Titel: Ueber die Rolle, welche die salpetersauren Salze in der Pflanzenökonomie spielen; von G. Ville.
Fundstelle: Band 142, Jahrgang 1856, Nr. LXXIII., S. 310
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LXXIII. Ueber die Rolle, welche die salpetersauren Salze in der Pflanzenökonomie spielen; von G. Ville. Aus den Comptes rendus, Juli 1856, Nr. 2. Ville, über die Rolle, welche die salpetersauren Salze in der Pflanzenökonomie spielen. I. Nachdem ich in meiner frühern AbhandlungPolytechn. Journal Bd. CX. S. 303. die quantitative Bestimmung der salpetersauren Salze in den organischen Substanzen behandelt habe, will ich jetzt den Einfluß dieser Salze auf das Wachsthum der Wanzen erörtern. Ich habe früher zu beweisen gesucht, daß gewisse Pflanzen, in ausgeglühtem Sand ohne allen Zusatz stickstoffhaltiger Materien angebaut, sich entwickeln, indem sie Stickstoff aus der Luft fixiren. Es gibt aber andere Pflanzen, welche unter solchen abnormen Umständen nicht fortwachsen. Ich kann jetzt Versuche mit einer Pflanze dieser Art mittheilen, welche in ausgeglühtem Sand mit Beihülfe von Salpeter angebaut wurde. Diese neuen Versuche haben zu denselben Resultaten geführt wie die ersteren. II. Unter dem Einfluß der salpetersauren Salze, insbesondere des salpetersauren Kalis, gedeihen die Pflanzen im ausgeglühten Sand ebenso wie in guter Erde. Gleich in den ersten Tagen nach der Keimung sind die Blätter schön grün und das Wachsthum dauert auffallend kräftig fort. Nach und nach verschwindet der in jenen Boden gebrachte Salpeter. Mittelst des von mir angegebenen Verfahrens zur quantitativen Bestimmung des Salpeters kann man den Augenblick genau erkennen, wo derselbe vollständig verschwunden ist. Wenn man am Ende dieser ersten Periode den Versuch unterbricht, so gibt die durch kochendes Wasser erschöpfte Pflanzensubstanz nicht das geringste Anzeichen vorhandenen salpetersauren Salzes, oder man findet doch stets nur schwache Spuren. Mit Natronkalk verbrannt, liefert die Ernte hingegen eine Quantität Stickstoff, welche jener ziemlich gleich ist, die in den Samenkörnern und dem angewendeten Salpeter am Anfang des Versuchs enthalten war. Demnach haben sich die Pflanzen des ganzen der Erde mitgetheilten Stickstoffs bemächtigt, und der Salpeter hat sowohl zur Erzeugung ihrer näheren stickstoffhaltigen Bestandtheile, als zur Organisation ihres Gewebes gedient; bis dahin haben aber die Pflanzen der Atmosphäre keine bestimmbare Menge Stickstoffs entzogen. Um diese Schlüsse zu beweisen, will ich zwei zu verschiedenen Zeiten angestellte Versuche anführen und bemerke ein für allemal, daß der Anbau in ausgeglühtem Sand stattfand. Erster Versuch 1855. – Am 22. Julius wurden acht Winterrübsenkörner eingelegt; dem als Boden dienenden Sand wurden 0,50 Grm. Salpeter oder 0,0692 Grm. Stickstoff zugesetzt; am 6. September wurde geerntet. Stickstoff des    Samens.    Stickstoff des      Salpeters. Bei 80° R. getrockneter Same 0,025 Grm.   0,0013 Grm.       0,0692 Grm. Stickst. der Ernte. Bei 80° R. getrocknete Ernte 5,45 Grm     0,0708 Grm. Die Ernte hatte das 218fache Gewicht des Samens. Zweiter Versuch 1856. – Er wurde wie der erste Versuch am 2. April angefangen und am 12. Junius beendigt. Stickstoff des     Samens.   Stickstoff des     Salpeters. Bei 80° R. getrockneter Same 0,025 Grm.   0,0013 Grm.      0,0692 Grm. Stickst. der Ernte. Bei 80° R. getrocknete Ernte 5,02 Grm.     0,068 Grm. Die Ernte beträgt das 200fache Gewicht des Samens. Es haben also mit 0,50 Grm. Salpeter acht Rübsenkörner an Holzstoff und Blättern das 200fache Gewicht des Samens erzeugt. Diese Versuche beweisen, wie ich sagte, daß die Pflanzen den Stickstoff der salpetersauren Salze absorbiren und assimiliren. Dieser Schlußfolgerung habe ich noch zwei andere beizufügen. Die erste ist, daß sich in dem als Boden dienenden Sand freiwillig kein Salpeter gebildet hat. Ich konnte nicht nur die Bildung eines salpetersauren Salzes in einem Gemenge von ausgeglühtem Sand und Pflanzenasche niemals nachweisen, sondern es war auch das Resultat stets dann ein negatives, wenn ich dem Sande thierische Gallerte und Wolfsbohnenkerne zugesetzt hatte. – Der zweite Schluß ist, daß alle Materialien, Sand, Ziegelmehl, destillirtes Wasser, welche im Verlaufe des Versuchs angewendet wurden, völlig stickstofffrei waren. Es erfolgte also Absorption der salpetersauren Salze und Assimilirung des Stickstoffs dieser Salze durch die Pflanzen, ohne daß eine freiwillige Salpeterbildung in dem als Boden dienenden Sand stattfand. Setzen wir nun den Fall, es werde dem Sand statt 0,50 Grm. Salpeter, 1 Grm. desselben zugesetzt, mit Beibehaltung aller übrigen Umstände des Versuchs. Dann ist der Verlauf des Versuchs ein ganz anderer; die Vegetation ist thätiger und die Pflanzen entwickeln sich mehr oder weniger, ohne daß ein Stillstand eintritt. Am Ende enthält die Ernte viel mehr Stickstoff als die Samen und der Salpeter, welche angewendet wurden. Ich will hier nur zwei Beispiele zum Beleg dieses Resultats aufführen. Erster Versuch 1855. – Am 13. Julius wurden 10 Winterrübsenkörner eingesäet und 1 Grm. Salpeter dem Sande zugesetzt. Geerntet wurde am 4. October. Stickstoff des    Samens.    Stickstoff des      Salpeters. 10 bei 80° R. getrocknete Rübsenkörner 0,031 Grm. 0,0015 Grm.       0,1384 Grm. Stickst. der Ernte. Bei 80° R. getrocknete Ernte 15,30 Grm.      0,374 Grm.                                      Der Luft entzogener Stickstoff 0,234 Grm. Das Gewicht der Ernte ist das 493fache des Samens. Zweiter Versuch, angefangen am 7. Januar 1856, beendigt am 2. Mai. – Ein Zufall brachte eine Störung in den Verlauf dieses Versuchs; zweimal nämlich wurde ein Theil der Blätter durch die Nähe einer Heizmündung ausgetrocknet und fast geröstet, wodurch die Pflanzen sehr litten. Stickstoff des    Samens       Stickstoff des         Salpeters. 10 Körner Sommerrübsen, bei 80° R.                              getrocknet 0,031 Grm.  0,0013 Grm.        0,1384 Grm. Stickst. des Salpeters. Bei 80° R. getrocknete Ernte 10,77 Grm.         0,192 Grm.                         Der Luft entzogener Stickstoff 0,052 Grm. Das Gewicht der Ernte ist das 347fache des Samens. Hier haben wir zwei Töpfe, welche auf gleiche Weise hergerichtet wurden, mit demselben Sand, dem dieselbe Asche zugesetzt, und welcher mit demselben destillirten Wasser begossen wurde. Beide wurden an gleiche Stelle gesetzt. Bei demjenigen welcher 0,50 Grm. Salpeter erhielt, trat ein Moment ein, wo die Vegetation stille stand. Von diesem Zeitpunkt an enthielt die Ernte allen Stickstoff der Samen und des Salpeters, aber nicht mehr. In dem Topf hingegen, welcher 1 Grm. Salpeter bekam, fand eine beständig fortschreitende und zunehmende Vegetation statt und nach 2 1/2-monatlichem Anbau begann die Ernte mehr Stickstoff zu enthalten, als die Samen und der Salpeter zusammengenommen, welcher Mehrgehalt stets zunahm. Der Mehrgehalt an Stickstoff rührt aus der Atmosphäre und die Verschiedenheit in den beiden Resultaten daher, daß die Pflanzen den gasförmigen Stickstoff erst dann zu absorbiren anfangen, wenn sie eine gewisse Entwickelung erreicht haben; da 0,50 Grm. Salpeter 8 Rübsenkörner nicht bis zu dieser Periode zu bringen vermögen, so findet keine Stickstoff-Absorption statt und das Resultat ist negativ. Mit 1 Grm. Salpeter ändert sich aber das Resultat; es findet Stickstoff-Absorption statt, weil die Pflanzen die Periode, wo diese Absorption erfolgt, erreicht und überschritten haben. Diese Erscheinung ist keineswegs eine vereinzelte und nicht als Ausnahme zu betrachten, sondern sie reiht sich jenen an, welche gewisse Samen darbieten, die in geglühtem Sand nur Pflanzenanfänge geben, während andere Samen, unter gleichen Umständen eingesäet, vollkommene Pflanzen entwickeln. Man kann sonach mittelst Salpeters nach Belieben bewirken, daß Stickstoff absorbirt wird oder nicht. Findet die Absorption statt, so geschieht sie auf Kosten des Stickstoffs der Luft. Wollte man den Ursprung dieses Stickstoffs auf die in der Atmosphäre verbreiteten Spuren von Ammoniak zurückführen, so frage ich, warum das Resultat ein verschiedenes ist, je nachdem man 0,50 oder 1 Grm. Salpeter anwendet? Die weiter sich ergebende Frage, ob der Salpeter als solcher assimilirt wird, oder vorher in Ammoniak übergeht, beantworte ich dahin, daß er sich in Form von Salpeter assimilirt. Würde sich nämlich der Salpeter in Ammoniak verwandeln, so müßte bei gleichem Stickstoffgehalt der Salmiak wirksamer seyn als der Salpeter. Nun ist aber gerade das Gegentheil der Fall. Der Salpeter zeigt eine stärkere Wirkung als der Salmiak. Bei gleichem Stickstoffgehalt erreichte die Ernte mit Salpeter in einem Falle 15,30 Grm., während sie mit Salmiak nur 6,80 Grm. betrug. Der Salpeter geht daher nicht in den Zustand von Ammoniak über. Die letzte Frage, ob der Salpeter im Ganzen und in allen Theilen des Bodens gleichzeitig absorbirt wird, oder ob auf die Assimilirung des Stickstoffs eine Entwickelung von Sauerstoff folgt, wie dieß bei der Kohlensäure der Fall ist, gestatten mir meine bisherigen Versuche nicht zu beantworten, weßhalb ich später darauf zurückkommen muß. Die aus meinen Versuchen sich ergebenden Schlüsse sind also folgende. 1) Ausgeglühter Sand, welchem man in einem Topf einige Gramme Pflanzenasche zusetzt und der freien Einwirkung der Luft überläßt, wird nicht der Sitz der Bildung eines salpetersauren Salzes, selbst nicht, wenn man dem Sand thierische Gallerte und Wolfsbohnenkerne zusetzt. 2) Die Pflanzen absorbiren und assimiliren direct den Stickstoff der salpetersauren Salze. 3) Samenkörner, welche in ausgeglühtem Sand nur Pflanzenanfänge geben würden, erzeugen hingegen mit Beihülfe von Salpeter Pflanzen, die in demselben Sande fortwachsen, und sie absorbiren Stickstoff aus der Luft oder thun es nicht, je nachdem die Menge des angewendeten Salpeters hinreicht oder nicht hinreicht um sie eine erste Vegetation durchmachen zu lassen. 4) Bei gleichem Stickstoffgehalt äußert der Salpeter auf die Wanzen eine stärkere Wirkung als der Salmiak, woraus ich schließe, daß dieser Salpeter weder vor, noch nach seiner Assimilirung sich in Ammoniak umwandelt.