Titel: | Verfahren zur Anfertigung von Schreibfedern aus gehärtetem Kautschuk; von Hrn. Steinlen in Paris. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. XI., S. 24 |
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XI.
Verfahren zur Anfertigung von Schreibfedern aus
gehärtetem Kautschuk; von Hrn. Steinlen in Paris.
Aus Armengaud's Génie industriel, Decbr. 1856, S.
326.
Steinlen's Verfahren zur Anfertigung von Schreibfedern aus
gehärtetem Kautschuk.
Man hat versucht Schreibfedern aus gehärtetem Kautschuk dadurch herzustellen, daß man
den vorher vulcanisirten Kautschuk in Gesenken stanzte, die Resultate entsprachen
aber den Erwartungen nicht.
Bei dem Verfahren, welches sich Hr. Steinlen für
Frankreich patentiren ließ, wird der Kautschuk so vorbereitet, daß die aus ihm
gemachten Federn die Vortheile der Gänsekiele mit denen der Stahlfedern vereinigen;
auf die Beschaffenheit des Papiers und der Dinte kommt es dabei nicht an.
Die Grundlage der Erfindung des Hrn. Steinlen bilden
folgende Beobachtungen desselben:
1) Der gehärtete Kautschuk kann, wenn er auf eine gewisse Temperatur gebracht wurde,
durch erwärmte Walzen passirt und dadurch ausgedehnt werden, wobei er eine
Elasticität erlangt, die er vorher nicht hatte.
2) Der gehärtete und ausgewalzte Kautschuk erlangt, je nach den Umständen unter
welchen die Vulcanisirung gemacht wurde, die eigenthümliche Eigenschaft, daß wenn er
einem Mittel ausgesetzt wird, dessen Temperatur auf 60 bis 100° C. gebracht
wurde, die Wärme auf seine Oberflächen ungleich einwirkt, so daß sich die eine
Fläche stark zusammenzieht, während die andere diese Contraction sehr langsam und
anfangs fast unmerklich leidet.
Diese Eigenthümlichkeit wird zum Rundbiegen der Federn oder zur Herstellung anderer
röhrenförmiger Gegenstände benutzt.
Die zur Fabrication der Federn bestimmten Kautschukblätter werden auf Glasplatten
oder auf Weißblech vulcanisirt, wobei man für 100 Theile Kautschuk 40 bis 50 Theile
Schwefelblumen anwendet.
Bei der Fabrication der Federn zertheilt man zuvörderst die Blätter von vulcanisirtem
(gehärtetem) Kautschuk in Streifen, welche die Länge einer oder mehrerer Federn zur
Breite haben. Diese Streifen läßt man nun durch ein starkes Walzwerk von
schalenhartem, polirtem Gußeisen gehen, welches im Innern durch Dampf erhitzt wird.
Damit aber der Kautschuk nicht bricht, erweicht man ihn vor dem Verwalzen dadurch,
daß man ihn einer Temperatur von 40 bis 60° C. aussetzt. Beide Flächen der
Kautschukstreifen werden durch die Walzen polirt, zugleich verlängert, und ihre
Masse gewinnt an Elasticität, so wie sie auch vorbereitet wird, die für die Federn
erforderliche hohle Gestalt anzunehmen. Hierauf werden die Kautschukstreifen
senkrecht gegen die Richtung der durch das Walzen bewirkten Streckung in kleinere
Streifen zertheilt, deren Breite eine verschiedene ist, je nachdem die Federn im
Querschnitt ein Drittel, die Hälfte, oder den Umfang eines Kreises erhalten sollen.
Diese Zertheilung erfolgt mittelst einer durch die Hand oder eine Maschine bewegten
scharfen Spitze oder eines Messers; haben die Streifen die Länge mehrerer Federn, so
werden sie aus dieselbe Weise in eben so viele Stücke zertheilt.
Nach dieser Arbeit, oder nachdem die Streifen auch noch gebogen sind, schreitet man
zum Anschneiden der Spitzen und gibt dem entgegengesetzten Ende die beabsichtigte
Gestalt. Dieß geschieht mittelst eines Federschneiders, wie man sie zum Schneiden
der Gänsefedern benutzt, der aber, wenn die Blätter noch nicht gebogen sind, eine
entsprechende Einrichtung haben muß.
Man geht nun zum Biegen der Streifen über, wodurch sie die federartige Gestalt
erhalten. Wird der gehärtete und dann durch Walzen ausgestreckte Kautschuk einer
Temperatur von 60 bis 100° C. ausgesetzt, so zieht sich die Masse zusammen,
wobei sich diejenige Seite, welche während des Vulcanisirens auf der Glasplatte oder auf dem
Weißblech lag, empfindlicher gegen die Einwirkung der Wärme zeigt als die andere,
daher sich erstere Seite schneller zusammenzieht, wodurch man die Wirkung erlangt,
durch welche der Kautschuk die beabsichtigte rinnen- und röhrenförmige
Gestalt annimmt.
Man benutzt diese Eigenschaft zum Rundbiegen der Streifen. Zu dem Ende bringt man
eine gewisse Anzahl derselben in ein Bad oder in einen Ofen, dessen Temperatur 40
bis 60° C. beträgt; man erhitzt den Behälter allmählich, bis die Federn die
beabsichtigte Biegung angenommen haben, und nimmt sie dann sogleich heraus. Ließe
man die Operation zu lange dauern, oder würde man eine höhere Temperatur als die
oben angegebene (100° C.) anwenden, so nähme die Masse wieder die
ursprüngliche Dicke an, verlöre den durch das Walzen erlangten höheren Grad der
Elasticität wieder, und es würde die bereits bewirkte Biegung wieder vergehen. Die
durch die Krümmung bewirkte Zusammenziehung gewährt noch den Vortheil, die vorher in
der Spitze angebrachte Spalte zu verengen.