Titel: Ueber die Gewinnung von Paraffin und anderen Producten durch Destillation des Torfs in Irland.
Fundstelle: Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LXXII., S. 292
Download: XML
LXXII. Ueber die Gewinnung von Paraffin und anderen Producten durch Destillation des Torfs in Irland. Nach dem Technologiste durch das polytechnische Centralblatt, 1856, S. 39. Ueber die Gewinnung von Paraffin etc. durch Destillation des Torfs in Irland. In Bezug auf das Verfahren von Reece,Mitgetheilt im polytechn. Journal Bd. CXIV S. 57. durch Destillation des Torfs Paraffin und andere nutzbare Producte zu gewinnen, welches eine Gesellschaft in Irland im Großen auszubeuten beabsichtigt, haben Kane und Sullivan Untersuchungen angestellt, sowohl mit verschiedenen Sorten von irländischem Torf, als mit Torf aus anderen Gegenden. Die dabei erlangten Ergebnisse, die zwar nicht in allen Stücken neu sind, theilen wir hier mit. Unterwirft man den Torf der Rothglühhitze, so erhält man dreierlei Producte, nämlich Gas, Theer und eine wässerige Flüssigkeit. Das Mengenverhältniß dieser Producte hängt von der Art und Weise, in welcher die Destillation geführt wird, ab. Wenn die Retorte, welche den Torf enthält, stark erhitzt wird, z.B. zur Kirschrothglühhitze oder zur Weißglühhitze, so findet die Zersetzung mit großer Schnelligkeit statt, aber die Elemente gehen vorzugsweise in gasförmige Verbindungen über, so daß man ein großes Volum Gas und verhältnißmäßig wenig Theer erhält. Das so aus dem Torfe erhaltene Gas ist ein Gemenge von leichten Kohlenwasserstoffen, einer kleinen Menge ölbildendem Gas, Kohlensäure, Kohlenoxyd und ein wenig Dampf von flüchtigen Oelen, welche man durch starke Abkühlung verdichten kann. Wie aus dieser Zusammensetzung schon hervorgeht, besitzt es wenig Leuchtvermögen; seine Leuchtkraft ist nur etwa 1/3 so groß, wie die Leuchtkraft des Steinkohlengases. Wenn es demnach für die Anwendung als Leuchtgas nicht oder kaum in Betracht kommt, so kann es doch in anderer Beziehung, nämlich als Heizmaterial, wichtige Anwendung finden, vorausgesetzt, daß es wohlfeil genug erzeugt werden kann. Für diese Anwendung ist es besser als Steinkohlengas, denn es erzeugt beim Verbrennen mehr Hitze. Eine englische Tonne (1016,04 Kilogr.) an der Luft getrockneten Torfs liefert im Mittel 396,34 Kubikmeter Gas, oder nahezu 1 1/2 Mal so viel, als eine gleiche Menge Steinkohle mittlerer Qualität. Da es keinen oder nur sehr wenig Schwefel enthält, so kann es auch in solchen Fällen, wo die Gegenwart dieses Stoffes schädlich ist, angewendet werden. Es ist als Brennmaterial namentlich auch für metallurgische Processe geeignet. Es wurde oben angeführt, daß eine hohe Temperatur bei der Destillation des Torfs die Erzeugung von Gas auf Kosten der flüssigen Kohlenwasserstoffe oder der theerartigen Stoffe, welche sonst sich bilden würden, begünstigt. Indem man diesen Umstand speciell berücksichtigt, kann man die Menge der letzteren verhältnißmäßig vergrößern. Man gelangt dahin, indem man die Temperatur bei der Destillation so niedrig als möglich hält, so jedoch, daß die organische Substanz zersetzt wird. Wenn der Torf so destillirt wird, wenn man mit beginnender Rothglühhitze anfängt und die Hitze in dem Maaße, als die Operation fortschreitet, allmählich und gelinde steigert, gewinnt man einen Theer, welcher außer den öligen Stoffen Paraffin enthält – eine Substanz, die vorzüglich bei niedriger Hitze entsteht; denn wenn bei der Destillation eine stärkere Hitze angewendet wird, ändert sich der Charakter des Theers und er liefert dann nur sehr wenig Paraffin. Die Etablissements, welche die irländische Gesellschaft in der Grafschaft Kildare zur Torfdestillation einrichten läßt, sind auf die Verarbeitung von 100 Tonnen Torf per Tag oder 36500 Tonnen per Jahr berechnet. 1 Tonne Torf liefert ungefähr 1,36 Kilogr. Paraffin, 9 Liter eines zur Beleuchtung geeigneten flüchtigen Oels und 4,54 Liter eines fixen Oels, welches zu Maschinenschmiere angewendet werden kann. Alle diese Stoffe werden aus dem Theer gewonnen; es ist daher klar, daß die Quantität und Qualität desselben in Bezug auf die Rentabilität des Unternehmens die sorgfältigste Beachtung erfordert; denn wenn man den Torf in geeigneter Weise destillirt, kann der Theer, den man daraus gewinnt, jährlich 50000 Kilogr. Paraffin liefern, während, wenn die Destillation nicht richtig geleitet wird, man statt desselben nur ölartige Stoffe von zwar ähnlicher Zusammensetzung, aber von geringem Handelswerthe erhält. Um das Paraffin zu erhalten, unterwirft man in der Fabrik der irländischen Gesellschaft den Theer einer abermaligen Destillation, wobei er eine gewisse Menge einer öligen Flüssigkeit und Paraffin liefert, welches letztere später als die ölige Flüssigkeit und bei viel höherer Temperatur übergeht. (Der Torf liefert bei vorsichtiger Destillation per Tonne 25–27 Liter Theer, welche 1,14 bis 1,36 Kilogr. Paraffin und 13–14 Liter flüchtiges oder fixes Oel geben.) Das Paraffin erstarrt beim Erkalten zu einer festen Masse, welche noch eine große Menge Oel einschließt. Man entfernt einen Theil dieses Oels dadurch, daß man es aus dem Paraffin abtropfen läßt, und unterwirft letzteres darauf einer starken Pressung, um alles Oel, welches mechanisch daraus abgeschieden werden kann, zu entfernen. Diese Mittel sind indeß nicht ausreichend, um den letzten Theil des Oels oder der theerartigen Stoffe, die in der Masse des Paraffins vertheilt sind und den Theilchen desselben hartnäckig anhängen, zu entfernen, man bedarf vielmehr zur Entfernung derselben chemischer Mittel. Man behandelt das Paraffin nämlich in der Wärme mit Schwefelsäure, welche die theerartigen Stoffe zerstört und das Paraffin ganz rein und weiß macht. Die bei der Destillation des Torfs gewonnene wässerige Flüssigkeit beträgt ungefähr 30 Procent vom Gewichte des Torfs, d.h. 1 Tonne trockener Torf liefert nahezu 3 Hektoliter derselben. Diese Flüssigkeit enthält Ammoniak, Holzsäure und Holzgeist, welche man benutzen kann. Sie gibt per Tonne Torf 2,5 Kilogr. Ammoniak, oder, durch Verbindung desselben mit Schwefelsäure, in runder Zahl 12 Kilogr. schwefelsaures Ammoniak, welches man in den Handel bringen kann. Der Gehalt an Holzsäure ist etwas geringer, wie der an Ammoniak, und beträgt per Tonne Torf nur 2,25 Kilogr. Der Holzgeist macht per Tonne Torf 3,65 Kilogr. aus. In den Retorten bleiben nach der bei mäßiger Hitze bewirkten Austreibung der flüchtigen Stoffe circa 25 Proc. vom Gewichte des Torfs Kohks zurück. Diese Kohks, welche keinen Schwefel enthalten, sind ein ausgezeichnetes Brennmaterial für metallurgische Operationen, bei denen sie nur von der Holzkohle an Werth übertroffen werden.