Titel: | Das Walzwerk mit vor- und rückgängiger Bewegung zu Hautmont im nördlichen Frankreich. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. XLI., S. 161 |
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XLI.
Das Walzwerk mit vor- und rückgängiger
Bewegung zu Hautmont im nördlichen Frankreich.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Ueber das Walzwerk mit vor- und rückgängiger Bewegung zu
Hautmont.
Dieses Walzwerk hat der k. k. Hüttenverwalter Ferd. Schliwa in dem Jahrbuche der k. k. Montan-Lehranstalten zu Leoben
und Przibram, 1857, Bd. VI S. 239 beschrieben; wir entlehnen dieser Quelle das
Nachstehende:
Besondere Schwierigkeiten zeigt bei der Eisenfabrication die Darstellung von
Eisenbahnschienen und anderer Façoneisensorten stärkerer und schwererer
Gattung. Es lassen sich diese Schwierigkeiten weder durch Vorrichtungen zum
Ueberheben, noch durch drei übereinander liegende Walzen auf eine zweckmäßige Weise
überwinden. Durch das in genanntem Jahrbuche Bd. V S. 35 und in Armengaud's
Publication industrielle t. X p. 283 beschriebene Walzwerk mit dem sogenannten Colamineur kann diesen
Schwierigkeiten zwar gründlich abgeholfen werden; diese Vorrichtung ist aber sehr
complicirt und kostbar, daher nicht überall anwendbar.
Dagegen scheint das zur Fabrication des sogenannten Constructionseisens für Bauzwecke
zu Hautmont im nördlichen Frankreich im Betriebe stehende Walzwerk, welches
vor- und rückwärts gehen kann, dem zu erreichenden Zweck sehr zu entsprechen.
Von den Fabricaten sind viele verschiedene Sorten im J. 1855 in Paris ausgestellt
gewesen und von französischen und deutschen Sachverständigen belobt worden. In
England und Frankreich ersetzt dieses Façoneisen schon in vielen Fällen
hölzerne Balken, und es läßt sich erwarten daß man in Deutschland in dieser
Beziehung nicht zurück bleiben wird.
Fig. 22
stellt die Walzvorrichtung in einer Skizze im Grundrisse dar. Die Umkehrung der
Walzenbewegung muß natürlich nach jedem Durchgange des in Arbeit befindlichen
Walzstücks geschehen, indem dieses bei jedem folgenden Kaliber in der
entgegengesetzten Richtung gewalzt werden muß, mit anderen Worten: das Walzstück
wird stets vor- und rückwärts gewalzt, um das leere Zurückgeben desselben zu
vermeiden. Man erreicht jene wechselnde Bewegung der Walzen durch vier Räder a, b, c und d, welche
zwischen der Schwungradswelle S und den gewöhnlichen
Kuppelungsgetrieben e des verkuppelten Walzenpaares W angebracht sind. Von diesen vier Zahnrädern sind a und b, eben so c und d, einander gleich;
letzteres greift in das untere Getriebe und ist zugleich von derselben Größe. Bei
f und g sind
Ausrückzeuge, von denen bei der Bewegung mindestens eins beständig ausgerückt seyn
muß, da bei gleichzeitigem Eingriff beider Kuppelungsmuffe entweder ein Stillstand
oder ein Bruch erfolgen müßte. In dem in der Figur verdeutlichten Falle ist das
Ausrückzeug f in Verbindung gebracht, g hingegen ausgerückt; die Unterwalze wird demnach in
der mit S oder a
übereinkommenden Richtung laufen. Wird dagegen f
aus- und g eingerückt, so muß sich die Unterwalze
in gleicher Richtung mit b, also entgegengesetzt von a oder S bewegen.
Das ganze Triebwerk ist von einer Bühne überbrückt, aus welcher die zwei Hebel zum
Handhaben der Ausrückzeuge hervorragen. Ein darauf stehender Arbeiter besorgt das
jedesmalige Aus- und Einrücken. Die Umsetzung der Bewegung erfolgt, wie sich
von selbst versteht, stets beim leeren Gange, und obschon die Walzen über 40 Umgänge
in der Minute machen, sind die Stöße beim Einrücken doch nicht bedeutend.
Es wird daher durch diese Vorrichtung, im Vergleich mit einem Ueberheben und leeren
Zurückgeben, nicht bloß an Zeit gewonnen, sondern zugleich das bei letzterm
unvermeidliche Verbiegen und Verdrehen des immer länger werdenden Walzstücks
umgangen.
In Fällen, wo kürzere und breitere Stücke ausgewalzt werden sollen, z.B. bei
Kesselblechen oder Platten, erscheint die beschriebene Vorrichtung weniger
zweckmäßig, weil hierbei die Stöße bedeutender sind, nicht beim Umstellen der
Bewegung, sondern beim Einführen des Walzstücks zwischen die Walzen, weßhalb die
Schwungradswelle mit diesen in einer geraden Linie liegen soll. Aus diesem Grunde
hat man bei der oben erwähnten Walzeinrichtung mit dem Colamineur oder Mitwalzer,
welcher mit größerer Kraft und Geschwindigkeit betrieben wird, es für nöthig
befunden, die Getriebräder aus Schmiedeeisen zu verfertigen. Ueberdieß wäre bei
einem Blechwalzwerkgerüst durch die hier beschriebene Vorrichtung weniger gewonnen,
da die Bleche meist
kürzer sind als Façoneisenstäbe und auch ein hinderndes Verbiegen und
Verdrehen nicht zu befürchten ist. Für solche Fälle sind daher entsprechende
Ueberhebevorrichtungen zweckmäßiger.