Titel: Letzte Gegenerklärung, die Theorie des Amsler'schen Polarplanimeters betreffend; von Prof. G. Decher.
Autor: Georg Decher [GND]
Fundstelle: Band 141, Jahrgang 1856, Nr. LXXVI., S. 330
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LXXVI. Letzte Gegenerklärung, die Theorie des Amsler'schen Polarplanimeters betreffend; von Prof. G. Decher. Zur Theorie des Polarplanimeters. Hr. Prof. Amsler ist in vorstehendem Aufsatz abermals sehr im Irrthum, indem er behauptet, das von mir abgeleitete / sey der totale Differentialquotient von φ in Bezug auf φ₁ und r sey für die Drehung des Rädchens als eine Function von ω zu betrachten. Das Rädchen kann sich, wie ich schon in meiner frühern Entgegnung bemerkt habe, drehen, also φ ändern, ohne daß sich ω ändert, wie es sich ändern kann für ω allein, also ohne daß sich r ändert; jenes / ist nur das theilweise Aenderungsgesetz von φ in Bezug auf ω, wie dO/ nur das theilweise Aenderungsgesetz der veränderlichen Oberfläche O in Bezug auf ω ist, und beide sind eigentlich aus d²φ/(dω dr) und d²O/(dω dr) durch Integration in Bezug auf die von ω unabhängige Veränderliche r entstanden, wie dO/dx = y das erste Integral aus d²O/(dx dy) = 1 ist, in Bezug auf y zwischen den Gränzen y und 0 genommen, und ich erlaube mir Hrn. Amsler hierüber auf mein Handbuch der Mechanik, Bd. II, S. 79 und 93 zu verweisen. Erst die Gränzen dieser Integrale können, aber müssen nicht, eine Abhängigkeit zwischen r und ω, oder zwischen y und x einführen; ursprünglich sind diese Veränderlichen r und ω oder y und x gänzlich unabhängig von einander. Man hat für das Amsler'sche Planimeter, wie für das meinige, mit entsprechender Aenderung des constanten Factors, eigentlich Textabbildung Bd. 141, S. 330 worin r₀ derjenige Werth von r ist, für welchen / = 0 wird. Für das Amsler'sche Planimeter ist dieser Werth, wie ich früher schon gezeigt habe, gleich √(a² + b² + 2ac); für das meinige dagegen hat man r₀ = 0. Ich würde übrigens auf die vorhergehende Erklärung des Hrn. Amsler nichts mehr erwidert haben, wenn ich nicht auch ein Uebersehen von meiner Seite gut zu machen hätte. In meiner früheren Entgegnung war ich nämlich nur darauf bedacht, den von Hrn. Amsler erhobenen Vorwurf der Unrichtigkeit meiner Theorie seines Instrumentes zurückzuweisen, und übersah den empirischen Grund, auf welchen sich derselbe stützte, welchen er aber als eine nothwendige Folge der mir vorgeworfenen Verwechselung der Differentiale und dω' hinstellte, und welchem ich daher keine weitere Beachtung schenkte. Dieser empirische Grund besteht darin, daß das Instrument nicht die Flächen der beiden Sectoren, welche von den an die umschriebene Curve vom Pol aus gezogenen Tangenten begränzt werden, einzeln richtig angibt, wie es nach den Werthen von Δφ und Δφ (polytechn. Journal Bd. CXI. S. 37) seyn müßte, und mit dieser Behauptung hat Hr. Amsler allerdings Recht; der theoretische Grund davon liegt aber nicht in jener Verwechselung der Differentiale oder in der Verwechselung des partialen Differentials mit dem totalen, wie Hr. Amsler meint, sondern einfach darin, daß dem unbestimmten Integral aus /, eben weil dieses nur ein partielles Aenderungsgesetz ist, im Allgemeinen zur Vollständigkeit noch eine von ω unabhängige Function von r beigefügt werden muß, so daß man hat Textabbildung Bd. 141, S. 331 worin r₁ und r₀ die den Winkeln ω₁ und ω₀ entsprechenden Werthe von r sind. Für geschlossene Figuren hat man aber immer am Ende r₁ = r₀; die Differenz f (r₁) – f (r₀) verschwindet also und die Angabe des Instrumentes ist unabhängig von der unbekannten Function f (r). Das Gleiche ist übrigens nicht bloß bei meinem Planimeter, sondern auch bei der Theorie des Wetli'schen zu beachten, da bei diesem der Drehungswinkel φ sich mit x allein und mit y allein ändern kann, und man hat für dieses analog Textabbildung Bd. 141, S. 331 zu nehmen. Nur für das Planimeter von Bouniakovsky ist f (r) Null, weil sich bei diesem der Winkel φ nicht mit r allein ändern kann. Man wird aus dieser Darlegung und den Behauptungen des Hrn. Prof. Amsler erkennen, wie weit dieser von einer klaren Einsicht in die von mir gegebene Theorie seines Instrumentes und in die höhere Analysis überhaupt entfernt ist, und wie wenig derselbe im Recht war, diese Theorie auf jenen empirischen Grund hin für unrichtig zu erklären.