Titel: | Ueber Objectträger aus Canarienglas; von Professor Ernst Brücke. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. CX., S. 439 |
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CX.
Ueber Objectträger aus Canarienglas; von
Professor Ernst
Brücke.
Brücke, über Objectträger aus Canarienglas.
Das Licht eines rein blauen Himmels ist bekanntlich mikroskopischen Beobachtungen
sehr ungünstig. Es liegt auf der Hand, daß nicht allein die geringe Menge des
reflectirten Lichtes, sondern auch dessen Zusammensetzung den nachtheiligen Einfluß
ausübt. Die Krümmungshalbmesser und Abstände der brechenden Oberflächen unserer
Mikroskope sind auf dem Continente gewählt mit Rücksicht auf das weiße oder das
schwach gelbliche Licht, welches von den Wolken reflectirt wird; in England
größtentheils mit Rücksicht auf das gelbrothe mittelst des Durchganges durch ein
Kobaltglas nur theilweise neutralisirte Licht der Gasflamme. Nirgends sind sie mit
specieller Rücksicht auf das blaue Himmelslicht eingerichtet, weil in denjenigen
Ländern, in welchen vorzugsweise mit dem Mikroskope gearbeitet wird, ein ganz
unbewölkter Himmel nicht Regel, sondern Ausnahme ist.
Man weiß ferner, daß das Anschauen einer bis zu einem gewissen Grade gesättigten
Farbe, welche sich über das ganze Sehfeld verbreitet, ermüdend und auf die Dauer
nachtheilig für das Auge ist. Es gilt dieß nicht nur für Roth und Gelb, sondern in
geringerem Grade auch für Blau und Grün. Deßhalb sind die grünen Brillen außer
Gebrauch gekommen und
deßhalb wählt man von den blauen nur noch die schwach gefärbten.
Endlich kann die Lästigkeit und Unbrauchbarkeit des blauen Himmelslichtes für den
Mikroskopiker noch von einem dritten Grunde herrühren. Die gewöhnlichen Bilder
unserer mikroskopischen Objecte sind Schattenbilder, welche auf unsere Netzhaut
fallen. Die Einheit und Deutlichkeit derselben muß also gestört werden, wenn von den
Objecten selbst Licht ausgeht. Oberhäuser gibt deßhalb
seinen Mikroskopen einen Pappschirm mit, der dazu bestimmt ist, bei den schwächeren
Vergrößerungen, bei welchen die Objectivlinse weiter vom Mikroskope entfernt ist,
das auffallende Licht abzuhalten, wenn man mit durchfallendem Lichte arbeitet, damit
das erstere nicht vom Objecte reflectirt werde und so in das Gesichtsfeld
gelange.
Nun wissen wir aus den Untersuchungen von Stokes und Helmholtz, daß pflanzliche und thierische Gewebe nicht
frei von (ächter) innerer Dispersion sind, und wenn dieselbe auch so gering ist, daß
sie im gewöhnlichen gemischten Sonnenlichte gar nicht bemerkt wird, so wäre es doch
nicht gerade hin unmöglich, daß sie mitunter nachtheilig auf das mikroskopische Bild
wirken könnte, wenn in dem einfallenden Lichte die Strahlen von großer Brechbarkeit
ein ungewöhnliches Uebergewicht erlangt haben.
Alle diese verschiedenen Umstände weisen uns an, in dem einfallenden blauen
Himmelslichte die stark brechbaren Strahlen den weniger brachbaren gegenüber
abzuschwächen. Wir können dieß thun, indem wir ein Medium einschalten, welches eine
starke Absorption auf das violette Ende des Spectrums ausübt; unter diesen Medien
aber sind wiederum solche, welche das absorbirte Licht nicht spurlos für das Auge
vernichten, sondern statt seiner Strahlen von größerer Schwingungsdauer aussenden.
Eines der ausgezeichnetsten dieser Medien ist das Canarienglas, und gerade dieses
mußte sich für unseren Zweck besonders empfehlen, da es nach der Beschreibung,
welche Stokes von seinen optischen Eigenschaften gibt,
den gemachten Anforderungen entsprechen mußte, und da es überall leicht und
verhältnißmäßig wohlfeil im Handel zu bekommen ist.
Die angestellten Versuche entsprachen den Erwartungen vollkommen. Objectträger von
Canarienglas verbessern das blaue Himmelslicht beträchtlich; ja selbst wenn man das
von weißen Wolken reflectirte Licht zur Disposition hat, ist es in einzelnen Fällen,
deren Bedingungen noch nicht näher erforscht sind, angenehmer mit ihnen zu arbeiten
als mit Objectträgern von gewöhnlichem Glase. Des Verfassers Objectträger aus
Canarienglas von mittlerer Farbe sind 2–3 Millim. dick. Die dickeren derselben leisten
bessere Dienste als die dünneren; voraussichtlich können also solche von 3–4
Millim. Dicke mit Vortheil verwendet werden. (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu Wien, mathematischnaturwissenschaftliche Classe, Bd. XXI S.
430.)