Titel: Ueber die Wirkung des Salpeters auf die Vegetation; von Hrn. Boussingault.
Fundstelle: Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XXXIV., S. 140
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XXXIV. Ueber die Wirkung des Salpeters auf die Vegetation; von Hrn. Boussingault. Aus den Comptes rendus, Novbr. 1855, Nr. 21. Boussingault, über die Wirkung des Salpeters auf die Vegetation. Der Salpeter übt auf die Entwickelung der Pflanzen eine sehr günstige und augenfällige Wirkung aus; diese Eigenschaft desselben war schon den Alten bekannt, und daß die Anwendung dieses Salzes im Feldbau nicht allgemein wurde, erklärt sich durch den hohen Preis, welchen es in den von seinem Erzeugungsort entfernten Gegenden erreicht, besonders wenn sich zu den Transportkosten noch hohe Zölle gesellen. Die Anwendung des Salpeters zur Verbesserung des Bodens kam in der Landwirthschaft in der That erst in Aufnahme, als man ihn in Peru in außerordentlich mächtigen Lagern aufgefunden hatte. Diese wichtige Entdeckung wurde in Europa im J. 1821 bekannt. Eine Analyse dieses natürlichen Salpeters wurde zuerst an der Bergwerksschule zu Paris von Mariano de Rivero, einem jungen Peruaner, angestellt, und die Krystallform desselben von Hauy bestimmt. In der Provinz Taracapa, zwischen dem 19ten und 22sten Grad südlicher Breite, kommen in einer unfruchtbaren Ebene, welche 8–10 Limes von der Küste entfernt ist, Haufen von salpetersaurem Natron, Kochsalz und borsaurem Kalk vor. Die Pamba del Tamaragual, ungefähr 1000 Meter über dem Niveau des stillen Meeres gelegen, welche aus angeschwemmtem Land, Konglomeraten und fossilem Holz neuerer Zeit besteht, enthält Salpeterlager, die man als unerschöpflich betrachtet. Diese Lager erstrecken sich nicht über 6 Lieues von der Küste hinaus; über dieser Gränze ist der Salpeter durch Kochsalz ersetzt. Die Peruaner nennen den mit Sand und Thon vermengten Salpeter „Caliche“. Diese Gemenge enthalten 20 bis 65 Proc. salpetersaures Natron. Der krystallisirte weiße „Caliche“ ist reiner Salpeter und stellenweise so hart, so compact, daß man zu seiner Gewinnung das Sprengen mit Pulver anwenden muß. Der Caliche bildet 2–3 Meter mächtige Lager in einer Ausdehnung von 80 bis 400 Meter. Um den Salpeter auszuziehen, wird er mit kochendem Wasser behandelt, die Auflösung über Feuer oder durch die Sonnenwärme abgedampft und das Salz, wenn es trocken ist, nach dem Hafen Jquique geschafft, von wo es nach Europa und den Vereinigten Staaten versendet wird. Nach Hrn. de Rivero beträgt der Werth des von den Siedereien zu Tamaragual gelieferten Jquique-Salpeters bei Nachfrage 25 Francs die 100 Kilogr. Die Salpetergewinnung in der Provinz Taracapa wurde erst seit dem J. 1831 in größerem Maaßstabe betrieben. In den letzten fünf Jahren betrug die Ausfuhr über 3 Millionen Centner (span. Gewicht). Es ist merkwürdig, daß die Peruaner vor der Eroberung ihres Landes den Salpeter gar nicht benutzten; und doch waren die Inkas in der praktischen Landwirthschaft sehr weit vorgeschritten. Die aufmerksame Beobachtung der Umstände, welche die durch die nächtliche Strahlung hervorgebrachte Abkühlung begleiten, lehrte sie, ihre Felder vor den Wirkungen des Frostes dadurch zu schützen, daß sie die Durchsichtigkeit der Luft mittelst des Rauches trübten; sie befruchteten die Erde mit dem Guano, bereiteten einen wirksamen Dünger mit getrockneten Fischen, und stellten aus Menschen-Excrementen ein Düngpulver (Poudrette) dar, welches am Fuße jeder einzelnen Türkischkornpflanze in kleiner Menge verbreitet wurde. Die gute Wirkung des salpetersauren Natrons auf die Felder, wenn man 120 bis 125 Kilogr. davon per Hektare verwendet, läßt sich seit den vergleichenden Versuchen, welche in England von Hrn. David Barclay und in Frankreich von Hrn. Kühlmann angestellt wurden, nicht mehr in Zweifel ziehen, und man kann behaupten, daß von der beträchtlichen Quantität Salpeter, welcher aus Peru in Großbritannien eingeführt wird, die Landwirthschaft schon jetzt einen großen Theil in Anspruch nimmt. Nachdem nun feststeht, daß das salpetersaure Kali und Natron zur Entwickelung der Pflanzen kräftig beitragen, so fragt es sich, in welcher Weise sie wirken. Verhalten sie sich ähnlich wie die das Wachsthum so befördernden Salze der Alkalien, oder wirken sie bei ihrer complicirten Zusammensetzung nach Art der von thierischen Substanzen herrührenden Düngerarten, z.B. wie die Ammoniaksalze? Diese Fragen sind gewiß wichtig, und ich habe zur Beantwortung derselben einige Versuche angestellt, deren Resultate ich hier mittheile. Die einzige mir bekannte Erklärung der nützlichen Wirkung der salpetersauren Salze auf die Vegetation ist von Hrn. Kuhlmann Polytechn. Journal Bd. CIII S. 302.; nachdem derselbe durch seine Untersuchungen gefunden hatte, daß stets Ammoniak gebildet wird, wenn Wasserstoff im Entstehungsmoment auf Salpetersäure wirkt, kam er zu dem Schlusse, daß bei Anwendung der salpetersauren Salze als Dünger deren Stickstoff, ehe er von der Pflanze absorbirt wird, meistens im Boden selbst in Ammoniak umgewandelt wird. Um den großen Nutzen der salpetersauren Salze zu erklären, bemerkt Hr. Kuhlmann, genügt es daher, daß diese Salze dem desoxydirenden Einfluß der faulen Gährung ausgesetzt sind, deren Endresultat kohlensaures Ammoniak seyn muß. Es ist zu bedauern, daß dieser Chemiker nicht untersucht hat, ob die organischen Materien beim Faulen wirklich die Salpetersäure der salpetersauren Salze in Ammoniak verwandeln; er hätte diese Untersuchung um so weniger unterlassen sollen, da man weiß, mit welcher Leichtigkeit der Stickstoff des Ammoniaks in Salpetersäure umgewandelt wird. Auf dieses Streben der Elemente des Ammoniaks sich zu oxydiren, gründet sich ja auch die wahrscheinlichste Theorie der Salpeterbildung in einem Boden, worin thierische Stoffe und alkalische Basen zusammen vorkommen. Ich glaubte daher untersuchen zu müssen, ob die Gegenwart fäulnißfähiger organischer Materien im Boden unerläßlich ist, damit der Stickstoff des ihm beigemengten salpetersauren Salzes von der Pflanze assimilirt wird; denn in dem Falle wo die Assimilirung in Abwesenheit jener Stoffe stattfände, könnte man zwei Schlüsse ziehen: erstens, daß es nicht nothwendig sey daß der Stickstoff der Salpetersäure vorher außerhalb der Pflanze in Ammoniak umgewandelt wird, um sich im Organismus fixiren zu können; zweitens, daß sich die salpetersauren Salze bei ihren Wirkungen auf die Vegetation nicht lediglich wie Salze mit Kali- oder Natronbasis verhalten. Das einzuschlagende Verfahren bestund natürlich darin, eine Pflanze in Sand zum Wachsen zu bringen, welcher durch Ausglühen unfruchtbar gemacht war und dem eine bekannte Menge von salpetersaurem Alkali und Asche zugesetzt wurde, wobei mit reinem Wasser begossen wurde. In dem Fall wo die Pflanze zur Entwickelung kam, mußte sie analysirt, und um zu ermitteln wie viel salpetersaures Salz sie absorbirt hat, das im Sand zurückgebliebene salpetersaure Salz genau bestimmt werden. Versuch mit der Wolfsbohne. Erdreich aus Sand und Quarzkiesel   1524 Grm. Blumentopf von gebrannter Erde   513    „ –––––––––– Sand und Topf 2037 Grm. Am 10. Mai 1855 wurde eine Wolfsbohne eingesetzt, welche 0,302 Grm. wog. Die Pflanze entwickelte sich im Freien, es war aber Vorsorge getroffen, sie, sobald es regnete, schützen zu können. Der Blumentopf wurde auf eine Porzellanplatte gestellt, 1 Meter über einen Nasen. Dem ausgeglühten Sand war 1,3 Grm. ausgewaschene Asche und 0,2 Grm. alkalische Asche zugesetzt worden. Begossen wurde mit Wasser, welches mit Kohlensäuregas gesättigt war. Der Versuch wurde am 2. August beendigt, als die Samenlappen verwelkt waren und einige der unteren Blätter sich zu entfärben anfingen. Die Wanze war 12 Centimeter hoch, hatte 14 Blätter und wog getrocknet 1,415 Grm., war also fünfmal so schwer als der angewandte Same.    Die Analyse ergab:    In der trockenen Pflanze Stickstoff 0,0106 Grm.    Die Analyse des Sandes wurde mit dem zehnten Theil desselben angestellt.    Stickstoff, im zehnten Theil 0,00039 Grm.; im Ganzen   0,0030    „ –––––––––– 0,0205 Grm.    Im Samen Stickstoff 0,0170   „ ––––––––––    Nach dreimonatlichem Wachsthum Zunahme 0,0035 Grm. Es ist dieß sehr nahezu das Resultat, welches ich voriges Jahr erhielt, als ich die. Pflanze in einem Boden wachsen ließ, dessen Masse zehnmal geringer war. Bei diesem an freier Luft und an der Sonne, bei manchmal sehr starkem Wind, ausgeführten Versuch wurde zur Begießung eine sehr bedeutende Menge Wasser verbraucht. Da dieses Wasser aber keine bestimmbaren Spuren von Ammoniak enthielt und die dem geglühten Sand zugesetzte Asche weder Cyanverbindungen, noch stickstoffhaltige Kohle enthielt, so war kein Grund vorhanden das Resultat zu corrigiren, und dasselbe wurde unmittelbar aus den durch die Analysen erhaltenen Zahlen abgeleitet – eine wesentliche Bedingung, da, meiner Ansicht nach, ein Versuch dieser Art offenbar kein Vertrauen verdient, wenn man wegen der Unreinheit der Agentien, welche man zur Entwicklung der Pflanzen mitwirken ließ, Correctionen vornehmen muß. Nachdem ich nun überzeugt war, daß die Masse eines unfruchtbaren Bodens auf die Vegetation keinen Einfluß äußert, erhielt ich das Gewicht des Sandes, worin sich die Pflanze entwickeln mußte, innerhalb Gränzen, welche gestatteten, die Analyse mit dem Drittel oder der Hälfte desselben anzustellen, um ein möglichst verläßliches Resultat zu erhalten. Das Gewicht des Bodens betrug 200 bis 300 Grm. Erster Versuch. – Einfluß des salpetersauren Kalis auf die Vegetation der Sonnenblume (Helianthus). Zwei Sonnenblumen-Samenkerne, die zusammen 0,62 Grm. wogen, wurden am 10. Mai 1855 in ausgeglühten Sand gelegt, welchem 0,1 Grm. alkalische Asche und 1 Grm. ausgewaschene Asche beigemengt waren und im Verlauf des Versuches allmählich 1,11 Grm. salpetersaures Kali zugesetzt wurden. Der Sand wurde anfangs mit reinem Wasser angefeuchtet; nach dem Keimen aber wurde mit Kohlensäuregas gesättigtes Wasser angewendet. Die Pflanze wuchs in freier Luft unter einem Glasdach heran, welches sie vor Regen und Thau schützte – eine Anordnung, die bei allen in dieser Abhandlung vorkommenden Versuchen getroffen wurde. Am 20. Mai waren die Kerne aus dem Boden hervorgetreten; von da an wuchs die Pflanze rasch empor. Am 19. August hatte die eine der Sonnenblumen eine Höhe von 72 Centimeter erreicht und trug neun schöne Blätter und eine Blumenknospe; sechs verwelkte Blätter hingen am Fuße des Stengels. Die andere Sonnenblume war 50 Centimet. hoch, hatte zehn schön grüne und sieben verwelkte Blätter. Am 22. August war die Spitze des Stengels der einen Pflanze durch Zufall abgebrochen und der Versuch wurde daher eingestellt. Beide Pflanzen wogen nach dem Trocknen 6,685 Grm., nämlich: holzige Stengel    BlätterWurzel 3,9901,6351,060 Grm.   „   „ 6,685 Grm. Bestimmung des Stickstoffs in den Pflanzen und in der Erde. Wegen des vorhandenen salpetersauren Salzes wurde der Stickstoff durch Verbrennung mit Kupferoxyd bestimmt. Man verwendete zum Versuch 1 Grm. trockener Pflanze, nämlich: StengelBlätterWurzeln         0,5970,2440,159 Grm.    „   „ 1,000 Grm.   I. Substanz 1 Grm. – Gefundener Stickstoff, dem Gewichte nach 0,01705 Grm.  II. deßgleichen                       deßgleichen 0,01672    „ III. deßgleichen        (Bestimmung mittelst Natronkalk) 0,01560    „ Die nach der Verbrennungsmethode gemachten Analysen ergaben, daß die 6,685 Grm. trockener Pflanzen enthielten Stickstoff         0,1126 Grm. Der Sand und der Blumentopf wogen 242,80 Grm. In drei Operationen, in welchen man 121,40 Grm. Substanz analysirte, wurden 0,0226 Grm. Stickstoff erhalten. Im Ganzen         0,452 Grm. Die beiden am 10. Mai eingelegten Samenkerne, welche 0,062 Grm. wogen, enthielten 0,0019 Grm. Stickstoff. Wir wollen nun die Menge des mit dem salpetersauren Kali eingeführten Stickstoffs mit derjenigen vergleichen, welche in der Wanze und im angewandten Boden gefunden wurde. In der trockenen Pflanze StickstoffIm Boden 0,11260,0452 Gr.  „ 0,1578 Grm. In 1,110 Grm. salpetersaurem Kali     In 0,062 Grm. Samenkernen 0,15360,0019   „  „ 0,1555   „ ––––––––––––––– Differenz + 0,0023 Grm. Bei diesem Versuche, nämlich während eines Wachsthums von nahezu vier Monaten, wurde also der von dem Salpeter zugebrachte Stickstoff in der Pflanze und im Boden bis auf 2 Milligramme wiedergefunden und der Mehrbetrag an Stickstoff, wenn ein solcher vorhanden war, überstieg nicht 2 Milligramme. Wenn die Pflanze allen in ihrem Albumin, ihrem Casein etc. enthaltenen Stickstoff aus dem Salpeter schöpfte, so mußte sie von demselben 0,8026 Grm. in sich aufnehmen. Da nun jedes Aequivalent Salpeter, welches in den Organismus einer Pflanze eindringt, 1 Aequivalent Alkali mitbringt, so müßten die Sonnenblumen, indem sie 0,1126 Grm. Stickstoff fixirten, 0,3741 Grm. Kali empfangen. Die Untersuchung der Asche ergab, daß die 6,685 Grm. trockener Pflanze 0,419 Grm. Alfali enthalten mußten; also nur 0,05 Grm. mehr, als die aus dem absorbirten Salpeter berechnete Zahl ergibt; dieser Ueberschuß ist dem Alkali zuzuschreiben, welches die dem Sande beim Beginn des Versuchs zugesetzte Pflanzenasche liefern konnte. Nach Vorstehendem hätte die Pflanze, dem während des Wachsthums aufgenommenen Stickstoff entsprechend, 0,8026 Grm. Salpeter absorbirt. Da von letzterm 1,110 Grm. angewandt wurden, so mußten 0,3075 Grm. im Boden zurückbleiben. Eine besondere Untersuchung ergab, daß der Sand 0,34 Grm. sehr salpeterreiche Salzsubstanz enthielt. Ungeachtet der erwähnten Abweichungen der direct gefundenen Zahlen von den berechneten, können die besprochenen Thatsachen, wie ich glaube, wie folgt zusammengefaßt werden: 1) Der Stickstoff des absorbirten Salpeters wird von der Pflanze assimilirt. 2) Auf jedes Aequivalent assimilirten Stickstoffs scheint die Sonnenblume 1 Aequivalent Kali in ihrem Organismus fixirt zu haben. 3) Der von der Pflanze nicht absorbirte Salpeter findet sich fast vollständig im Boden wieder. 4) Die Wirkung des salpetersauren Kalis, welche schon beim Beginn der Vegetation auffallend ist, offenbart sich, ohne daß es nöthig wäre, dem Boden eine fäulnißfähige organische Substanz zuzusetzen. Was nach dem Eindringen des Salpeters in die Pflanze vorgeht, ob der Stickstoff desselben, ehe er in die Constitution des Pflanzeneiweißes eingeht, vorher in Ammoniak umgewandelt wird (wie Hr. Kühlmann annimmt), ist eine Frage, welche meine Versuche ungelöst lassen. Zweiter Versuch. – Wachsthum der Sonnenblume in unfruchtbarem Erdreich ohne Mitwirkung des Salpeters. Um die Wirkung des Salpeters besser beurtheilen zu können, stellte ich einen vergleichenden Versuch an, welcher darin bestand, daß ich am 10. Mai zwei Sonnenblumenkerne genau in dieselben Umstände versetzte, wie beim ersten Versuch, mit dem einzigen Unterschiede, daß ich den Salpeter bei den Substanzen welche dem geglühten Sand zugesetzt wurden, wegließ. Nach dem Erscheinen der ersten Blätter ging die Vegetation äußerst langsam vor sich. Am 15. Juni waren die ersten Blätter entfärbt und jede der 6–8 Centimeter hohen Pflanzen hatte zwei blaßgrüne Blätter. Zu dieser Zeit hatten die mit Salpeter aufgezogenen Pflanzen 20 Centimeter Höhe. Am 22. August, an welchem Tage die Pflanze herausgenommen wurde, war der höhere, magere Stengel 20 Centimeter hoch, die Pflanze hatte nur zwei, sehr wenig gefärbte Blätter und noch drei andere Blätter in unentwickeltem Zustand. Nach dem Trocknen wogen die Pflanzen 0,325 Grm. Die Analysen der Pflanze und des Erdreichs ergaben folgende Resultate: Stickstoff in der Pflanze    0,0022 Grm.       „ im Boden    0,0032   „ ––––––––––––    0,0054 Grm. In den Samen welche 0,068 Grm. wogen    0,0021   „ –––––––––––– Differenz + 0,0033 Grm. Bei diesem Versuche betrug also der während eines beinahe vier Monate dauernden Wachsthums an freier Luft aufgenommene Stickstoff nicht über 0,003 Grm. Einfluß des salpetersauren Natrons auf das Wachsthum. Da das salpetersaure Natron heutzutage das einzige in der Landwirthschaft verwendete salpetersaure Salz ist, so mußte ich untersuchen, ob es sich in seiner Wirkung auf die Vegetation wie das salpetersaure Kali verhält; die Versuche wurden mit Gartenkresse angestellt und zur Vergleichung die Pflanze zu gleicher Zeit in freier Luft in Gartenerde und in unfruchtbar gemachtem Sande angebaut. Die Samen wurden am 21. August 1855 eingelegt, die Pflanzen am 7. October herausgenommen. Dritter Versuch. – Wachsthum der Kresse in stark gedüngter Erde. Zehn Körner gaben zehn blühende Pflanzen, welche trocken 1,580 Grm., also 70mal so viel als der Same wogen. Der in sechs Wochen aufgenommene Stickstoff betrug 0,053 Grm. Vierter Versuch. – Wachsthum der Kresse im unfruchtbaren Boden. In 295 Grm. Quarzsand, welchem 0,2 Grm. alkalische Asche und 1 Grm. ausgelaugte Asche zugesetzt waren, wurden 21 Körner eingesäet. Nach dem Keimen wurde mit Wasser begossen, welches mit Kohlensäure geschwängert war. Nur 12 Körner gingen auf. Das Wachsthum fand an freier Luft, vor Regen geschützt, statt. Die 12 trockenen Pflanzen wogen 0,11 Grm., 3 1/2 mal so viel als der Same. Die Stickstoffbestimmungen geschahen mittelst Natronkalks. Der Stickstoff des Sandes wurde mit dem dritten Theil seines Gewichts bestimmt. Folgendes ist das Resultat: Stickstoff in der Pflanze    0,0016 Grm.      „ im Boden    0,0030    „ ––––––––––––    0,0046 Grm. Im Samen    0,0025    „ –––––––––––– Differenz + 0,0021 Grm. In sieben Wochen des Wachsthums hätte sich also eine Zunahme an Stickstoff von 2 Milligr. ergeben, welche Zahl aber wahrscheinlich zu hoch ist. Bei meinen früheren Versuchen hatte ich einmal einen Blumentopf mit ausgeglühtem Sand und Asche hingestellt, ohne Kresse einzusäen; der Sand wurde während der ganzen Dauer des Versuchs mit demselben Wasser begossen, welches zur Begießung der Pflanzen diente. In diesem Sand, welcher eben so viel wog, wie derjenige worin die Kresse wuchs, ergab die Analyse 0,7 Milligr. Stickstoff, welchen man nur einem Einfluß der Luft zuschreiben kann. Auf der Oberfläche dieses Sandes zeigten sich grüne Flecken, durch eine vorhandene kryptogamische Vegetation erzeugt. Fünfter Versuch. – Wachsthum der Kresse unter dem Einfluß des salpetersauren Natrons. Alles war genau so vorgerichtet, wie beim vierten Versuche, und es wurden nach und nach dem Sande 0,216 Grm. salpetersaures Natron zugesetzt; 16 Körner, welche am 21. August eingesäet wurden, erzeugten sechzehn nicht hohe, aber äußerst kräftige Pflanzen. Die Blätter waren dunkelgrün, aber etwas kleiner als diejenigen der in Gartenerde gezogenen Kresse. Die Pflanze hatte am 9. October, an welchem Tag der Versuch beendigt wurde, geschosset; jede Pflanze hatte 8–12 sehr feste Blätter. Die trockenen Pflanzen wogen 0,831 Grm., 22 mal so viel als der Same. Die trockenen Pflanzen enthielten: StickstoffIm Boden betrug der Stickstoff 0,02540,0088 Gr.  „ 0,0342 Grm. In 0,2163 Gr. des salpeters. Salzes: StickstoffIn den sechzehn Samenkörnern 0,03570,0019 Gr.   „ 0,0376 Grm. –––––––––– Differenz 0,0034 Grm. Man findet also in den Pflanzen und dem Erdreich den durch das salpetersaure Natron zugebrachten Stickstoff bis auf 3 Milligr. wieder; und im Sand konnte man das Salz nachweisen, welches die Pflanze nicht absorbirt hatte. Aus diesen Untersuchungen scheint mir hervorzugehen, daß die salpetersauren Alkalisalze auf die Vegetation ebenso rasch und vielleicht noch kräftiger wirken als die Ammoniaksalze. So ersieht man aus den Versuchen mit der Sonnenblume, welche in einem Boden von gleicher Beschaffenheit, gleichem Volum, unter gleichen atmosphärischen Zuständen, an freier Luft und mit Anwendung desselben Wassers zum Begießen, angestellt wurden, daß durch die bloße Beihülfe von 1 Grm. salpetersauren Kalis die Pflanze eine Höhe von 50–70 Centimetern erreichte, eine Blüthe trug, im Pflanzeneiweiß über 1 Decigramm Stickstoff aufnahm und das 108fache Gewicht des Samens an trockener Substanz erzeugte. Die Pflanze fixirte ungefähr 3 Grm. Kohlenstoff, d.h. sie zersetzte in 3 bis 4 Monaten über 5 Liter Kohlensäuregas, um sich dessen Kohlenstoff anzueignen. Was ist nun bei Abwesenheit des Salpeters vorgegangen? Die Sonnenblume entwickelte sich kaum; ihr magerer Stengel trug zwei oder drei blaßgrüne Blätter; es wurden nur 3 Milligr. Stickstoff assimilirt; sie enthielt also kaum mehr stickstoffhaltiges Gewebe, als im Samen vorhanden war. Die trockene Pflanze wog nur fünfmal so viel als der Same und in drei Monaten armseligen Wachsthums wurden nicht ganz 4 Deciliter Kohlensäuregas zersetzt. Nicht minder wichtig sind die mit der Kresse erhaltenen Resultate. In einem unfruchtbaren Boden nahm die Pflanze in sieben Wochen an der freien Luft nicht ganz 2 Milligr. Stickstoff auf; nach dem Trocknen hatte sie nur das dreifache Gewicht des Samens und den Kohlenstoff von höchstens 1 Deciliter Kohlensäuregas assimilirt, obwohl sie mit Wasser begossen worden war, welches mit diesem Gas gesättigt war. Einige Centigramme salpetersauren Natrons gaben dem Versuche einen ganz andern Verlauf. Die Pflanze entwickelte sich nun wie in einem gedüngten Boden; sie nahm 25 Milligr. Stickstoff auf und wog getrocknet 22 Mal so viel wie der angewandte Same. In 1 1/2 Monaten entsprach der aufgenommene Kohlenstoff 7 Decilitern Kohlensäuregas. Der so offenbare Einfluß der salpetersauren Salze auf die Entwickelung des Pflanzenorganismus bekräftigt die von mir in einer früheren Abhandlung ausgesprochene Ansicht, daß die Zersetzung des Kohlensäuregases durch die Blätter abhängig ist von der vorausgehenden Absorption eines, nach Art des Stalldüngers wirkenden Düngmittels; letzteres kann in Ammoniak, einer fäulnißfähigen organischen Substanz, oder einem salpetersauren Salz bestehen, wenn nur der Stickstoff desselben assimilirbar ist, so daß es zur Bildung des stickstoffhaltigen Gewebes der Pflanze beizutragen vermag. Die hiemit nachgewiesene Thatsache, daß der Salpeter sehr günstig auf die Vegetation wirkt, dadurch daß er direct absorbirt wird, ohne der Mitwirkung fäulnißfähiger Körper zu bedürfen, macht es begreiflich daß gewisse Wässer höchst auffallend auf die Wiesen wirken, obwohl sie kaum wägbare Spuren Ammoniaks enthalten; diese Wässer enthalten gewöhnlich salpetersaure Salze, welche das Wachsthum der Pflanzen ebenso gut oder noch besser als das Ammoniak befördern. Diese Bemerkung ist von Belang; denn man kann behaupten, daß bei dem gegenwärtigen Standpunkt unserer Landwirthschaft die unbestreitbarste Quelle der Fruchtbarkeit des Ackerlandes die gewässerte Wiese ist. Hier werden in den Futtergewächsen die in der Luft und dem Wasser zerstreuten Elemente concentrirt, welche, nachdem sie den Weg durch den Organismus der Thiere gemacht haben, großentheils in das Ackerland übergehen. Eine Gegend kann daher in der Cultur im höchsten Grade vorgeschritten seyn, so findet man, falls sie nicht einen ganz besonders reichen Boden hat, dem Ackerland stets mehr oder weniger Wiesboden beigegeben. Eine Ausnahme zeigt sich nur da, wo man den Unrath sehr bevölkerter Städte verwenden kann, oder wo man Guano oder peruanischen Salpeter zur Verfügung hat. Man muß zugeben, daß die Quelle der fruchtbarmachenden Stoffe auf enge Gränzen beschränkt ist, und daß es meistentheils nicht vom Landwirth abhängt sie ergiebiger zu machen. Man empfiehlt ihm zwar seinen Viehstand zu vermehren, um mehr Dünger zu erhalten; dieß heißt aber im Grunde ihm anrathen, mehr Wiesen zu haben, auf welchen sich die assimilirende Vegetation entwickelt, welche dem Gute unaufhörlich gibt, ohne von ihm etwas zu empfangen. Ohne Zweifel ist das Vieh ein unentbehrlicher Vermittler zwischen der Wiese und dem Feld; untersucht man aber, wie dasselbe in fraglicher Hinsicht wirkt, so findet man, daß es in Wirklichkeit nicht Dünger producirt, sondern solchen consumirt. Das Vieh erstattet in der That der Düngergrube nicht alle fruchtbarmachenden Stoffe zurück, welche es im Stalle verzehrt, weil es einen Theil davon sich aneignet und zwar zum größern Nutzen des Züchters. Bei der Schwierigkeit und nicht selten Unmöglichkeit, sich Dünger zu verschaffen, drängt sich die Frage auf, ob solche nicht auf die Art erzeugt werden könnten, daß man den mit Nutzen durch die Pflanzen assimilirbaren Verbindungen den Stickstoff und gewisse Salze einverleibt. Wenn auch die Lösung dieses in socialer Hinsicht so wichtigen Problems noch in weiter Ferne liegen dürste, so muß man doch zugeben, daß die Wissenschaft bereits mehrere Thatsachen entdeckt hat, welche an dem Erfolg nicht verzweifeln lassen. So verbindet sich der Stickstoff der Luft unter gewissen Bedingungen mit dem Kohlenstoff zu einem Alkali-Cyanür, welches, in den Boden gebracht, ein Herd ammoniakalischer Ausdünstungen wird. Der auf der Oberfläche der Erde so reichlich verbreitete phosphorsaure Kalk wird, nachdem man ihm auf chemischem Wege seine Cohäsion benommen hat, in einen der wirksamsten Dünger-Bestandtheile verwandelt. Der Sauerstoff der Luft, wenn er jene geheimnißvolle Veränderung erlitten hat, wobei er das Ozon bildet, verbindet sich mit dem ihm beigemischten Stickstoff, um bei Berührung mit einem Alkali einen der kräftigsten Dünger, ein salpetersaures Salz, zu bilden. Ein Verfahren, welches die Elemente der Atmosphäre zur raschen Salpeterbildung veranlaßt, würde offenbar das Problem im Wesentlichen lösen. Nach Schönbein tritt stets Ozon auf, wenn organische Materie in hinreichend gelüftetem feuchten Boden in Fäulniß übergeht; wenn dieses der Fall ist, so muß sich höchst wahrscheinlich in einem mit landwirthschaftlichem Dünger verbesserten Boden Salpeter bilden. Der Salpeter mag nun durch Vereinigung der Elemente der Luft entstanden seyn oder als Product der langsamen Verbrennung organischer Ueberreste von den Wässern zugeführt werden, so fügt er den vom Dünger abgegebenen assimilirbaren, stickstoffhaltigen Stoffen noch solche hinzu. Seine Dazwischenkunft, in Verbindung mit derjenigen des Ammoniaks der Atmosphäre, machen es erklärbar daß beim rationellen Feldbau, wo mit Sparsamkeit gedüngt und die Erschöpfung des Bodens durch zweckmäßigen Fruchtwechsel verhindert wird, der Stickstoff in den geernteten Producten in der Regel denjenigen des Düngers übersteigt. Der Regen ist allerdings das Vehikel des Ammoniaks der Atmosphäre; man begeht nach meiner Meinung aber einen offenbaren Fehler, wenn man was das Erdreich außer dem Dünger an fruchtbarmachenden Stoffen empfängt, nach dem Volum des Regenwassers veranschlagt. Dieß hieße annehmen, daß eine Hektare Boden kein anderes Wasser aufnimmt, als den auf ihre Oberfläche Fällenden Regen. Es dringt aber auch Quellwasser in den Boden ein, welches zwar dem Regen seinen Ursprung verdankt, aber auf seinem Wege auch nützliche Stoffe auflöst; meistentheils enthält es salpetersaure Salze, welche vor den Ammoniaksalzen den Vortheil haben, daß sie im Boden als fruchtbarmachende Agentien zurückbleiben, wenn das Wasser durch Verdunstung entweicht. Ungeachtet ihrer kräftigen Wirkung kann man die salpetersauren Salze nicht als einen vollkommenen Dünger betrachten, weil sie doch nur Stickstoff und ein Alkali zubringen; aber gemischt mit chemisch zertheiltem phosphorsaurem Kalk würden sie wahrscheinlich einen Compost liefern der alle Vorzüge des Guano besäße, während der stickstoffhaltige Bestandtheil darin mehr fixirt wäre. Der Guano besteht nämlich im Wesentlichen aus einem innigen Gemenge von Ammoniaksalzen und phosphorsaurem Kalk, letzterer in einem Zustand von Zertheilung, welcher der chemischen nahe kommt. Andererseits geht aus obigen Versuchen hervor, daß die salpetersauren Alkalien sich den Pflanzen gegenüber wie Salze mit Ammoniak als Basis verhalten. Im nächsten Jahre beabsichtige ich ein Gemenge von salpetersaurem Natron und chemisch zertheiltem phosphorsaurem Kalk im Großen als Dünger anzuwenden und ich werde die Resultate seiner Zeit mittheilen. Nachtrag. Ich habe erst nach dem Druck dieser Abhandlung in den interessanten Untersuchungen des Hrn. Fürsten zu Salm-Horstmar einen von demselben im Jahr 1851 angestellten Versuch gefunden, welcher beweist, daß die salpetersauren Alkalien auf die Pflanzenentwickelung wie Ammoniaksalze wirken. „Es fiel mir auf, sagt der Fürst zu Salm-Horstmar, daß eine Haferpflanze sehr gut in einem Boden wuchs, worin das kieselsaure Kali durch salpetersaures Kali ersetzt worden war. Die Pflanze enthielt dessenungeachtet Kieselerde, die sie wahrscheinlich dem Quarz entnommen hatte, woraus der Boden bestand) denn sie war absichtlich so wenig als möglich mit Wasser begossen worden, welches man zur Vorsicht zweimal nacheinander destillirt und überdieß gegen Staub geschützt aufbewahrt hatte. “ Aus der Beschreibung dieses Versuches ersieht man, daß in pulverisirtem Quarz, welcher keine Spur von organischen oder ammoniakalischen Stoffen enthielt, aber mit die Vegetation befördernden mineralischen Substanzen und einer gewissen Menge von Kali- oder Natronsalpeter versetzt worden war, drei Haferkörner Pflanzen von 17 bis 20 Centimetern Höhe erzeugten, die fünf Blüthen trugen, welche vier Samen lieferten, deren jeder das Volum und das Gewicht des Normalsamens, nämlich 0,036 Grm. hatte. Eine dieser Pflanzen wog getrocknet 15 bis 16mal so viel als das Korn. Diese Versuche beweisen, fügt der Fürst zu Salm-Horstmar bei, daß der Kali- und Natronsalpeter das Ammoniak ersetzen können. Boussingault.