Titel: | Neues Verfahren der Brodbereitung. – Ueber die chemischen Untersuchungen des Hrn. Mège-Mouriès bezüglich des Weizens, des Weizenmehles und der Brodbereitung mit demselben; Bericht von Prof. Chevreul. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. LVI., S. 209 |
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LVI.
Neues Verfahren der Brodbereitung. – Ueber
die chemischen Untersuchungen des Hrn. Mège-Mouriès bezüglich des Weizens, des
Weizenmehles und der Brodbereitung mit demselben; Bericht von Prof. Chevreul.
Aus den Comptes rendus, Januar 1857, Nr.
2.
Mège, neues Verfahren der Brodbereitung.
Im Juni 1856 überreichte Hr. Mège-Mouriès der (französischen) Akademie der
Wissenschaften eine zum Theil theoretische, zum Theil praktische Untersuchung über
die Brodbereitung; einerseits gelang es ihm die wahre Ursache der Färbung des
schwarzen Brodes zu entdecken und das Mittel zu finden, um die Färbung der Krume zu
verhüten, selbst wenn
die Kleie im Brodteig verbleibt; anderseits hat er ein neues Verfahren der
Brodbereitung vorgeschlagen, welches kein bloßes Project mehr ist, da ein Pariser
Kosthaus drei Monate lang das neue Brod bezog und seit dem Monat Juni 1856 das
Personal des Waisenhauses St.-Charles zu Paris kein anderes Brod genossen
hat.
Die Commission, welche zur Prüfung dieses für die Volkswirthschaft so wichtigen
Verfahrens von der Akademie ernannt wurdeSie bestand aus den Professoren Dumas, Pelouze, Payen,
Peligot und dem Berichterstatter Chevreul., glaubte derselben nur aus der Erfahrung abgeleitete, bestimmte Thatsachen
vorlegen zu dürfen und hat, um ihr Ziel zu erreichen, folgenden Weg
eingeschlagen:
Der Seinepräfect gestattete der Commission auf ihr Ansuchen bereitwilligst, Versuche
in der Bäckerei der Pariser Spitäler anzustellen, und Hr. Merruau, Generalsecretär der Seine, wurde beauftragt, die Commission mit
Hrn. Salone, Director der Scipion-Bäckerei, in
Verbindung zu setzen. Auf diese Weise waren wir in Stand gesetzt, unsere Versuche
auf das Beste durchzuführen.
Man kam vor Allem überein, daß Hr. Mège-Mouriès sich mit Hrn. Salone zu verständigen und Hr. Salone ihm alles
zu geben habe, was er zu seinen Operationen brauche; ferner daß die Commission sich
erst dann betheilige, wenn den Versuchen zufolge anzunehmen sey, daß im Großen
angestellte Operationen irgend ein bestimmtes Resultat geben können.
Drei Operationen wurden in der Scipionbäckerei von Hrn. Mège-Mouriès in Gegenwart des Hrn. Salone ausgeführt.
Das Gewicht des Getreides, des Mehles, der von diesem abgesonderten Kleie, des Teiges
und des gebackenen Brodes wurden mit den Waagen der Anstalt in Gegenwart der HHrn.
Mège und Salone
bestimmt und die Aufzeichnung dieser Gewichte noch denselben Tag, nebst Proben des
nach dem neuen Verfahren und zum Vergleiche auch nach dem alten Verfahren bereiteten
Brodes, der Commission zugestellt.
Dem letzten Versuche wohnte die Commission selbst bei, und der Berichterstatter
beorderte Hrn. Arnodon, einen seiner befähigtsten
Schüler, die Operationen auf das Genaueste zu überwachen; was dieser darüber
berichtete, stimmte genau mit den Ziffern überein, wie sie die HHrn. Mège-Mouriès und Salone angegeben hatten.
Wir werden zunächst den wissenschaftlichen Theil der Untersuchungen des Hrn. Mège-Mouriès besprechen, dann zur
Anwendung derselben auf die Praxis übergehen.
I. Theil. – Untersuchungen des Hrn. Mège-Mouriès in
theoretischer Beziehung.
Hr. Mège-Mouriès übergab der Akademie
schon vor drei Jahren eine Arbeit über das KleienbrodPolytechn. Journal Bd. CXXXII S.
141., welcher zufolge er unter der Fruchthülle, im Innern der Keimhülle des
Kerns, einen wirksamen Stoff, ein Ferment, gefunden hatte, den er seitdem Cerealin benannte; dieser Körper, obwohl dem eigentlichen
Kern angehörend, findet sich vollständig oder doch fast vollständig in der Kleie
wieder, und nicht im Mehl erster Sorte, welches in Paris zur Bereitung des weißen
Brodes ausschließlich angewendet wird. Hr. Mège-Mouriès fand, daß die Auslösung des Cerealins,
aus Kleie und Wasser bei einer Temperatur unter 40° R. bereitet, die
Eigenschaft besitzt, das Stärkmehl zu verflüssigen (löslich zu machen), wie es das
Diastas thut, und er schrieb der Gegenwart des Cerealins im Teige des Kleienbrodes
den Umstand zu, daß dasselbe eine minder feste Krume bekommt als das weiße Brod,
weil unter dem Einfluß des Cerealins viel Stärkmehl in auflösliche Substanz
verwandelt worden sey. Diese Wirkung des Cerealins schien damals den Aerzten, welche
in gewissen Krankheiten Kleienbrod vorschrieben, die leichtere Verdaulichkeit
desselben im Gegensatz mit dem weißen Brod zu erklären.
Hr. Mège-Mouriès, indem er seine
Arbeiten über das Kleienbrod und das Weißbrod fortsetzte, kam zu den merkwürdigen
Resultaten, welche wir nun mittheilen wollen. Vor ihm glaubte man immer, daß das
schwarze Brod seine Farbe der Kleie verdankt, weil das schwarze Brod mit Kleie enthaltendem Mehl bereitet wird, das weiße Brod hingegen mit kleiefreiem Mehl. Dieser Schluß
war aber ein irriger, wie die zwei Thatsachen beweisen, welche wir auseinandersetzen
werden, nachdem wir den Unterschied zwischen dem Verfahren der Pariser Bäcker bei
Bereitung des weißen Brodes und dem neuen Verfahren des Hrn. Mège-Mouriès angedeutet haben.
Gewöhnliches oder altes Verfahren der Brodbereitung zu
Paris.
Das Pariser Weißbrod wird mit dem Mehl erster Sorte (1re
marque) bereitet, welches, keine Kleine enthaltend, aus feinstem Mehl (Blumenmehl), aus Mehl vom 1sten weißen Gries und Mehl vom 2ten weißen Gries
besteht. Wenn 100 Thle. Weizen 70 Thle. Mehl erster Sorte gegeben haben, so sagt
man von solchem Mehle, es sey auf 70 gebeutelt. Was vom Weizen übrig bleibt,
kann aus 10 Thln. mittelgrober und feiner Kleie und 20 Thln. schwarzer Grütze bestehen, welche
letztere 3 Thle. feine Kleie und 17 Thle. weißes Mehl enthält.
Das Verfahren ist folgendes:
1) Um 8
Uhr Abends nimmt man ein Stück Teig, welchesaus 8 Kilogr. Mehl und
4 Kilogr. Wasser besteht
12,00 Kil.
Man
überläßt ihn bis 6 Uhr Morgens sich selbst, dießist der frische Sauerteig (levain de chef).
2)
Hierauf knetet man 8 Kil. Mehl und 4 Kil. Wasserbei; dieß ist der
einmal angefrischte
Sauerteig (levain de
première)
12,00 „
3) Um 2
Uhr Nachmittags knetet man 16 Kil. Mehlund 8 Kil. Wasser bei, dieß
ist der zweimal ange-
frischte Sauerteig (levain de seconde)
24,00 „
4) Um 5
Uhr macht man den Sauerteig fertig
(levain de tout point), indem man 100
Kil. Mehl beiknetetund 52 Kil. Wasser, welches 200 bis 300
GrammeBierhefe enthält
152,20 „
–––––––––
Gesammter
Sauerteig
200,20 Kil.
5) Um 7
Uhr setzt man dem Sauerteig 132 Kilogr.Mehl, 68 Kil. Wasser,
welches 300 bis 600 GrammeHefe enthält, und 2 Kil. Kochsalz zu; man
knetet, umden Teig anzumachen
402 Kil.
Aus diesem Quantum Teig werden fünf bis sechs Gebäcke gemacht, indem man auf
folgende Weise verfährt.
Erstes Gebäcke. – Man nimmt dazu die Hälfte
des obigen Teiges, welchen man abtheilt, um ihn in geflochtene Schüsseln zu
bringen, wo er aufgeht, wornach man ihn in den Ofen einschießt.
Das Brod vom ersten Gebäcke ist sauer, etwas schwärzlich und hat keine Risse.
Zweites Gebäcke. – Der Hälfte des Teiges,
welcher vom ersten Gebäcke verbleibt, werden 132 Kil. Mehl und ungefähr 68 Kil.
Wasser, welches 300 bis 600 Gramme Hefe und 2 Kil. Salz enthält, beigeknetet.
Das Brod ist weißer und besser als dasjenige vom ersten Gebäcke.
Drittes Gebäcke. – Der Hälfte des vom zweiten
Gebäcke übrig bleibenden Teiges werden 132 Kil. Mehl und 68 Kil. Wasser, welches
300 Gramme Hefe und 2 Kil. Salz enthält, beigeknetet.
Viertes Gebäcke. – Wird wie das vorhergehende
bereitet.
Fünftes Gebäcke. – Wie die vorhergehenden
bereitet. Es gibt alle sogenannten Luxus-Brode.
Neues Verfahren der Brodbereitung von
Mège-Mouriès.
Man nimmt an, daß 100 Kilogr. gemahlenen Weizens gegeben haben:
72 Kil
720 Grm.
feinstes Mehl und weißen Gries,
15 „
720 „
schwarze Grütze,
15 „
560 „
Kleie.
1) Um 6 Uhr Abends gibt man in 40 Liter Wasser von etwa 18° R., 70 Gramme
reiner oder 700 Gramme gewöhnlicher käuflicher Hefe und 100 Gramme Stärkezucker
(Fruchtzucker). Die Temperatur des Ortes, wo man dieses Gemisch stehen läßt, muß
ungefähr 18° R. betragen.
2) Am andern Morgen, um 6 Uhr, ist die Flüssigkeit mit Kohlensäure gesättigt. Den
Einfluß dieser Auflösung auf das Cerealin werden wir weiter unten ersehen.
Man rührt die 15 Kil. 720 Grm. schwarze Grütze hinein. Die Gährung beginnt
sogleich.
3) Um 2 Uhr Nachmittags setzt man 30 Liter Wasser zu und seiht durch ein
Seiden- oder Silberdrahtsieb, um die mittlere und die feine Kleie
abzusondern, welche die schwarze Grütze enthielt.
(Diese Kleie erfordert, um ihr das Mehl zu entziehen, 30 Liter Wasser und ein
nochmaliges Passiren durch das Sieb. Dieses Wasser, welches 1 Kil. 800 Grm. Mehl
enthält, dient zum Verdünnen des Sauerteigs bei der folgenden Operation.)
4) Die 70 Liter, womit man die Grütze behandelt hat, geben, nachdem sie durch das
Sieb gelaufen, ungefähr 55 Liter, mit denen man die 72 Kil. 720 Grm. weißen
Mehles, nachdem man 700 Grm. Salz zugesetzt hat, zu Teig anmacht.
Der Teig wird in Schüsseln gebracht, wo er gährt.
5) Er wird in den Ofen eingeschossen.
Wie man sieht, wird das Brod von Mège-Mouriès eigentlich bereitet aus
72 Kil. 720 Grm. weißem Mehl und 12 Kil. 20 Grm. Mehl, welches
von der schwarzen Grütze herrührt.
Hr. Mège-Mouriès wendete nicht
jedesmal Fruchtzucker an. So setzte er, bei dem der Akademie eingereichten
Verfahren, den 40 Litern Seinewasser 26 Gramme Weinsteinsäure zu, und den 30
Litern Wasser, welche er nach der Gährung beigab, 20 Grm. Weinsteinsäure; er
schrieb vor, bei einem Wasser welches mehr kohlensauren Kalk enthielt als das
Seinewasser, noch mehr Säure zuzusetzen. Uebrigens richtete er sich nach der
Farbe des Lackmuspapiers, welches merklich geröthet seyn mußte. Citronensäure und selbst
Essig, auf gleiche Weise angewandt, hatten die gleiche Wirkung.
Auf das mehrseitig geäußerte Bedenken, daß eine dem Brode zugesetzte Säure das
Publicum gegen das neue Verfahren einnehmen dürfte, änderte Hr. Mège-Mouriès dasselbe (wie
angegeben) ab, und ließ allen Säurezusatz weg.
Wir werden später auf den Unterschied zwischen dem gewöhnlichen und dem neuen
Verfahren zurückkommen.
Jetzt wollen wir die beiden Thatsachen mittheilen, welche darthun, daß die Farbe
des schwarzen Brodes nicht, wie man bisher glaubte, durch die Kleie
hervorgebracht wird, sondern die Folge des gewöhnlichen Verfahrens der
Brodbereitung ist.
Erste Thatsache. – Bei der Brodbereitung nach
dem Verfahren von Mège-Mouriès
mit Mehl, welches 2 bis 5 Thle. Kleie zurückhalten kann, die man von dem Wasser,
in welches die Grütze gerührt wurde, beim Durchseihen desselben durch das Sieb
nicht absondert, wird ein Brod von sehr blasser orangegelber Farbe erhalten,
welche sehr verschieden von der braunen Farbe des schwarzen Brodes ist, das man
bei Verarbeitung des schwarzen Grützemehls nach dem gewöhnlichen Verfahren
erhalten hatte. Wenn man die Krume des nach dem neuen Verfahren bereiteten
Brodes mit der Loupe, oder auch nur mit dem bloßen Auge betrachtet, so nimmt man
gewahr, daß die orangegelbliche Farbe von den in der weißen Krume zerstreuten
Kleienhäutchen erzeugt wird.
Zweite Thatsache. – Dieselbe wurde dem
Berichterstatter vom Oberstlieutenant Favé,
Ordonnanz-Officier des Kaisers, mitgetheilt.
Ein Fremder hatte Sr. Majestät die Erwerbung eines Verfahrens vorgeschlagen,
mittelst dessen alles reine Mehl des Weizens zur Bereitung des weißen Brodes
sollte verwendet werden können. Das Verfahren bestund darin, das gefärbte
Häutchen des Korns, also die Fruchthülle, durch Schroten des zugerichteten
Getreides abzusondern) durch diese Abscheidung aller gefärbten Theile mußte,
nach der gewöhnlichen Meinung, das Brod offenbar weiß werden. Dieß war aber bei
dem in der Scipionbäckerei von den HHrn. Favé
und Salone deßhalb angestellten Versuch nicht der
Fall. Das Brod war schwarz, zum großen Erstaunen dieser Herren und des Erfinders
selbst.
Die Farbe des schwarzen Brodes ist sonach keineswegs dem Vorhandenseyn von Kleie
im Mehl zuzuschreiben, wie man bisher annahm, sondern dem Verfahren der
Brodbereitung, weil Hr. Mège-Mouriès nach seinem Verfahren aus Kleie
enthaltendem Mehl Brod erhält das nicht schwarz ist, und weil man anderseits aus
kleiefreiem Mehl, wenn damit das Brod nach alter Weise bereitet wird,
schwarzes Brod erhalten kann, wie dieses in der Scipionbäckerei der Fall
war.
Ich will nun auseinandersehen, wie Hr. Mège-Mouriès zu diesem Schluß gekommen ist.
Er studirte vor Allem die Structur des Weizenkorns, ohne das Mikroskop zu Hülfe
zu nehmen, so genau, daß seine Resultate durch die mikroskopische Untersuchung
des Botanikers Trécul vollkommen bestätigt
wurden.
Das Weizenkorn besteht aus der Fruchthülle (dem
Pericarpium) und dem eigentlichen Kern.
A. Fruchthülle. –
Diese besteht nach Mège-Mouriès
und Trécul aus drei Theilen.
1) Der äußere Theil. – Er ist farblos und hat
keine Zellen; Mège-Mouriès nennt
ihn die äußere Fruchthaut (epicarpium), Trécul die Oberhaut (cuticula).
2) Der mittlere Theil. – Er besteht aus
gelbgefärbten Zellen; Mège-Mouriès nennt ihn die Fleischhaut (sarcocarpium).
3) Der innere Theil. – Er besteht, wie der
vorige, aus Zellen und wird von beiden Beobachtern die innere Fruchthaut (endocarpium)
genannt.
B. Eigentlicher Kern.
– Er besteht aus zwei Hüllen, der äußern Haut
(testa) und der innern
Membran; dann dem Eiweißkörper (perispermum) und dem Keim
(embryo).
Mège-Mouriès und Trécul stimmen über die anatomische
Zusammensetzung der Kleie vollkommen überein.
Die Kleie entsteht durch das mittelst Quetschung oder Druck hervorgebrachte
Zerbrechen oder Zerreißen des Pericarpiums, dem die
beiden Hüllen des Kerns anhaften, sammt den
großen äußeren Zellen des Eiweißkörpers und einigen darunter befindlichen Zellen
welche Stärkmehlkügelchen enthalten.
Die großen äußeren Zellen des Eiweißkörpers enthalten kein Stärkmehl; hierüber
stimmen beide Beobachter überein. Nach Mège-Mouriès enthalten sie hauptsächlich Cerealin und Pflanzencafeïn. Der Kleber mit dem
Stärkmehl befindet sich unter denselben.
Nach dieser Beschreibung der anatomischen Zusammensetzung des Weizenkorns wird
man Mège-Mouriès' Ansicht über
den chemischen Proceß der Brodbildung leichter verstehen.
Er nimmt im Weizen dieselben näheren Bestandtheile an, wie die Chemiker, nur fand
er noch einen Stoff in demselben, welchen er Cerealin
nennt, und der, wie das Pflanzencafeïn und der
Kleber, durch eine geringe Modication, die vielleicht durch
den Zutritt der Luftveranlaßt wird, die Eigenschaft eines Ferments erlangt. Diese drei Substanzen sind stickstoffhaltig.
Cerealin. – Es ist in Wasser auflöslich, in
Alkohol unauflöslich.
Es wirkt auf das Stärkmehl, das Dextrin, den Fruchtzucker und den Rohrzucker, als
Ferment.
Seine wässerige Auflösung verliert durch die Wärme, von 48° R. an, ihre
Wirksamkeit; ebenso durch Fällung mittelst concentrirten Alkohols oder Säuren,
selbst Kohlensäure.
Eine aus 9 Theilen Wasser und 1 Thl. Alkohol bestehende Mischung fällt sie, ohne
ihr ihre Wirksamkeit zu benehmen.
Das Diastas verliert seine Wirksamkeit bei 72 bis 80° R., es unterscheidet
sich also in dieser Hinsicht vom Cerealin.
Das Cerealin verwandelt den Stärkekleister in Dextrin, das Dextrin in
Fruchtzucker und diesen in Milchsäure, bei längerer Berührung sogar in
Buttersäure.
Wenn das Stärkmehl in Form von Kügelchen und im Wasser suspendirt ist, so beginnt
die Einwirkung des Cerealins erst bei etwa 40° R.
Da das Cerealin bei seiner Einwirkung auf das Stärkmehl kein Kohlensäuregas
bildet, so könnte es, wenn es bei der Brodbildung allein wirken würde, den
Mehlteig nicht zum Aufgehen bringen.
Der Kleienmilch ertheilt es die Eigenschaft, sauer zu
werden und an der Luft sich zu färben.
Den Kleber verändert es stark; derselbe gibt, unter andern Producten, Ammoniak,
dann eine Substanz, deren braune Farbe an das Ulmin
erinnert und ein stickstoffhaltiges Product, welches den Zucker in Milchsäure
umwandeln kann.
Caseïn. – Das Caseïn ist
stickstoffhaltig, wie das Cerealin, auflöslich in Wasser und unauflöslich in
Alkohol; durch die Säuren wird es gefällt.
Obwohl das Caseïn unter den Umständen, wo das Cerealin auf das Stärkmehl
wirkt, so zu sagen ohne Wirkung ist, kann man doch nicht sagen, daß es absolut
unwirksam ist, denn mit der Zeit kann es das Stärkmehl in Dextrin, in
Fruchtzucker und in Milchsäure umwandeln.
Kleber. – Der Kleber wird, einige Zeit sich
selbst überlassen, ein Ferment, welches das Stärkmehl in Dextrin, dieses in
Fruchtzucker und letzteren in Alkohol und Kohlensäure umwandeln kann.
Folgendes ist nach Mège-Mouriès
der Hergang bei der Brodbildung bei dem alten und dem neuen Verfahren.
A. Brodbildung bei dem alten
Verfahren.
a) Schwarzes Brod.
– Da das Mehl, welches das schwarze Brod gibt, alle näheren Bestandtheile
des Weizenkorns enthält, so ist es gerade deßhalb geneigt, die größte
Veränderung von Seite derjenigen näheren Bestandtheile zu erleiden, welche als
Fermente wirken.
Da das Cerealin, das kräftigste von allen Fermenten
des Weizenmehls, in dem zur Bereitung von Schwarzbrod geeigneten Mehl in viel
größerer Menge enthalten ist als in dem kleiefreien weißen Mehle erster
Qualität, so ist es nicht zu verwundern, daß seine Wirkung gegen diejenige des
Caseïns und des Klebers, welche ebenfalls Fermente sind, vorwaltet. Deßhalb ist die
milchsaure Gährung vorwaltend gegen die
dextrinbildende, die fruchtzuckerbildende und die geistige Gährung, welche das
Caseïn und der Kleber hervorbringen.
Jene herrscht in dem Maaße vor, daß sich anfangs mehr Dextrin, mehr Fruchtzucker
und mehr Milchsäure erzeugt, als verhältnißmäßig Alkohol und Kohlensäuregas
(welches das Aufgehen des Teiges veranlaßt) und
hernach auf Kosten des Klebers, Ammoniak und eine braune Substanz; endlich geht
ein Theil des Klebers selbst in milchsäurebildendes
Ferment über, und während des Backens verwandelt sich Stärkmehl in
Dextrin und in Fruchtzucker.
Man sieht mithin, daß diese Reaction die Färbung des schwarzen Brodes und die
Entwickelung von Ammoniak erklärt; ferner daß durch die Verminderung des Klebers
und seine Veränderung, so wie durch das Vorherrschen der auflöslichen
Substanzen, wie Dextrin und Fruchtzucker, sich die geringe Festigkeit der Krume
des schwarzen Brodes, deren Weichheit, klebrige Beschaffenheit und
Untauglichkeit zur Bereitung von Suppe erklären lassen.
Man ersieht daraus ferner, was von der Ansicht zu halten ist, daß das schwarze Brod unbedingt nahrhafter als das weiße sey.
Auch in dem Falle, wo nachgewiesen würde, daß in dem zu seiner Bereitung
dienenden Mehle, bei gleichem Gewichte, mehr stickstoffhaltige Substanz
enthalten ist als im weißen Mehle, wäre dieß noch kein Grund auf größere
Nahrhaftigkeit des schwarzen Brodes zu schließen, weil durch den Act der
Brodbildung die stickstoffhaltigen Substanzen eine Veränderung erleiden und
unter anderen Producten Ammoniak liefern können.
b) Weißes Brod. –
Das weiße Mehl, mit welchem das feinste Brod bereitet wird, enthält kein oder
beinahe kein Cerealin. Da letzteres. wie schon erwähnt, ganz oder fast ganz mit den
verschiedenen Kleien beseitigt wurde, so befindet sich das weiße Mehl in einem
günstigen Zustande, weil die zum Aufgehen des Teiges
unerläßliche geistige Gährung gegen die milchsaure vorwaltet.
Der Teig von weißem Mehl hat, ehe er in den Ofen eingeschossen wird, drei
Gährungen durchgemacht, die geistige, die essigsaure und die milchsaure.
Die erstere muß gegen die beiden anderen vorwalten. Sie geht auf Kosten des
Fruchtzuckers vor sich, welcher, wenn er nicht im Weizenkorne vorhanden war,
sich später im Mehle entwickelt hat; sie wird durch Kleberferment hervorgerufen, wenn man dem Teige keine Hefe zugesetzt
hat. Damit die geistige Gährung gehörig vor sich gehe, muß sich nach dem
Auswirken des Teiges (Abtheilen desselben in Brode) so viel kohlensaures Gas
entwickeln, daß der Teig aufzugehen, das heißt sich zu erheben vermag, ohne daß
seine oberflächliche Schicht berstet, welche die Rinde des ausgebackenen Brodes
bildet; diese Bedingung wird aber nur dann erfüllt, wenn der Kleber seine ganze
Zähigkeit behält.
Nach Erwähnung des Uebelstandes einer zu großen
Kohlensäuregas-Entwicklung, durch welche der Teig zu stark in die Höhe
getrieben und bersten würde, warnt Mège-Mouriès vor einem zu sauren, zu stark
gegohrenen Sauerteige, welcher die milchsaure Gährung
veranlassen kann; ein solcher würde nach Art des Cerealins wirken und
mit dem Teig von weißem Mehl ein mehr oder weniger gefärbtes Brod geben.
B. Brodbildung bei dem
Verfahren von Mège-Mouriès.
Dieses Verfahren besteht in drei Hauptoperationen: 1) dem
Mahlen; 2) der Bereitung des Teiges mit weißem
Mehle und dem Wasser, worin die schwarze Grütze gegohren hat; 3) dem Backen des aufgegangenen Teiges. Die neue Methode
ist einfacher als die alten Verfahrungsweisen zur Bereitung des weißen und
schwarzen Brodes, wie wir im II. Theil sehen werden.
1) Mahlen. – Bei diesem Verfahren geht der
Weizen nur einmal durch die Steine; eine einzige Beutelung reicht hin, um zu
erhalten 1) das weiße Mehl, welches aus dem Blumenmehl und dem weißen Gries besteht; 2) die schwarze Grütze, und 3) die
grobe und mittlere Kleie.
2) Bereitung des Teiges. – Man braucht nur
schwarze Grütze, die in ihrem vierfachen Gewichte Wasser eingeweicht wurde, in
welchem vorher
Hefe und FruchtzuckerWenn der Zusatz von Weinsteinsäure oder einer andern organischen Säure
unterbleiben soll. gegohren haben, der geistigen Gährung auszusetzen, 1) um die
Milchsäurebildung durch das Cerealin, wenn nicht gänzlich, doch größtentheils zu
verhindern (das Cerealin zu neutralisiren); 2) um die feine Kleie abzusondern;
3) um mit dem weißen Mehl, indem man ihm das gegohrne Wasser der schwarzen
Grütze mit seinem Bodensatz zusetzt, einen Teig zu erhalten, welcher den ganzen
mehligen Theil des Weizenkorns repräsentirt.
Der Vortheil dieses Verfahrens besteht nicht nur in der Absonderung der seinen
Kleie, sondern auch in der erwähnten Neutralisation des Cerealins und der
Erzeugung einer neuen Quantität Hefe, welche hinreicht um den ganzen Weizenteig
in den zum Aufgehen desselben geeignetsten Grad geistiger Gährung zu
versetzen.
Die Bierhefe und der Fruchtzucker, welche dem Grützewasser zugesetzt wurden, sind
die Ursache der Neutralisation des Cerealins; der Beweis dafür ist, daß, wenn
man 3 bis 5 Theile Kleie im Teige läßt, man statt schwarzen Brodes ein Brod
erhält, dessen Krume unstreitig weiß ist, wie wir oben gesehen haben.
Anderseits bildet sich, wenn die Gährung eine Neutralisation der zugesetzten Hefe
veranlaßt, eine noch größere Menge Hefe als neutralisirt wurde. Mithin ist
dieses Grützewasser in vorzüglichem Grade geeignet, den mit sämmtlichem Mehl der
Weizenkörner erhaltenen Teig zum Aufgehen durch die geistige Gährung zu bringen.
Daraus erklärt sich die Leichtigkeit des nach dem neuen Verfahren dargestellten
Brodes.
3) Das Backen geschieht ganz so wie beim alten
Verfahren.
Betrachtungen über die Theorie der
Brodbildung.
Bei dem gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft können wir uns zwar noch nicht
mit Gewißheit über die Natur der einzelnen Gährungsstoffe (Fermente), ihre
Anzahl und ihre charakteristischen Eigenschaften aussprechen, so viel geht aber
aus den Untersuchungen des Hr. Mège-Mouriès hervor, daß die Brodbildung völlig
auf einer zweckmäßigen Gährung des Weizenmehlteiges beruht, und daß es von der
Leitung dieser Gährung abhängt, ob man weißes oder gefärbtes Brod erhält.
Während es keinem Zweifel unterliegt, daß das Cerealin, das Caseïn und der
Kleber unter einem noch wenig bekannten Einfluß zu Fermenten werden, welche, wie
wir gesehen haben, unter gleichen Umständen auf verschiedene Weise
wirken, herrscht dagegen noch die größte Unsicherheit über die wesentlichen
Eigenschaften des Cerealins, des Caseïns und selbst des Klebers, in ihrem
reinen Zustande; folglich können wir uns auch noch nicht klar machen, warum das
Caseïn, obgleich minder kräftig als das Cerealin, mit dem Stärkmehl
Dextrin, Fruchtzucker und Milchsäure erzeugt; warum der Kleber, welcher unter
dem Einfluß der Luft ein alkoholbildendes Ferment werden kann, sich unter dem
Einfluß des Cerealins in Ammoniak, in eine braune Materie und in eine Substanz
welche selbst ein milchsäurebildendes Ferment ist,
umwandelt. Endlich fragt es sich, ob eine stickstoffhaltige Materie, indem sie
nach einander verschiedene Molecularzustände durchgeht, nicht verschiedene
Gährungswirkungen hervorbringen kann, wovon jede einem dieser Molecularzustände
entspricht.
Wir regen diese Fragen an, nicht um Hrn. Mège-Mouriès' Arbeit zu tadeln, sondern im
Gegentheil um das Verdienst und die Neuheit derselben hervorzuheben; denn vor
ihm hätten diese Fragen nicht so bestimmt und klar gestellt werden können.
II. Theil. – Ueber die Untersuchungen des Hrn.
Mège-Mouriès hinsichtlich ihrer praktischen
Anwendung.
Um Hrn. Mège-Mouriès' Arbeit gehörig
zu würdigen, muß das Mahlen, wie es heutzutage geschieht und wie es das neue
Verfahren strenge erheischt, in Betracht gezogen werden.
§ 1. Vom Mahlen des
Weizens.
Das jetzt (in Frankreich) gebräuchliche Mahlen
unterscheidet sich von dem früher üblich gewesenen Grobmahlen dadurch, daß man den weißen
Gries gewöhnlich zweimal durch die Steine gehen läßt, die schwarze Grütze gewöhnlich dreimal, und dann die
Kleie zu feiner und mittelfeiner vermahlt. Nur das vom ersten und zweiten weißen
Gries abgesonderte Mehl ist weiß; alles andere Griesmehl ist schwarz. Die
übrigen Producte des gegenwärtigen Mahlens werden nicht zur Brodbereitung
verwendet: es sind die Kleien (issues); sie bestehen in weißer und schwarzer Grieskleie (remoulage blanc et bis), schwarzem
Kleienmehl oder Asterkleie (recoupettes ou rougeurs), feiner, mittlerer und grober Kleie.
Wir erinnern, daß das Pariser Weißbrod nur mit dem feinsten Mehl bereitet wird, welches aus dem Blumenmehl und dem Mehl vom ersten und zweiten weißen Gries
besteht.
Folgendes sind die Resultate der vier Mahloperationen, welche unter Aufsicht der
HHrn. Mège-Mouriès und Salone vorgenommen wurden. Die betreffenden Documente
enthalten die wirklichen Gewichte jeder Operation und der verschiedenen
Producte) hier führen wir nur drei Producte auf: das weiße
Mehl, die grobe oder schwarze Grütze und die
verschiedenen Kleien, deren Mengenverhältniß auf
den Centner reducirt.
Erste Operation; man verwendete dazu ein neues
Getreide, wovon der Hektoliter 80 Kilogr. wog:
weißes Mehl
73,899
schwarze Grütze
15,957
verschiedene Kleien
10,144
–––––––
100,000
Zweite Operation; dazu diente ein altes Getreide
mittlerer Qualität, von welchem der Hektoliter 78,66 Kilogr. wog:
weißes Mehl
74,300
schwarze Grütze
12,390
verschiedene Kleien
13,310
–––––––
100,000
Dritte Operation; dazu diente ein altes Getreide
mittlerer Qualität, von welchem der Hektoliter ebenfalls 78,66 Kilogr. wog:
weißes Mehl
72,060
schwarze Grütze
14,250
verschiedene Kleien
13,690
–––––––
100,000
Vierte Operation:
weißes Mehl
72,720
schwarze Grütze
15,720
verschiedene Kleien
11,560
–––––––
100,000
Die Mahlung wird durch das Verfahren von Mège-Mouriès sehr vereinfacht, weil, wie erwähnt,
das Getreide nur einmal durch die Steine geht und auch nur einmal gebeutelt
wird, wobei man bloß drei Producte erhält: das Blumenmehl
nebst der weißen Grütze, die grobe oder schwarze Grütze, und die grobe, mittlere und feine
Kleie.
Diese Einfachheit ist offenbar ein Vortheil für diejenigen Händler und Bäcker,
welche das Getreide gegen Lohn mahlen lassen, da, mit Berücksichtigung eines
sehr geringen Verlustes, die Summe der drei Producte das Gewicht des Getreides
ergeben muß und anderseits die respectiven Mengenverhältnisse dieser Producte
sich gegenseitig controliren.
§. 2. Brodbereitung nach dem
alten und dem neuen Verfahren, ausgeführt in der
Scipionbäckerei.
Es wurden vier Operationen ausgeführt; die drei letzteren vergleichungsweise; Hr.
Mège-Mouriès befolgte dabei
genau das im ersten Theil dieses Berichtes beschriebene Verfahren. Folgendes
sind die Resultate der vier Operationen, auf den Centner gemahlenen Weizens reducirt.
Textabbildung Bd. 144, S. 222
Operat.; Gewicht des Teiges;
Gewicht d. kalten gebacken Brodes; Gewichts-Unterschied zu Gunsten
des neuen Verfahrens; A bedeutet altes Verfahren; N bedeutet neues
Verfahren
Ehe wir auf die Bedeutung dieser Ziffern näher eingehen, müssen wir die
Schwierigkeiten besprechen, womit die Vergleichung zweier
Brodbereitungs-Methoden durch Versuche verknüpft ist.
Da es unbestreitbar ist, daß das Mehl von neuem Weizen, unter gleichen Umständen,
kein so weißes und so festes Brod gibt, wie das Mehl von älterem Weizen, so muß
man, wenn zwei Brodbereitungs-Methoden verglichen werden sollen,
nothwendig Mehl von demselben Weizen dazu verwenden. Um das nach dem neuen
Verfahren bereitete Brod zu beurtheilen, darf man daher auch kein gekauftes
Brod, von welchem die Qualität des Mehles nicht bekannt ist, zur Vergleichung
nehmen.
Anderseits erheischen Versuche, um das Ausgeben zweier Verfahrungsarten zu
beurtheilen, große Geschicklichkeit von Seite des Bäckers, weil es sehr schwer
ist das Backen so zu leiten, daß die Verdampfung des Wassers bei jedem Brode in
gleicher Weise vor sich geht.
Die Commission war bemüht, diese Schwierigkeiten möglichst zu vermindern. So hat
sie drei vergleichende Versuche mit demselben Mehle gemacht, und der letzte
dieser Versuche ist es in noch höherem Grade als die zwei anderen, aus folgendem
Grunde. Anstatt dem zum alten Verfahren der Brodbereitung bestimmten Mehle nach einander frischen Sauerteig, einmal angefrischten Sauerteig,
zweimal angefrischten und fertigen Sauerteig
beizukneten, um die zum Aufgehen des Teiges unerläßliche Gährung herzustellen,
mischte man ihm Bierhefe bei, also dasselbe Ferment, welches bei dem nach dem
neuen Verfahren zu Brod verarbeiteten Mehle angewendet wurde. Obwohl nur
vergleichende Versuche beweisend sind, haben wir doch auch den ersten Versuch
aufgeführt, zumal derselbe ein mit den drei anderen übereinstimmendes Resultat
gegeben hat.
Eben diese Übereinstimmung unter den vier Versuchen und der geringe
Unterschied der Ziffern 19, 20, und 17, welche die Differenzen im Ergebniß an
gebackenem Brod bei den drei vergleichenden Operationen bezeichnen, flößen uns
Vertrauen in die mitgetheilten Resultate ein und sind zugleich ein günstiges
Zeugniß für die geschickte Leitung der Spitalbäckerei durch Hrn. Salone.
Diesen Resultaten ist jedoch keine absolute Gültigkeit hinsichtlich des Ausgebens
der beiden Verfahrungsarten beizulegen; 100 Theile Weizen werden nach den beiden
Methoden nicht immer die in der Scipionbäckerei erhaltenen numerischen Resultate
geben ohne Rücksicht auf die Natur und den Feuchtigkeitsgrad des Mehles.
Eigenschaften des neuen Brodes, im Vergleich mit jenen des
alten.
Die zwischen den beiden Broden zuerst anzustellende Vergleichung betrifft ihren
Gewichtsverlust an der Luft; denn möglicherweise könnte ja bei dem neuen
Verfahren eine beträchtliche Menge nahrhafter Substanz verschwinden, indem sie
sich in Wasser verwandelt, so daß im neuen Brod mehr Wasser enthalten wäre als
im bisherigen. In dieser Hinsicht ergaben die Versuche Folgendes:
100 Thle. Krume des neuen Brodes
verloren
37,5 Wasser
„
„ bisherigen
„
37,8 „
100 Thle. Rinde des neuen Brodes
verloren
14,2 „
„
„ bisherigen
„
12,0 „
Dieß sind offenbar geringe Unterschiede.
Hr. Peligot fand bei Wiederholung dieser Versuche, daß
bei der Temperatur von 96° R. (120° C.)
100 Thle. des neuen Brodes, Krume und
Rinde, verloren
34,9 Wasser,
100 „ „
bisherigen
„ „ „
34,1 „
Hr. Payen erhielt nahezu dasselbe Resultat.
Hr. Mège-Mouriès fand auch stets,
daß sein Brod, wie das bisherige, bei 20 bis 24° R., 30 Proc. Wasser
verliert.
Die übrigen Eigenschaften des neuen Brodes anbelangend, darf man daraus, daß
einzelne Proben desselben eine lichtgelbe Färbung hatten, nicht schließen, diese
Färbung sey dem Product des neuen Verfahrens eigentümlich; denn sehr viele Brode
waren absolut farblos.
Das neue Brod ist leichter verdaulich als das bisherige, schmeckt angenehmer und
ist vollkommen gesund, was durch das Zeugniß des Pfarrers Hamon und des Dr. Blatin, beide im Waisenhaus St. Charles, nach halbjährigem täglichem
Genuß desselben von den Kindern und Schwestern in dieser Anstalt bestätigt
wird.
Rückblick.
1) Die Färbung des schwarzen Brodes rührt nicht von der Gegenwart von Kleie im Mehle
her, sondern hängt von einer eigenthümlichen Gährung des Mehles ab; diese Gährung
wird durch das Cerealin oder durch eine zu große Veränderung (Zersetzung) des
Sauerteigs aus weißem Mehle veranlaßt. Zwei Thatsachen beweisen dieß: wenn man die
Wirkung des in der Kleie enthaltenen Cerealins paralysirt, so erhält man trotz der
Gegenwart der Kleie ein Brod, dessen Krume wahrhaft weiß ist; zweitens erhält man,
wenn man sich eines zu sehr zersetzten (zu stark gegohrenen) frischen Sauerteigs von weißem Mehle bedient, mit kleiefreiem Mehle ein
mehr oder weniger gefärbtes Brod, wie es in der Scipionbäckerei vorgekommen ist.
2) Die beim neuen Verfahren anwendbare Mahlmethode ist viel einfacher als das
gewöhnliche Mahlsystem, und für die Bäcker, welche gegen Lohn mahlen lassen, sehr
vortheilhaft, weil bei diesem Verfahren der Weizen nur einmal vermahlen und
gebeutelt zu werden braucht.
3) Die Anfertigung des Teiges ist beim neuen Verfahren ebenfalls viel einfacher, als
beim alten; denn man erspart dabei die Zubereitung des frischen Sauerteigs, des einmal angefrischten,
des zweimal angefrischten und des fertigen Sauerteigs,
gerade die schwierigsten Arbeiten des Bäckers, bei denen er am meisten von seinen
Arbeitern abhängig ist; dagegen genügt es, die in Wasser gerührte schwarze Grütze
mittelst Hefe in Gährung zu versetzen, die gegohrene Flüssigkeit zur Absonderung der
feinen Kleie durch ein Sieb zu seihen, und sie nachher anzuwenden um das weiße Mehl
in Teig zu verwandeln und diesen zum Aufgehen zu bringen.
4) Bei dem neuen Verfahren erhält man aus 100 Theilen Weizen 86 bis 88 Th. Mehl zur
Bereitung von Weißbrod, wogegen das alte Verfahren nur 70 bis 74 Th. liefert. Bei
den drei, in der Scipionbäckerei im Großen ausgeführten Operationen erhielt man von
100 Theilen desselben
Weizens 19, 20 und 17 Theile mehr Brod als durch das alte Verfahren.
So viel, was das Weißbrod anbelangt; aber das neue Verfahren gewährt den weitern
Vortheil in Vergleich mit dem alten, daß mittelst desselben ein dem Weißbrod im
Ansehen sehr ähnliches Brod bereitet werden kann, obgleich es das Mengenverhältniß
von Kleie enthält, welches dem nach dem alten Verfahren bereiteten Brod die bekannte
schwarze Farbe ertheilt. Ohne Zweifel wird man sich
auf dem Lande und überall, wo schwarzes Brod genossen wird, des neuen Verfahrens
bedienen, ohne dabei das gegohrene Wasser von der schwarzen
Grütze durch das Sieb seihen zu müssen.
5) Die Vorzüge des neuen Verfahrens vor dem alten hinsichtlich des Ausgebens des
Weizens an Weißbrod scheinen uns genügend erwiesen zu seyn. Die Güte und Gesundheit
des neuen Brodes anbelangend, ist das vorliegende Urtheil darüber nicht bloß
dasjenige der Commission, sondern es beruht auf den oben erwähnten Zeugnissen,
welche nach halbjährigem Genuß dieses Brodes in einer Anstalt von 115 Personen
ausgestellt wurden.
Die Brodbereitung hat bis auf unsere Zeit noch so wenige Abänderungen aufzuweisen,
daß die Wichtigkeit der Arbeit des Hrn. Mège-Mouriès nicht zu verkennen ist. Sein Verfahren
beruht auf ihm eigenen chemischen Versuchen und hat sich durch bereits einjährige
Anwendung im Großen bestätigt; es entspricht auch einem Bedürfniß der Bewohner
großer Städte, welche nur weißes Brod wollen.