Titel: | Ueber den phosphorsauren Kalk, welcher als Niederschlag in der Knochenleim-Fabrik zu Amsterdam gewonnen und als Düngungsmittel verkauft wird; von Prof. Dr. L. Mulder. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. XXXVII., S. 140 |
Download: | XML |
XXXVII.
Ueber den phosphorsauren Kalk, welcher als
Niederschlag in der Knochenleim-Fabrik zu Amsterdam gewonnen und als
Düngungsmittel verkauft wird; von Prof. Dr. L. Mulder.
Aus De
Boeren-Goudmijn, 1856, Nr. 7
Diese „Zeitschrift für den niederländischen Landbau in seinem ganzen
Umfang“ erscheint im Verlag von J. De
Lange in Deventer, monatlich eine Lieferung, unter der Redaction von
Prof. Mulder und unter Mitwirkung von 82
Sachverständigen. Der Verfasser hat von dieser Abhandlung einen Abdruck
bezüglich Chevallier's Notiz im polytechn. Journal
Bd. CXLI S. 467 eingesandt. A. d.
Red., 1856, Nr. 7.
Mulder, über den phosphorsauren Kalk als
Düngungsmittel.
In der Knochenleim-Fabrik von Blekkingh und Comp.
zu Amsterdam werden die Knochen wie gewöhnlich mit Salzsäure ausgezogen; aus der
verbleibenden sauren Flüssigkeit wird durch Sättigen derselben mit Kalkmilch
phosphorsaurer Kalk gefällt; man setzt den Niederschlag einige Zeit der Luft aus,
bis der größte Theil der Flüssigkeit verdunstet, und der Rückstand so ziemlich
trocken ist.
Die Untersuchung dieses Niederschlags, welche Hr. G. J. Jacobson in meinem Laboratorium ausführte, lieferte folgende
Resultate.
In 100 Theilen dieses fein zerriebenen Düngers, wie ihn die Fabrik lieferte, betrug
der Wassergehalt 30,014.
Die Untersuchung des ausgetrockneten Düngers ergab in 100 Thln. folgende
Bestandtheile:
A. In kaltem
Wasser auflösliche Stoffe.
Natrium, nebst etwas Natron
3,526
(Entsprechend Natron
4,753)
Kalk
3,977
Chlor
9,494
Phosphorsäure
0,073
Verflüchtigte Stoffe
2,565
––––––––
19,635.
B. In Salzsäure
auflösliche Stoffe.
Kalk
40,894
Magnesia
0,702
Eisen
0,626
Phosphorsäure
23,827
Schwefelsäure
0,672
Kohlensäure und verflüchtigte Stoffe
2,458
––––––––
79,179.
C. In Wasser
und Salzsäure unlösliche Stoffe.
Sand
0,626
Verflüchtigte Stoffe
0,559
–––––––
1,185
––––––––
100.
Die Berechnung ergibt hiernach folgende Zusammensetzung:
Phosphorsaurer Kalk
47,479
Phosphorsaure Magnesia
1,953
Phosphorsaures Eisen (3 PhO⁵, 2
Fe²O³)
1,464
Schwefelsaurer Kalk (Gyps)
1,042
Kohlensaurer Kalk
26,506
Chlorcalcium
7,712
Kochsalz
7,518
Natrium (und Natron)
0,766
Verflüchtigte Stoffe
4,934
Sand
0,626
–––––––
100.
In Folge des beigemischten Chlorcalciums, welches bekanntlich die Feuchtigkeit aus
der Luft stark anzieht, kann der Wassergehalt dieses Düngers sehr verschieden seyn,
je nachdem man ihn längere oder kürzere Zeit an der Luft liegen ließ.
Eine sehr feuchte Partie desselben, die ich im December zur Prüfung bekam, enthielt
42,458 Proc. Wasser, also 12,444 Proc. mehr, als das mir durch den Fabrikanten
gesandte Muster. Ein Wassergehalt von 42,458 Proc. ist immerhin sehr bedeutend, und
das Product wird dadurch verhältnißmäßig entwerthet.
Dadurch, daß der beim Ausziehen der Knochen mit Salzsäure entstandenen sauren
Flüssigkeit Kalkmilch beigefügt wurde, ist der in der Lösung enthaltene saure
phosphorsaure Kalk basisch und als solcher gefällt worden. Wünscht man daher beim
Düngen mit diesem Niederschlag eine rasche Wirkung zu erzielen, so muß man ihm
vorher irgend eine Säure beifügen, z.B. Schwefelsäure (Salzsäure thut es auch), und
zwar ungefähr 1/4 oder 1/5 seines Gewichts.
Hierbei kann man auf zweierlei Weise verfahren:
1) Man bringt den Niederschlag in einen Bottich, befeuchtet ihn mit Wasser, und gießt
allmählich in kleinen Portionen Säure dazu; letzteres
ist deßhalb nothwendig, weil sonst eine zu große Erhitzung stattfindet, welche
100° C. erreichen kann. Nachdem dieß geschehen ist, bleibt die Masse einige
Tage liegen, wird dann durcheinander gearbeitet, und muß hierauf sogleich verwendet
werden.
2) Man macht auf einen fest gestampften Boden eine Einfassung aus humusreicher Erde,
der man einige Asche beigemengt hat. In diese Art Grube gibt man den Niederschlag,
setzt ihm etwas Wasser und dann Säure in kleinen Portionen zu. So bleibt das Ganze
8–10 Tage liegen, nachdem man zuvor den Haufen gut durcheinander gemengt hat.
Dann vermengt man die ganze Einfassung mit dem so zubereiteten Niederschlag und läßt
alles wieder 8 bis 10 Tage liegen. Sollte hernach dieses Gemenge noch feucht seyn,
so fügt man Erde und Asche bei, bis man ein trockenes Pulver erhält.
Die letzte Zubereitungsart scheint die zweckmäßigste zu seyn; aber sie erfordert mehr
Säure, weil auch die Asche Säure absorbirt, die also dem eigentlichen Niederschlag
entzogen wird. Wenn man nicht zu viel Wasser, und später nicht zu viel Asche
beifügt, dürfte von der Säure 1/3 bis 1/4 von dem Gewichte des Niederschlags
hinreichen.
Wir haben in diesem Jahre zweimal diese Zubereitung ausgeführt: einmal in einer auf
einer Wiese gemachten Grube, wo wir Sand beimengten, weil nichts anderes vorhanden
war; das zweitemal wurde die Zubereitung auf dem Boden in einer Scheune vorgenommen
und Asche beigemengt, worauf man den ganzen Haufen tüchtig durcheinander rührte.
Durch den Zusatz der Säure wird der phosphorsaure Kalk des Dungmittels in sauren
phosphorsauren Kalk verwandelt, welcher 28 1/2 Procent Kalk und 71 1/2 Phosphorsäure
enthält. Dieser saure phosphorsaure Kalk ist in Wasser auflöslich und die
Phosphorsäure wird dadurch leicht von der Pflanze aufgesogen. Es ist wahrscheinlich,
daß dieser saure phosphorsaure Kalk in der Erde, wo er mit Stoffen in Berührung
kommt, welche Ammoniak abgeben, in phosphorsaures Ammoniak und
einfach-phosphorsauren Kalk verwandelt wird. Phosphorsaures Ammoniak ist sehr
leicht in Wasser, und einfach-phosphorsaurer Kalk, in sehr fein vertheiltem
Zustand, im kohlensäurehaltigen Wasser löslich, daher er zur Ernährung der Pflanzen
dienen kann.
Man kann das Knochenmehl und somit auch den besprochenen Niederschlag in zweierlei
Form anwenden, flüssig und als Pulver. Im ersten Falle ist bei gleichen Quantitäten die Wirkung größer
als im zweiten; es ist jedoch zu berücksichtigen, daß im ersten Falle auch die
Unkosten der Düngung viel größer sind, und hinsichtlich des zweiten Falles, daß auf
dem Felde die gleichmäßige Vertheilung einer flüssigen Masse viel schwieriger
ist.
Dann kann man ferner den besprochenen Niederschlag für sich allein anwenden, oder in
Verbindung mit anderen Stoffen. Die erste Verwendung eignet sich überall, wo
verweste und besonders stickstoffhaltige Bestandtheile in dem Boden vorhanden sind,
somit auf Feldern, die mit einer ziemlichen Menge Stallmist gedüngt sind, oder für
welche Guano, Ruß etc. als Dünger benutzt wurde. Das zweite Verfahren soll man dann
anwenden, wenn der Boden nicht viel stickstoffhaltige Bestandtheile enthält; in
diesem Falle muß man auch eine größere Menge von dem Niederschlage anwenden, weil
wegen der vorhandenen geringeren Menge stickstoffhaltiger und somit Ammoniak
bildender Stoffe, der phosphorsaure Kalk längere Zeit braucht, um zur
Pflanzen-Ernährung tauglich zu werden; man kann in diesem Falle den
Niederschlag vorher mit Ruß, Guano etc. vermengen.
In flüssiger Form (mit Säure behandelt) gießt man den besprochenen Dünger aus Wägen
oder Fässern über das Land und sucht ihn so gleichmäßig als möglich zu vertheilen.
Der fragliche Dünger darf auch nicht tief unter die Erde gebracht werden, weil sonst
die Luft keinen gehörigen Zutritt hat, und seine Zersetzung langsamer von statten
geht. Am besten bringt man ihn auf die zur Aussaat gepflügten Aecker, und eggt
dieselben alsdann tüchtig um.
Den besten Erfolg soll man von diesem Dünger bemerken, wo der Boden arm an
Phosphorsäure ist, so z.B. auf leichten, trockenen Gründen, auf trockenem Sandboden,
auf sandigen Lehmgründen, und besonders auf ausgetrocknetem Torfboden. Die
Befürchtung einer Auswaschung dieses Düngers durch Regen ist grundlos. Die
günstigste Wirkung hat man auf kaltem, magerem Lehmboden bemerkt. Es sind selbst
Beispiele bekannt, daß man derartige Gründe dadurch für immer verbessert hat. Auf
sehr wasserreichem Boden soll dieser Dünger weniger nützen.
Im Allgemeinen hat man von Knochen oder dem besprochenen Niederschlag, mit Guano oder Ruß vermengt, den
besten Erfolg bei den Futtergewächsen wahrgenommen, z.B. Turnips, Runkelrüben etc.
Erdäpfel gedeihen dabei nicht so gut.Man s. die zweite Auflage van Dr. Eduard Hartstein's Werk: Vom
englischen und schottischen Düngerwesen (Bonn, bei Ad. Marcus)
1855. Nach den Futtergewächsen kommen die Gräser und Futterkräuter, die auf
magerem, kaltem Lehmboden außergewöhnliche Ernten liefern, wenn sie mit Knochen
gedüngt werden. Gewöhnlich bringt man den Dünger im October und November aufs Land,
zuweilen im April. Man nimmt dabei an, daß nach zwölf Monaten der Dünger seine volle
Wirkungskraft hat. Verwendet man den Niederschlag, z.B. mit Ruß gemengt, für
Weidegründe, dann ist es am besten den Grund zuvor aufzueggen, hierauf den Dünger
auszustreuen, und hernach einigemal zu walzen. In der ersten Zeit nach dem
Ausstreuen des Düngers ist es, wenn feuchtes Wetter eingetreten ist, rathsam, vor
zehn Tagen kein Vieh darauf weiden zu lassen. Auch Klee und besonders weißer Klee
gedeiht durch ihn vortrefflich. Man düngt deßhalb auf einigen englischen Landgütern
die Kleefelder absichtlich mit Knochen, welche mit Säure behandelt (manchmal noch
mit Asche und stickstoffhaltigen Substanzen vermengt) wurden. Nach einer derartigen
Düngung gedeihen nicht nur die Pflanzen besser, sondern sie nehmen auch an Qualität
zu, was man besonders an der besseren Beschaffenheit der Milch, und daran erkennt,
daß weniger Unkraut zum Vorschein kommt. Bei Getreide hat dieser Dünger, wenn man
ihn allein verwendet, einen weniger günstigen Erfolg als bei den Futterkräutern;
wohl aber dann, wenn er mit thierischen Stoffen vermengt worden ist.
Soviel ist, wie schon oben erwähnt wurde, ausgemacht, daß eine Düngung mit Knochen
(oder dem Niederschlag aus der Amsterdamer Fabrik) und einem stickstoffhaltigen
Material, beim Getreide (Haber, Weizen und Gerste) verhältnißmäßig zu theuer kommt,
obgleich die Qualität des Getreides viel besser wird; die Körner werden größer. Von
den Hülsenfrüchten gilt beiläufig dasselbe. Meistens gibt man den Futtergewächsen
die volle Düngung mit Knochen, und läßt dann das Getreide nachfolgen.
In England schätzt man die nachwirkende Kraft dieser Düngung so hoch, daß man einem
Pächter, der nach einem Jahre ein mit Knochen gedüngtes Land verlassen muß, 1/3 von
dem Werthe der Düngung als Schadenersatz zurückbezahlt.
Deventer im Juni 1856.