Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. , S. 461 |
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Miscellen.
Miscellen.
Ueber die Vorzüge des Zusammenwirkens zweier oder mehrerer
Motoren auf die gemeinschaftliche Betriebswelle einer Fabrik; von Gerhard Uhlhorn.
Gegenwärtig werden noch viele Etablissements durch Wasser- und Dampfkraft oder
durch mehrere Dampfmaschinen getrennt betrieben, weil man in Ermangelung einer
zweckentsprechenden beweglichen Kuppelung eine Verbindung
genannter Motoren in manchen Fällen nicht wagen durfte. Dieses veranlaßte mich. über
eine derartige Vorrichtung nachzudenken, und ist es mir gelungen selbige in
zweifacher Weise herzustellen, so daß sie nunmehr allen Anforderungen der
Zweckmäßigkeit und Gefahrlosigkeit entspricht.
Daher wurden mir bereits in Preußen, Oesterreich, Sachsen, Bayern, Württemberg, Baden
und Frankreich die verlangten Patente unter Anerkennung der sinnreich einfachen
Construction ertheilt und bei der Pariser Ausstellung eine Medaille verliehen,
nachdem die Jury meine Vorrichtung, dem bestehenden Pover-Quertier'schen Sperrklinkensystem gegenüber, als bedeutende
Verbesserung, respective neue Erfindung, anerkannt hatte. Aus diesen Gründen erlaube ich
mir die geehrten Industriellen auf die Nützlichkeit einer solchen Verbindung
aufmerksam zu machen und darauf eine Motivirung der Vorzüge meiner Erfindung, vor
dem in Frankreich erfundenen Sperrklinkensystem folgen zu lassen
1) Haben zwei Motoren, ein Wasserrad (Turbine) und eine Dampfmaschine, hinreichend
oder mehr Kraft als zum Betriebe eines Etablissements nöthig ist, so behalten sie,
durch diese bewegliche Kuppelung verbunden, eine viel gleichmäßigere Geschwindigkeit
bei, als wenn jede für sich wirkt, welches oft von großem Vortheil ist.
So wird z.B. in einer Spinnerei bei gleichmäßiger Geschwindigkeit das Zerreißen der
Fäden viel weniger vorkommen, als bei abwechselnder.
Daß zwei, durch diese bewegliche Kuppelung verbundene Motoren eine gleichmäßigere
Geschwindigkeit beibehalten, als bei getrenntem Betriebe erreicht wird, hat seine
Ursache darin, daß sich beide Kräfte gleichsam ergänzen.
Ist mehr als die erforderliche Kraft, z.B. durch Ueberfluß an Wasser, vorhanden, so
wird, wenn die Hauptbetriebswelle schneller als die mittlere Geschwindigkeit geht,
der Regulator den Dampf absperren und dadurch die gewünschte Geschwindigkeit bald
hergestellt seyn.
Ist dagegen wenig Wasser vorhanden und fängt deßhalb die Betriebswelle an langsamer
zu gehen, so wird der Regulator mehr Dampf einströmen lassen und sehr schnell die
mittlere Geschwindigkeit hergestellt seyn, so lange beide Kräfte nur ausreichend
sind.
Außerdem ist es ersichtlich, daß beim An- und Absetzen von Maschinen sich die
Geschwindigkeit zwei verbundener Motoren nicht in dem Verhältniß vermindern oder
vergrößern wird, als bei jedem einzeln für sich wirkenden.
Z.B. Ich habe eine Wasserkraft von vierzig Pferden und eine Dampfmaschine von
derselben Stärke. Setze ich beim getrennten Betriebe Maschinen, welche zehn
Pferdekraft erfordern, auf einmal an oder ab, so wird die Schwankung in der
Geschwindigkeit doppelt so groß seyn, als wenn beide Motoren durch die bewegliche
Kuppelung verbunden sind.
2) Bei der Verbindung von Wasser- und Dampfkraft werden, falls Ueberfluß an
Wasser vorhanden ist, Kohlen erspart, indem, wie schon im vorigen Paragraphen
erwähnt, der Regulator alsdann den Dampf spärlicher zustießen läßt, wohingegen beim
Einzelbetriebe dieses Wasser nutzlos verloren geht.
3) Ist eine Verbindung zweier oder mehrerer Motoren durch diese bewegliche Kuppelung
hergestellt, so wird jeder beliebig still gesetzt werden können, ohne daß dadurch
die Bewegung der andern im Geringsten behindert würde. Dieses ist wichtig für
Fabrikbesitzer, welche, sich auf die Stärke ihres Betriebwerks verlassend, zwei oder
mehrere Motoren direct ohne bewegliche Kuppelung verbunden haben. Kommt ein
Hinderniß bei einem vor, so müssen die anderen still stehen oder denselben
mitschleppen, welcher Nachtheil durch meine VorrichtungVorichtung beseitigt würde.
Motivirung der Vorzüge meiner beweglichen Kuppelung, dem in
Frankreich erfundenen Poyer-Quertier'schen Sperrklinkensystem
gegenüber.
1) Wirken in meinen Vorrichtungen die Hebel im Kreise concentrisch rechtwinkelig
gegen die Vertiefungen im umschließenden Radkranz, welches der wesentlichste Vorzug
vor dem Sperrklinkensystem ist.
Bei letzterem erfolgt die Wirkung der Knaggen des Hülfsmotors excentrisch unter einem
stumpfen Winkel auf das Zahnrad des Hauptmotors, wodurch die Knaggen in dieses Rad
gewaltsam eingreifen und förmlich in dessen Zähnen wühlen, was sich während der
zweitägigen Wirksamkeit dieser Vorrichtung in der am hiesigen Platze befindlichen
Baumwollspinnerei schon sehr bemerkbar machte.
2) Ueben die Knaggen im Sperrklinkensystem einen schiefen Seitendruck gegen ihre
Zapfen aus, wodurch bei großer Kraftanwendung das Ganze fortwährend erzittert und
diese Zapfen oft abbrechen.
Solches zeigte sich nach Mittheilung des Hrn. Riedinger,
vormaligen Directors der Augsburger mechanischen Spinnerei und Weberei, welche eine
Wasser- und
Dampfkraft van zusammen circa 240 Pferden hat, wo dieses
Abreißen gleich erfolgte und die Vorrichtung verworfen werden mußte.
Bei meiner Construction ist es gestattet, den Hebeln (Knaggen) eine solche Breite und
Dicke zu geben, ohne deßhalb das Gewicht des Ganzen bedeutend zu erhöhen, daß dieser
Uebelstand nicht vorkommen kann.
3) Erfordern diese Vorrichtungen vermöge ihrer zweckmäßigeren Construction nicht so
viel Masse als die Sperrklinken.
Außer diesen Uebelständen erhitzen sich wegen des excentrischen Drucks die
Wellenlager schneller und mußten selbige in hiesiger Spinnerei während der kurzen
Wirksamkeit der Sperrklinken-Vorrichtung öfter als vorher geschmiert
werden.
Grevenbroich, bei Köln am Rhein, im Mai 1857.
Die bewegliche Kuppelung des Mechanikers und Kratzenfabrikanten Hrn. Gerhard Uhlhorn ist in der Baumwollspinnerei der HHrn. Pferdmenges und Schmölder zu Elfenmühle bei Grevenbroich bereits seit sieben Monaten in Anwendung, wo sie dazu dient, zwei Turbinen, jede von
50 Pferdekräften, nebst einer Dampfmaschine von 25 Pferdekräften zu verbinden. Die
Dampfmaschine kann bei einer Geschwindigkeit der Hauptwelle von 120 Umgängen per
Minute plötzlich still gestellt, und auch wieder angesetzt werden, ohne die
geringste Erschütterung oder Stöße zu veranlassen. Die Besitzer des Etablissements
erklären, daß sich die Vorrichtung während jener Zeit so bewahrt hat, daß sie in
keiner Beziehung etwas zu wünschen übrig läßt.
Ferner ist die Uhlhorn'sche Kuppelung gegenwärtig (Mai
1857) bereits seit sechs Wochen in der Fabrik der HHrn. Ermen und Engels zu Engelskirchen in Gebrauch, welche durch sechs Motoren betrieben wird, nämlich durch zwei Dampfmaschinen, eine von 120,
die andere von 60
Pferdekräften, und durch vier Turbinen, zwei von je 80, eine von 62 und eine von 25
Pferdekräften Die Besitzer des Etablissements erklären, daß die Kuppelung ihren
Zweck vollkommen erfüllt und während jener Zeit nicht die geringste Unregelmäßigkeit
statt gefunden hat, obgleich die Vorrichtung täglich wirken mußte.
Für Walzwerke, überhaupt für alle Motoren von ungleicher Geschwindigkeit, sind die
Uhlhorn'schen Vorrichtungen offenbar mit vielem
Vortheil anzuwenden.
Die Redaction.
Sanderson's Verfahren zum Feinen des Roheisens.
Bisher hat man dem flüssigen Roheisen mit großem Vortheil sauerstoffhaltige erdige
oder alkalische Salze, gemengt mit Braunstein und Thon, zugeschlagen, um (nach der
Erklärung des Processes von Fuchs, polytechn. Journal
Bd. LXV., S. 201) durch das sich
bildende Eisenoxyd die Oxydation der fremdartigen Bestandtheile (Silicium,
Aluminium, Schwefel, Phosphor, Arsenik) zu bewirken, welche dann in die Schlacke
gehen, worauf das Roheisen in einem viel reineren Zustande abgestochen werden
kann.
C. Sanderson in Sheffield ließ sich zu diesem Zweck am 24.
Novbr. 1855 die Anwendung des Eisenvitriols patentiren,
welchen er als höchst wirksam vorzieht.
Das zu feinende Roheisen wird entweder in einem Flammofen umgeschmolzen, oder es wird
sogleich aus dem Hohofenherde in den Ofen abgelassen. Das Feinen muß aber in einem
Flammofen bewirkt werden, und der Eisenvitriol wird zugeschlagen, sobald die auf der
Oberfläche des flüssigen Roheisens schwimmenden Schlacken abgezogen worden sind; zur
bessern Vermischung rührt man das Eisen mit dem Vitriol um.
Die zum Feinen einer Tonne Roheisen erforderliche Menge von Eisenvitriol beträgt 20
bis 40 Pfund; halbirtem Frischroheisen schlägt man im flüssigen Zustande 20 Pfund
Eisenvitriol zu; grauem Roheisen 40 Pfund; grauem Gießerei-Roheisen Nr. 1
noch mehr.
Man läßt den Eisenvitriol beiläufig eine Stunde lang auf das flüssige Roheisen
einwirken; der Arbeiter erkennt das Ende des Processes an der Verdickung und dem Teigigwerden des Eisens.
Das gereinte Eisen kann dann abgelassen werden, während die Unreinigkeiten in der
Schlacke mit ausfließen oder auf dem Ofenherde zurückbleiben. Ein solches
Fein- oder Reineisen gibt beim Verpuddeln ein weit besseres Stabeisen. (Civil Engineer and Architect's Journal, Dec 1856, S.
421.)
Verfahren zum Vergolden und Versilbern des Gußeisens, von Hrn.
Delmas zu Paris.
Das Gußeisen, Schmiedeeisen etc. wird nach dem Abbeizen in einem Kupfervitriolbade
mittelst der galvanischen Batterie mit einer Kupferschicht überzogen, dann gehörig
erhitzt und zugerichtet, wornach man das Blattgold oder Blattsilber auf dem
Gegenstande anbringt; letzteres kann dann mit dem Polirstahl polirt werden, ohne daß
es zerreißt. (Armengaud's
Génie industriel, Juni 1857, S. 329.)
Ueber die Bildung von salpetriger Säure aus Ammoniak; von Dr. K. Tuttle.
Eine blaue Auflösung, welche entstanden war, indem metallisches Kupfer mit Ammoniak
und Luft in Berührung blieb, ließ man zufällig mehrere Monate lang offen stehen,
wodurch sie zu einer Masse eintrocknete, die wie kohlensaures Kupferoxyd aussah. Als
diese mit Salzsäure übergossen wurde, brauste sie stark auf, indem sich zugleich
eine Menge rother Dämpfe von salpetriger Säure entwickelten. Diese Erscheinung ließ
vermuthen, daß sich in diesem Falle die salpetrige Säure aus dem Stickstoff von
Ammoniak gebildet habe, was sich auch durch die folgenden Versuche bestätigt
hat.
Fein geschnittene Späne von blankem, sehr dünnem Kupferblech wurden in einer Schale
mit so viel concentrirtem Ammoniak übergossen, daß sie gleichzeitig noch mit der
Luft in Berührung blieben. Das Ammoniak war frei von salpetriger oder Salpetersäure.
Die Schale wurde mit einer Glasglocke überdeckt und blieb mehrere Tage lang stehen.
Die entstandene tiefblaue Flüssigkeit wurde dann durch Erwärmen vom Ammoniak
befreit, mit geprüfter reiner Schwefelsäure versetzt und destillirt, indem die
Dämpfe in reiner Kalkmilch aufgefangenanfgefangen wurden. Aus dieser wurde durch Kohlensäure alles freie Kalkhydrat gefällt,
die Flüssigkeit filtrirt und vorsichtig zur Trockne verdunstet. Es blieb eine kleine
Menge eines farblosen, zerfließlichen Salzes zurück, welches sich wie
salpetrigsaurer Kalk verhielt. Mit Schwefelsäure entwickelte es eine Menge
gelbrother Dämpfe von salpetriger Säure.
Eine an salpetriger Säure reichere Flüssigkeit wurde erhalten, als Ammoniak durch
einen mit einem Asbestpfropfen lose verschlossenen und mit feinen blanken
Kupferblechstreifen gefüllten Trichter fließen gelassen und die ablaufende
Flüssigkeit wiederholt auf das Kupfer gegeben wurde.
Um zu entscheiden, ob die Bildung der salpetrigen Säure vielleicht erst nach der Oxydation des Kupfers vor sich geht, bereitete
ich eine Lösung von Kupferoxydhydrat in Ammoniak und ließ dieselbe einige Wochen
lang an der Luft stehen. In diesem Falle aber war keine Spur von salpetriger Säure
zu entdecken. – Dagegen bildeten sich Spuren dieser Säure, als eine farblose
Auflösung von Kupferoxydul dem Einfluß der Luft ausgesetzt und dabei, wie bekannt.
blau wurde.
Es ist also klar, daß die Oxydation des Ammoniaks gleichzeitig
mit der des Kupfers statt findet und von dieser bedingt wird. Nach Schönbein müßte man annehmen, daß hierbei das Kupfer den
Sauerstoff der Luft in Ozon verwandelt. (Annalen der Chemie und Pharmacie, März
1857, S. 283.)
Anwendung von schwefelsaurem Bleioxyd statt Bleiweiß in der
Spitzenindustrie; von H. Masson.
In der Spitzen-Industrie benutzt man Bleiweiß, theils um beschmutzten Spitzen
wieder das Ansehen von neuen zu geben, theils um die Spuren der Finger verschwinden
zu machen und so die Verbindung der Dessins zu verstecken (namentlich bei den
Spitzen welche man applications de Bruxelles nennt).
Vorzüglich bei der letztern Operation müssen die Arbeiterinnen, wenn sie ein Stück
fertig haben, dasselbe mit Bleiweiß bestreuen, von welchem sie dabei immer eine
gewisse. Menge einathmen. Diese Arbeit wiederholt sich bei ihnen fortwährend, und
ihre Gesundheit leidet sehr darunter. Dieß ist so wohl bekannt, daß die Fabrikanten
trotz des hohen Lohns den sie zahlen, nur schwer Arbeiterinnen finden. Man muß daher
offenbar die Benutzung des Bleiweißes für diesen Zweck aufgeben und statt desselben
eine andere Substanz anwenden. Ich habe gefunden, daß das schwefelsaure Bleioxyd,
welches jedenfalls bei weitem nicht so schädlich wirkt wie das Bleiweiß, dazu
vorzüglich geeignet ist. (Comptes rendus, März 1857, Nr.
13.)
Mittel, um Gewebe etc. unverbrennlich zu machen; von H. Masson.
Eine Auflösung von neutralem weinsteinsaurem Ammoniak kann nach Wöhler eine sehr große Menge schwefelsaures Bleioxyd auflösen, wenn die
Temperatur der Flüssigkeit 80° R. beträgt. Ein mit dieser heißen Auflösung
des Bleisalzes getränktes Gewebe läßt sich nur sehr schwierig entzünden; setzt man
es aber einige Zeit einer ziemlich hohen Temperatur aus, so verbrennt die organische
Substanz vollständig zu Asche, indem sie einen Rauch von stechendem Geruch gibt.
Um Gewebe, Holz etc. vollkommen unverbrennlich zu machen, empfehle ich das Doppelsalz
von Chlorcalcium und essigsaurem Kalk, welches man in Krystallen erhält, wenn man
gleiche Gewichte Chlorcalcium und essigsauren Kalk zusammen auflöst und die Lösung
langsam verdunsten läßt. Diese Krystalle bestehen aus CaCl + CaO,
C⁴H³O³ + 10 aq. Man kann sie in Wasser auflösen, muß aber dabei
vorsichtig verfahren, weil das Doppelsalz durch Wasser leicht zum Theil zersetzt
wird. Am leichtesten wird der Zweck erreicht, indem man die Krystalle in der Wärme
in Ammoniak auflöst. Um einen Stoff unverbrennlich zu machen, tränkt man ihn mit
dieser oder auch mit der wässerigen Lösung, und trocknet ihn hernach. (Comptes rendus, März 1857, Nr. 13.)
Ueber das Erschweren und Färben der Seide; von Dr. J. R. Wagner, k.
Universitäts-Professor in Würzburg.
Lebaillif und Lassaigne
Journ. de chim. médic., Febr. 1831, S.
92; polytechn. Journal Bd. XL. S.
147. haben bereits vor 27 Jahren die Beobachtung gemacht, daß gewisse
stickstoffhaltige organische Substanzen durch eine Lösung von salpetersaurem
Quecksilberoxyd-Oxydul eine schön carmosinrothe Färbung annehmen. Es wurde
diese Eigenschaft wahrgenommen an Eiweiß, Caseïn, Horn, Nägeln, Haut, Wolle,
Seide etc., kurz an allen Substanzen, welche man heutzutage mit dem Namen der
Proteïnsubstanzen zu bezeichnen pflegt. Diese Beobachtung veranlaßte Lassaigne und Lebaillif, eine
Lösung von salpetersaurem Quecksilberoxyd-Oxydul zum Färben von Seide und Wolle anzuwenden. Es wurde eine tief amaranthrothe Färbung erhalten, wenn
man die Stoffe bei 45–50° C. 10–15 Minuten lang in eine Lösung
eingetaucht hielt, welche auf 1 Theil Quecksilber 2 Theile Salpetersäure von
28° Baumé enthält. Diese Auflösung wird bei gelinder Wärme bereitet
und dann 4–5 Minuten lang gekocht, um einen Theil des Oxyduls in Oxyd zu
verwandeln. Man verdünnt die Flüssigkeit beim Gebrauch mit einem gleichem Volum
destillirten Wassers und bringt die Seide bei der angegebenen Temperatur hinein.
Nach Millon
Compt. rend. t. XXVIII. p. 40; polytechn. Journal Bd.
CXVII S. 317., welcher die genannte Quecksilberflüssigkeit als Reagens auf die
Proteïnsubstanzen in die analytische Chemie einführte, verdankt sie die
Eigenschaft, Proteïnstoffe roth zu färben lediglich ihrem Gehalt an
salpetriger Säure, welche am empfindlichsten wirken soll, wenn sie in einem Gemisch
von Quecksilberoxyd- und Oxydulsalz ausgelöst ist. Ich habe bereits vor
einigen Jahren der Millon'schen Quecksilberflüssigkeit zum Schwarzfärben des Horns
und der Hornkämme
Polytechn. Journal Bd. CXXX S.
412. in der Nürnberger und Fürther Industrie Eingang verschafft. Zu diesem Zwecke
löst man in der Kälte 8 Loth Quecksilber in 8 Loth concentrirter Salpetersäure und
verdünnt die Lösung mit 1 Pfd. Wasser. In diese Lösung legt man die zu beizenden
Kämme und läßt sie darin eine Nacht liegen; sodann wäscht man sie sorgfältig mit
Wasser ab. Die Kämme haben durch diese Behandlung eine rothe Färbung angenommen,
die, wenn die Quecksilberlösung concentrirter war, ins Braune geht, so daß diese
Farbe, wenn sie bloß örtlich hervorgebracht wird, zur Nachahmung von Schildkrot
dienen kann.
Diese rothgebeizten Kämme bringt man in verdünnte Schwefelleberlösung (1 Loth Kalium sulfuratum der Apotheken in 2 Pfd. Wasser gelöst)
und läßt sie höchstens 1–2 Stunden lang darin. Die nun schwarz gefärbten
Kämme werden gewaschen, getrocknet und polirt.
Die achte schön rothe Färbung, welche die obige Quecksilberlösung der Seide ertheilt,
veranlaßte mich, Versuche damit auf Seide und Wolle anzustellen. Ich fand dabei, daß
Seide nicht nur eine Färbung annimmt, welche dem Lichte, der Einwirkung von
verdünnten Säuren, Seife und heißen Wasserdämpfen vollkommen widersteht, sondern daß
das Gewicht der Seide, indem durch das Behandeln mit der Quecksilberlösung
Quecksilber mit der Seidenfaser in Verbindung tritt, beträchtlich zunimmt. Nach den
früheren Versuchen von Lebailliff und Lassaigne hatten 100 Theile weiße, gehörig ausgetrocknete
Seide durch das Färben mit der Quecksilberlösung 17–18,5 Proc. an Gewicht
zugenommen. Ich fand nicht nur diese Angaben bestätigt, sondern auch, daß durch
Wiederholung des Eintauchens und Trocknens der Seide die Gewichtszunahme bis zu 25
Proc. – nach Umständen indessen Wohl noch mehr – betragen kann.
Da die so erhaltene rothe Färbung durch die Einwirkung von verdünnten Lösungen von
Schwefelalkalimetallen durch Bildung von schwarzem Quecksilbersulfuret in eine
dauerhaft schwarze übergeht, so möchte ich auf die Anwendbarkeit der Millon'schen Quecksilberlösung zum Rothfärben und Vorbeizen der Seide, zum Schwarzfärben und
endlich zum Erschweren aufmerksam machen. Zu letzterem
Zweck hat man bereits Schwefelblei, Schwefelwismuth und Schwefelkupfer vorgeschlagen
und angewendetVergl. Ph. David, Handb. der Seidenfärberei; Aarau
1855, S. 328.. Schwefelblei und Schwefelkupfer sind jedoch für diesen Zweck nicht
geeignet; ersteres geht, namentlich wenn das damit gefärbte Zeug oder Gespinnst an
einem feuchten Orte aufbewahrt wird, stellenweise in weißes schwefelsaures Bleioxyd
über, wodurch der schwarze Grund fleckig erscheint; letzteres oxydirt sich schon
größtentheils während des Trocknens zu schwefelsaurem Kupferoxyd Gegen die Anwendung
des Schwefelwismuths ist nichts anzufuhren, es müßte denn der hohe Preis des
Wismuths der Anwendung Schwierigkeiten in dendeu Weg legen. Schwefelquecksilber zeichnet sich bekanntlich dadurch aus, daß
es, neben tief schwarzer Farbe, von Säuren nicht angegriffen wird und ein sehr hohes
specifisches Gewicht besitzt – Eigenschaften, welche bei der Anwendung der
Quecksilberlösung zum Schwarzfärben und zum Erschweren der Seide von Belang
sind.
Wolle nimmt durch die Millon'sche Quecksilberflüssigkeit gleichfalls eine rothe Färbung mit einem
Stiche ins Gelbbraune an, welche durch Schwefelalkalien in Braunschwarz übergeführt
wird. Die Gewichtszunahme der Wolle ist aber so beträchtlich, und die Färbemethode
dadurch eine so kostspielige, daß an eine technische Anwendung der
Quecksilberlösung, was die Wolle betrifft, nicht gedacht werden kann.
Baumwolle nimmt, nachdem sie durch das Broquette'sche Verfahren mit Hülfe von Caseïn-Ammoniak animalisirt worden ist,
beim Behandeln mit der Quecksilberlösung gleichfalls eine rothe Färbung an. Bei
dieser Gelegenheit eine Frage an den Färber und Kattundrucker. Sollte es nicht
möglich seyn, den Zinnober, der bekanntlich bis jetzt in
der Färberei und Druckerei noch nicht angewendet werden konnte, dadurch auf der
Faser zu fixiren, daß man die Zinnoberbildung auf nassem
Wege in und auf der Faser selbst vor sich gehen läßt, vielleicht durch
Vorbeizen mit weißem Quecksilberpräcipitat (NH₂
Hg₂ Cl aus Quecksilberchlorid und Ammoniak erhalten) und nachheriges
Behandeln mit Schwefelleberlösung? (Würzburger gemeinnützige Wochenschrift, 1857,
Nr. 22.)
Ueber das Vorkommen der Rosolsäure im Steinkohlentheer; von S.
Tschelnitz, technischem Chemiker.
Bei den vielfältigen Untersuchungen, denen der Theer durch die tüchtigsten Chemiker
unterzogen wurde, gelang es eine Menge von Körpern aus demselben abzuscheiden.
Einige davon sind genau studirt, bereits in der Industrie eingeführt und finden
theils direct, theils indirect im großen Maaßstabe Anwendung; ich erwähne hier das
Steinkohlentheeröl, das Benzin, Paraffin, Kreosot, das Nitrobenzin, die Pikrinsäure.
Andere Körper hingegen, wie die Rosolsäure, wurden noch wenig untersucht und bloß
dem Namen nach bekannt.
In der Fabrik von Destillationsproducten des Theers von Hrn. C. König zu St. Veit bei Wien hatte ich mehrfach Gelegenheit die Bildung der
rosolsauren Verbindungen im Großen zu beobachten, worüber ich hier einiges
mittheile.
Die Rosolsäure zeichnet sich hauptsächlich dadurch aus, daß sie mit Alkalien leicht
Verbindungen eingeht, welche prachtvoll roth gefärbt sind. In Fabriken, wo
Steinkohlentheer verarbeitet wird, hat man häufig Gelegenheit Kalkstücke, mit Mörtel
überworfene Ziegelsteine etc. an gewissen Stellen mit dem schönsten Roth bekleidet
zu sehen, was sich dadurch erklärt, daß die Rosolsäure mit dem vorhandenen Alkali,
hier hauptsächlich Kalk, zu der rothen Verbindung Veranlassung gibt. Sind die
Umstände (hinsichtlich des Theeröls, des Alkalis und der vorherrschenden Wärme)
besonders günstig, so findet man diese rothen Verbindungen äußerst schön und in
großer Menge vor.
Gelinde Wärme und Feuchtigkeit beschleunigen sehr die Bildung der rothen
Verbindungen, und ich hatte oft Gelegenheit zu bemerken, wie bei frischen
Kesselmauerungen gewisse Stellen, die zufälliger Weise mit Theeröl in Berührung
gebracht, eine schwach röthliche Farbe zeigten, mit der Zeit durch den Einfluß der
Wärme intensiv roth erschienen.
Die auf erwähnte Weise erhaltene trockene rothe Masse diente mir als rohes Material
zur Darstellung von Rosolsäure und deren Verbindungen. Man kann nun fragen:
Läßt sich die Rosolsäure auf ökonomische Weise im Großen darstellen? Kann dieselbe in
den Künsten und Gewerben mit Vortheil Verwendung finden?
Die erste Frage muß unbedingt bejaht werden, indem man auf leichte Weise in
beliebiger Menge, und zwar mit zwei wohlfeilen Körpern, Theeröl und Kalk, die
Kalkverbindung (rosolsauren Kalk) darstellen und daraus leicht die Rosolsäure
abscheiden kann.
Bei der Anwendung des Rohmaterials zur Abscheidung der Rosolsäure, welches man, wie
aus dem früher erwähnten zu ersehen, durch Zusammenbringen von schwerem Theeröl mit
Kalkmilch und Aussetzen des Gemisches unter fleißigem Umrühren, in einer gleichmäßig
gelinden Wärme leicht darstellen kann, hat man hauptsächlich darauf zu sehen, daß
die rothe Masse vollkommen trocken, mithin möglichst frei von den andern öligen
Körpern sey. Zur Abscheidung der Rosolsäure ans dem rohen Materiale wurden die
reinsten und am meisten roth gefärbten Stücke ausgesucht, gepulvert, durch ein Sieb geschlagen, um
Steinchen und andere gröbere Theilchen zu entfernen, hierauf in einer
Porzellanschale mit Wasser übergosten und in kleinen Antheilen Schwefelsäure
hinzugefügt; es entstand ein starkes Aufbrausen von entweichender Kohlensäure unter
Bildung von schwefelsaurem Kalk, während der gebunden gewesene Farbstoff mit den zum
Theil noch vorhandenen öligen Körpern in Form eines bräunlich rothen Häutchens an
der Oberfläche der Flüssigkeit erschien und abgenommen wurde. Diese Operation
wiederholte ich so lange, bis eine genügende Menge des braunrothen Körpers sich
abgeschieden hatte. Die gesammelte Masse wurde so lange mit Wasser gekocht, als sich
noch ölige Körper verflüchtigten, dann abfiltrirt, mit Wasser ausgewaschen und mit
Weingeist behandelt, wodurch die Rosolsäure, nebst der Brunolsäure, welche Runge zuerst beschrieb, in Lösung kam, welch letztere
beim Abfiltriren als braunrothe Flüssigkeit, in dünnen Schichten röthlich gelb
erschien.
Die alkoholische Lösung gab mit Alkalien und alkalischen Erden zusammengebracht,
überraschend schöne rothe Lösungen, wobei die mit Kalk hervorgebrachte mehr
rosenroth, hingegen die durch Kali, Natron, Ammoniak erzeugten, dunkelviolett
gefärbt waren.
Um die Rosolsäure rein darzustellen, kann man nach der von Runge angegebenen Methode verfahren, nämlich die wie oben erhaltene,
weingeistige Lösung mit Kalkmilch vermischen, wobei eine schön rosenroth gefärbte
Flüssigkeit von rosolsaurem Kalk entsteht, aus der man nach dem Abfiltriren die
Rosolsäure mit Essigsäure fällt. Dieses Verfahren, nämlich das Zersetzen durch
Säuren und das Wiederauflösen mit Kalkmilch ist so oft zu wiederholen, als noch ein
brauner Rückstand von Brunolsäure bemerkbar ist. Die Rosolsäure wird dann auf einem
Filter gesammelt und nach dem Aussüßen und Trocknen in Weingeist gelöst, den man der
freiwilligen Verdunstung überläßt, oder es wird die Lösung von rosolsaurem Kalk
etwas eingedampft, mit etwas Alkohol vermischt und krystallisiren gelassen. Die
abgesonderten gefärbten Krystalle von rosolsaurem Kalk sind durch wiederholtes Lösen
in Wasser, Abdampfen, Zerlegen mit Essigsäure und Wiederauflösen in Kalkmilch zu
reinigen Zuletzt scheidet man die Rosolsäure aus dem Kalksalze ab.
Ein abgeändertes Verfahren, welches ich bei der Gewinnung der Rosolsäure aus dem
Rohmaterials anwendete, besteht darin, daß ich letzteres im gepulverten Zustande
mehrmals mit Wasser behandelte, die roth gefärbten Lösungen filtrirte und das
Filtrat mit Schwefelsäure versetzte, wodurch in der Flüssigkeit eine starke Trübung
entstand und sich eine reichliche Menge bräunlich rother Flecken abschieden, welche
gesammelt und wie früher behandelt wurden.
Die Rosolsäure stellt eine orangerothe Masse dar, die sich wie ein Harz verhält; sie
wird nämlich in der Wärme weich, ist in Wasser unlöslich, dagegen leicht löslich in
Alkohol und Aether. Die Lösung wird, wie erwähnt, mit Alkalien zusammengebracht,
prachtvoll roth gefärbt. Die Verbindungen der Rosolsäure mit Kalk, Kali, Natron,
Ammoniak u.s.w. lösen sich in Wasser ebenfalls mit schön rother Farbe.
Was die zweite Frage betrifft, nämlich die Anwendung der Rosolsäure in den Künsten
und Gewerben, so haben meine bisherigen Versuche gezeigt, daß die Farbe sehr
unbeständig ist, daher kaum Anwendung finden dürfte. (Aus dem Jännerhefte 1857 der
Sitzungsberichte der k. k. Akademie der Wissenschaften.)