Titel: | Ueber ein neues Princip zur Construction elektromagnetischer Kraftmaschinen; von Friedrich Zöllner. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. CVII., S. 432 |
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CVII.
Ueber ein neues Princip zur Construction
elektromagnetischer Kraftmaschinen; von Friedrich Zöllner.
Aus Poggendorff's Annalen der Physik, 1857, Nr.
5.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Zöllner, über ein neues Princip zur Construction
elektromagnetischer Kraftmaschinen.
Drei Umstände sind es gewesen, welche bisher der Anwendung des Elektromagnetismus als
bewegende Kraft hindernd entgegenstanden:
1) Die geringe Wirkungsweite eines Magnets.
2) Die Induction.
3) Das langsamere Verschwinden des Magnetismus in größeren
Eisenmassen.
Durch das im Folgenden entwickelte Princip glaube ich nun die beiden letzten
Hindernisse auf ein Minimum beschränkt, das erste und bedeutendste jedoch vollkommen
beseitigt zu haben, indem man nach diesem Principe im Stande ist, mit einer
gegebenen Stromstärke die magnetische Anziehung auf jede beliebige Entfernung mit
einer Intensität auszudehnen, die an jedem Punkte der Hubweite die Tragkraft eines
gegebenen Elektromagneten zur oberen Gränze hat.
Die Richtigkeit dieser Behauptung läßt sich am Einfachsten durch folgendes Schema zur
Anschauung bringen.
Es seyen in Figur
13
a, b, c etc. die Pole cylindrischer und senkrecht
befestigter Elektromagnete. A und B seyen zwei Schienen, innerhalb welcher sich der horizontale Querbalken
P, P' leicht auf- und abschieben läßt. Dieser
Balken ist in der verlängerten Achse der Elektromagnete bei α, β, γ etc. durchbohrt, so daß sich die Anker m, n, o, u.s.w. die an den senkrechten und oben mit
Keilen (a', b', c', d') versehenen Stäben befestigt
sind, innerhalb des Querbalkens leicht verschieben lassen. Die Stäbe α', β', γ' etc. sind, wie in der
Zeichnung angedeutet, so verkürzt, daß die horizontal schwebenden Anker um eine
gewisse Größe (etwa 1/8 Zoll), der eine immer höher als der andere steht. Unter der
Voraussetzung, daß der erste Anker m von seinem Magneten
ebenfalls nur 1/8 Zoll abstehe, lasse man jetzt einen Strom durch die Elektromagnete
1 und 2 gehen. Sobald sich der Querbalken P, P' durch
Anziehung der Anker m und n
um 1/8 Zoll genähert hat, berührt der erste Anker seinen Elektromagneten. Durch
einen geeigneten Commutator wird jetzt der Strom in Nro. 1 unterbrochen und durch 2 und 3 geleitet,
so daß sich nun der zweite Anker, bezüglich seines Magneten b, in derselben Lage befindet, wie zu Anfang der Bewegung der Anker m. Schlägt der zweite Anker auf seinen Magneten, so
werden mittelst desselben Stromes 3 und 4 magnetisirt etc., so daß der Querbalken
P, P' bei 8 Elektromagneten durch die Entfernung von
einem Zoll mit einer Kraft gezogen wird, welche als unterste Gränze die Anziehung
der betreffenden Magnete in der Entfernung von 1/8 Zoll, und als oberste Gränze die
Tragkraft hatWie durch Combination zweier solcher Systeme mittelst eines Balanciers eine
oscillirende Bewegung erzeugt und diese in eine rotirende verwandelt werden
könne, ist leicht begreiflich.. Es ist leicht einzusehen, wie durch Vermehrung der Magnete auch der Hub
beliebig vergrößert werden kann, ohne daß ein verstärkter
Strom erforderlich wäre.
Hieraus folgt, daß bei verschiedenen nach diesem Principe construirten Maschinen der
erzeugte mechanische Effect kein Aequivalent für die angewandte Stromstärke ist,
sondern vielmehr eine Function zweier willkürlichen
Veränderungen, nämlich der Magnetenanzahl und der Stromstärke. Um also in der Praxis
irgend einen gegebenen mechanischen Effect durch Elektromagnetismus zu erzielen,
wird man die erste der Veränderlichen bis zu einem gewissen Maximum wachsen, und die
zweite, welche die laufenden Unterhaltungskosten in sich begreift, abnehmen lassen.
Wenn es nun auch von selbst verständlich ist, daß bei der praktischen Ausführung
gewisse, nicht zu überschreitende Gränzen gesteckt sind, so scheint mir doch dieß
der allein richtige Gesichtspunkt zu seyn, aus welchem die Wirkungsfähigkeit aller
nach diesem Princip construirten Maschinen zu beurtheilen ist.
Ehe wir auf die andern beiden, oben angeführten Punkte näher eingehen, ist es
nothwendig einige Worte über die Form der hierbei angewandten Elektromagnete zu
sagen, indem dieselben vor der gewöhnlichen Form den großen Vortheil haben, daß sie
für einem bestimmten magnetischen Effect unter übrigens gleichen Umständen nur halb
so viel Draht erfordern als ein gleich großer Hufeisenmagnet. Figur 14 stellt den
Längsschnitt, Figur
15 den Querschnitt eines solchen Elektromagneten dar. A, B ist ein cylindrischer Kern von weichem Eisen, um
welchen die magnetisirende Drahtspirale gewickelt wird. An seinem unteren Ende bei
B befindet sich ein tellerförmiger Ansatz, der zur
Durchführung der Drahtenden mit zwei Löchern a und b versehen ist. Dieser Eisenkern wird nun in einen ebenfalls aus
weichem Eisen angefertigten Cylinder C, D gesteckt, auf
den bei geschlossener Kette die Drahtwindungen ebenso stark magnetisch vertheilend
wirken als auf den Kern, nur daß die Polarität eine entgegengesetzte ist. Man erhält
also auf diese Weise einen Elektromagneten, bei dem der eine Pol den andern
ringförmig umhüllt. Da nun bei einem galvanischen Stromleiter, rücksichtlich der
magnetischen Vertheilung, keine Seite vor der andern ausgezeichnetansgezeichnet ist, so kommen bei dieser Construction zwei Seiten des Drahtes, die innere
gegen den Kern und die äußere gegen die Umhüllung gewendete zur Wirkung, und es ließ
sich a priori die Bestätigung der oben ausgesprochenen
Behauptung erwarten, wovon ich mich jedoch auch unmittelbar durch einen leicht
anzustellenden Versuch überzeugte. Als Anker werden für diese
„Cylindermagnete“ kreisförmige Eisenplatten angewendet,
deren Durchmesser und Dicke den entsprechenden Dimensionen am Cylinder gleich
sind.
Die oben erwähnten Uebelstände der Induction sind bei dem Treppensystem, wie wir
dieses Princip kurz nennen, aus folgenden Gründen, wenn auch nicht ganz, so doch zum
größten Theile beseitigt. Erstens nehmen die Elektromagnete gar keinen Antheil an
der Bewegung, und zweitens ist die Bewegungsgröße der allerdings momentan in Magnete
verwandelten Anker so gering, daß die Induction auf die darunter befindlichen
Drahtspiralen als verschwindend zu betrachten ist.
Um nun endlich drittens das langsamere Verschwinden des Magnetismus in größeren
Eisenmassen, und das bei vorgelegtem Anker nach Unterbrechung des Stromes
zurückbleibende Residuum zu beseitigen, läßt man unmittelbar, nachdem der letzte
Anker aufgeschlagen hat, durch sämmtliche Elektromagnete momentan einen sehr
schwachen Strom gehen, welcher demjenigen entgegengesetzt ist, der kurz vorher die
Anziehung der Anker bewirkt hatte. Hierdurch wird eine Umkehrung der Polarität, also
auch jedenfalls eine Depression des Residuums bewirkt, wobei natürlich die Stärke
des Depressionsstroms mit der des Attractionsstromes harmoniren muß. Auch hiervon
habe ich mich durch den Versuch auf das Schlagendste überzeugt.
Ein bereits nach diesen Principien construirtes Modell mit einem Schwungrade von 16
Zoll Durchmesser und 22 Pfund Gewicht entspricht allen Erwartungen, obgleich das in
Rede stehende System eigentlich nur auf der untersten Stufe dabei in Anwendung
kommt.