Titel: Paul Garnier's elektrische Uhren.
Fundstelle: Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XCIX., S. 424
Download: XML
XCIX. Paul Garnier's elektrische Uhren. Aus dem Traité d'Électricité par M. M. Becquerel, Paris 1856, t. III. p. 339. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Garnier's elektrische Uhren. Das chronometrische System des Hrn. Paul Garnier, welches seit sechs Jahren auf der Eisenbahn zu Lille eingeführt ist, wo 16 Zifferblätter der verschiedensten Dimensionen von einer Normaluhr (appareil-type) aus in Gang gesetzt werden, besteht aus folgenden drei Apparaten: 1) aus einer Normaluhr (horloge-type); 2) aus den Stundenzeigerwerken (indicateurs horaires); 3) aus einer Volta'schen Batterie. Die Normaluhr, welche die Bestimmung hat, sämmtliche Zeigerwerke vermittelst des elektrischen Stromes in übereinstimmendem Gang zu erhalten, ist so eingerichtet, daß sie den elektrischen Strom in den Elektromagneten der Stundenapparate in gleichen und gleichzeitigen Intervallen unterbricht. Sie besteht aus zwei Mechanismen: der eine setzt, wie bei einer gewöhnlichen Uhr, den Pendel in Schwingungen; der zweite, welcher dem ersteren untergeordnet ist, hat die Bestimmung, die Kette zu öffnen und zu schließen, und dadurch den galvanischen Strom abwechselnd zu unterbrechen und wieder herzustellen. Diese Unterbrechung wird mit Hülfe der beiden Theile A und A' bewerkstelligt, wovon der eine A' sich beständig gegen ein Rädchen D lehnt, welches mit vier Zähnen versehen ist und der Bewegung des Hemmungsrades folgt. Die beiden Theile A und A' sind in die Kette eingeschaltet; bei der in Fig. 6 dargestellten Lage berühren sie sich, die Kette ist also geschlossen und der galvanische Strom kann auf die Elektromagnete der Stundenapparate wirken. Indem aber das Rädchen D seine Bewegung fortsetzt, verläßt der Arm A' den Zahn b, mit welchem er in Berührung ist, und kommt außer Berührung mit dem Arm A; die Kette ist daher unterbrochen und der elektrische Strom kann nicht eher auf die Elektromagnete wirken, als bis ein anderer Zahn den Arm A' hebt und ihn mit dem Arm A in Berührung bringt u.s.w. Fig. 7 stellt den Stundenapparat mit dem Zeigerwerk dar. Indem die Normaluhr den elektrischen Strom durch den Elektromagneten L, L' strömen läßt, wird der Anker M aus weichem Eisen und mit ihm der Hebel F, F' angezogen, der durch die Stange I mit demselben verbunden ist. Der Hebel F, F' bewegt sich um die Größe eines Zahnes des Sperrrades B auf und nieder. Ein an dem Hebel befindlicher Sperrhaken G greift in die Zähne des Sperrrades und dreht dasselbe bei jeder aufwärts erfolgenden Bewegung um einen Zahn, während der Sperrkegel E sich vor den folgenden Zahn legt, um die rückgängige Bewegung zu verhüten. Beim Oeffnen der Kette verläßt der Anker den Elektromagneten, und der Hebel F, F' nimmt vermöge seiner Schwere seine erste Lage wieder ein, während der Sperrhaken über einen Zahn des Sperrrades hinweggleitet, um denselben bei der folgenden Bewegung mitzunehmen. Der Hebel F setzt demnach das Sperrrad B, und das an der Achse des letzteren befindliche Getriebe das Rad C, C' in Umdrehung, welches die Bewegung den Zeigern mittheilt. Auf diese Weise läßt sich von einer einzigen Normaluhr aus die Zeit einer beliebigen Anzahl von Zifferblättern auf beliebige Entfernungen hin mittheilen. Hr. Garnier hat den glücklichen Gedanken gehabt, bei seinem System von den abgeleiteten Strömen Gebrauch zu machen. Der nämliche elektrische Strom tritt nämlich nicht der Reihe nach in die verschiedenen Stundenapparate, sondern die Anordnung ist so getroffen, daß, wenn ein Apparat in Unordnung oder ganz außer Thätigkeit kommen sollte, die übrigen Apparate dennoch ungestört im Gang bleiben. Um dieses Resultat zu erreichen, erstrecken sich von der Batterie P, Fig. 8, aus zwei dicke Kupferdrähte A, B und C, D in paralleler Richtung längs der Linie, in welcher die Stundenapparate angeordnet werden sollen. Diese Drähte nennt der Erfinder elektrische Arterien. Die Normaluhr H ist in die Kette eingeschaltet, und letztere ist nicht geschlossen, denn die Drähte A, B und C, D sind gut von einander isolirt. Die Drahte a b, a'b', a''b'' der Stundenapparate o, o', o''  sind mit A, B und C, D in Communication, so daß diese Drähte es sind, welche die galvanische Kette schließen. Gibt man denselben einen bedeutend kleineren Durchmesser als den beiden dicken Drähten, so kann der Widerstand der letzteren gegen den der Drähte a b, a' b', a'' b'' u.s.w. vernachlässigt werden; sie theilen sich daher in den elektrischen Strom nach Maaßgabe ihres Leitvermögens. So lange also die Batterie ihren Dienst nicht versagt und die Normaluhr in richtigem Gang ist, kann eine der mit ihr verbundenen Uhren ganz weggelassen werden, ohne daß die übrigen deßhalb aufhören die Stunden zu zeigen. Man kann sogar nach dem nämlichen Princip die Drähte c, d eines Stundenapparates o''' mit den Drähten a''b'' eines andern Stundenapparates verbinden. Im Vorhergehenden wurden zwei dicke isolirte Kupferdrähte A, B und C, D angenommen. Man kann jedoch einen derselben durch den Erdboden ersehen und sich auf einen einzigen dicken und gut isolirten Draht C, D beschränken. In diesem Falle ist jeder der Drähte a, a', a'''... der Stundenapparate an den dicken Draht C, D gelöthet, während jeder Draht b, b', b''... an eine in den Erdboden gesenkte Metallplatte befestigt ist.

Tafeln

Tafel Tab.
									VI
Tab. VI