Titel: | Verfahren zum Entschweißen, Entfetten und Waschen der Wolle; von den HHrn. Villermet und Manheim zu Paris. |
Fundstelle: | Band 142, Jahrgang 1856, Nr. LXX., S. 302 |
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LXX.
Verfahren zum Entschweißen, Entfetten und Waschen
der Wolle; von den HHrn.
Villermet und Manheim zu Paris.
Aus Armengaud's Génie industriel, Septbr. 1856, S.
120.
Villermet's Verfahren zum Entschweißen, Entfetten und Waschen der
Wolle.
Bisher hat man zum Entschweißen und zum Waschen der Wolle, der wollenen Gespinnste
und Gewebe, hauptsächlich Alkalien oder Seifen angewendet, sowohl um die Fettsubstanzen zu entfernen,
womit die Wolle in ihrem natürlichen Zustande verunreinigt ist, als dasjenige Fett,
womit sie künstlich imprägnirt wurde, um ihre Verarbeitung zu erleichtern.
Soll nämlich rohe oder gewaschene Streichwolle entfettet werden, so behandelt man sie
in einem warmen Bade von Soda, Potasche, Ammoniak oder Harn, und wascht sie dann in
fließendem Wasser. Für die Kammwolle wendet man vorzugsweise 1/4 Seife und 1/5
kohlensaures Natron an und nimmt das Waschen zwischen einem Walzenpaar anstatt im
fließenden Wasser vor. Sollen Garne oder Gewebe von irgend einem fettigen Körper,
womit die Wolle vor dem Verspinnen imprägnirt wurde, gereinigt werden, so entfettet
man sie ebenfalls mit Seife, mit Alkalien und selbst mit Walkerde.
Wir haben zuerst die bisher zum Entschweißen und Entfetten der Wolle gebräuchlich
gewesenen Alkalien und Seifen, durch mit Wasser sehr verdünnte Säuren, insbesondere
Schwefelsäure, ersetzt, und zwar deßhalb, weil die meisten der Substanzen, womit die
Wolle verunreinigt ist, mehr alkalischer als saurer Natur sind.
Bevor wir auf diese Methode näher eingehen, müssen wir jedoch eine vorläufige
Operation besprechen, nämlich die Behandlung des Schweißwassers; dasselbe ist eine Auflösung der löslichen Theile eines
nicht gewaschenen Vließes (welche also von den jetzt gebräuchlichen alkalischen
Salzen oder Seifen nichts enthält).
Zum Entfetten einer Wolle, welche ihren Schweiß noch vollständig enthält, benutzen
wir:
1) entweder das Schweißwasser von einer vorhergehenden
Operation, aus welchem wir die mitgerissenen gröblichen Theile entfernen und das wir
mehrmals nach einander anwenden;
2) oder ein Wasserbad, worin 200 bis 250 Gramme (7 bis 8
Unzen) Potasche (nicht Soda) aufgelöst sind. Durch dieses Bad kann man das
Schweißwasser ersetzen, wenn man ein solches von einer vorhergehenden Operation
nicht zur Verfügung hat; diese Auslage braucht man jedoch nur einmal zu machen, weil
in der Folge das übrig gebliebene Weichwasser und Waschwasser alle nothwendigen
Salze liefern, und zwar in größerer Menge als man ihrer bedarf.
Hat man sich nach einer dieser zwei Vorschriften das Bad verschafft, so erhöht man
die Temperatur desselben auf 40 bis 48° Reaumur, und erhält es auf dieser
Wärme so lange als Wolle darin behandelt wird.
In diesem Bad (Weichwasser) wird eine Quantität zu entschweißender Wolle eingeweicht,
nach Verlauf von wenigstens zehn Minuten herausgenommen und in ein zweites Bad
(Waschwasser) gebracht, welches sich neben ersterem befindet, aus gewöhnlichem Wasser
besteht und dieselbe Temperatur hat.
Die Wolle verliert in diesem zweiten Bad ihr zurückgebliebenes Schweißwasser und
erdige Substanzen; man kann sie dann zwischen Walzen auspressen.
Dieser Wolle ist nun der größere Theil der fremdartigen Substanzen entzogen, sie
enthält aber noch eine Art Fett oder vielmehr brenzlichen Oels, welches den
eigenthümlichen Geruch des Schweißes verursacht und die ganze spätere Bearbeitung
benachtheiligt. Um die Wolle von diesem Oel und den zurückgebliebenen alkalischen
Substanzen zu reinigen, benutzen wir ein Wasserbad, welches mit Schwefelsäure
geschärft ist, aber so schwach, daß die Säure durch das Aräometer nicht wahrgenommen
werden kann. Dieses Bad wird ebenfalls auf 48° Reaumur erwärmt, und muß
constant auf dieser Temperatur erhalten werden, weil sonst sein geringer Säuregehalt
nicht augenblicklich wirken könnte; es genügt nämlich, die Wolle einige Secunden
lang in diesem Bade zu bewegen, damit sie ganz geruchlos aus demselben herauskommt.
Man kann sie dann zwischen Walzen auspressen und hierauf trocknen.
Zur Bereitung des sauren Bades ist auf beiläufig 700 Pfd. Wasser 1 Pfd. Schwefelsäure
von 66° Baumé erforderlich; übrigens gibt der Geschmack einen sichern
Anhaltspunkt, er muß derjenige eines schwachen Essigs seyn; man könnte dieses
Sauerwasser ohne Gefahr trinken.
Die so vorbereitete Wolle fühlt sich weicher an, als die geseifte; sie hinterläßt
nicht, wie letztere, einen unangenehmen Geruch, der ein sicheres Anzeichen
zurückgebliebener Seife ist. Sie besitzt mehr Festigkeit und Elasticität, läßt sich
leichter aus den Kämmen ziehen und gibt daher weniger Abfall; sie kann auch, ohne
andere Vorbereitung, gefärbt werden.
Für das Kämmen muß jedoch die (lange) Wolle mit einer gewissen Menge thierischen oder
vegetabilischen Oels eingefettet werden. Um dann die von der Kämmmaschine
gelieferten Bänder zu entfetten, braucht man sie nur durch ein dem erstem ähnliches,
zweites gesäuertes Bad zu nehmen; von letzterm Bad kommt sie zum Trocknen und wird
hernach auf die Spulen gewickelt.
Die Anwendung der verdünnten Schwefelsäure nach unserm Verfahren gewährt im Vergleich
mit der Benutzung von Seifen noch den Vortheil, daß die Wolle länger liegen bleiben
kann, ehe man mit ihr eine andere Arbeit vornimmt, weil in jeder Wolle, welche
Spuren von Seife enthält, gerade deßhalb zersetzbare Substanzen sich befinden. Die
in einem säuerlichen Bade behandelte Wolle wird niemals gelblich, sie hat vielmehr
die Neigung weiß zu werden. Dagegen wird die durch ein Seifenbad genommene Wolle
gelblich, weil die geringe Menge von Seife, welche sie noch enthält, sich an der
Luft zersetzt.
Bei unserem Verfahren die Wolle zu entschweißen und zu entfetten, spielt also das
säuerliche Bad hauptsächlich die Rolle des entfettenden und bleichenden Agens.
Das oben erwähnte Einweichen der rohen Wolle in concentrirtem Schweißwasser hat
keinen andern Zweck, als derselben einen Theil ihrer seifenartigen Bestandtheile zu
entziehen, deren Entfernung sonst einen Ueberschuß von Säure erfordern würde; und da
diese Substanzen, welche die Wolle in ihrem natürlichen Zustande enthält, im Wasser
zum Theil auflöslich sind, so ist auch das nachherige Entschweißen mittelst
verdünnter Säure um so leichter zu bewerkstelligen, je besser jenes Einweichen
ausgeführt wurde; aus demselben Grunde ist auch eine so geringe Menge Säure
ausreichend. Wir erinnern, daß wir später zum Entfetten auch bloß Säure
anwenden.
Was wir über das Entfetten der von der Kämmmaschine gelieferten Bänder gesagt haben,
gilt auch für die wollenen Garne und Gewebe, welche mit Oel eingefettet wurden; sie
werden eben so behandelt.
Die Anwendung der verdünnten Schwefelsäure anstatt Potasche, Soda, Seifen etc.,
veranlaßt keine größeren Kosten als 60 Centimes bis höchstens 1 Franc für 100
Kilogr. Wolle. Im Vergleich mit dem Aufwand, welchen das jetzt allgemein
gebräuchliche Verfahren verursacht, beträgt daher die Ersparniß bei unserer Methode
beiläufig 95 Procent.
Bei unserm Verfahren befindet sich in dem Weichwasser und dem Waschwasser, welche wir
zusammengießen, nichts anderes, als was der Wolleschweiß in seinem natürlichen
Zustande enthält, wir setzen nichts zu. Das Wasser, welches zum Entschweißen von 1
Kil. Wolle gedient hat, kann hernach zum Entschweißen von 2 Kil. verwendet werden,
dann (weil es immer concentrirter wird) von 4, von 8 Kil. Wolle. Dieses Wasser
bliebe sogar fortwährend verwendbar, wenn es nicht wegen der verschiedenartigen
darin befindlichen organischen Substanzen zu schnell in Fäulniß übergehen würde.
Deßhalb schütten wir es aber doch nicht weg; wir sammeln nämlich die aus Sauerwasser
bestehenden Bäder und gießen sie in den großen Behälter, worin das gefaulte
Weich- und Waschwasser gesammelt wurde, wodurch aus letzterm die fetten
Bestandtheile abgeschieden werden, welche bald obenauf schwimmen, während die
alkalischen Basen als schwefelsaure Salze in der Flüssigkeit aufgelöst bleiben.
Im Handel schätzt man den Gewichtsverlust der Wolle bei ihrer Verarbeitung auf 35 bis
80 Proc., im Durchschnitt also auf 50 Proc.; davon können 25 Proc. als Abfälle und
erdige Substanzen betrachtet werden, welche einen sehr kräftigen Dünger bilden; die
übrigen 25 Proc. bestehen aus den löslichen Substanzen, wie Kali und Fette, welche
wir auf angegebene Weise abscheiden, um sie weiter zu verwerthen.
Nachtrag.
Vorstehendes, sehr ökonomisches Verfahren zum Entschweißen und Entfetten der Wolle,
ist auch als ein ganz rationelles nach unserer gegenwärtigen Kenntniß der Natur des
Wolleschweißes zu betrachten; in dieser Hinsicht verweisen wir auf Chevreul's Untersuchungen über die Zusammensetzung der
Wolle und seine Theorie ihres Entschweißens, im polytechn. Journal Bd. LXXVII S. 128 und Bd. LXXXV S. 222.
Chevreul fand in roher Merinoswolle, welche bei
100° C. getrocknet war:
erdige Substanzen, welche sich aus dem
destillirten Wasser absetzten, worin man
die Wolle wusch
26,06
Wolleschweiß, in kaltem Wasser auflöslich
32,74
eigenthümliche Fette, nämlich Stearerin und
Elaerin, welche sich in der Wärme mit
Aetzkali nicht verseifen lassen
8,57
erdige Substanzen, auf der Wolle durch das Fett
befestigt
1,40
eigentliche Wolle
31,23
––––––
100,00
Hinsichtlich der Theorie des Entschweißens der Wolle, wie er sie aus seinen eigenen
Versuchen abgeleitet hat, sagt Chevreul:
„Würde man die Wolle nur mit reinem und kaltem Wasser behandeln, so
verlöre sie nur den auflöslichen Schweiß; das Fett
hingegen bliebe darauf befestigt und hielte die feinsten Theilchen des Sandes
zurück.“
„Wie verfährt man im Großen? Man versetzt das Wasser in einem Kessel mit
auflöslichem Schweiß (Schweißwasser), wodurch es
alkalisch und gleichsam seifenartig wird, obgleich diese Substanz durchaus nicht
als eine Seife betrachtet werden kann (um aber das Wasser noch alkalischer zu machen, setzt man auch gefaulten Urin oder Soda
oder Seife zu); die Flüssigkeit wird dann in der Regel auf 48 bis 60° R.
erhitzt. Das Fett der Wolle bildet nun mit dem heißen alkalischen Wasser keineswegs eine Auflösung, weil keine Verseifung
stattfinden kann, sondern eine Emulsion. Diese
Emulsion trennt sich von der Wolle, weil sie sich keineswegs zersetzt. Beim
Auswaschen der Wolle in durchlöcherten Kasten im fließenden Wasser wird ihr dann
außer den fremdartigen Körpern, welche durch eine mechanische Wirkung beseitigt
werden können, auch das noch anhängende Entschweißungsbad entzogen.“
Chevreul hat im Verlauf vieler Jahre eine genaue
Untersuchung des Schweißes der Wolle angestellt, welche er bald zu veröffentlichen
beabsichtigt. Nach einer vorläufigen MittheilungS. 78 in diesem Bande des polytechn. Journals. enthält der auflösliche Schweiß hauptsächlich Kalisalze mit Fettsäuren,
nebst Chlorkalium und etwas kieselsaurem Kali. Die Fettstoffe im auflöslichen
Schweiß bestehen aus wenigstens fünf besonderen Arten.
Die Redaction.