Titel: | Das Kautschukventil und die Pumpe des Mechanikers Perreaux zu Paris. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. LXXVIII., S. 327 |
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LXXVIII.
Das Kautschukventil und die Pumpe des Mechanikers
Perreaux zu Paris.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement, Januar 1857, S. 12.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Ueber Perreaux's Kautschukventil und Pumpe.
Der Civilingenieur Faure erstattete der Société d'Encouragement einen sehr
günstigen Bericht über die Pumpen des Hrn. Perreaux,
eines geschickten Mechanikers für mathematische Instrumente. Diese eben so einfachen
als wirksamen Pumpen haben das Charakteristische, daß bei denselben die
Klappenventile der gewöhnlichen Pumpen durch Kautschukventile von sehr zweckmäßiger
Gestalt, großer Dauerhaftigkeit und einem vollkommen leichten und regelmäßigen Spiel
ersetzt worden sind. Diese breiten und starken Ventile sind an der Basis
cylindrisch, bilden oben eine von beiden Seiten gleich abgeschrägte Röhre, die dem
Mundstück einer Clarinette oder einer Hautboe sehr ähnlich sieht und wie dieses in
zwei Lippen oder Klappen ausläuft. Die beiden Klappen oder Blätter sind mehr oder
weniger stark, je nachdem das Ventil einem mehr oder minder starken Druck, einer
mehr oder weniger hohen Wassersäule, in diesem oder jenem Mittel, zu widerstehen
hat. Behufs größerer Widerstandsfähigkeit hat der Erfinder das Ventil äußerlich mit
zwei Verstärkungsrippen versehen, welche diametral angebracht und mit ihm selbst aus
einem Stück geformt sind. Diese Ventile sind bei der geringsten Kolbenschwingung
empfindlich, sie können sich ausdehnen und zusammenziehen, sich öffnen oder
verschließen, ansaugen oder ausdrücken, ohne irgend ein Zwischenmittel, ihre
Elasticität reicht dazu aus. Ihr Spiel erfolgt durch den bloßen Druck, welchen das
Heben oder Senken des Kolbens im Pumpenkörper veranlaßt; sie werden durch
Metallringe befestigt. Solche Pumpen wurden schon im vorigen Jahre an mehreren
Orten, insbesondere zum Ausschöpfen von schlammigem Wasser und von Mistjauche, mit
dem besten Erfolge angewendet; sie verstopften sich nicht und ließen Holzstücke und
Steinchen mit durchgehen.
Eine einfache Saugpumpe hat nur zwei feste Ventile, das eine am untern Ende der
Pumpenröhre oder auf der Saugröhre, das andere oben auf dem Kolben; soll sie aber
sowohl saugend als drückend wirken, so sind drei Ventile, wie bei der gewöhnlichen
Anordnung, erforderlich. Der mäßige Preis dieser Pumpen und ihre wesentlichen
Vorzüge sichern ihnen vielfältige Anwendungen.
Die Erfindung des Hrn. Perreaux veranlaßte eine
Prioritätsfrage. Der bekannte Pumpenfabrikant Letestu
nahm schon im Jahre 1850 ein Patent auf ein Ventil, welches aus einem Röhrenstück
von Kautschuk besteht, das oben zwei sich gegen einander neigende Lippen hat; die
Priorität der Kautschukventile in Form der Hautboe-Mundstücke gebührt daher
Hrn. Letestu; aber sein Ventil ist in der Construction
wesentlich von dem Perreaux'schen verschieden, und er hat
gegen das Patent des letztern keine Reclamation erhoben. Der Director des
Industrie-Museums zu Brüssel, Hr. Jobard, dagegen,
welcher das Erfindungspatent von Letestu wahrscheinlich
nicht kannte, ließ sich die Idee desselben am 7. Mai 1856 patentiren. Hr. Perreaux hatte aber schon am 18. März von der kaiserl.
Ausstellungscommission zu Paris ein Schutzzeugniß erhalten, welches am 7. März 1856
in ein Patent verwandelt wurde. Nach dem Urtheil des Hrn. Faure ist daher Hr. Perreaux der rechtmäßige
Eigenthümer seiner Erfindung. Die Ventile von Letestu und
Jobard stützten sich überdieß nicht durch sich
selbst, sondern bedurften dazu eines metallenen Gehäuses und wurden dadurch bald
unbrauchbar.
Beschreibung der Abbildungen.
Fig. 10, 11 und 12 stellen
drei Modelle von Ventilen dar, die sich, je nach dem Druck, welchem die elastische
Substanz zu widerstehen im Stande seyn muß, durch die Dicke des Kautschuks, so wie
durch (dem Ventilkörper angeformte) Verstärkungsrippen oder Ränder von einander
unterscheiden. Das Ventil Fig. 10 wird bei Pumpen
zu landwirtschaftlichen Zwecken angewendet, Fig. 11 bei
Wasserleitungen, Fig. 12, welches wegen seiner Stärke größern Widerstand leistet, bei
Locomotiv-Speisepumpen. Sey nun die Form des Ventils welche sie wolle, so
bleibt sein Princip ein und dasselbe; es öffnet und verschließt sich nach der
Kantenlinie a, a, welche den Durchschnitt der zwei
ebenen und schiefen Schnitte bildet, die als Lippen oder Ventilklappen wirken.
Fig. 13 und
14 sind
eine äußere Ansicht und ein Durchschnitt von einer zu landwirtschaftlichen Zwecken
bestimmten Perreaux'schen Pumpe.
Sie wirkt saugend und drückend und gibt einen ununterbrochenen Wasserstrahl; von den
bekannten Einrichtungen weicht sie nur durch die Form und die Benutzung der Ventile
und des Kolbens ab.
N ist das auf der Saugröhre angebrachte Saugventil; es
ist dem in Fig.
10 dargestellten ähnlich, hat aber nur einen Hals.
M ist das in Fig. 10 dargestellte
Ventil; es wirkt als Kolben und ist mit der Kolbenstange durch einen Bügel
verbunden, der den Kolben unter dem obern Halse faßt.
D Kappe, welche losgeschraubt werden kann, um zum
Saugventil N gelangen zu können.
C Aufsatz mit Stopfbüchse; jener dient, um den Kolben
M in den Pumpencylinder gelangen zu lassen, diese,
um den die Stopfung bildenden Hanf zusammen zu drücken, damit die Kolbenstange
luft- und wasserdicht durch die Büchse geht.
Da die Pumpe ununterbrochen wirkt, so wendet man einen Luftbehälter mit einem Ventil
von derselben Einrichtung wie das Saugventil N an.
A bildet die Verbindung zwischen dem Pumpencylinder und
dem Luftbehälter.
B Kappe des letztern, welche an ihm angeschraubt ist,
damit man zu dem Ventil gelangen kann.
f Verbindungsstück für das Ausgußrohr.
R gabelförmiger Support, welcher als Stütz- und
Drehpunkt für den Hebel oder Schwengel H dient.
Mit eiserner Montirung kostet eine solche Pumpe 125, mit hölzerner 115 Francs. Alle
Theile lassen sich leicht auseinander nehmen und wieder zusammensetzen.
Zur Vermeidung von Stößen kann man sowohl den Pumpencylinder als den Luftbehälter,
jeden besonders, in ein hölzernes Gehäuse von cylindrischem oder quadratischem
Querschnitt einschließen.