Titel: Ueber das Blutlaugensalz, ein Beitrag zur nähern Kenntniß der Schmelzmethode in Flammöfen, und Beschreibung einer neuen Darstellungsweise; von Dr. C. Karmrodt, Director der landwirthschaftlich-chemischen Versuchsstation für Rheinpreußen, zu St. Nicolas, Regbzk. Düsseldorf.
Fundstelle: Band 146, Jahrgang 1857, Nr. LXXI., S. 294
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LXXI. Ueber das Blutlaugensalz, ein Beitrag zur nähern Kenntniß der Schmelzmethode in Flammöfen, und Beschreibung einer neuen Darstellungsweise; von Dr. C. Karmrodt, Director der landwirthschaftlich-chemischen Versuchsstation für Rheinpreußen, zu St. Nicolas, Regbzk. Düsseldorf. Im Auszug aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1857 S. 153. Mit einer Abbildung auf Tab. V. Karmrodt, über Darstellung des Blutlaugensalzes. I. Ursachen des Verlustes an Cyankalium bei der gewöhnlichen Schmelzmethode in Flammöfen. Als Feuerungsmaterial dient vornehmlich Rothbuchenholz; Weißbuchenholz ist weniger geeignet, weil es keine gute Flamme gibt. Das Holz muß so trocken als möglich seyn, namentlich dasjenige, welches während der Periode des Eintragens der Thierstoffe zur Heizung dient. Ich habe mich durch mehrjährige Erfahrungen überzeugt, daß wenn nicht ganz trocknes Holz und sogar unter Umständen in besondern Räumen getrocknetes Holz zum Schmelzen verwendet wurde, die Ausbeute an Blutlaugensalz stets um einige Procente geringer war; daraus muß man schließen, daß die Wasserdämpfe welche bei der Verbrennung von feuchtem Holze über das gebildete Cyankalium geführt werden, dasselbe zerlegen. Der directe Versuch Wasserdämpfe über glühendes Cyankalum zu leiten, bestätigt dieß. Es entweicht dabei eine große Menge Ammoniak und der geglühte Rückstand enthält kein Cyan mehr. Jedenfalls bewirken aber auch die übrigen, beim Verbrennen des Holzes auftretenden Gase, wenn sie über schmelzendes Cyankalium geführt werden, Zersetzungen, die der Fabrikant nicht vermeiden kann, und die offenbar bedeutende Verluste herbeiführen. Ich muß mich hier über die Entstehung des Cyankaliums in der Schmelze und die Bildung des Blutlaugensalzes näher auslassen, weil bei diesen Bildungsprocessen viele Fehlerquellen entspringen, welche Verluste veranlassen. Wenn thierische Stoffe, welche Stickstoff enthalten, in die geschmolzene Potasche gebracht werden, so werden sie verkohlt und entwickeln dabei gasförmige Producte, unter denen sich kohlensaures Ammoniak befindet, welches zur Bildung eines kleinen Theiles Cyankalium dient. Es hinterbleibt eine stickstoffhaltige Kohle, welche betrachtet werden kann als eine Verbindung von Kohlenstoff + Cyan (Kohlenstoff + Stickstoff). Der freie Kohlenstoff wirkt reducirend auf das geschmolzene kohlensaure Kali, es wird Kalium gebildet, welches sich mit der vorhandenen Kohlenstickstoffverbindung, dem Cyan, zu Cyankalium vereinigt, und dieß ist der Hauptproceß. Die Potasche ist aber nicht reines kohlensaures Kali, die Thierstoffe nicht bloß Verbindungen von Kohlenstoff mit Stickstoff; es müssen daher noch viele andere Processe stattfinden. Die Potasche enthält schwefelsaures Kali, Kieselerde, Chlorkalium u.s.w. Aus dem schwefelsauren Kali wird durch die Einwirkung der Kohle Schwefelkalium. Das Schwefelkalium hat namentlich in der Schmelzhitze die Eigenschaft, Eisen aufzulösen und mit ihm ein leicht schmelzbares Doppelsalz zu bilden; daher werden die eisernen Schmelzgeräthe stark abgenutzt, natürlich um so mehr, je mehr Schwefelkalium vorhanden ist, je mehr schwefelsaures Kali vorhanden war. Man gibt daher, um die eisernen Geräthe, die Schmelzschale namentlich, zu schonen, noch Eisen zu der Schmelze in Form von Bohr- oder Drehspänen, Hammerschlag etc. Wäre nicht genug Eisen vorhanden, so wird auch Schwefelcyankalium gebildet, welches eine spätere Ausbeute an Blutlaugensalz verringern würde. Dieß hat man indessen nicht zu befürchten, wenn man den Zuschlag von Eisen einmal spart, auch schon nicht, weil man in einem eisernen Gefäße schmelzt; ich habe öfters Schmelzen, denen kein Eisen zugesetzt war und welche mit neuer Potasche bereitet waren, auf Schwefelcyankalium geprüft, aber nur Spuren darin entdecken können. Ein größerer Verlust an Cyankalium entsteht durch die Bildung von cyansaurem Kali durch die Einwirkung der atmosphärischen Luft auf geschmolzenes Cyankalium. Indessen, wenn die Feuerung gut angelegt ist, so daß das Brennmaterial den ganzen Rost bedeckt, und wenn das Schürloch so eingerichtet ist, daß die Krücke durch die kleine Thüröffnung eingebracht und bewegt werden kann, so ist das schmelzende Cyankalium nur dann dem stärkern Einflusse der Luft ausgesetzt, wenn neue Portionen thierischer Stoffe eingetragen werden. Wäre es möglich, daß nach einem unlängst gemachten Vorschlage Brunnquell's Polytechn. Journal B. CXLI S. 47.. Gas zur Heizung des Schmelzofens angewendet würde, so könnte man nach dessen Angabe die Flamme zu einer reducirenden machen, und somit wäre die Entstehung von cyansaurem Kali noch mehr beschränkt. Ist cyansaures Kali einmal gebildet, so wird es durch vorhandenen Kohlenstoff nicht wieder reducirt, d.h. in Cyankalium zurückverwandelt. Wie ich vorhin von den zerstörenden Wirkungen der Wasserdämpfe vom verbrennenden Holze gesagt habe, so sind es auch die Wasserdämpfe der verbrennenden thierischen Rohstoffe, wenn sie unverkohlt angewendet werden, welche die Verluste an Cyankalium vermehren, und in diesem Falle kann dem Verluste zum Theil vorgebeugt werden, wenn die Thierstoffe verkohlt verschmolzen werden. Wenn die Schmelze ausgefüllt und in den Füllschalen erstarrt ist, so wirkt feuchte Luft, wie sie sich in den Fabriklocalen stets vorfindet, auf das darin befindliche Cyankalium zersetzend ein; es ist mehr oder weniger der Geruch nach Ammoniak wahrzunehmen, und deßhalb ist stets ein trockner Ort zum Aufbewahren der Schmelze anzurathen. Bis jetzt findet man bekanntlich noch gar kein Blutlaugensalz in den Schmelzen vor; es entsteht erst beim Auflösen derselben in Wasser, indem das Cyankalium Schwefeleisen auflöst. Drei Atome Cyankalium und 1 Atom Schwefeleisen werden getheilt in 1 Atom Blutlaugensalz und 1 Atom Schwefelkalium. Beim Auflösen der Schmelzen ist zu beachten, daß weder heiße Schmelzen mit kaltem Wasser, noch kalte Schmelzen mit heißem Wasser behandelt werden, weil sich in diesen Fällen viel mehr Ammoniak entwickelt, als wenn die gehörig erkalteten Schmelzen mit Wasser von fast gleicher Temperatur zusammengebracht werden. Stets aber, sowohl beim Auflösen der Schmelzen, als beim Verdampfen der Blutlaugensalzlauge, ist der Geruch nach Ammoniak wahrnehmbar. Die Verluste, welche übrigens nicht bedeutend zu seyn scheinen, lassen sich in keiner Weise vermeiden; selbst beim Verdunsten im Destillirapparate (wo also die Luft fast gar keinen Einfluß auf die Blutlaugensalzlauge ausüben kann) findet eine Zerlegung derselben statt, welche sich hier durch den Geruch nach Blausäure zu erkennen gibt. Ganz reine Blutlaugensalz-Lauge reagirt vollkommen neutral, und es zeigt sich, wenn dieselbe an der Luft gekocht wird, bald der Geruch nach Ammoniak und die Flüssigkeit fängt an alkalisch zu reagiren. II. Ausbeute an Blutlaugensalz mit verschiedenen Thierstoffen bei der gewöhnlichen Schmelzmethode in Flammöfen. Um diese kennen zu lernen, habe ich Versuche gemacht, bei welchen alle möglichen Vorsichtsmaßregeln genommen wurden; sie gaben folgende Resultate: Zu jeder der folgenden Schmelzen wurden 500 Pfund Potasche (oder 400 Pfd. Blausalz und 100 Pfd. Potasche, oder 350 Pfd. Blausalz und 150 Pfd. Potasche) genommen. Das Gewicht der Thierstoffe ist bei jeder Reihe angegeben. Die Schmelzen wiegen im Durchschnitt 500 Pfd. 1. Schmelzen mit trocknen besten Wolllumpen, 500 Pfd. zu jeder Schmelze. 10 solcher Schmelzen ergaben im Mittel: 15,22 Proc. Blutlaugensalz.     In diesen 10 Schmelzen wurden producirt =   761 Pfund. Nach dem Stickstoffgehalte der Lumpen (zu 16 Proc.) hätten erhalten    werden können = 4000 Pfd. Der angewandte Stickstoff betrug =   800   „ Der im Blutlaugensalze enthaltene =   152   „ Es wurde also ungefähr 1/6 des Stickstoffs gewonnen. 2. Schmelzen mit reinem Horn (Abfälle aus Kamm- und Knopfmacherwerkstätten etc.), 500 Pfd. zu jeder Schmelze.     10 Schmelzen ergaben im Mittel = 16,26 Proc. Blutlaugensalz,     es wurden also producirt =    813 Pfd. Nach dem Stickstoffgehalte des Horns zu 16 Proc. hätten erhalten    werden können = 4000 Pfd. Der angewandte Stickstoff betrug =   800   „ Der im Blutlaugensalze enthaltene = 162,6  „ hier also auch nur ungefähr 1/5 des ganzen Stickstoffs. 3. Schmelzen mit Kuh- und Kälberhaaren, 500 Pfund zu jeder Schmelze. 10 Schmelzen ergaben im Mittel = 119,4 Proc. Blutlaugensalz, producirt wurden daher = 597    Pfund          „ Haare zu 16 Proc. Stickstoff hätten liefern können         = 4000      „             „ Der angewandte Stickstoff betrug:   800      „ der im Blutlaugensalze enthaltene = 119,4     „ Nur ungefähr 1/7 des angewandten Stickstoffs! 4. Schmelzen mit Leder-Abfällen (nicht mit sogenannten Schlappen), 600 Pfund zu jeder Schmelze. 10 Schmelzen ergaben im Mittel = 13,52 Proc. Im Ganzen wurden producirt = 676    Pfd. Leder, zu 7 Proc. Stickstoff gerechnet, hätte liefern können = 2100     „ Der angewandte Stickstoff betrug = 420       „ davon im Blutlaugensalze erhalten                                     = 135,2    „ Ungefähr 1/3 des angewandten Stickstoffs. 5. Schmelzen mit Kohle von gutem Horn,Horn liefert 50 Procent Kohle. Die Verkohlung geschah in gußeisernen Cylindern von 1 Fuß Durchmesser und 5 Fuß Länge, deren je 2 Stück in einer überwölbten Feuerung lagen. In 3 bis 4 Stunden war die Verkohlung von ungefähr 100 Pfd. Horn beendet. zu jeder Schmelze 400 Pfund Kohle. 10 Schmelzen ergaben im Mittel 16,23 Proc. Blutlaugensalz. Erhalten wurden                               811,5 Pfd.            „ Die Kohle zu 7 Proc. Stickstoff hätte geben sollen:     1400     „              „ Angewandt waren 280 Pfd., wieder erhalten 162,3 Pfd. Stickstoff, ungefähr 4/7 des ganzen Stickstoffs. Da bei jeder Schmelze 400 Pfd. Kohle angewandt wurden, welche 800. Pfd. Horn entsprechen, so hätten, wenn das Horn verschmolzen worden wäre, erhalten werden können: 1280 Pfd. Blutlaugensalz; hiernach würde die gewonnene Stickstoffmenge nur 1/5 betragen von der angewandten Menge oder 20 Proc., während aus der Kohle 57 Proc. zur Cyanbildung verwendet werden. 6. Schmelzen mit Kohle von Lumpen. Gute wollene Lumpen wurden verkohlt, so daß sie 75 Proc. braune Kohle lieferten (mit 12,5 Proc. Stickstoff). Angewandt für Schmelze 425 Pfd., 10 Schmelzen ergaben im Mittel 17,57 Proc.    Blutlaugensalz, im Ganzen also 878,5 Pfd. Es konnten erhalten werden                                     2656    „ Der angewandte Stickstoff betrug 531 Pfd., der im    Blutlaugensalze erhaltene 175,7   „ also ungefähr 1/3 des ganzen Stickstoffs wurde zur Cyanbildung verwendet. Wäre die dieser Kohle entsprechende Menge Lumpen verschmolzen worden, so hätten diese liefern können 4528 Pfd. Blutlaugensalz, und der erhaltene Stickstoff würde nicht ganz ein Fünftheil betragen. III. Vortheile des Verkohlens der Thierstoffe für den Schmelzproceß. Von einer gegebenen Menge Stickstoff kam der größte Theil, wie aus vorstehenden Versuchen zu entnehmen ist, in der 50 procent. Hornkohle zur Wirkung. Die Kohle enthält also den assimilirbarsten Stickstoff, und die ammoniakalischen Gase welche beim Schmelzen mit rohen Thierstoffen auftreten, verwenden nur in geringem Maaße ihren Stickstoffgehalt zur Cyanbildung. Einige Versuche werden dieß bestätigen. Es wurde eine Schmelze gemacht von bester Hornkohle. Nachdem dieselbe beendet war, wurde eine Probe davon ausgeschöpft, mit aller Vorsicht durch Auflösen und Digeriren derselben mit Wasser die Bildung des Blutlaugensalzes bewirkt und dasselbe genau bestimmt. In diese Schmelze wurde nun gleich nach dem Ausschöpfen der Probe noch ein Gemenge von Holzkohle und 50 Pfund trocknem kohlensaurem Ammoniak in etwa 20 Portionen zugesetzt. Nachdem wieder eine Probe aus dem Schmelzofen genommen und das Cyankalium in Blutlaugensalz übergeführt worden, ergab es sich, daß nur eine sehr geringe Menge (kaum 1/2 Proc.) Blutlaugensalz mehr gebildet war. Derselbe Versuch wurde noch mehreremale mit Variationen wiederholt, die Resultate waren aber sich alle gleich – d.h. sehr ungünstig. Die ammoniakalischen Gase können im Schmelzofen nur in sehr geringer Menge zur Cyanbildung beitragen, weil der heftige Zug des Ofens ihnen keine Zeit verstattet assimilirt zu werden. Um aber zu zeigen, daß sowohl kohlensaures Ammoniak, als auch die ammoniakalischen Gase, welche bei der Verkohlung von Thierstoffen auftreten, Cyan bilden können, will ich einige kleine Versuche beschreiben. Fünfzig Theile erbsengroße Holzkohlenstückchen wurden mit einer Lösung von 40 Theilen Potasche imprägnirt und nach dem Zumischen von 10 Theilen feiner Eisenfeile zur Trockne gebracht. 50 Grm. dieses Kohlenkalis wurden in einem weiten Büchsenlaufe bis zum heftigen Rothglühen erhitzt und das Gas von 25 Grm. trocknem kohlensaurem Ammoniak darübergeleitet, welches in dem verlängerten Theile des Büchsenlaufs befindlich war. Nachdem keine Gase mehr aus dem Rohre entwichen (unter diesen befand sich Ammoniak), wurde die Oeffnung verschlossen und das Feuer entfernt. Nach dem Behandeln des Rohrinhalts mit Wasser u.s.w. erhielt ich 5,5 Grm. Blutlaugensalz. Ein zweiter ebenso ausgeführter Versuch ergab 4,75 Grm., ein dritter 5,2 Grm., ein vierter 6,0 Grm. reines Blutlaugensalz. 25 Grm. kohlensaures Ammoniak mit 22 Proc. Stickstoff hätten liefern sollen: 27,5 Grm. Blutlaugensalz, lieferten aber im Mittel nur 5,36 Grm. – Auch hier konnte nur 1/5 des ganzen Stickstoffgehalts zur Cyanbildung verwendet werden. In demselben Apparate wurden die Verbrennungsproducte von 29 Grm. reiner Schafwolle über ebenso wie oben bereitetes Kohlenkali geleitet. Aus den Gasen erhielt ich nach dem Behandeln des Rohrinhaltes mit Wasser etc. 3,56 Grm. Blutlaugensalz = 12,27 Proc. Blutlaugensalz. Die rückständige Kohle wog 9,67 Grm.    und gab beim Schmelzen mit    kohlensaurem Kali in einem eisernen,    bedeckten Tiegel, nach dem Auslaugen mit    Wasser etc., noch 1,15 Grm. =   3,97    „              „ –––––––––––––––––––––– In Allem erhielt ich aus 29 Grm. Wolle              4,71 Grm. = 16,24 Proc. Blutlaugensalz Wolle enthält 16 Proc. Stickstoff und hätte liefern können 80 Proc. Blutlaugensalz. Auch hier ist nur 1/5 des Stickstoffs zur Wirkung gekommen. Es wurden in einem andern Versuche 29 Grm. Wolle mit 1/4 Theil ihres Gewichtes Potasche gemengt, und deren Verbrennungsproducte über starkrothglühendes Kohlenkali geleitet. Aus den Gasen erhielt ich hier nur 1,34 Grm. Blutlaugensalz   4,62 Proc. Die rückständige Kohle gab noch 3,03      „             „ 10,45    „ ––––––––––––––––––– in Allem = 15,07 Proc. Demnach wurde noch weniger als 1/5 des ganzen Stickstoffs erhalten. Aus diesen Versuchen ist zu entnehmen: 1) daß ammoniakalische Gase Cyanbildung bewirken können, wenn sie in guter Rothglühhitze mit Kohle und kohlensaurem Kali zusammentreffen; 2) daß die Gase der für sich verkohlten Thierstoffe, über glühendes Kohlenkali geleitet, mehr Cyankalium bilden, als wenn die Thierstoffe mit einem gewissen Antheile Potasche gemengt zum Verkohlen gebracht werden; 3) daß die Kohle, welche beim Verkohlen thierischer Stoffe für sich resultirt, weniger Cyankalium gibt, wenn sie mit kohlensaurem Kali verschmolzen wird, als wenn sie mit einem gewissen Antheile Potasche gemengt zum Verkohlen gebracht wird, um sie später in der eben beschriebenen Weise mit Potasche zu verschmelzen. Ueberhaupt aber ist es rathsam, die Thierstoffe für den Schmelzproceß zu verkohlen und die Gase zur Salmiakfabrication zu verwenden. Ueber die Vortheile kann kein Zweifel seyn, wenn man erwägt, daß z.B. 100 Pfd. Wolle, oder Horn, 16 Pfd. Stickstoff enthalten, welche ungefähr 80 Pfd. Blutlaugensalz liefern könnten, aber nur 16 Pfund liefern. Der Stickstoff, welcher in den fehlenden 64 Pfd. Blutlaugensalz enthalten wäre, geht beim Schmelzen mit Rohstoffen nutzlos durch den Schornstein, oder kommt höchstens einer in der Umgebung des Etablissements liegenden Vegetation zu Gute. Den größten Theil hiervon kann aber der Fabrikant zu seinem Nutzen verwerthen, wenn er die Stoffe verkohlen läßt. 100 Pfd. Horn u.s.w. mit 16 Pfd. Stickstoff geben, oder sollen geben, 50 Pfd. Kohle, welche noch 7 Proc. Stickstoff enthält; also bleiben von 16 Pfd. Stickstoff noch 3 1/2 Pfd. in der Kohle. Die übrigen 12 1/2 Pfd. können dem Fabrikanten beispielsweise 50 bis 56 Pfd. kohlensaures Ammoniak liefern, aus welchem Salmiak, schwefelsaures Ammoniak u.s.w. fabricirt werden kann. Die Hornkohle enthält noch 57 Proc. assimilirbaren Stickstoff, es werden von 3 1/2 Pfd. desselben fast genau 2 Pfd. im Blutlaugensalze gewonnen, und verloren geht im Ganzen nur noch 1 1/2 Pfd. Stickstoff, vorausgesetzt, daß aller Stickstoff in Form von (kohlensaurem) Ammoniak erhalten würde, was in Wahrheit wohl aber nicht der Fall ist. 100 Theile Horn (mit 16 Theilen Stickstoff) geben Textabbildung Bd. 146, S. 301 1) roh verschmolzen; 2) als Kohle verschmolzen; Gewinn; Verlust; 3,5 Theile St.; 12,5 Theile St.; 2 Theile St.; 1,5 Theile St. wobei (ad 2) die fehlenden 12,5 Theile Stickstoff zur Bildung von kohlensaurem Ammoniak gedient haben, oder zur Salmiakfabrication verwendet wurden. IV. Neue Darstellungsweise des Blutlaugensalzes. Um möglicherweise den Bildungsproceß des Cyankaliums aus den ammoniakalischen Gasen mit dem Schmelz- oder Glühprocesse mit Stickstoffkohle zu combiniren, construirte ich am 20. Februar 1854 folgenden Ofen: An ein 4 Fuß langes, an beiden Enden offenes, einen Zoll starkes gußeisernes Rohr A (das Glührohr) von 6 Zoll innerm Durchmesser, welcher nach unten hin etwas zunimmt, sind, wie aus Fig. 1 auf Tab. V zu ersehen ist, vier Rohre a, b, c, d von 2 Zoll innerm Durchmesser und 15 Zoll Länge angegossen. Das eine Ende eines der obern Rohre b ist mit einer Flantsche versehen, vermittelst welcher es mit einem birnförmigen Gefäße, dem Verkohlungsgefäße B, von ungefähr 1 Fuß lichter Weite verbunden ist. Das senkrecht unter diesem Rohre angegossene Röhrenstück d mündet in einen gemauerten Canal e, welcher vor dem Verkohlungsgefäße in den Feuerabzugscanal f mündet. Die beiden diesen an dem Glührohre diametral gegenüberliegenden Rohre a und c dienen zum Reinigen der beiden andern Rohre und sind gewöhnlich durch eiserne, mit Lehm verstrichene Bolzen verschlossen. Das Glührohr sowohl, wie der Verkohlungskessel, müssen beide luftdicht durch Deckel verschlossen werden können. An dem untern Ende des Glührohres ist ein viereckiger Rahmen angegossen, in dessen Ruthen ein Schieber g sich horizontal bewegen läßt; ungefähr 1 Fuß hoch über dem Schieber umgibt ein ringförmiger Rost h den Cylinder. Wenn der Glühcylinder mit Kohlenkali (siehe unten) gefüllt ist, so beginnt die Feuerung mit Holzkohlen und, wenn durch einen eisernen Deckel die Feuerung i oben geschlossen ist, geht der Feuerabzug durch den Canal, in welchem das Verbindungsrohr b des Verkohlungsgefäßes B mit dem Glühcylinder A freiliegt, so daß sowohl diese Verbindungsröhre, als der Verkohlungskessel, durch die abziehende Flamme geheizt wird und bis zum schwachen Rothglühen kommt. Ist der Inhalt des Cylinders im lebhaften Rothglühen, so bringt man in das Verkohlungsgefäß die Thierstoffe etc. und schließt rasch mit dem Deckel, den man mit Lehm luftdicht verstreicht. Die Gase, welche nun bei der Verkohlung auftreten, strömen durch das Verbindungsrohr b und werden unter einem gewissen Drucke durch den Glühcylinder nach unten gepreßt. Durch das unter dem Verbindungsrohre liegende Gasabzugsrohr d treten die Gase in den unter das Verkohlungsgefäß mündenden Canal, werden dort entzündet und diese Flamme dient nun die Hitze in dem Verkohlungsgefäße um vieles zu steigern. Durch diese Einrichtung ist die Verkohlung im Anfange schwach und nimmt in bestimmtem Maaße zu, bis sie beendet ist. Die gesammten Verbrennungsproducte des Kohlenfeuers und der Gase vereinigen sich hinter dem Verkohlungsgefäße und treten in den Schornsteincanal f, oder werden zum Abdampfen der Laugen benutzt. Bei solcher Operation war nicht im mindesten der unangenehme Geruch bemerkbar, wie er in so hohem Grade bei den Schmelzoperationen mit rohen Thierstoffen wahrzunehmen ist. Eine Glühoperation erforderte eine Zeit von 3/4 bis 1 1/4 Stunde. Ist die Verkohlung beendet und haben die Gase in dem Glührohre die Bildung von Cyankalium veranlaßt, so wird der Schieber g aufgezogen und der Inhalt des Rohres fällt nun in ein darunter gestelltes und mit einem Deckel gut verschließbares eisenblechernes Gefäß. In diesem läßt man erkalten und gibt sodann die Masse nach und nach in kaltes Wasser. Wollte man die ganze Masse auf einmal in Wasser schütten, oder umgekehrt Wasser über die Cyankaliumkohle gießen, so würde eine heftige Erhitzung eintreten, welche einen bedeutenden Verlust an Cyankalium hervorriefe. Nach dem Einbringen der Cyankaliumkohle in Wasser wird langsam bis auf 75° oder 80° C. erwärmt und die Kohle auf einem eisenblechernen Siebe von der Blutlaugensalzlauge getrennt, welche dann auf gewöhnlichem Wege zur Concentration gebracht wird. Die gut ausgewaschene Kohle kann nun entweder von Neuem zur Darstellung von Kohlenkali dienen, oder man läßt sie trocken werden und benutzt sie als Feuerungsmaterial, aus dessen Asche man dann sehr gute Laugen erhält, die sich bei einer gewissen Concentration vortrefflich zur Darstellung des Kohlenkalis eignen. Das Kohlenkali wird bereitet, indem man in einem eisernen Kessel 20 Theile gute russische Potasche in dem halben Gewichte Wasser löst und hierzu den feuchten, aber ausgewaschenen Niederschlag von 8 Thln. Eisenvitriol mit 6 Thln. Potasche gibt. Zu diesem Gemenge werden 30 Theile haselnußgroße Holzkohlenstückchen gebracht und die ganze Masse bei mäßigem Feuer gut getrocknet. Kohks hätten vielleicht einige Vorzüge vor der Holzkohle, allein sie waschen sich schwerer aus, geben daher mehr Laugen, und die Asche, welche die Kohks beim spätern Verbrennen hinterlassen, ist weit schlechter, ja oft unbrauchbar. Das schwefelsaure Kali, welches man bei der Bereitung des Eisenvitriol-Niederschlags erhält, findet eine Anwendung z.B. in der Alaunfabrication. In dem so construirten Ofen und auf die beschriebene Weise machte ich Versuche, deren Resultate ich kurz folgen lasse. 1. Bei Anwendung von jedesmal 3 Pfund kohlensaurem Ammoniak (rohes mit 21 Proc. Stickstoff).                      Blutlaugensalz,        Stickstoff, aus 3 Pfd. erhalten.   aus 100 Th. kohlensaur.          Ammoniak. von 100 dess. werden         gewonnen.     Ungefähre Zahl d.gewonnenen Stickstoffs.    1.   32 Loth.          33,3 Proc.       31,74 Theile.              1/3    2.   40    „          41,5    „       39,68    „              2/5    3.   36    „          37,5    „       35,71    „              1/3 Daß bei diesen Versuchen mehr Stickstoff assimilirt wurde, als bei den oben beschriebenen kleineren Versuchen im Büchsenlaufe, mag seinen Grund darin haben, daß hier den Gasen eine größere Oberfläche geboten wurde, und auch daß sie unter einem gewissen Drucke von oben nach unten den Glühcylinder passiren. 2. Bei Anwendung von Thierstoffen. Das Kohlenkali zu diesen Versuchen war bereitet aus 30 Pfd. Hornkohle (mit 7 Proc. Stickstoff) und 20 Pfd. Potasche. Nach dem Hinzufügen des gewaschenen Niederschlags aus 8 Pfd. Eisenvitriol mit 6 Pfd. Potasche wurde das Gemenge gut getrocknet und wog 44 Pfd. Zu jeder Operation wurden 10 Pfd. dieses Kohlenkalis verwendet, welche 6,8 Pfd. Hornkohle entsprechen. Darüber wurden die Gase von jedesmal 3 Pfd. Horn (mit 16 Proc. Stickstoff) geleitet. Der angewandte Stickstoff betrug: a) in der Kohle des Kohlenkalis 15,23 Loth, b) des Hornes im Verkohlungsgefäße       15,36    „ –––––––––––––––– in Allem 30,59 Loth. Diese hätten liefern können in Summa 4,78 Pfd. Blutlaugensalz.     Blutlaugensalz,       Stickstoff, erhaltene Menge aus         3 Pfd. Horn. v. 100 Thln. werden          gewonnen. Ungefähre Zahl desnutzbar gemachten     Stickstoffs.     1.    49,3 Loth.      32,4 Theile.            1/3     2.    42,5    „      27,9    „            1/3     3.    45,6    „      30,0    „            1/3 Von diesen drei Versuchen restirten aus dem Verkohlungsgefäße 77 Loth Kohle, welche mit Potasche geschmolzen 6,55 Loth Blutlaugensalz lieferten. In Allem wurden hierbei erhalten: 1.   49,3 Loth Blutlaugensalz =   9,86 Loth Stickstoff. 2.   42,5    „             „ =   8,50    „         „ 3.   45,6    „             „ =   9,12    „         „ 4.     6,5    „             „ =   1,30    „         „ ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 143,9 Loth Blutlaugensalz = 28,78 Loth Stickstoff. In Anwendung waren gewesen 30,59 × 3 = 91,77 Loth Stickstoff. 3. Bei Anwendung von Thierstoffen und Kohlenkali aus 30 Thln. Holzkohle, 20 Thln. russischer Potasche und dem Niederschlage aus 8 Pfd. Eisenvitriol mit 6 Pfd. Potasche. Zu jeder Operation wurden 10 Pfd. Kohlenkali verwendet und darüber die Gase von 3 Pfd. Horn geleitet. Die Resultate waren: 1.    36,75 Loth Blutlaugensalz =   7,35 Loth Stickstoff. 2.    29,50    „             „ =   5,90    „          „ 3.    29,25    „             „ =   5,85    „          „ 4.    10,0 Loth aus der rückständigen Kohle von 9 Pfd. Horn aus           allen drei Versuchen =   2,00 Loth Stickstoff. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 105,50 Loth Blutlaugensalz = 21,10 Loth Stickstoff. In Anwendung waren gekommen von 9 Pfd. Horn 46,08    „          „ Mithin ist hier fast die Hälfte der angewandten Stickstoffmenge zur Bildung von Blutlaugensalz nutzbar gemacht. Wenn man nun annimmt, daß in der zweiten Versuchsreihe mit Stickstoff-Kohlenkali und derselben Menge Horn, wie in der dritten Versuchsreihe, auch dieselben Mengen von Blutlaugensalz wie hier producirt worden sind, so ergibt sich aus dem plus von 38,4 Thln. Blutlaugensalz (in der zweiten Versuchsreihe), daß diese Mehrausbeute von dem Stickstoff-Kohlenkali herrührte. Zieht man aber die Menge in Betracht, welche resultiren sollte, so ergibt sich, daß von dem Stickstoffe des Stickstoff-Kohlenkalis nur ungefähr 1/6 zur Wirkung kam. Denn 20,4 Pfd. Hornkohle (mit 7 Proc. Stickstoff) enthält 45,69 Loth Stickstoff, welcher liefern sollte: 228,45 Loth Blutlaugensalz, er hat aber nur geliefert 38,4 Loth Blutlaugensalz.Wenn ich in allen angeführten Zahlenverhältnissen der Vergleichung halber Ausdrücke gebraucht habe, aus denen man entnehmen möchte, daß z.B. aus angegebenen Procenten gefundenen Blutlaugensalzes die angeführten Quantitäten wirklich am Ende der Arbeit erhalten seyen, so bemerke ich, daß dieß nicht der Fall ist. Es gehen beim besten Arbeiten gewisse Antheile verloren.Ebenso ist z.B. der angebene Stickstoff verschiedener Thierstoffe nicht genau ausgedrückt. Die Zahlen sind nur Mittelzahlen. Den Stickstoffgehalt des Blutlaugensalzes habe ich, der bequemeren Rechnung halber, allenthalben zu 20 Proc. angenommen, obgleich derselbe nur 19,87 Proc. beträgt. Wenngleich nun diese Darstellungsmethode des Blutlaugensalzes noch lange nicht das Gepräge der Vollkommenheit an sich trägt, so ist doch aus den beschriebenen Versuchen zu entnehmen, daß diese Methode einige Vorzüge vor der Schmelzmethode hat. 1) Es wird ein weit größerer Theil des Stickstoffs nutzbar gemacht. 2) Werden die Laugen und zuletzt das Blausalz bei Weitem nicht so verunreinigt, als bei der Schmelzmethode. 3) Gehen so gut wie keine Kalisalze verloren, was bei der Schmelzmethode in bedeutendem Maaße stattfindet. 4) Sammeln sich nicht große Mengen von Rückständen an. Um nach der beschriebenen Methode einen Fabrikbetrieb einzurichten, müssen mehrere solcher Oefen neben einander gestellt werden. Durchschnittlich gibt ein Ofen täglich 24 Pfund Blutlaugensalz. Wenn man nun die Dimensionen des Apparates etwas vergrößerte, und je zwei und zwei, oder vier Glühcylinder in einem Ofen oder einer Feuerung anbrächte, so würde es leicht zu erreichen seyn, daß in vier Glühcylindern täglich 1 Cntr. Blutlaugensalz producirt werden könnte; auch fiele dann die theure Holzkohlenfeuerung weg, da durch einen seitlich liegenden Feuerraum die Heizung vermittelst der Stichflamme sehr gut bewirkt würde.

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