Titel: Ueber die Anwendung ebener Spiegel zum Telegraphiren.
Autor: G. Decher
Fundstelle: Band 141, Jahrgang 1856, Nr. LXV., S. 269
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LXV. Ueber die Anwendung ebener Spiegel zum Telegraphiren. Ueber die Anwendung ebener Spiegel zum Telegraphiren. Bekanntlich werden die bei trigonometrischen Vermessungen zum Signalisiren angewendeten Heliotrope von Gauß und Steinheil von den Geometern zugleich als Telegraphen benützt, indem sie sich aus wiederholten, kürzere und längere Zeit andauernden Unterbrechungen des von den ebenen Spiegeln dieser Instrumente reflectirten Sonnenlichtes oder auch umgekehrt aus wiederholten, kürzere und längere Zeit dauernden Lichtblitzen ein System von bestimmten Zeichen bilden oder ein ganzes Alphabet zusammensetzen, mit dessen Hülfe eine schnelle Verständigung zwischen je zwei weit von einander entfernten Beobachtern erzielt wird. Dieselbe Anwendung haben diese Instrumente auch im Kriegswesen gefunden, wo sie bei günstigen Local- und Witterungs-Verhältnissen zur schnellen Korrespondenz zwischen getrennten Truppen-Abtheilungen, Festungen u.s.w. höchst dienlich seyn können, und dazu auch bei dem königl. bayer. General-Quartiermeister-Stabe schon seit langer Zeit eingeführt seyn sollen; der ausgedehnteren Anwendung der genannten Instrumente zu dem besonderen Zwecke des Telegraphirens scheint indessen deren Construction bisher hindernd in den Weg getreten zu seyn, wenigstens ist bis jetzt darüber nichts bekannt geworden, daß man versucht habe, jene Instrumente dem genannten Zwecke entsprechend abzuändern. Einen solchen Versuch hat nun vor Kurzem ein Beamter des Algier'schen Telegraphen-Dienstes, Hr. Leseurre, gemacht und den französischen Ministerien des Krieges und des Innern ein dem Gauß'schen Heliotrop ähnlich construirtes Instrument als einen neuen Telegraphen-Apparat vorgelegt, und nachdem derselbe auf Anordnung dieser Ministerien bei der kaiserlichen Sternwarte unter der Leitung des Directors derselben, Hrn. Leverrier, untersucht und geprüft worden war, hielt der Kriegsminister, Marschall Vaillant, die Sache für wichtig genug, um der Akademie der Wissenschaften über die Resultate dieser Prüfung und der angestellten Versuche eine Mittheilung zu machenComptes rendus, Juni 1856, Nr. 24., welche das dem Instrumente zu Grunde liegende Princip als ein höchst wichtiges und ersprießliches der Akademie zur Beachtung empfiehlt. Der Kriegsminister spricht sich in dieser Zuschrift über die Bedeutung des Apparates dahin aus, daß derselbe zufolge der angestellten Versuche insbesondere für Algier ein wohlfeiles, schnelles und zur directen Verbindung der entferntesten Punkte überall geeignetes Telegraphen-System abgebe, da der für die Herstellung anderer Telegraphen ungünstig beschaffene südliche Theil dieses Landes gerade für das vorliegende System vorzüglich geeignet sey; die Telegraphen-Posten könnten in Entfernungen von zwanzig Meilen (lieues) auf den die Sandwüsten beherrschenden Oasen errichtet werden, und die Schnelligkeit der Herstellung, sowie das geringe Gewicht der Apparate seyen besondere Vorzüge dieser tragbaren Telegraphen. Nach der im Auszuge mitgetheilten Beschreibung des Hrn. Leseurre besteht dessen Instrument aus einem ebenen Spiegel, der die Sonnenstrahlen reflectirt, und vor welchem inmitten des reflectirten Strahlenkegels ein kleines astronomisches Fernrohr so befestigt ist, daß sein von dem Spiegel abgewendetes Ocular auf einen vor ihm aufgestellten Schirm das Bild der Sonnenscheibe und des Fadenkreuzes wirft, und aus der gegenseitigen Lage dieser Bilder die Richtung der Achse des Lichtkegels in Bezug auf die optische Achse des Fernrohres erkannt werden kann, indem diese Richtungen zusammenfallen, wenn der Mittelpunkt des Sonnenbildes von dem Kreuzungspunkt der Fäden gedeckt wird. Unterhalb dieses Fernrohres ist ein zweites stärkeres in der Art angebracht, daß die optischen Achsen beider parallel sind, aber in entgegengesetzter Richtung liegen; wenn daher das letztere auf einen bestimmten fernliegenden Punkt gerichtet und der Spiegel richtig gestellt wird, so muß dieser Punkt offenbar von dem reflectirten Lichtkegel beleuchtet werden. Dieser Kegel hat eine dem scheinbaren Durchmesser der Sonne entsprechende Weite von 32 Minuten, so daß der Durchmesser der erleuchteten Fläche nahezu 1 Procent der Entfernung beträgt und kleine Fehler in der Richtung des Instrumentes keinen Nachtheil veranlassen. Um indessen den Apparat bei jedem Stande der Sonne gebrauchen zu können, ist demselben wie bei einem Heliostat ein zweiter Spiegel beigefügt, welcher das unmittelbar empfangene Sonnenlicht in der Richtung der Erdachse auf den ersten Spiegel reflectirt. Die Zeichen oder Buchstaben sollen aus kurzen und langen Blitzen zusammengesetzt und dadurch gegeben werden, daß man einen nach Art der Jalousie-Läden construirten Schirm, der den Spiegel bedeckt und durch eine Feder geschlossen bleibt, durch einen Druck auf die Feder während kürzerer und längerer Zeiträume öffnet; diese Zeichen werden sodann in der Schrift, wie bei dem elektrischen Telegraphen von Morse, durch Punkte und Striche dargestellt und zu Buchstaben und Wörtern verbunden. Ueber die Größe der von Hrn. Leseurre angewendeten Spiegel ist nichts bemerkt; er sagt nur: „die Intensität des reflectirten Lichtes ist demjenigen Lichte gleich, welches ein der Spiegelfläche an Größe gleiches Stück der Sonnenscheibe gäbe, wenn es an die Stelle des Spiegels gesetzt würde.“ Diese Bemerkung bedarf übrigens außer dem Zusatze: „unter der Voraussetzung, daß alles Licht vollkommen reflectirt würde“, noch eine weitere Erläuterung, da einerseits die Bezeichnung: „ein Stück der Sonnenscheibe von derselben Größe wie der Spiegel“ sehr unklar und das „an die Stelle des Spiegels Setzen“ unrichtig ist. Da die Entfernung des die Zeichen empfangenden Beobachters. vom Spiegel gegen die von der Sonne verschwindet, so erscheint diesem die durch den Spiegel reflectirte Sonne immer unter einem Winkel von 32 Minuten; es müßte ihm also der Spiegel selbst unter diesem Winkel erscheinen, wenn er darin die ganze Sonnenscheibe erblicken wollte, wenn ihm also der Spiegel, von der unvollkommenen Reflexion abgesehen, das Licht der ganzen Sonnenscheibe als Object darbieten sollte. Dazu würde aber für die Größe des Spiegels fast 1 Procent der Entfernung vom Beobachter erfordert, also z.B. für eine Entfernung von einer Stunde = 12700 Fuß ein Durchmesser von 118 Fuß. Ein kleiner Spiegel läßt den Beobachter nur einen entsprechenden Theil der Sonnenscheibe wahrnehmen, nämlich nur soviel, als er durch eine der Spiegelfläche gleiche Oeffnung in einem dunkeln Schirme wahrnehmen kann, wenn dieser in derselben Entfernung und in derselben Lage gegen den Beobachter vor die Sonne gehalten würde, und die diesem Spiegel zukommende Lichtstärke verhält sich zum Glanze der Sonnenscheibe, wie die dem Beobachter sich zeigende scheinbare Größe der Spiegelfläche zu der scheinbaren Größe der Sonnenscheibe. Nehmen wir z.B. an, der Spiegel sey ein Quadrat von 0,3 Meter Seite und seine Normale unter einem Winkel von 60° gegen die Visionslinie des 10000 Meter = 2 1/2 Poststunden entfernten Beobachters geneigt, so erscheint er diesem als ein Rechteck von 6 Secunden Breite und 3 Secunden Höhe; die Sonnenscheibe besitzt aber einen Durchmesser von 1900 Secunden, und es verhält sich demnach die scheinbare Fläche des Spiegels zur Sonnenscheibe wie 18 zu 2835000. Der Beobachter erblickt also in dem Spiegel 1/157500 der Sonnenscheibe oder so viel, als wenn eine rechteckige Oeffnung von 0,3 Centimeter Breite und 0,15 Centimeter Höhe in einem Schirm angebracht und dieser in einer Entfernung von 100 Meter vor die Sonne gehalten würde; diese Lichtstärke ist übrigens noch über 100mal größer als die der hellsten Fixsterne. Die von den beiden obengenannten Ministerien zur Prüfung und Untersuchung des Instrumentes ernannte Kommission hat am 30. März d. J. um 3 Uhr Nachmittags in Gegenwart des Kriegsministers und des General-Directors der Telegraphen-Linien zwischen den Thürmen von St. Sulpice und Mont Gery Versuche angestellt und damit die glücklichsten Resultate erzielt. Der Apparat gab trotz der nebligen Witterung Zeichen, die beinahe das Auge blendeten und selbst wenn die Sonne durch weißes Gewölke verhüllt war, einen für das bloße Auge empfindlichen, in dem Fernrohre aber einen sehr starken Glanz besaßen; außerdem ging die Correspondenz rasch und ungehindert von statten. Die Kommission scheint jedoch mit der complicirten und kostspieligen Construction des Hrn. Leseurre nicht einverstanden gewesen zu seyn und hat nicht dessen, wahrscheinlich mit großer Genauigkeit von einem Mechaniker angefertigtes Instrument bei ihren Versuchen benützt, sondern dazu von einem Schlosser und einem Zimmermanne andere, dem besonderen Zwecke entsprechendere und einfachere Apparate ausführen lassen, von denen indessen nur angegeben ist, daß sie auf einem starken hölzernen Dreifuße angebracht waren und mittelst einer Boussole und einer Libelle orientirt wurden. Zu diesen tragbaren Apparaten, von denen einer im Ganzen 8 Kilogramme wog, wurden gewöhnliche Spiegelgläser von 0,12 Quadratmeter (über 1 Quadratfuß) Größe verwendet, und der Schirm, mit welchem die Zeichen gegeben werden sollten, durch eine Drehung des zeichengebenden Spiegels ersetzt, indem dieser durch eine Feder aus der Beleuchtungs-Lage entfernt gehalten und in dieselbe erst durch einen Druck mit dem Finger, welcher ihn an eine feste Leiste anschlagen ließ, versetzt wurde, so daß er dann je nach der Dauer dieses Druckes längere oder kürzere Lichtblitze in der betreffenden Richtung aussandte. Die Commission bemerkt ferner, daß es nicht einmal nothwendig sey, den Standpunkt der Person, mit welcher eine Correspondenz angeknüpft werden soll, genau zu kennen, wenn dieser Standpunkt nur im Gesichtskreise liege, da, wenn dieser durch eine langsame Bewegung des Spiegels in der angegebenen Ausdehnung von einem halben Grade beleuchtet werde, die Aufmerksamkeit der gesuchten Person durch diese Beleuchtung angeregt und dieselbe veranlaßt werden müsse, gegen den Punkt, von dem aus die Lichtstrahlen ihr zugesendet wurden, ebenfalls einen festen Lichtstrahl zu richten, mit dessen Hülfe alsdann die Spiegel festgestellt werden könnten. Einen ähnlichen, aber noch viel einfacheren Spiegel-Telegraphen hat übrigens der vor Kurzem verstorbene königl. bayer. pens. Major W. v. Rogister schon vor 12 Jahren construirt, seine Leistungen durch Versuche, welche er mit österreichischen Officieren zwischen Lindau und Bregenz anstellte, erprobt und in einer Eingabe an die Commandantschaft Lindau d. d. 22. November 1844, den oberen Militär-Behörden zur Kenntnißnahme und Würdigung mitgetheilt, ohne daß demselben eine weitere Beachtung scheint zu Theil geworden zu seyn. Der unterzeichnete Berichterstatter, welchem Hr. v. Rogister seine Erfindung schon vor mehreren Jahren mittheilte, welcher aber bei der damals aufblühenden elektrischen Telegraphie solche Spiegel-Telegraphen nur für militärische Zwecke dienlich erachtete und auch durch anderweitige Beschäftigung verhindert wurde, die betreffende Erfindung einer Prüfung durch Versuche zu unterziehen, hält es nun, nachdem die Sache durch die Comptes rendus zur Sprache gebracht wurde, für seine Pflicht, hiemit dem Hrn. v. Rogister die Priorität dieser Erfindung zu wahren, und zur weiteren Erläuterung derselben folgende Punkte aus einer vorliegenden Abschrift der Beilage zu der obengenannten Eingabe an die Commandantschaft Lindau mitzutheilen. Nachdem Hr. v. Rogister die Nachtheile des bei dem königl. General-Quartiermeister-Stabe im Gebrauche befindlichen Gauß'schen Heliotropen zu dem Zweck des Telegraphirens hervorgehoben hat, nämlich die Kostspieligkeit dieser Instrumente, die nothwendige Uebung und Geschicklichkeit zu ihrer Handhabung, den Nachtheil des durch das Fernrohr reflectirten Lichtes, die geringe Größe des Spiegels u.s.f., spricht sich derselbe über sein Instrument in folgender Weise aus: 1) „Jeder Büchsenmacher, Schreiner oder Dreher, ja selbst jeder geschickte Compagnie-Zimmermann kann aus zwei gemeinen Soldatenspiegeln – je größer, desto besser – einem Bretstück und einigen Schrauben das ganze Instrument in wenigen Stunden vollkommen zum Gebrauche dienlich verfertigen.“ 2) „Das Sonnenlicht kommt nicht in das Auge der Person, welche den Spiegel zu orientiren hat, und diese Orientirung ist so leicht und sicher, daß das 9jährige Kind des Unterzeichneten solche sogleich bei der ersten Anweisung richtig begriffen und ausgeführt hat.“ 3) „Eine einzige Person kann ohne alle weitere Beihülfe den Spiegel leiten, die Signale geben und die Gegen-Signale ohne Fernrohr beobachten.“ 4) „Der reflectirte Lichtkegel ist so groß, daß er auch bei einer kleinen Abweichung des Spiegels von der genau richtigen Stellung doch unfehlbar das anvisirte Object treffen muß, und die Lichtstärke ist so bedeutend (und kann durch größere Spiegel nach Belieben verstärkt werden), daß der Beobachter bei Versuchen auf 2 Stunden Entfernung von dem Lichte eines Spiegels von 3 3/4 bayer. Zoll Durchmesser noch stark geblendet wurde, obgleich durch die mit Dünsten geschwängerte Luft der Beobachtungs-Thurm mit freiem Auge gar nicht, und durch ein sehr gutes Fernrohr nur mit Mühe wahrzunehmen war.“ 5) „Durch die sehr bequeme Anwendung des zweiten Spiegels kann der Einfalls-Winkel der Lichtstrahlen (der Winkel, welchen der einfallende Lichtstrahl mit dem Einfallslothe macht) auch bei der unvortheilhaftesten Stellung der Sonne höchstens 30° (?) betragen, wogegen dieser Winkel bei dem bisherigen Instrumente des General-Quartiermeister-Stabes bis gegen 90° steigen und dasselbe schon bei einer minder schrägen Stellung der Sonne gar nicht mehr angewendet werden kann.“ 6) „Die Zeichen bestehen aus Zahlen [von aufeinanderfolgenden Lichtblitzen durch rasche Drehung des zeichengebenden Spiegels hervorgebracht], welche nach Willkür vermehrt und doch sehr schnell ausgeführt werden können.“ 7) „Bei der versuchten und vollkommen entsprechenden Anwendung von farbigen Gläsern (welche vor dem Spiegel aufgestellt werden) ergibt sich der weitere sehr wesentliche Vortheil des bedeutenden Zeitgewinns im Signalisiren, indem dadurch die verschiedenen Ziffern, durch verschiedene, leicht zu unterscheidende Farben bezeichnet, alle eine gleichkurze Zeitdauer erfordern.“ 8) „Sehr wahrscheinlich ist das Instrument auch bei trübem Himmel am Tage mittelst starken künstlichen Lichtes vollkommen anwendbar, wenn dasselbe hinter einer mit entsprechender Oeffnung versehenen dunkelfarbigen Wand aufgestellt wird. Daß der Gebrauch mit künstlich verstärktem Lichte zur Nachtzeit, Nebel und starken Regen ausgenommen, unbeschränkt sey, scheint nur darum außer Zweifel zu stehen, weil ich aus meinem Quartiere zu Lindau das Kerzenlicht im gegenüberliegenden Schlosse Rieden auf 25400 bayer. Fuß (2 Poststunden) Entfernung mit freiem Auge deutlich sah. Die Farben roth, gelb, grün, blau und weiß sind beim künstlichen, wie beim Sonnenlichte deutlich (?) zu erkennen. – Auch mit dem klaren Mondlichte kann signalisirt werden.“ Ueber die Construction, welche Hr. v. Rogister seinem Instrumente gegeben hat, kann nur soviel aus der Erinnerung bemerkt werden, daß dasselbe aus einem einfachen Kreuze von Holz mit drei Fußschrauben bestand, auf welchem zwei Spiegel in der Lage wie bei einem Spiegelsextanten, aber so angebracht waren, daß jeder um zwei unter sich senkrechte Achsen gedreht werden konnte; ein Diopter diente zum Einvisiren oder Orientiren des ganzen Instrumentes, und die Orientirung des zeichengebenden Spiegels wurde dadurch erkannt, daß der von ihm ausgehende Lichtkegel den Schatten eines starken Fadenkreuzes auf die bezeichnete Mitte eines kleinen Schirmes warf. Das ganze Instrument hatte eine Länge von 15 bis 18 Zoll und ein Gewicht von höchstens 1 1/2 Pfund. Diese Andeutungen dürsten wohl genügen, um ein ähnliches entsprechendes Instrument herzustellen. G. Decher.