Titel: Untersuchungen über der Einfluß des assimilirbaren Stickstoffes im Dünger auf die Produktion der vegetabilischen Substanz; von Hrn. Boussingault.
Fundstelle: Band 146, Jahrgang 1857, Nr. XVII., S. 63
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XVII. Untersuchungen über der Einfluß des assimilirbaren Stickstoffes im Dünger auf die Produktion der vegetabilischen Substanz; von Hrn. Boussingault. Aus den Comptes rendus, t. XLIV p. 940, durch das chemische Centralblatt, 1857, Nr. 37. Ueber den Einfluß des Stickstoffs im Dünger auf die Product. der vegetabil. Substanz. In seiner Abhandlung „über die Wirkung des Salpeters auf die Vegetation“ (polytechn. Journal Bd. CXL S. 140) wies der Verf. nach, wie groß die Bedeutung des Salpeters für die Vegetation ist. Es zeigte sich bei Versuchen mit Helianthus und einer Kresse (Cresson alenois), daß diese Pflanzen bei der Düngung mit Salpeter eine beträchtliche Menge stickstoffhaltige organische Substanz erzeugten. Diese Versuche waren so angestellt, daß noch Zweifel hinsichtlich der Wirkung des Salpeters insofern übrig blieben, als bei den Versuchen mit Helianthus die mit Salpeter gedüngten in diesem Salze Kali genug bekamen, während es bei den zur Vergleichung ohne Salpeter aufgezogenen nicht ausgemacht war, ob nicht der bloße Mangel an Kali allein sie gegen jene zurückgehalten habe, und in wie weit andere Mineralsalze, namentlich der phosphorsaure Kalk, dabei von Einfluß waren. Zur Vervollständigung dieser Arbeit hat der Verfasser Helianthus agrophyllus an freier Luft, geschützt vor Regen, in einem Boden cultivirt, der aus gebranntem Thone und Quarzsand gemengt war. Jedesmal wurden 3 Versuche Vergleichungsweise gemacht. A. Der Boden bekommt gar keinen Zusatz. B. Man setzt demselben basisch-phosphorsauren Kalk, Pflanzenasche und Salpeter zu. C. Man gibt dem Boden dieselben Zusätze wie in B., aber keinen Salpeter, dafür aber so viel zweifach-kohlensaures Kali, daß dadurch gerade so viel Kali in den Boden kam, als der Salpeter in B. hineinbrachte. Diese Versuche haben Folgendes ergeben: 1) Der phosphorsaure Kalk, die Salze der Alkalien und alkalischen Erden, die zur Konstitution der Pflanzen absolut nothwendig sind, wirken als Zusätze zu dem Boden gar nicht auf die Vegetation der Pflanze, wenn nicht zu gleicher Zeit eine Substanz im Boden vorhanden ist, die der Pflanze assimilirbaren Stickstoff liefert. 2) Die stickstoffhaltigen assimilirbaren Materien der Atmosphäre treten in viel zu geringer Menge in den Kreislauf der Vegetation mit ein, als daß sie eine schnelle und kräftige Vegetation bedingen könnten. 3) Der Salpeter, wenn er mit phosphorsaurem Kalke und kieselsaurem Kali zugleich angewandt wird, wirkt wie ein vollkommener Dünger. Die Helianthus, die damit gedüngt waren, gediehen eben so gut wie die in einem mit gutem Stalldünger gedüngten Garten erbauten. Als bemerkenswerth hebt der Verfasser am Schlüsse noch hervor, daß Pflanzen, deren Wurzeln in ausgeglühtem Sande wachsen, der statt organischer faulender Ueberreste ganz reine Mineralsalze von bestimmter chemischer Zusammensetzung enthält, wie Salpeter, basisch-phosphorsauren Kalk und Alkalisilicate, doch fortwachsen, ihre organische Substanz vermehren, indem sie die Kohlensäure zersetzen und die Elemente des Wassers aufnehmen, und damit, indem sie den Stickstoff des Salpeters in andere Verbindungen überführen, Albumin, Casein etc., d.h. die stickstoffhaltigen näheren Bestandtheile der Milch, des Fleisches etc. erzeugen. Deßhalb ist wahrscheinlich die Gleichartigkeit der Wirkung der Mineralsalze und der des Stalldüngers viel größer als man glaubt. So, meint der Verfasser, gerathe der Dünger durch die Fäulniß und Veränderung, die er an der Luft erleidet, im Grunde bloß in einen solchen Zustand, daß er als ein Material anzusehen sey, welches alle den Pflanzen nothwendigen Alkalien, alkalischen Erden und mit diesen zugleich in Form von Ammoniak und Salpeter assimilirbaren Stickstoff zuführe. In der Einleitung zu dieser Abhandlung schildert der Verf. noch das Verhalten einiger Pflanzen nach Erfahrungen, die er früher gemacht und mit Vorstehendem nicht gerade in unmittelbarem Zusammenhange stehen. Es gibt nämlich Pflanzen, die von der Gegenwart assimilirbaren Stickstoffes im Boden so abhängig sind, daß man ihre Zunahmen an Gewicht als Maaßstab für das im Boden ihr gebotene Düngerquantum annehmen kann. Es sind Pflanzen, deren Eiweißgehalt im Samen fast unwägbar ist, wie Mimulus speciosus, Tabacumarten etc. Diese Samen entwickeln sich in sterilem Boden bis zu den Primordialblättern und verharren in diesem embryonären Zustande, bis sie Dünger erhalten, der erst das stickstoffhaltige Gewebe erzeugt, ohne das sie keine Function der Vegetation verrichten können. Solche Art der Keimung beobachtete der Verf. 1854 zuerst bei Samen, deren Gewicht 1/17–1/68 Milligrm. beträgt, wie die von Calandrina umbellata. und Campanula baldensis. Außerdem beobachtete der Verf., daß Samen von 2–3 Milligrm. Gewicht, wie die Kresse etc., in absolut sterilem Boden Pflanzen erzeugen, bei denen alle Organe sich ausbilden, deren Gewicht aber nach Monaten, wenn sie an freier Luft, und noch entschiedener, wenn sie in einer begränzten Atmosphäre vegetiren, nicht viel mehr beträgt als das des Samens. Die Pflanzen bleiben ganz zart, ihr Same hat offenbar gerade so viel Stickstoff, daß bei Ausschluß von eigentlichem Dünger (fumier) eine zwar vollständige Pflanze erzeugt wird, die aber in allen Dimensionen verjüngt erscheint, sie kann wachsen, blühen und Samen tragen, der nichts weiter als einen fruchtbaren Boden bedarf, um wieder eine gute normale Pflanze zu erzeugen. Solche Pflanzen nennt der Verf. begränzte Pflanzen (plante limite).