufs desEntsalzens liegen und dann fünf Minutenlang in 6 Litern frischen Wasserskochen ließ, wurden hierauf mit 750Gram. Gemüse und 50 Gram. Salzgekocht. Man erhielt nach dem Kochen 750 Gram, abgetropftes Fleisch, welches    ausgetrocknet 220 Gr. wog; Spuren von    Fett; und 2,250 Kilogr. Fleischbrühe, welche 85 Gr.    trockenes Extract lieferte. Dieses gekochte Fleisch sah aus wie abgestandenes Fleisch; äußerlich war es stark braun gefärbt, innerlich lebhaft rosenroth. Es roch wie schwach geräuchertes Fleisch. Die Länge und Festigkeit seiner Fasern machten es schwer und unangenehm zu kauen. Die durchsichtige Fleischbrühe, ohne Spur von Fett, glich sehr der Kalbfleischbrühe; sie schmeckte eben nicht schlecht, aber ihr Geruch war nur schwach aromatisch und von dem der Fleischbrühe aus frischem Fleische sehr abweichend; sie war salziger als letztere. 2) Ein Kilogr. inländischer Speck wurde in Vergleich mit 1 Kilogr. gesalzenem Speck aus Amerika, mit Gemüse (Kohl, gelben Rüben, Steckrüben etc.) wie gewöhnlich gekocht. Nach dem Kochen wog: der abgetropfte inländische Speck     770 Gram. der amerikanische Speck 530    „ Der inländische Speck hatte einen viel angenehmeren Geschmack als der amerikanische; namentlich waren die fetten Theile bei ersterm vortrefflich, hingegen bei letzterm kaum eßbar; das Magere von letzterm war leidlich. 3) Folgende Tabellen enthalten die Resultate meiner Analysen dieser verschiedenen Fleischsorten. A. Frische und ausgetrocknete, nicht gekochte Fleischsorten. Textabbildung Bd. 139, S. 224 Inländisches Rindfleisch; Amerikanisches gesalzenes Rindfleisch; Fetter und magerer inländis. Speck; Amerikanischer gesalzener Speck; frisch; bei 80° getroknet; wie es aus den Fässern kömmt; bei 80° R. getroknet.; Wasser; Faserstoff (Fibrin), Zellgewebe; Fett; Albumin; Extractive Stoffe; Auflösliche Salze; Verlust; Phosphorsäure in 100 Theilen; Stickstoff in 100 Th.; Kochsalz in 100 Th. B. Mit Salz und Gemüse gekochte Fleischsorten. Textabbildung Bd. 139, S. 224 Fleisch aus der Schlachtbank; Amerikan. Salzfleisch; abgetropft; bei 80° R. getroknet; Wasser; Salze; Organische Substanzen; Phosphorsäure in 100 Theilen; Stickstoff in 100 Theilen; Kochsalz in 100 Theilen C. Extract der Fleischbrühe. Textabbildung Bd. 139, S. 225 Fleisch aus der Schlachtbank; Amerikan. Salzfleisch.; Mit Salz bei 80° R. getrocknet; Ohne Salz bei 80° R. getrocknet; Wasser; Salze; Organische Substanzen; Phosphorsäure in 100 Theilen; Stickstoff in 100 Theilen; Kochsalz in 100 Theilen D. Salzlake, in welcher das gesalzene Rindfleisch aus Amerika gelegen war. Ein Liter dieser stark braun gefärbten Lake enthält: Wasser   622,250 Albumin     12,300 andere organische Substanzen     34,050 Phosphorsäure       4,812 Kochsalz   290,071 andere salzige Stoffe     36,517 –––––––– 1000,000 Stickstoff in 100 Th. trockenen Extracts       2,669 Folgerungen. 1) Aus den vergleichenden Analysen des frischen Fleisches der Schlachtbank und des amerikanischen Salzfleisches geht Folgendes hervor: 100 Gewichtstheile Fleisch, wie es zur Consumtion geliefert wird, enthalten: Inländ. Fleisch.   Amerikan. Fleisch. Wasser      75,90        49,11 trockene Substanz          24,10        50,89 –––––––––––––––––––––––––––    100,00      100,00 wonach also das Salzfleisch die Hälfte seines Gewichts nützlicher Stoffe enthält, während das inländische Fleisch aus der Schlachtbank von solchen nur den vierten Theil seines Gewichts enthält. In diesen respectiven Quantitäten nützlicher Stoffe sind enthalten: Inländ. Fleisch.     Amerikan. Fleisch. Stickstoff      3,031        4,631 Phosphorsäure          0,2229        0,618 Man hat sonach bei gleichem Gewicht Fleisch: StickstoffPhosphorsäure     1,60,396 mehr beim amerikan. Salzfleisch. Dieß repräsentirt einen beträchtlichen Gewinn an wesentlich assimilirbaren Substanzen für denjenigen, welcher das Salzfleisch ißt. 2) Betrachten wir die Frage unter dem ökonomischen Gesichtspunkt, so kommen wir zu folgenden Resultaten: 950 Gram. inländisches Rindfleisch, 750 Gram. Gemüse und 50 Gr. Salz, welche zusammen 1 Fr. 93 1/2 Cent. beim Ankauf kosteten, gaben:   650 Gr, abgetropftes gekochtes Fleisch, enthaltend Stickstoff   69,35 Gram. und 2250 Gr. Fleischbrühe, enthaltend   2,80    „ ––––––––– Im Ganzen Stickstoff 72,15 Gram. für 1 Fr. 93 t/2 Cent. 950 Gram. amerikanisches gesalzenes Rindfleisch, 750 Gram. Gemüse und 50 Gram. Salz, welche zusammen 1 Fr. 27 Cent. kosteten, gaben:   750 Gr. abgetropftes gekochtes Fleisch, enthaltend Stickstoff   88,63 Gram. und 2250 Gr. Fleischbrühe, enthaltend   2,67    „ –––––––––– Im Ganzen Stickstoff 91,30 Gram. für 1 Fr. 27 Cent. Der Gramm Stickstoff kömmt sonach zu stehen: beim frischen Fleisch auf 26,8 Cent. beim amerikanischen Fleisch auf     13,9    „ Wenn man den Stickstoffgehalt als den Ernährungswerth repräsentirend betrachtet, so könnte man folglich anzunehmen veranlaßt werden, daß das amerikanische Fleisch um die Hälfte wohlfeiler nährt, als das gewöhnliche Fleisch aus der Schlachtbank. Es fragt sich aber noch, ob ein durch lange Berührung mit Salz erhärtetes Fleisch, welches überdieß zum Theil der schmackhaften Bestandtheile beraubt ist, die zur vollständigen Assimilirung der Nahrungsmittel wesentlich beitragen, eben so gut zu nähren vermag, wie ein Fleisch, welches keine Veränderung erlitten hat und alle seine schmackhaften Bestandtheile noch enthält. 3) Vergleichen wir auf ähnliche Weise die beiden Speckarten mit einander, so finden wir, daß 100 Gewichtstheile derselben enthalten: Inländ. Speck.     Amerikan. Speck. Wasser      69,55        44,06 trockene Substanz          30,45        55,94 –––––––––––––––––––––––––    100,00      100,00 Der amerikanische gesalzene Speck enthält folglich etwas über die Hälfte seines Gewichtes nützlicher Stoffe, während diese im inländischen etwas weniger als ein Drittheil seines Gewichts betragen. Und in diesen Quantitäten nützlicher Stoffe sind enthalten: Inländ Speck.     Amerikan. Speck. Stickstoff     3,733        3,205 Phosphorsäure         0,551        0,332 Man hat folglich bei gleichem Gewicht Speck: StickstoffPhosphorsäure     0,5280,219 mehr im inländischen Speck. Da nun 1 Kilogr. inländischer Speck 1 Fr. 80 Cent. kostet und durch Kochen 770 Gram. abgetropften Specks lieferte, während 1 Kilogr. amerikanischen Specks, welches 1 Fr. 40 Cent. kostet, sich auf 530 Gr. reducirte, so folgt (vorausgesetzt daß aller Stickstoff des ungekochten Fleisches im gekochten zurückblieb und daß letzteres nur 68 Proc. Wasser zurückhielt), daß in den 770 Gram. inländischen Specks 88,52 Gram. Stickstoff, in den 530 Gram. amerikanischen Specks hingegen nur 28,30 Gr. Stickstoff enthalten waren. Der Gramm Stickstoff kömmt sonach beim ersten   auf 20 Cent und beim zweiten auf 49 Cent. zu stehen. Es kostet mithin mehr als das Doppelte, um sich mit dem amerikanischen Speck zu ernähren, als mit dem inländischen. Ueberdieß hat letzterer einen vortrefflichen Geschmack, während der andere von viel geringerer Qualität ist. 4) Die Analyse der Salzlake, in welcher das amerikanische gesalzene Rindfleisch gelegen war, beweist, daß dieses Fleisch einen sehr großen Theil seiner nährenden Bestandtheile sowohl salziger als organischer, verloren hat. Nach Liebig geht in die Salzlake ungefähr das Drittel, und sogar die Hälfte der im frischen Fleische enthaltenen Flüssigkeit über, welche Flüssigkeit alle organischen und mineralischen wirksamen Bestandtheile der besten Fleischbrühe enthält. Das Einsalzen hat sonach denselben Erfolg, wie das Auslaugen durch Kochen, und sogar noch einen merklicheren, weil es auch das Eiweiß (Albumin) auszieht, welches durch die Einwirkung des kochenden Wassers, wobei es gerinnt, im Fleisch erhalten wird. Das Einsalzen vermindert folglich den Ernährungswerth, indem es die zur Blutbildung nothwendigen Substanzen auszieht. Daraus erhellt, daß das Einsalzen nicht das vortheilhafteste Verfahren ist, um das zur Nahrung des Menschen bestimmte Fleisch zu conserviren, und daß ein anderes Mittel ausfindig gemacht werden sollte, um die ungeheuren Fleischmassen, welche in Amerika verloren gehen, zum Besten der europäischen Consumenten nutzbar zu machen. Ein halbes Kochen desselben unter zweckmäßigen Umständen, dann Umhüllen mit einer Gallertelösung, welche man hernach an der Sonne oder in einem Ofen mit doppeltem Luftzug trocknen ließe, so daß das Fleisch mit einem schützenden Firniß überzogen würde, wie zuerst Vilaris und nach ihm d'Arcet vorschlug, würde gewiß vortheilhafter seyn, als das jetzt gebräuchliche lange Liegen in einer Salzlake. Um dem aus Amerika ausgeführten Fleische in Europa sichere Abnahme zu verschaffen, müßte aber nothwendig auch das Aushacken der Thiere auf ähnliche Weise geschehen wie es unsere Fleischer mit dem Rind- und Hammelfleisch machen, es müßten nämlich die schlechten Stücke beseitigt und nur die besten Theile versendet werden. Wenn die amerikanischen Speculanten ihren Fleischsendungen keine größere Sorgfalt widmen und zur Verhinderung seiner Fäulniß bloß das Salz anwenden, so müssen sie gewärtigen, daß ihre Producte dem größten Mißcredit verfallen. Schon jetzt finden sich in Rouen für das amerikanische Salzfleisch keine Käufer mehr; die Consumenten haben sich überzeugt, daß es ein nicht sehr appetitliches und in ökonomischer Hinsicht nicht sehr vortheilhaftes Nahrungsmittel ist. Resultate. Aus Vorstehendem lassen sich folgende Schlüsse ziehen: 1) Das gesalzene Rindfleisch aus Amerika, obwohl es mehr Stickstoff und Phosphorsäure enthält als das Fleisch aus der Schlachtbank mit 75 Procent Wassergehalt, und obgleich es für denselben Preis fast das doppelte Quantum jener Stoffe darbietet, ist dennoch bei weitem kein so kräftiges, angenehmes und schmackhaftes Nahrungsmittel wie das frische Rindfleisch. 2) Der amerikanische gesalzene Speck steht in allen Beziehungen dem inländischen Speck weit nach. 3) Unsere Bevölkerung hat der Anwendung des amerikanischen Salzfleisches entsagt, und zwar nicht aus Vorurtheil, sondern in Folge mehrmonatlicher Erfahrung und aus gewichtigen Gründen. 4) Die Speculanten sollten auf Mittel bedacht seyn, uns amerikanisches Fleisch in besserm Zustand zu verschaffen, damit es statt des Fleisches aus unsern Schlachtbänken gebraucht werden kann, dessen immer zunehmende Theuerung für die Bevölkerung der Städte, insbesondere der arbeitenden Classen, ein sehr nachtheiliger und Besorgniß erregender Umstand ist.