| Titel: | Ueber die zum Türkischrothfärben gebräuchlichen Oele; von Professor J. Pelouze. | 
| Fundstelle: | Band 141, Jahrgang 1856, Nr. XXXI., S. 130 | 
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                        XXXI.
                        Ueber die zum Türkischrothfärben gebräuchlichen
                           Oele; von Professor J.
                              Pelouze.
                        Aus den Comptes rendus, Juni 1856, Nr.
                              25.
                        Pelouze, über die zum Türkischrothfärben.
                        
                     
                        
                           Nicht alle fixen Oele sind gleich geeignet zum Vorbereiten der baumwollenen Garne
                              oder Gewebe, welche türkischroth (Adrianopelroth) gefärbt werden sollen. Man
                              verwendet allgemein zu diesem Zweck ein Olivenöl, welches größtentheils aus der
                              Levante, aus Italien oder dem südlichen Frankreich bezogen wird; dasselbe wird Turnant-Oel genannt, weil es die Eigenschaft
                              besitzt, mit einer schwachen Potasche- oder Sodalauge eine Emulsion von
                              milchichtem Ansehen zu bilden. Ein derartiges Oel ist um so geschätzter, je
                              vollkommener diese Emulsion ist, und je längere Zeit ihr fetter Theil braucht, um
                              sich von der wässerigen Flüssigkeit zu trennen. Um ein turnirendes Olivenöl von gewöhnlichem oder Brennöl zu unterscheiden, braucht man nur einen oder zwei Tropfen desselben in ein
                              Probirglas fallen zu lassen, welches zum Theil mit einer Aetznatronlösung von 1 1/2
                              bis 2° Baumé gefüllt ist: erstens wird undurchsichtig, letzteres
                              bleibt durchsichtig. Dieses Verfahren befolgen gewöhnlich die Türkischrothfärber
                              beim Ankauf des Turnant-Oels, und nach der größeren oder geringeren
                              Undurchsichtigkeit der ölartigen Tropfen beurtheilen sie, ob die gewünschte
                              Eigenschaft in dem fraglichen Oel mehr oder weniger entwickelt ist.
                           Da das zum Türkischrothfärben geeignete Olivenöl einen sehr hoben Preis hat, so
                              versuchte man es durch andere, wohlfeilere Oele zu ersetzen, indem man dieselben mit
                              Eigelb vermischte, mit Salpetersäure behandelte etc.; diese Versuche scheinen jedoch
                              keinen Erfolg gehabt zu haben, denn die Türkischroth-Färbereien verbrauchen
                              noch gegenwärtig ungeheure Quantitäten Olivenöl welches von Natur turnirend ist.
                           Als ich im vorigen Jahre der (französischen) Akademie der Wissenschaften meine
                              Versuche mittheilte, woraus hervorgeht, daß man die zerriebenen Samen nur sich
                              selbst zu überlassen braucht, damit die in denselben enthaltenen neutralen Fette
                              (Oele) sich in Fettsäuren verwandelnPolytechn. Journal Bd. CXXXVI S.
                                       62., bemerkte ich, daß diese theilweise gesäuerten Oele in den
                              Türkischrothfärbereien bald angewendet werden dürften. Ich wußte damals schon, daß
                              die im Handel vorkommenden turnirenden Oele lediglich Gemische von einem neutralen
                              Oel mit einer Fettsäure sind, wollte aber über diesen Gegenstand in technischer
                              Hinsicht das Urtheil von Fabrikanten abwarten, und veröffentliche daher erst jetzt
                              meine Versuche über das Turnant-Oel.
                           Ich verschaffte mir turnirendes Olivenöl aus den verschiedenen Ländern; ich
                              behandelte die Proben mit Alkohol und überzeugte mich, daß derselbe ihnen stets eine
                              beträchtliche Menge Oleinsäure und Margarinsäure entzieht, deren Verhältniß von 5
                              bis 15 Procent wechselt. Wenn man dieselben Oele einige Minuten lang mit einem
                              Alkali erhitzt, so werden ihnen jene Säuren ebenfalls entzogen.
                           Das gewöhnliche Olivenöl, wie es als Speiseöl verwendet wird, enthält keine
                              Fettsäure, oder nur eine unbedeutende Menge davon; man kann sich davon leicht
                              mittelst der oben angegebenen Probe für das turnirende Oel überzeugen.
                           Meine früher mitgetheilten Versuche über die freiwillige Verseifung der fixen Oele
                              geben über den chemischen Unterschied zwischen beiden Olivenölen, dem Turnantöl und
                              dem Speise- oder Brennöl, Aufschluß. Das reine Oel erhält man, wenn man die ganz reifen Oliven
                              nach dem Zerreiben sogleich abpreßt.
                           Die Verarbeitung der Preßkuchen zur Gewinnung des rückständigen Oels, die Gährung der
                              Oliven in Haufen, oder jede Manipulation welche geeignet ist die Berührungspunkte
                              des Oels mit den es (in den Oliven) begleitenden Substanzen zu vervielfältigen und
                              diese Berührung zu verlängern, muß die Säuerung des Oels veranlassen, so daß
                              dasselbe ein turnirendes wird.
                           Außer den von Natur aus turnirenden Oelen kommen seit einigen Jahren im Handel
                              verschiedenartige Oele vor, welche sich ebenso zum Türkischrothfärben eignen.
                              Letztere liefert das Haus Gebrüder Boniface in Rouen,
                              welches allein in Frankreich turnirende Oele künstlich darzustellen versteht und
                              sein Verfahren geheim hält.
                           Ich habe in den von jenem Hause bezogenen Oelen einen beträchtlichen Gehalt an
                              Oleinsäure und Margarinsäure gefunden; und durch alle meine Versuche habe ich die
                              Ueberzeugung gewonnen, daß die sogenannten turnirenden Oele mit Fettsäuren gemischt
                              sind, wogegen die Brenn- und Speiseöle von denselben frei sind.
                           Hr. Chevreul hat vor mehr als zwanzig Jahren eine
                              Beobachtung gemacht, welche mit dieser Ansicht übereinstimmt. Er zog aus
                              türkischroth gefärbter Baumwolle zwei ölige Substanzen aus, eine gegen Lakmus
                              neutrale und eine dasselbe röthende; letztere bestand aus Oleinsäure und
                              Margarinsäure, also aus denselben Säuren, welche ich in den zum Türkischrothfärben
                              dienenden Oelen aufgefunden habe.
                           Daß man das turnirende Olivenöl fast ausschließlich zum Vorbereiten der türkischroth
                              zu färbenden Baumwolle verwendet, erklärt sich dadurch daß bei den Oliven die
                              Reaction, wodurch Fettsäuren gebildet werden, leichter eintreten kann als bei den
                              ölhaltigen Samen; jetzt aber, wo man die Rolle dieses Oels genau kennt, wird es
                              leicht seyn, dasselbe durch wohlfeilere Oele zu ersetzen, wie Mohnöl, Sesamöl,
                              Repsöl, Palmöl etc. Es wird genügen, die Samen oder Kerne, worin diese Oele
                              enthalten sind, zu zerreiben und sie eine Zeit lang liegen zu lassen, ehe man sie
                              auspreßt. Ein zweites, noch einfacheres Mittel besteht darin, den gewöhnlichen Oelen
                              direct einige Gewichtsprocente Oleinsäure und Margarinsäure aus den
                              Stearinsäurekerzen-Fabriken zuzusetzen.
                           Ich empfehle dieses letztere Mittel den Türkischrothfärbern, nachdem es Hr. Steiner in seiner Fabrik zu Manchester mit Erfolg
                              angewendet hat. In diesem Betreff theile ich am Schluß noch ein Schreiben der HHrn.
                              Henry und Sohn,
                              Türkischroth-Fabrikanten zu Bar-le-Duc mit. Ich lege der
                              Akademie Proben türkischroth gefärbter Baumwollenzeuge vor, wovon die einen mit
                              turnirendem Olivenöl, die anderen mit Gemischen von neutralen Oelen und Oleinsäure
                              vorbereitet worden sind; Sachverständige erklärten mir, daß sie keinen merklichen
                              Unterschied zwischen diesen verschiedenen Proben finden. Diesen Zeugen füge ich auch
                              eine Probe von türkischrothem Baumwollengarn bei, welches zu
                              Bar-sur-Seine mit einer Mischung von Repsöl und Oleinsäure vorbereitet
                              wurde und allen Anforderungen entspricht.
                           Das Ergebniß meiner Versuche ist:
                           1) daß die zur Türkischroth-Fabrication geeigneten sogenannten turnirenden
                              Oele Gemische von neutralen Oelen und Fettsäuren sind;
                           2) daß man ähnliche und zur Türkischroth-Fabrication gleich geeignete Oele
                              erhalten kann, entweder durch die freiwillige Säuerung der Oele in Gegenwart der
                              Substanzen welche sie in den Samen selbst begleiten, oder durch directe Vermischung
                              der käuflichen neutralen Oele mit Fettsäuren, insbesondere mit der Oleinsäure der
                              Stearinkerzen-Fabriken.
                           Es ist höchst wahrscheinlich, daß durch Behandlung gewisser Oele, insbesondere des
                              Repsöls, mit einigen Gewichtsprocenten Schwefelsäure, Gemische von neutralen Oelen
                              und Fettsäuren entstehen, welche, gut gewaschen, zur Türkischroth-Fabrication
                              geeignet sind.
                           
                        
                           Schreiben der HHrn. Henry und Sohn an Hrn. Pelouze, über das
                                 Türkischroth.
                           Savonnières bei Bar-le-Duc, den 12. Juni
                              1856.
                           Wir haben das Vergnügen Sie von den günstigen Resultaten zu benachrichtigen, welche
                              uns ihre Vorschriften lieferten, um verschiedenartige Oele turnirend zu machen,
                              nämlich denselben die Eigenschaft des zum Türkischrothfärben dienenden sogenannten
                              turnirenden Olivenöls mittelst eines Zusatzes von Oleinsäure zu ertheilen.
                           Das Verhältniß der Oleinsäure ist nach Beschaffenheit der Oele ein verschiedenes;
                              manche Oele konnten wir durch einen Zusatz von 5 Proc. Oleinsäure turnirend machen,
                              andere erforderten 10 bis 15 Procent, und bisweilen genügte ein Zusatz von 2
                              Procent. Man muß das zureichende Verhältniß durch Versuche ermitteln, denn eine zu
                              große Menge Oleinsäure verhindert das Oel gut zu turniren. Wir haben auch gefunden,
                              daß man nicht rohe Oele anwenden darf, sondern solche wählen muß, die schon in
                              gewissem Grade gereinigt worden sind.
                           Wir legen Ihnen ein Muster von türkischroth gefärbtem Baumwollgarn bei, welches mit
                              so präparirtem Oel fabricirt wurde. Die Probe wurde im Kleinen mit 10 Kilogr. Baumwollgarn gemacht und
                              lieferte eine gute mittlere Nuance, entsprechend dem angewandten Krappgewicht; für
                              diese kleine Partie verwendeten wir 3 Kilogr. gereinigtes Repsöl und 60 Gramme
                              Oleinsäure, also von letzterer nur 2 Procent. Wir zweifeln nicht, daß uns das
                              Verfahren im Großen eben so gut gelingen wird.