Titel: Versuche über die Luftreibung an den Röhrenwänden einer Windleitung; von P. Rittinger, k. k. Sectionsrath,
Fundstelle: Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XXXV., S. 162
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XXXV. Versuche über die Luftreibung an den Röhrenwänden einer Windleitung; von P. Rittinger, k. k. Sectionsrath, Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1856, Nr. 51. Mit Abbildungen auf Tab. III. Rittinger, Versuche über die Luftreibung an den Röhrenwänden einer Windleitung. Der Effect der in einer Windleitung sich bewegenden Luft wird durch drei Größen bestimmt: 1) durch ihre Pressung oder durch die Höhe b, welche ein senkrecht in die Seitenwand der Windleitung eingestelltes Wassermanometer angibt; 2) durch ihre Geschwindigkeit U, und 3) durch die Windmenge M, welche per 1 Secunde durch jeden Querschnitt der Windleitung hindurchstreicht. Fast bei allen bisherigen Betrachtungen in der Aerodynamik wird bei Bestimmung des Effectes der in Röhren sich bewegenden Luft von der Geschwindigkeit U abgesehen, was aber nicht immer zulässig ist; denn es kann in manchen Fällen der größere Theil des Effectes der Luft in ihrer Geschwindigkeit begründet seyn, die Pressung dagegen auf denselben nur einen geringen Einfluß nehmen. Dieß ist z.B. der Fall beim Austritte der Luft aus einer Düsenmündung, wo die Luft die atmosphärische Pressung annimmt, ja sogar etwas unter dieselbe herabsinkt, während ihre Geschwindigkeit vorherrscht und vorzugsweise ihren Effect bestimmt; oder bei einer engen Windleitung, wenn durch dieselbe die Luft mit bedeutender Geschwindigkeit hindurchströmt. Es gibt ein sehr einfaches Mittel, die Geschwindigkeit der Luft mit ihrer Pressung zugleich abzunehmen und in Rechnung zu bringen; man wendet nämlich bei der Beobachtung des Manometerstandes einen einfachen Hülfsapparat an, welcher aus einem um 90 Grade gebogenen Röhrenstücke aus Eisenblech besteht, und über welches ein kurzer Holzcylinder geschoben ist, wie dieß Fig. 17 versinnlicht. Dieses Hülfsröhrchen steckt man nun in die Oeffnung, an welcher man den Manometerstand zu beobachten beabsichtigt, und zwar so, daß der horizontale Schenkel desselben gerade gegen den Windstrom gerichtet ist, und steckt sodann in dessen verticalen Schenkel das Wassermanometer ein. Auf den Rand der letzteren wird nun nicht bloß die Pressung der Luft, sondern auch ihre Geschwindigkeit einwirken, und man kann sehr leicht von der Größe des letzteren Einflusses sich überzeugen, wenn man das Hülfsröhrchen um 180° wendet, so daß der horizontale Schenkel in der Richtung des Windstromes zu liegen kommt. War in ersterer Stellung die Wassersäulenhöhe = H, so wird sie in der zweiten Stellung = h seyn, und es ist Hh = s ein aus der Geschwindigkeit herrührender Zuwachs, da die Höhe h bloß der Pressung allein ihren Ursprung verdankt. Statt daher wie gewöhnlich den Effect der durch Röhren durchströmenden Luft durch E = M h γ auszudrücken (unter γ das Gewicht einer kubischen Einheit Wasser verstanden), soll derselbe vielmehr durch (1) . . . .  E = M H γ dargestellt werden. Beobachtet man auf die angedeutete Weise den Manometerstand an mehreren Punkten einer längeren Windleitung, deren Röhren durchaus einen gleichen Durchmesser D besitzen, so wird man die Höhe H um so kleiner finden, je mehr man sich den Düsen nähert. Diese Abnahme der effectiven Manometerhöhe H hat bekanntlich ihren Grund in der Reibung der Luft an den Röhrenwänden. Bezeichnet man die an zwei beliebigen Punkten I und II einer Windleitung (Fig. 18) beobachteten effectiven Manometerstände mit H' und H'', so ist der Effect   in   II   E'' = M H'' γ, und   in    I E' = M H'  γ; daher der Effectverlust in Folge der Luftreibung (2) . . . . e = E''E' = M (H''H') M γ. Dieser Effectverlust wird also durch die Größe des Unterschiedes zwischen den effectiven Manometerhöhen H'' und H' bestimmt. Uebereinstimmend mit den Erfahrungen bei der Bewegung des Wassers in Röhren steht dieser Unterschied H''H' a) mit dem Abstande L zwischen den beiden Beobachtungspunkten I und II im geraden Verhältnisse; b) mit dem Durchmesser D der Röhren im verkehrten Verhältnisse, endlich c) hat auch die Geschwindigkeit U der Luft einen wesentlichen Einfluß auf den Effectverlust, indem letzterer im geraden quadratischen Verhältnisse von U zunimmt. Bezeichnet α einen Erfahrungscoefficienten, so kann man daher setzen: (3) . . . . H''H' = α L/D U² Die absoluten Pressungshöhen h'' und h' haben auf den Werth von e keinen wesentlichen Einfluß. Die Geschwindigkeit U läßt sich aber wegen M = D²π/4 U ausdrücken durch: U = 4M/D²π Die Windmenge M hängt wieder von der Zahl N der offenen Düsen, vom Durchmesser d und von der Ausflußgeschwindigkeit c ab, und man hat dafür den Ausdruck: M = kN d²π/4 c, wenn k den Ausflußcoefficienten bedeutet. Es ist daher auch: U = 4/D²π . kN d²π/4 c U = d²/D² kNc Bezeichnet H die effective Manometerhöhe vor den Düsen und δ das Gewicht einer kub. Einheit Luft von atmosphärischer Dichte, so hat man Textabbildung Bd. 143, S. 164 es ist daher mit Benützung dieses Werthes für c U² = d⁴/Dk²N² 2 gH δ/γ, also nach Formel (3) H''H' = αk² 2 g δ/γ d⁴/DN²LH. Setzt man das aus lauter constanten Factoren bestehende Product (4) . . . . αk² 2 g δ/γ = ζ, so kann man den Unterschied zwischen den effectiven Manometerhöhen auch darstellen durch: (5) . . . . H''H' = ζ d⁴/DN²LH d'Aubuisson fand aus vielen von ihm abgeführten Versuchen, wobei aber nicht die effectiven Höhen H'', H' und H, sondern die Pressungshöhen h'', h' und h beobachtet und in Rechnung gebracht wurden: ζ = 0,0238. Ich stellte es mir zur Aufgabe, die Richtigkeit dieses Luftreibungscoefficienten bei Gelegenheit anderer Gebläse-Versuche, die ich im k. k. Gußwerke bei Maria-Zell im laufenden Jahre abführte, mit Berücksichtigung der effectiven Manometerhöhen durch eigene Versuche zu prüfen. Die dabei angewendete Windleitung ist im Ganzen 103 Meter (327 Fuß) lang und 0,210 Meter (8 Zoll) weit; sie besteht aus genietetem Eisenblech mit gußeisernen Kränzen und ist eigentlich zur Dampfheizung für ein längeres Local bestimmt, wurde daher bloß gelegentlich zur Windleitung verwendet. Die ganze Windleitung ist in Fig. 19 übersichtlich dargestellt; man sieht, daß dieselbe aus zwei geraden Partien von bedeutender Länge besteht, zwischen welchen ein viermal gebogenes Stück eingeschaltet ist. Um mit verschiedenen Windmengen und bei verschiedenen Geschwindigkeiten zu experimentiren, wurde die äußerste Mündung bei VIII. nach einander mit gußeisernen Platten geschlossen, an welche je ein düsenförmiges 4 Zoll langes Mundstück von 0,039, 0,066 und 0,105 Meter, oder von 1 1/2, 2 1/2 und 4 Zoll Durchmesser angegossen war. Außerdem wurde auch ohne jeden Düsenansatz durch die 8zöllige Röhrenmündung unmittelbar geblasen. Den durch die Windleitung streichenden gepreßten Wind lieferte ein Ventilator, dessen Anwendung den Vortheil mit sich brachte, daß die Manometerstände nur sehr geringe Schwankungen wahrnehmen ließen. Die Manometer wurden übrigens an den in Fig. 19 mit römischen Zahlen bezeichneten Punkten in der oben beschriebenen Weise und an jedem Punkte doppelt beobachtet, indem der horizontale Schenkel des Hülfsröhrchens das einemal gegen die Windrichtung, das anderemal entgegengesetzt, nämlich nach der Windrichtung gestellt wurde. Für die einzelnen geraden Rohrstücke sind die Beobachtungsdaten im metrischen Maaße, nach den Röhrenlängen und Düsendurchmessern gruppirt, in nachstehender Tabelle zusammengestellt: Resultate der Versuche zur Bestimmung des Widerstandscoefficienten bei der Bewegung der Luft durch lange Röhrenleitungen. Textabbildung Bd. 143, S. 166 Versuchs-Nummer; Bezeichnung; Entfernung; der beiden Beobachtungspunkte; Nummer; Düsendurchmesser; Effektive Manometerhöhe; am 1. Manometer; am 2. Manometer; an der Düse; Berechneter Widerstandscoefficient; Meter; Zahl In dieser Tabelle erscheinen die aus den Daten sich ergebenden Werthe des Coefficienten ζ mit Benützung der Formel (5) berechnet; man hat nämlich: (6) . . . . ζ = (H'' – H')D⁵/(N²LdH) Für die abgeführten Versuche ist die Düsenzahl N = 1 und der Röhrendurchmesser D = 0,210 zu setzen. Aus den Versuchen 1, 4, 7, 10 und 13, welche bei ganz offener Röhrenmündung abgeführt wurden, folgt im Mittel: ζ₀ = 0,0205 und nach der Methode der kleinsten Quadrate: ζ₀ = 0,0202. Die übrigen Versuche, mit Ausnahme von 6 und 9, welche wegen zu abweichender Resultate nicht berücksichtigt wurden, geben im Mittel den Werth: ζ = 0,0303 und nach der Methode der kleinsten Quadrate fast dasselbe, nämlich: ζ = 0,0306. Der Grund, warum die beiden Werthe von ζ₀ und ζ von einander abweichen, liegt darin, daß bei ganz offener Windleitung keine Contraction wie bei Düsen stattfindet; der Contractionscoefficient k² muß daher aus dem berechneten Werthe für ζ₀ durch Division ausgeschieden werden, und es ist also: ζ = ζ₀/k², daher k = √(ζ/ζ) = √(0,0202/0,0306) = 0,81, welcher Werth mit dem für conische Ausflußrohren (Düsen) gefundenen Ausflußcoefficienten (= 0,85) sehr nahe übereinstimmt. Es ist daher der Röhrenwiderstands-Coefficient für jenen Fall, wenn durch Düsen geblasen wird, sehr nahe: (7) . . . . ζ = 0,03, also etwas größer, als derselbe von d'Aubuisson bestimmt wurde. Man hat demnach: (8) . . . . H''H' = 0,03 d⁴/DN²LH. Denkt man sich das Manometer, welches die Höhe H' anzeigt, bis an die Düse gerückt, so muß H' = H gesetzt werden, und es gibt H''H den Verlust an effectiver Höhe für die ganze Länge L der Windleitung vom Beobachtungspunkte für H'' angefangen, bis zur Düsenmündung. Man hat dann: H''H = 0,03 d⁴/DN²LH, also (9) . . . . H'' = (1 + 0,03 d⁴/DN²L) H. Mit Hülfe dieser Formel läßt sich aus der gegebenen effectiven Manometerhöhe H in oder vor den Düsen die effective Manometerhöhe H'' für einen beliebigen Abstand L leicht berechnen. Ist z.B. der Durchmesser zweier Hohofendüsen d = 30'' = 0,066 Meter, und jener der geraden Windleitung D = 10'' = 0,263 Meter, soll ferner die effective Manometerhöhe an den Düsen H = 24'' Quecksilber = 0,715 Meter Wassersäule betragen, so wird die effective Manometerhöhe in einem Abstande L = 100 Meter von den Düsenmündungen sich ergeben aus: H = (1 + 0,03 (0,066)⁴/(0,263)⁵ 2² . 100) 0,715 = 1,18 . 0,715 = 0,844 Meter. Die effective Manometerhöhe H'' muß also in 100 Meter Distanz um 18 Proc. größer gehalten werden, als vor den Düsen. Tritt die Luft aus der Windleitung unmittelbar, ohne Anwendung von Düsen, heraus, so muß statt des Coefficienten ζ = 0,03 der Coefficient ζ = 0,02 in Rechnung genommen werden. Die abgeführten Versuche liefern auch einige Anhaltspunkte zur Schätzung des Verlustes an effectiver Druckhöhe in Folge von Biegungen der Windleitung. Die vier Kniee, welche ungefähr im ersten Drittel der Leitung vorkommen, waren nach einem mittleren Halbmesser = 8 Zoll = 0,21 Meter, also ziemlich stark gekrümmt. Außer dem Verluste an effectiver Höhe, welcher aus der Länge l = 10 Meter des ganzen Röhrenstückes zwischen IV und V entspringt, hat der Verlust betragen: bei einer Luftgeschwindigkeit von 15,6 Meter für 1 Knie 0,011 Meter   „ 10,4     „   „      „ 0,005     „   „   5,9     „   „      „ 0,002     „ Als besondere in diesen Versuchen gemachte Wahrnehmung möge hier erwähnt werden: 1. Daß der Unterschied H – h = s, d. i. die in der Geschwindigkeit der Luft begründete Zunahme an Manometerhöhe bei jedem Versuche in der ganzen Erstreckung der Windleitung sich ziemlich gleich geblieben ist, woraus hervorgeht, daß die Geschwindigkeit U in allen Querschnitten der Windleitung dieselbe war. Dadurch wird die von d'Aubuisson aufgestellte Behauptung widerlegt, daß die Geschwindigkeit in der Richtung der Bewegung allmählich zunimmt. 2. Beim Blasen durch die kleinste Düse von 1 1/2 Zoll im Durchmesser unter der Pressung H = 0,35 Meter = 13 1/3 Zoll war keine Abnahme an effectiver Manometerhöhe mehr bemerkbar. 3. Die Manometerhöhen waren nur bei Anwendung größerer Düsen, also bei größerer Geschwindigkeit stationär, bei kleineren Düsen fand ein merkliches Schwanken statt, welches beim gänzlichen Schluß ins Schwingen überging. Der Grund dieser Erscheinung liegt in der Wirkungsweise der windliefernden Maschine, nämlich im Ventilator.

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