Titel: Ein Experiment zur Ergründung und Heilung der Kartoffelkrankheit; vom Techniker G. E. Habich in Kassel.
Autor: G. E. Habich
Fundstelle: Band 143, Jahrgang 1857, Nr. LXXV., S. 306
Download: XML
LXXV. Ein Experiment zur Ergründung und Heilung der Kartoffelkrankheit; vom Techniker G. E. Habich in Kassel. Habich, über ein Experiment zur Ergründung und Heilung der Kartoffelkrankheit. Wenn heut zu Tage Jemand ein Wort verliert über das abgedroschene Capitel der Kartoffelkrankheit, so kann er in den meisten Fällen sicher darauf rechnen, tauben Ohren zu predigen. Das habe ich schon vor ein paar Jahren erfahren, zu einer Zeit, wo der Jammer über das Uebel ein allgemeiner war. Man hatte sich da bereits in die gemüthlichste Seelenruhe eingewiegt, in das Unvermeidliche duldsam gefügt und die Beseitigung der bösen Seuche dem Himmel oder dem Walten des Zufalls anheim gegeben. Kam man da mit der Idee, daß irgend eine der Cultur nachtheilige Veränderung in der Bodenmischung vor sich gegangen seyn könnte, so wurde man kurzer Hand durch den, nunmehr durch Schacht Man vergleiche dessen Bericht über die Kartoffelpflanze und deren Krankheit, Seite 9. demaskirten, allmächtigen Kartoffelpilz zur Ruhe gewiesen. Das hat mich aber nicht abgehalten der Sache weiter nachzuforschen, und den Weg, ohne die erbetene Beihülfe Anderer zu suchen, auf dem allein ich eine völlige Beseitigung der Krankheit für denkbar halte. Analytische Untersuchungen, hervorgerufen durch ein einfaches Rechenexempel in meinem Schriftchen „die mineralische Düngung“ (Braunschweig, Vieweg) Seite 36, ließen mich in der Kieselsäure den Grund des Uebels erblicken. Eine längere Reihe von Analysen der Aschen gesunder und kranker Kartoffeln gaben stets ein Vielfaches Kieselsäure in den kranken Knollen gegenüber den gesunden. Diese Erscheinung konnte nicht zufällig seyn; aber ich mußte wünschen, an allen Orten diese Analysen wiederholt und die Resultate meiner Arbeiten bestätigt zu sehen, um damit auch überall die Ueberzeugung hervorzurufen, daß der Kieselsäure – dieser bei der Verwitterung des Bodens so massenhaft auftretenden Substanz – die ihr gebührende Beachtung von den Agriculturchemikern bis jetzt ganz untersagt war. Deßhalb ließ ich meine Erfahrungen alsbald drucken und versandte das Schriftchen („Was ist Kartoffelkrankheit?“ etc.) an den Bundestag zur Vertheilung an die deutschen Regierungen, ferner an die englische, französische, belgische etc. Gesandtschaft, – überall um die schleunige Wiederholung meiner Analysen bittend. Es hat aber nirgends gefruchtet, – auch die Männer der Wissenschaft haben es nicht der Mühe werth gehalten meine Arbeit zu prüfen. So war ich dann mit der Ueberzeugung, die mir meine eigenen Versuche aufgezwängt hatten, darauf angewiesen, den Weg nach dem mir vorgesteckten Ziele allein zu pilgern, – er ist sogar noch von anderer Seite her ziemlich holperig gemacht worden. Für mich konnte die Aufgabe nur noch die seyn: Durch ein Cardinalexperiment auf zwei unmittelbar an einander stoßenden Feldern eine bislang als gesund geltende Kartoffelsorte durch starke Dosen Kieselsäure (der löslichen Modification) erkranken zu machen, – und eine bisher von der Seuche am meisten ergriffen gewesene Sorte durch Beseitigung des nachtheiligen Bodenbestandtheiles wieder herzustellen. Die hierzu passendsten Kartoffelsorten schienen mir die gepriesene Rio frio Ockels oder die sächsische Zwiebelkartoffel einerseits, sowie die von Lenné (vergleiche dessen Ergebnisse des Kartoffelbaues Seite 64) als stark erkrankt geschilderte belgische Morgenroth zu seyn. Um in deren Besitz zu gelangen, wandte ich mich petitionirend an die kurfürstliche Commission für landwirthschaftliche Angelegenheiten und erhielt die Zusage einer baldigen Besorgung. Inzwischen verschaffte ich mir ein kleines Versuchsfeld von steifem Lehmboden auf kalkigem Untergrund. Der Boden war arm an Phosphorsäure und hatte seit Jahren bei kümmerlicher Mistdüngung kranke Kartoffeln getragen, – im letzten Jahre war nicht gedüngt. Die Lage des Feldes war an einem betretenen Wege ohne Umzäunung oder schützenden Graben, was auf die Entwickelung der Pflanzen nicht ohne nachtheiligen Einfluß blieb. Aber – – es stand mir leider kein anderes zur Verfügung! Ich bemerke das ausdrücklich, weil mir diese Wahl von der Behörde, deren Aufgabe die Förderung des in ihrer Gegenwart begonnenen Experiments gewesen wäre, zum Vorwurf gemacht ist. Warum gab man mir kein besseres Grundstück für einen so wichtigen Versuch? Dem Operationsplan lag nun außerdem die Erfahrung A. Stöckhardts zu Grunde, daß kieselsaures Natron der Entwickelung der Kartoffel nicht nur nicht schadet, sondern sogar die Ernte zu steigern vermag (man vergl. Chemischer Ackersmann, 1855, S. 113). Darauf fußend, wurde das eine Versuchsfeld A, nachdem es gepflügt und mit dem Spaten bearbeitet war, mittelst einer Gießkanne möglichst gleichmäßig mit einer concentrirten Aetznatronlauge (wie sie die Seifensieder zu verwenden pflegen) sechs Tage vor der Pflanzung angespritzt. Der Boden war vor dieser Operation wenig feucht, so daß die Lauge rasch in die Tiefe drang. Auf dieses Feld nun wurde die „belgische Morgenroth“ mit einer Lochdüngung von guanisirtem Knochenmehl gebracht. Für das andere Versuchsfeld wurde eine Kieselerdegallerte präparirt, indem aus einer verdünnten Wasserglaslösung durch Zusatz von Schwefelsäure die Kieselerde ausgeschieden und wiederholt mit Wasser ausgewaschen wurde. Daß dieser Kieselsäuregallerte Reste von schwefelsaurem Natron anhingen, kommt für den Versuch am Ende nicht in Betracht. Diese Substanz wurde nun zur versuchsweisen künstlichen Hervorrufung der Kartoffelkrankheit in folgender Weise verwendet. Das Versuchsfeld B empfing jene Kartoffelsorte, welche mir vom Hrn. Landesökonomierath Wendelstadt als Ockels Rio frio überliefert wurde. Die Knollen wurden nebst einer Lochdüngung von guanisirtem Knochenmehl gepflanzt, etwa Handhoch mit Erde bedeckt und darüber mit je einem reichlichen Eßlöffel voll Kieselerdegallerte gespeist, worauf die weitere Erdbedeckung erfolgte. Die Bestellung beider Felder in der angegebenen Weise erfolgte am 16. Mai. Die Entwickelung der ziemlich gleichzeitig erschienenen Pflanzen ließ nun Folgendes beobachten. Die jungen Pflanzen auf A machten im Wachsthum größere Fortschritte und mußten deßhalb früher behackt werden, als die auf B. Ein großer Unterschied zeigte sich demnächst auch in der Farbe des Krauts, – das Feld A prangte im dunkelsten Grün, – während das Feld B nur ein mattes, ins Graue ziehendes Grün zeigte. Man könnte diese Blattfarbe nun wohl für eine Eigenthümlichkeit der Kartoffels orte halten. Indessen beschreibt Lenné (a. a. O. S. 64) die Blätter der belgischen Morgenroth als blaßgrün,“ während er gleichzeitig über kranke Pflanzen klagt. Auch den Stengel findet Lenné nur niedrig, während meine Pflanzen auf A sich bald bis über 3 Fuß Höhe bestaudeten. Das Feld A stand später in voller Blüthe, die auch zur Samenbildung führte, – während auf dem Felde B die zahlreich erschienenen Blüthenknospen stets verdorrten und abfielen! Eine höchst eigenthümliche Erscheinung zeigte sich bereits bei den jungen Pflanzen des Feldes B, – während das Feld A ganz frei davon blieb. Es traten Verdrehungen des ganzen Blattgefieders in der Art ein, daß die untere Seite der Blätter vollständig nach Oben gewendet war. Diese Verdrehungen waren vorübergehend und erfolgten insbesondere an wärmeren Nachmittagen, wobei denn das Feld fast grau aussah. Ich bemerke ausdrücklich, daß ich solche Verdrehungen auf dem Felde A niemals beobachtet habe. Auch die Widerstandskraft der Pflanzen auf B war weit geringer, als auf A, welche letztere in dieser Beziehung eine glänzende Probe bestanden haben. Jeder Regen machte die gelbgrünen Zweige auf B schlaff, so daß die unteren oft bis auf den Boden herabsanken. Das Feld A dagegen vermochte ganz andere Niederschläge zu vertragen, – in der Nacht vor dem 27. Julius bildete es den Schauplatz einer gewaltigen Prügelscene, wodurch neun Pflanzen (sie standen alle in voller Blüthe) auf den Boden niedergetreten waren. Da die Feldhüter bei diesem Act mitgewirkt hatten, so ließ ich denselben amtlich constatiren, um kurfürstl. Commission für landwirthschaftliche Angelegenheiten, welche der Entwickelung meines Versuchsfeldes die aufmerksamste Beobachtung zu widmen versprochen hatte, über diese Verwüstung aufzuklären. Nicht wenig erstaunt war ich, als sich nach zwei Tagen (es hatte inzwischen geregnet) die verloren gegebenen Pflanzen ohne irgend eine Beihülfe wieder ziemlich aufrecht präsentirten, – bis auf zwei vollends abgeknickte. Am 20. Julius entdeckte ich auf dem Felde B die ersten Spuren der Zellenfäule der Blätter, die aber langsam fortschritt und am 28. erst vier Pflanzen ergriffen hatte. Das Kraut auf dem Felde A blieb während dieser Zeit anfangs völlig gesund und erst am 21. August zeigte sich auch da an einzelnen Blättern die Zellenfäule. Um diese Zeit aber waren auf dem Felde B fast sämmtliche Pflanzenstengel faul und von wilden Winden und andern Unkräutern überwuchert, nach deren Beseitigung das Feld einen traurigen Anblick darbot. Um diese Zeit war es etwa, als eine Commission des hiesigen Vereins zur Beförderung des Gartenbaues das Feld B für das krankeste in der ganzen Feldgemarkung erklärte. Bei dieser Gelegenheit stellte sich denn nun auch ein Irrthum heraus, der von kurf. Commission begangen war und den dieselbe für höchst wesentlich hielt. Das Saatgut für B war mir von dieser Behörde als Rio frio überliefert. Zu Ende des Versuchs suchte nun kurf. Commission die für jeden unbefangenen Beobachter handgreiflichen Erscheinungen auf dem Felde B dadurch zu erklären, daß „die von Metz und Comp. in Berlin als Rio frio von der kurf. Commission angekauften Kartoffeln einer andern und zwar frühern Sorte anzugehören schienen.“ Man wollte also die Blattverdrehungen, das Abfallen der Knospen und die Stengelfäule kurzer Hand als Lebenserscheinungen einer Frühkartoffel proclamiren! Daß die Kartoffeln aus B keine Rio frio waren, stellte sich alsbald durch eine Probe Rio frio, welche ich von den HHrn. Metz und Comp. erhielt, fest – wobei ich denn auch erfuhr, daß die Kartoffelsaat für B gar nicht von diesem bekannten Hause geliefert war, indem die an kurf. Commission gelieferten Kartoffeln sämmtlich nicht mit den von mir eingesandten Proben stimmten. Es hat sich sogar später herausgestellt, daß das erhaltene Saatgut aus zwei (vielleicht sogar drei) verschiedenen Kartoffeln befand! Wahrlich unbegreiflich, wie sich eine zu solchen Experimenten berufenen Behörde so sehr irren kann! – Ich muß es bedauern, diese Episode meines Experiments nicht mit Stillschweigen zudecken zu können, weil ich es für Wicht halte, der mit solchem Verschreiten unvermeidlich verknüpften Unsicherheit in der Lösung wichtiger landwirthschaftlicher Fragen auf experimentellem Wege für die Folge zu begegnen. Der Irrthum ist stets um so gefährlicher, je steriler die Amtsmiene ist, mit der er sich im Leben bewegt. Für meinen Zweck hatte nun die besprochene Verwechslung wenig zu bedeuten, da beim Absterben des Krautes auf dem Felde B die Stengelfäule vollständig vorherrschend war, und die Stengel auf dem Felde A noch beim Ausmachen ziemlich grün, gesund und schwer zu zerbrechen waren. Das sind Erfolge des Experiments, welche sich Jeder vor die Augen führen kann, der sich die Mühe gibt den Versuch zu wiederholen. Zur Ernte schritt ich erst am 26. September. Auf dem Felde A waren die Knollen noch nicht ausgereift. Kranke und gesunde Kartoffeln fanden sich neben einander auf beiden Feldern, mit dem Unterschiede, daß auf dem Felde A die Knollen reihenweise krank oder gesund waren, während auf B die Patienten und Gesunden stets gemächlich beisammen lagen. Demnach hätte sich also die Ansicht, als sey die Kieselsäure das Kartoffelgift, nicht bestätigt? – Warum denn nicht? – Weisen nicht diese Versuche nach, daß es möglich ist: 1) durch Kieselsäure die Kräuselkrankheit und Stengelfäule vollständig hervorzubringen, so wie 2) durch Verbindung dieser Säure mit einem Alkali die Krankheit des Krauts weit hinaus aufzuhalten? – War der Erfolg bei den Knollen noch nicht so in die Augen springend, wie ihn das große Publicum bedarf, so berücksichtige man, daß 1) der Boden meines Versuchsfeldes ein sehr bündiger war, worin sich also leicht Abflußcanäle für die als Bodenverbesserungsmittel angewandte Aetzlauge, so wie für das Regenwasser, welches die zur Vergiftung des Bodens bestimmte Kieselgallerte lösen sollte – bilden konnten und jedenfalls gebildet haben; 2) daß die Quantität der Aetznatronlauge wahrscheinlich nicht genügend, oder die Vertheilung derselben im Boden nicht gleichförmig genug war. Dafür spricht das reihenweise Auftreten gesunder und kranker Kartoffeln auf dem Felde A. Jedenfalls sind die Erfolge meines Experiments so ermuthigend, daß ich wohl nunmehr auf Wiederholung desselben von anderer Seite hoffen darf. Ich meines Theils werde wenigstens in diesem Jahre Gelegenheit haben, die Versuche im nördlichen Amerika in größerem Maaßstabe fortzusetzen. Die Resultate derselben werde ich seiner Zeit mittheilen. Ich kann den angeregten Gegenstand nicht verlassen, ohne einige weitere Bemerkungen über die Bedeutung der Kieselsäure für die Pflanzencultur überhaupt beizufügen. Die gesammte Pflanzenwelt (abgesehen von den sogenannten Kryptogamen) gruppirt sich bekanntlich in die beiden großen Classen der Monokotyledonen (mit einem Samenlappen) und der Dikotyledonen (mit zwei Samenlappen). Beide haben der Pflanzencultur ihr Contingent gestellt; – die erstere liefert Gräser (Halmfrüchte, Mais), Zwiebeln und Lauch, – die andere Hackfrüchte, Oelfrüchte, Tabak etc. Diese beiden Classen unterscheiden sich nun aber auch ganz wesentlich in der chemischen Zusammensetzung ihrer Zellenwände. Die Zellenwände der Monokotyledonen enthalten als nothwendigen Bestandtheil Kieselerde, – die Dikotyledonen anstatt derselben Kalk. Berücksichtigen wir nun: 1) daß von den Bodenbestandtheilen, welche einem Boden durch eine Ernte entnommen werden, nach stattgehabter Consumtion besagter Ernte ein Theil im thierischen Körper zurückbleibt (so z.B. ein Theil des phosphorsauren Kalks), während die Kieselerde an dem Stoffwechsel im Thierkörper fast gar nicht participirt und sich ungeschmälert wieder auf der Miststätte einstellt, – daß also bei alleiniger Anwendung des Stalldungs ein Vorherrschen der Kieselerde im Boden allmählich eintreten muß; 2) daß das Ueberhandnehmen des Hackfruchtbaues auch eine Steigerung der Bodenverwitterung im nothwendigen Gefolge hat, daß also dadurch (in Folge der Aufschließung von Silicaten) auch die Quantität der Kieselsäure im Boden fortwährend zunehmen muß; 3) daß wir durch Wiesenbau und Stallfütterung abermals die Kieselsäure der Wiesen auch meistens auf dem Pflugland concentriren; 4) daß mit dieser Art der Bewirtschaftung auch die Kieselerde in der Bodenfeuchtigkeit stets überhand nehmen muß; 5) daß eine solche Bodenfeuchtigkeit alsdann wohl für Monokotyledonen genießbar seyn kann, nimmermehr aber für Dikotyledonen: so ergibt sich wenigstens für den Unbefangenen, die Nothwendigkeit, die Kieselerde nicht mehr, wie bisher, von allem Einfluß auf die Cultur der Dikotyledonen freizusprechen. Die verschiedenen Formen der Zellenfäule, welche sich bei Kartoffeln, Mohrrüben, Rettig etc. vorfinden, zeigen klar, daß das Uebel ein allgemeines ist. Alle diese Wahrheiten liegen so nahe, daß sie wahrscheinlich eben deßhalb bisher übersehen worden sind. Und daß sie auch ferner hartnäckig ignorirt werden sollen, hat mich bereits die Erfahrung gelehrt. Da kann mirs denn wohl Niemand verdenken, wenn ich meine Ansicht ringsum verschanze gegen den Chorus, der sich bereits hier und da im Stillen probirte. Mehrfach sind mir schon Fragen vorgekommen, die sich die Fragsteller hätten leicht selbst lösen können, wenn sie sich ein wenig mehr aufs Nachdenken gelegt hätten. Ein paar solcher Fragen als Proben. Warum ist denn die Kartoffelkrankheit im vorigen Jahre (1856) nicht so arg aufgetreten, da doch die schlechte Bodenbeschaffenheit nach wie vor dieselbe war? Antwort: Wenn ich ein Gemenge von Stoffen von verschiedener Löslichkeit habe und gebe ein weniges Wasser darauf, so lösen sich zunächst die leicht löslichsten dieser Stoffe, d.h. sie gehen für unsern Fall in die Bodenfeuchtigkeit über, die entweder in den Untergrund geht oder von der Pflanze assimilirt wird. Regnets dann wieder, so kommt ein zweites Aufgebot von Salzen zur Lösung und so fort, bis endlich die schwerlösliche Kieselerde an die Reihe kommt. Zu den verschiedenen Zeiten des Jahres hat also die zum Verbrauch disponible Bodenfeuchtigkeit eine sehr verschiedene Zusammensetzung. (Man hat durch ein Mißverständniß dieses Sachverhalts den Pflanzen ein Wahlrecht unter den Bodenbestandtheilen aufgebürdet.) Weiter ist zu beachten, daß die Aufsaugung der Bodenfeuchtigkeit Folge ist der Abdunstung an der Oberfläche der Blätter, und daß diese bekanntlich zunimmt mit einer Steigerung der Temperatur. Die Summe der abgedunsteten Feuchtigkeit oder – was dasselbe ist – die Summe der aufgenommenen Bodenfeuchtigkeit hängt also ab von der mittlern Temperatur der Vegetationszeit. Und daß diese mittlere Temperatur im verflossenen Jahre eine außerordentlich niedrige war, ist wohl zur Genüge bekannt. Endlich ist zu beachten, daß die beiden Pflanzen-Nahrungsmittel, Kohlensäure und Ammoniak, im Wasser auflöslich sind, und zwar in um so größerer Menge, je geringer die Temperatur des Wassers ist. Folge davon war, daß die niedrige mittlere Temperatur der vorjährigen Vegetationszeit den Boden mit Ammoniak und Kohlensäure bereicherte. Aus diesen Thatsachen konnte man sich nun mit leichter Mühe die Antwort zusammensetzen: daß den Kartoffeln des vorigen Jahres zunächst die unschädlichen Bodenbestandtheile zugeführt wurden und zwar mit großen Quantitäten von Kohlensäure und Ammoniak, daher gesteigerte Zellbildung und Vermehrung des Zellinhalts (Stärkmehl und Eiweißstoff); – ferner daß die Aufnahme der Bodenfeuchtigkeit nur langsam von statten ging und deßhalb die aufgenommene Menge der Kieselsäure nur wenig schaden konnte. Wärmere Jahre werden die Krankheit in ihrer ganzen Macht zurückführen, – wenn man nicht zur gründlichen Bodenverbesserung schreitet. Warum, so hat man ferner gefragt, widerstehen denn die Frühkartoffeln am besten der Krankheit auf gleichem Boden? Antwort: Weil sie ihre Reife unter dem Einfluß der zuerst gelösten unschädlichen Bodenbestandtheile vollenden! Noch viele solcher müßigen Fragen könnte ich angeben; – ich unterlasse es, weil sich jeder Unbefangene die Antwort sicher nicht schuldig bleiben wird. Und die unberufenen Frager werden doch wahrscheinlich lieber dem Zufall und den Pilzen das Feld überlassen, ehe sie einen Gedanken zur That gestalten wollen.