Titel: | Zur Ausmittelung der Gifte; von Prof. Dr. Fr. Jul. Otto in Braunschweig. |
Fundstelle: | Band 142, Jahrgang 1856, Nr. LXVIII., S. 287 |
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LXVIII.
Zur Ausmittelung der Gifte; von Prof. Dr.
Fr. Jul. Otto in
Braunschweig.
Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Octbr. 1856, S.
39.
Otto, zur Ausmittelung der Gifte.
Bei Gelegenheit der Ausarbeitung meiner Anleitung zur
Ausmittelung der Gifte
Zweite Auflage, 1856, im Verlage von Fr. Vieweg und
Sohn in Braunschweig. sind im Laboratorium zahlreiche Versuche angestellt worden, von denen einige
bemerkenswerthe Resultate ergeben haben, die ich nebst einigen andern, dazu
passenden Beobachtungen, hier mittheilen will.
Arsengehalt der Salzsäure. – Als durchaus
nothwendig hat es sich erwiesen, daß die Salzsäure, welche bei der Ausmittelung des
Arsens, wie der
Metalle überhaupt, in Gemeinschaft mit chlorsaurem Kali, zur Zerstörung der
organischen Substanzen, leicht pfundweise verbraucht werden kann, mit
Schwefelwasserstoff behandelt seyn muß. Nur dadurch lassen sich die Spuren von Arsen
daraus entfernen, die wohl nie fehlen, die aber nur erkennbar werden, wenn man große
Mengen der Säure untersucht.
Vier Pfund der rohen Salzsäure, aus welcher in meinem Laboratorium die reine Säure
durch Rectification dargestellt wird und welche als arsenfrei im gewöhnlichen Sinne
geht, gaben, nach Verdünnung mit ungefähr dem gleichen Volumen Wasser und Behandlung
mit Schwefelwasserstoffgas bei längerem Stehenbleiben eine Ablagerung, woraus nach
dem Verfahren von Marsh ein deutlicher Arsenspiegel
erhalten wurde. Die Ablagerung, größtentheils aus Schwefel bestehend, denn die Säure
war eisenhaltig, wurde, nachdem die Säure abgehoben, auf einem kleinen Filter
gesammelt, ausgewaschen, mit Ammoniakflüssigkeit ausgezogen, der Auszug verdampft,
der Rückstand mit Salpetersäure und Schwefelsäure behandelt und dann in den Apparat
von Marsh gebracht. – Es wird zweckmäßig seyn,
eine mit Schwefelwasserstoff behandelte Salzsäure für gerichtliche Untersuchungen
vorräthig zu halten; sie ist concentrirt genug.
Arsen im Kesselstein. – Man hat bekanntlich in
fast allen ockerigen Absätzen der Eisenwasser Arsen gefunden. Von der Ansicht
ausgehend, daß das Vorkommen des Arsens in keinem Zusammenhange stehe mit dem
Vorhandenseyn des Eisens, daß das sich ausscheidende Eisenoxyd nur als
Fällungsmittel für die Arsensäure diene und dieselbe unseren Reagentien zugänglich
mache, dachte ich, es müsse sich Arsen in allen Ablagerungen aus Wasser finden. In
der That gaben 10 Unzen (ungefähr 300 Gramme) Kesselstein aus dem Theekessel meiner
Küche einen starken Arsenspiegel und große, deutliche Arsenflecken auf Porzellan.
Eben so wurde Arsen in dem Kesselstein aus einem Dampfkessel nachgewiesen. Der
Kesselstein wurde mit Salzsäure behandelt, durch die filtrirte Lösung wurde
Schwefelwasserstoffgas geleitet und der entstandene Niederschlag auf bekannte Weise
weiter verarbeitet.
Arsen nicht immer durchs Löthrohr zu erkennen. –
H. Rose macht in seinem classischen Handbuche der
analytischen Chemie bei Arsenik wiederholt darauf aufmerksam, daß geringe Mengen der
Säuren des Arsens, welche sich neben großen Mengen mancher Metalloxyde, z.B.
Eisenoxyd, befinden, nicht ohne Weiteres durch das Löthrohr zu erkennen sind. Ich
will hier einen Fall mittheilen, wo das Unbekanntseyn mit dieser Thatsache einen
Verbrecher leicht hätte der verdienten Strafe entziehen können. Während der
Schwurgerichtsverhandlungen über den höchst interessanten Vergiftungsproceß Dombrowsky – einer cause
celèbre, die in den neuen Pitaval aufgenommen ist – wurde die
chemische Untersuchung der Stelle eines eisernen Ofens beantragt und ausgeführt, auf
welcher ein Glas zersprungen, worin sich ein Trank aus Sagoschleim und Rothwein
befunden hatte. Es war sicher entscheidend über Leben und Tod, ob Arsen auf der
Stelle nachgewiesen wurde oder nicht.
Zwischen der Untersuchung und dem Ereignisse lagen drei Monate, während welcher Zeit
der Ofen öfters geheizt worden war, und überdem war derselbe, nachdem das Glas
zersprungen, von Dombrowsky mit Papier abgewischt worden.
Es zeigte sich auf der Stelle des Ofens, wo das Glas gestanden, ein starker
Rostflecken, und es gelang leicht, mittelst eines Messers etwa eine halbe
Messerspitze voll des Rostes abzukratzen und mittelst einer Federfahne auf Papier zu
fegen. Der eine der chemischen Sachverständigen begann sogleich an Ort und Stelle
die Untersuchung des Rostes durch das Löthrohr. Es konnte keine Spur eines
arsenikalischen Geruchs wahrgenommen werden. Auf meine Aeußerung, den Rost in der
Apotheke auf andere Weise untersuchen zu wollen, wurde mir erwiedert: wenn sich
Arsen nicht vor dem Löthrohr zu erkennen gebe, werde es auch nicht auf andere Weise
zu erkennen seyn. Glücklicherweise ließ ich mich aber nicht einschüchtern. Der Rost
wurde mit Kalilauge ausgekocht, der Auszug mit Schwefelsäure angesäuert und in den
Apparat von Marsh gebracht. Es resultirten die schönsten
Arsenspiegel.
Das Nachweisen des Arsens auf dem Ofen brachte nun vollkommene Klarheit in den ganzen
Verlauf der Vergiftung, während vorher in der langen Kette von Indicien ein Glied
fehlte. Die Untersuchung hatte nämlich bis zur moralischen Gewißheit dargethan, daß
Dombrowsky seiner Frau an einem Montage Fliegenstein
auf Leberwurst gegeben. Die Frau war heftig erkrankt, von dem Arzte als am Magen
leidend behandelt und am Freitage, als Reconvalescent mit der Bestimmung entlassen
worden, sie möge zur Stärkung Sagoschleim mit Rothwein trinken. Am Sonnabend starb
die Frau. In dem Magen wurden beträchtliche Mengen Fliegenstein gefunden und in den
Taschen von Dombrowsky's Schlafrocke fanden sich Spuren
desselben fein gepulverten Fliegensteins. Unmöglich konnte aber wohl das in dem
Körper gefundene Gift von dem am Montage gegebenen herrühren, seit dem Montage in
dem Körper geblieben seyn! Die Frau mußte in der Nacht vom Freitage zum Sonnabende
nochmals Arsenik erhalten haben. Die oben mitgetheilte Untersuchung bewies dieß mit
aller Bestimmtheit. Die Frau hatte in der Nacht von dem Sagoschleime getrunken, den
der Mann selbst bereitet; es war davon übrig geblieben, weil ihn die Frau zurückgewiesen,
behauptend, daß er ihr Brennen verursache. Am Sonnabend Morgen findet Dombrowsky die Frau noch nicht todt, obgleich dem Tode
nahe; er sagt, sie möge den Rest des schönen Trankes nehmen, den ja der Arzt
verordnet. Er setzt das Glas mit dem Tranke, um diesen zu wärmen, auf den geheizten
Ofen, es zerspringt und wird dadurch zu seinem Verräther, denn drei Monate später
findet sich noch das Arsen auf der Stelle des Ofens, wo das Glas zersprungen war.
Nie hat sich wohl der Finger Gottes deutlicher gezeigt.
Der besprochene Fall ist auch noch von großem Interesse, als ein Beispiel, wie
verschieden die Ansichten der Sachverständigen über ein und dieselbe Sache seyn
können. Als der Präsident des Gerichtshofes an die chemischen Sachverständigen die
Frage richtete, ob sich möglicherweise, unter den obgewalteten Verhältnissen, auf
dem Ofen noch könne Arsen auffinden lassen, wurde diese Frage von dreien der
Sachverständigen mehr oder weniger entschieden verneint, und nur auf meine höchst
bestimmte Versicherung, daß wenn der fragliche Trank Arsen enthalten habe, die
Chemie dasselbe nachweisen werde, verfügte der Gerichtshof die Untersuchung.
Unterblieb die Untersuchung, oder wurde dieselbe nach Prüfung des Rostes vor dem
Löthrohre aufgegeben, so blieb eine Stelle in dem Processe völlig dunkel. Sicherlich
wären dann den sachverständigen Aerzten die Fragen vorgelegt worden: Kann der in dem
Körper der Vergifteten gefundene Fliegenstein von dem am Montage gegebenen
Fliegenstein herrühren? Kann das Gift so lange unwirksam im Körper geblieben seyn
und dann plötzlich wieder seine tödtliche Wirkung geäußert haben? Wie möchten die
Antworten auf diese Fragen gelautet haben!
Die Geschworenen athmeten auf, nachdem das Gift auf dem Ofen gefunden war, jeder
Zweifel an der Schuld des Dombrowsky war verschwunden,
sie hatten sich vorher in einer höchst peinlichen Lage befunden.
Es ist bemerkenswerth, daß die Untersuchung des Ofens von dem Vertheidiger des Dombrowsky beantragt wurde. Der Vertheidiger hatte
nämlich den Angeklagten darauf aufmerksam gemacht, daß es von der größten
Wichtigkeit sey, darzuthun, der von ihm zubereitete Sagoschleim habe kein Arsen
enthalten, und gefragt, ob er die Untersuchung der Stelle des Ofens beantragen
solle. Werde kein Arsen gefunden, so werde dieß außerordentlich zu seinen Gunsten
reden, werde aber Arsen gefunden, so werde ihn die Untersuchung um den Kopf bringen.
Dombrowsky gab seine Zustimmung, entweder weil er
meinte, daß er den Ofen genügend abgewischt, oder weil er es für unmöglich hielt,
daß sich das Arsen auf
dem Ofen der geheizt worden, nach einem Vierteljahre noch werde erkennen lassen.
Ich habe vergangenen Winter ungefähr 2 Gran Fliegenstein mit Wasser zerrieben auf die
obere Platte des unteren eisernen Kastens eines Ofens im Arbeitszimmer des
Laboratoriums gießen lassen, dann, nach länger als zwei Monaten, während welcher
Zeit der Ofen täglich und oft äußerst stark geheizt wurde, den Rost abkratzen und
untersuchen lassen. Das Arsen wurde ebenfalls sogleich gefunden. Auch dießmal gab
der Rost vor dem Löthrohre keinen Arsengeruch.
Zur Ermittelung der giftigen Alkaloïde. –
Die treffliche Methode zur Auffindung und Erkennung organischer Basen in
Vergiftungsfällen, von Stas (Annalen der Chemie und
Pharmacie Bd. LXXXIV S. 379), hat mit Recht alle älteren Methoden zur Ermittelung
der giftigen Alkaloïde verdrängt. Die Methode gründet sich bekanntlich
darauf, daß die Alkaloïde von Aether gelöst werden, selbst diejenigen, von
denen man in den Lehrbüchern der Chemie liest, daß sie in Aether unlöslich seyen,
weil die Löslichkeit eine sehr geringe ist. Aether wurde aber dem Weingeist als
Lösungsmittel substituirt, weil er weit weniger als dieser auf diejenigen Stoffe
lösend wirkt, welche neben den Alkaloïden vorhanden sind, nachdem man vorher
die Fette beseitigt hat. Die Unlöslichkeit der Salze der Alkaloïde in Aether
ermöglicht außerdem die Befreiung der Alkaloïde von den in Aether löslichen
Stoffen, welche die Krystallisation oder die Gewinnung in reinem Zustande hindern
und die Reactionen stören.
Stas hat die Behandlung der Alkaloïde als
Schwefelsäuresalz mit Aether nur bei den flüchtigen Alkaloïden
vorgeschrieben. Er läßt den Aetherauszug des unreinen Alkaloïds mit etwas
Wasser, dem ein Fünftel Schwefelsäure zugesetzt ist, schütteln, den Aether, welcher
thierische Substanzen aufnimmt, abgießen, die wässerige Lösung von saurem
Alkaloïdsalze wiederholt mit Aether waschen, dann durch Aetzkali oder
Aetznatron zersetzen und nun das gereinigte Alkaloïd in Aether übergehen (a.
a. O. S. 382).
Ich suche vergeblich nach einem Grunde, weßhalb eine ähnliche Behandlung nicht auch
für die nichtflüchtigen Alkaloïde vorgeschrieben wurde, und ich halte die
Behandlung dieser, als Salz mit Aether, für unerläßlich zur Erzielung eines guten
Resultats. Das von Stas vorgeschlagene
Reinigungsverfahren der nichtflüchtigen Alkaloïde (a. a. O. S. 384) hat in
meinem Laboratorium keinen Anklang finden wollen. Man kann entweder genau so wie bei
den flüchtigen Alkaloïden operiren, nämlich die Aetherlösung des nichtflüchtigen Alkaloids
mit schwefelsäurehaltigem Wasser schütteln u.s.w., oder man läßt die Aetherlösung
verdunsten, löst das zurückbleibende, unreine Alkaloid in ein wenig
schwefelsäurehaltigem Wasser und schüttelt diese Lösung wiederholt mit Aether. Gibt
man dann kohlensaures Natron im Ueberschuß hinzu und führt man nun das
Alkaloïd in Aether über, so hinterläßt es die Aetherlösung beim Verdunsten
sehr rein, zum großen Theil krystallinisch. Ich halte die letztere Art und Weise zu
operiren für die zweckmäßigere, weil die nichtflüchtigen Alkaloïde im
Allgemeinen in Aether weit weniger löslich sind, als die flüchtigen.
Wenn selbst der Aether aus der Lösung der Alkaloïdsalze eine Spur Salz
aufnähme – ich habe aber nie eine nachweisbare Menge finden können, –
wäre es doch rathsam, diese verloren zu geben, um ein reineres Alkaloïd zu
erzielen; denn es ist unendlich viel besser, eine kleinere Menge des
Alkaloïds in reinem Zustande zu haben, als eine größere Menge in unreinem
Zustande. Hat man z.B. bei Verarbeitung einer strychninhaltigen Speise nach dem
Verfahren von Stas eine Aetherlösung des Alkaloïds
erhalten und läßt man auf den Rückstand vom Verdunsten dieser Lösung einen Tropfen
concentrirte Schwefelsäure fallen, so zeigt die eintretende bräunliche Färbung
sogleich, daß die Reaction mit chromsaurem Kali nicht in aller Schönheit und
Deutlichkeit eintreten werde. Fügt man dann etwas Wasser hinzu und führt man den
beschriebenen Reinigungsproceß aus, so finden sich im Rückstande vom Verdampfen der
dann resultirenden Aetherlösung krystallinische Flittern des Alkaloïdes, von
denen jedes faßbare Stäubchen ausreicht, die Reaction mit Schwefelsäure und
chromsaurem Kali in größter Schönheit zu erhalten.
Die Behandlung der Alkaloïde als Salz mit Aether kann aber auch bei dem
Verfahren von Stas ausgeführt werden, ehe überhaupt die
Ueberführung derselber in Aether stattfindet. So geschieht es in meinem
Laboratorium. Denken wir uns als Beispiel wiederum eine strychninhaltige Speise. Man
digerire mit starkem Weingeist, unter Zusatz von Oralsäure oder Weinsäure, filtrire,
verdampfe den Auszug, filtrire die nunmehr wässerige Flüssigkeit, wenn nöthig nach
Zugabe von etwas Wasser, von dem ausgeschiedenen Fette, Harze u.s.w., verdampfe
wieder, ziehe den Rückstand mit kaltem absolutem Alkohol aus, verdampfe und nehme
den Rückstand durch wenig Wasser auf. Anstatt nun aus dieser Lösung das
Alkaloïd ohne Weiteres durch Alkali frei zu machen und in Aether
überzuführen, schüttele man die Lösung erst wiederholt mit Aether, so lange derselbe
noch gefärbt wird und beim Verdunsten einen Rückstand hinterläßt, dann erst gebe man
kohlensaures Natron hinzu und löse das Alkaloïd durch Aether. Es wird beim Verdampfen
dieser Aetherlösung sehr rein zurückbleiben.
Auffindung des Morphins. – Bei dem oft
wiederholten Arbeiten nach dem Verfahren von Stas in
meinem Laboratorium entzog sich Anfangs das Morphin so gut wie immer der
Beobachtung, wenigstens ließ es sich nicht mit einiger Sicherheit erkennen. Es wurde
dieß der äußerst geringen Löslichkeit des Morphins in Aether und der Löslichkeit des
Alkaloïds in Natronlauge zugeschrieben. Für letzteren Grund sprach der
Umstand, daß etwas mehr Morphin in Aether übergeführt werden konnte, wenn
kohlensaures Alkali, anstatt ätzenden Alkalis, zur Abscheidung genommen wurde.
In der ersten Auflage meiner Anleitung rieth ich daher dringend an, die alkalische,
wiederholt mit Aether behandelte Flüssigkeit nicht wegzugeben, sondern dieselbe,
nachdem man den Aether abgedunstet und nachdem man zu ihr noch etwas Natronlauge
gegeben, um eventuell eine Trübung von ausgeschiedenem Morphin zu beseitigen, mit
einer concentrirten Salmiakmischung zu vermischen und in einem offenen Gläschen
stehen zu lassen. Man erhält dann Morphinkrystalle, wenn Morphin vorhanden.
Später erfuhr ich von Professor Polstorf, daß er das
Morphin wie die anderen Alkaloïde nach dem Verfahren von Stas habe auffinden können, und auch v. Pöllnitz zeigte mir Morphinkrystalle, welche beim
Verdampfen der Aetherlösung in einem Schälchen zurückgeblieben waren.
Die Ursache der Verschiedenheit des Verhaltens des Aethers gegen Morphin ist völlig
aufgeklärt worden. Zunächst fand v. Pöllnitz, daß die
Lösung eines Morphinsalzes, wenn dieselbe mit kohlensaurem Natron versetzt und dann
sogleich mit Aether geschüttelt wird, Morphin an den
Aether abgibt, das beim Verdampfen der Lösung krystallisirt oder krystallinisch
zurückbleibt. Vergeht aber vor dem Schütteln mit Aether so viel Zeit, daß sich das
Morphin krystallinisch ausscheidet, so nimmt dann Aether so gut wie nichts von dem
Alkaloïde auf.
Ein Beweis der Richtigkeit dieser Beobachtung ist, daß aus einer auf erst erwähnte
Weise gewonnenen Aetherlösung des Morphins sich das Alkaloïd beim Stehen in
kleinen Krystallen an die Glaswand ablagert. Durch das Krystallisationsbestreben des
Alkaloïds erfolgt also eine Ausscheidung aus der Lösung in Aether.
Will man daher Morphin in Aether überführen, so muß man die mit doppeltkohlensaurem
Natron versetzte Lösung des Morphinsalzes sogleich nach dem Zugeben des Natronsalzes
mit Aether schütteln und dann muß man die entstandene Aetherlösung möglichst bald
abgießen und in einem Schälchen verdampfen lassen.
Polstorf fand außerdem, daß alkoholhaltiger Aether das
Morphin reichlicher löst, als reiner Aether.
Die empfohlene nachträgliche Vermischung der alkalischen Flüssigkeit mit Salmiak
bleibt natürlich immer räthlich.
Prüfung der Alkaloïde. – Nach dem
Verdunsten der Aetherlösung der nichtflüchtigen Alkaloïde, zuletzt auf einer
warmen Stelle, bleibt häufig oben im Schälchen ein Ring von gelbem amorphem, nicht
völlig reinem Alkaloïd zurück, darunter aber reines Alkaloïd, mehr
oder weniger deutlich krystallisirt. In den relativ größten Krystallen tritt das
Narcotin auf, das beim Vorhandenseyn von Opium erhalten wird. Das Strychnin zeigt
sich in kleinen, vereinzelten Krystallblättchen, ähnlich das Morphin. Das Veratrin
erscheint pulverig oder nur harzartig, das Colchicin konnte ich nur harzartig
erhalten.
Mit einzelnen Partikelchen des möglichst reinen Alkaloïds, welche man mit der
Spitze eines Federmessers ablöst, muß man nun zunächst die charakteristischen
Reactionen zu erhalten suchen. Die Prüfung mit den Reagentien, welche eine
charakteristische Färbung hervorrufen, wird am besten in kleinen Porzellanschälchen
ausgeführt, weil sich auf der blendend weißen Fläche die Färbung am deutlichsten und
schönsten zeigt. Die Prüfung mit den Reagentien, welche ungefärbte, oder nicht eben
auffallend gefärbte Niederschläge hervorbringen, nimmt man zweckmäßig in kleinen
Uhrgläsern vor und stellt diese auf eine dunkle Unterlage, z.B. schwarzes
Glanzpapier, um die Niederschläge möglichst erkennbar zu machen.
Meistens wird man nur das Vorhandenseyn des einen oder des andern Alkaloïds zu
bestätigen haben. Sollten indeß gar keine Andeutungen über die Natur des
Alkaloïds vorliegen, so muß man eben anfragen. In welcher Reihenfolge die
Fragen gestellt werden, ist wohl ziemlich gleichgültig. Man bringt z.B. ein Körnchen
in ein Paar Tropfen Schwefelsäure, die sich auf einem Porzellanschälchen befinden,
und erwärmt. Rothe Färbung deutet auf Veratrin. – Ein Körnchen wird kalt in
einem Tropfen concentrirter Schwefelsäure in dem Schälchen gelöst, um mit einem
Stückchen chromsaurem Kali auf Strychnin anzufragen. – Ein Körnchen bringt
man in einige Tropfen Jodsäurelösung; gelbe Färbung und Geruch nach Jod deuten auf
Morphin; auf Zusatz von ein wenig Kartoffelstärkekleister entsteht dann blaue
Jodstärke. Durch Auflösen eines Körnchens in Wasser, dem eine Spur Salzsäure
zugesetzt ist, und Zugeben von verdünnter, neutraler Eisenchloridlösung mittelst
eines Glasstabes, erhält
man mehr oder weniger rein die blaue Färbung, welche Morphin anzeigt. – Ein
Körnchen wird mit einigen Tropfen concentrirter Salpetersäure vermischt; violette
Färbung deutet auf Colchicin. – Brucin (aus
Krähenaugen) färbt mäßig concentrirte Salpetersäure roth; gibt man dann mittelst
eines Glasstabes Zinnchlorürlösung hinzu, so entsteht eine prächtig blaue oder
violette Färbung. – Concentrirte Schwefelsäure, der eine Spur Salpetersäure
zugesetzt ist, färbt sich beim Erwärmen mit Narcotin dunkelroth. Außerdem ist das
Narcotin durch die Unlöslichkeit in essigsäurehaltigem Wasser wohl
charakterisirt.
Ist das Alkaloïd erkannt worden, so macht man nun mit dem übrigen Rückstande
im Schälchen die übrigen Reactionen, löst ihn z.B. in Wasser, dem eine Spur
Schwefelsäure oder Salzsäure zugesetzt worden, und prüft diese Lösung mit
Gerbestoff, Goldchlorid, Platinchlorid, Rhodankalium u.s.w.
Reicht die Menge des Alkaloïds aus, um damit Versuche an Thieren anzustellen,
so kann dieß geschehen. So soll man in dem Processe Dove
mit dem im Magen der vergifteten Person aufgefundenen Strychnin mehrere Thiere haben
vergiften können.
Die flüchtigen Alkaloïde Coniin und Nicotin werden an dem flüssigen Zustande
und dem Geruche erkannt. Der durchdringende, widrige Geruch des Coniins
unterscheidet dieß Alkaloïd auch von dem Nicotin, das überdem in Wasser
ziemlich leicht löslich ist, während das Coniin nur wenig gelöst wird. Der Geruch
beider Alkaloïde verschwindet beim Neutralisiren mit einer Säure, z.B.
Oralsäure, und Aetzkali ruft ihn wieder hervor.
In Bezug auf die bekannte Strychninreaction will ich bemerken, daß zur Hervorrufung
derselben in meinem Laboratorium doch am liebsten das rothe chromsaure Kali genommen
wird. Weder das von Marchand zuerst empfohlene
Bleisuperoxyd, noch das von Davy vorgeschlagene rothe
Blutlaugensalz haben sich Eingang verschaffen können. Es ist dringend erforderlich,
eine der Menge des Alkaloïds entsprechende Menge des Chromsäuresalzes zu
nehmen, um die Reaction sicher zu erhalten, und man erreicht dieß am besten durch
Anwendung eines Stückes des Salzes, nicht des gepulverten Salzes oder einer Lösung.
Nachdem man das Alkaloïd in einem Porzellanschälchen in Schwefelsäure gelöst
und die Lösung über das Porzellan ausgebreitet hat, bringt man ein Stückchen
chromsaures Kali hinzu. Beim Neigen des Schälchens fließen dann von dem Salze
violette Streifen ab, und wenn man das Salz mit dem Glasstabe hin und her schiebt,
erhält man bald die ganze Flüssigkeit prächtig violett. Ein einziger Tropfen der
Aetherlösung des Alkaloïds hinterläßt so viel Alkaloïd, daß dasselbe mittelst eines
Tropfens Schwefelsäure und eines Körnchens chromsauren Kalis auf die angegebene
Weise mit der größten Sicherheit erkannt werden kann. Mir ist ein Fall vorgekommen,
wo das Alkaloïd anfangs nicht mit Sicherheit erkannt wurde, weil es in
beträchtlicher Menge vorhanden war und weil eine im Verhältniß dazu zu kleine Menge
von chromsaurem Kali als Pulver eingerührt war. Bei Anwendung eines Stückes des
Salzes muß stets zu einer Zeit, um dasselbe herum, die Reaction deutlich zum
Vorschein kommen. und hat sich die Reaction eingestellt, so schiebt man das Salz auf
eine andere Stelle, damit sie nicht durch ein Uebermaaß des Salzes wieder vernichtet
werde. Erkennt man, daß viel Alkaloïd vorhanden, so zerdrückt man das
chromsaure Kali mit dem Glasstabe, und man erhält dann beim Umrühren eine prächtig
blaue Masse.
Während des Processes Palmer las man in den Zeitungen, das
Strychnin könne beim Vorhandenseyn von Antimon nicht erkannt werden. Daß hier eine
Ungenauigkeit im Ausdrucke stattfand, war jedem Sachverständigen klar. Die Sache
wurde später durch v. Sicherer,Polytechn. Journal Bd. CXLI S.
80. dem Chemiker eines großartigen Instituts Londons, aufgeklärt. Das
bekannteste aller Antimonsalze, der Brechweinstein, verhindert das Eintreten der
Reaction, welche zur Erkennung des Strychnins dient, aber natürlich nicht in Folge
seines Gehalts an Antimonoxyd, sondern durch den Gehalt an Weinsäure, die hier wie
jede andere kräftig des oxydirende Substanz wirkt, v. Sicherer empfahl nun, um die Weinsäure zu beseitigen, sie durch
vorsichtige Behandlung mit concentrirter Schwefelsäure zu zerstören und dann, nach
Uebersättigung der Masse mit kohlensaurem Natron, das Strychnin durch Chloroform
auszuziehen. Ich halte die Anwendung der Schwefelsäure zu dem fraglichen Zwecke für
sehr bedenklich. In geübten Händen mag diese Säure ein gutes Resultat geben, in
weniger geübten Händen wird dadurch auch Strychnin zerstört werden. Der ganze
Zersetzungsproceß ist aber auch überflüssig. Wenn man die strychninhaltigen
Substanzen nach dem Verfahren von Stas behandelt, so kann
sich neben dem abgeschiedenen Strychnin gar kein Weinsäuresalz finden. Zum Ueberfluß
habe ich Strychnin in weinsäurehaltigem Wasser unter Zusatz von Brechweinstein
gelöst, die Lösung mit kohlensaurem Natron im Uebermaaße versetzt und die Masse mit
Aether geschüttelt. Die Aetherlösung hinterließ so reines Strychnin, daß damit die
bekannte Reaction in größter Schönheit erhalten werden konnte.
Das Morphin läßt sich durch Eisenchlorid lange nicht mit der Sicherheit erkennen, wie
das Strychnin durch Schwefelsäure und chromsaures Kali. Ich habe mich bis jetzt
vergeblich bemüht, eine Art und Weise der Ausführung des Versuchs zu finden, wodurch
die Reaction stets von gleicher Schönheit erhalten werden kann. Das beste
Lösungsmittel für das Morphin ist Salzsäure, von welcher aber jeder Ueberschuß
möglichst vermieden werden muß. Ist die Lösung des Morphins sehr rein, so erhält
man, wenn man die passende Menge von Eisenchloridlösung trifft (man taucht einen
Glasstab in die Eisenlösung und bringt denselben dann in die Morphinlösung), eine
sehr schöne blaue Färbung. Mindere Reinheit des Morphins und ein selbst geringer
Ueberschuß der Eisenchloridlösung machen die Färbung grünlich und unansehnlich.
Uebergießt man Morphin in einem Schälchen mit einigen Tropfen concentrirter
Schwefelsäure, erwärmt man bis zur Auflösung des Alkaloïds und verdünnt man
dann mit etwas Wasser, so bringt ein Körnchen chromsaures Kali in der Flüssigkeit
eine intensive mahagonibraune Färbung hervor.