Titel: Bemerkungen über Cylindergebläse, insbesondere über die horizontalen Schiebergebläse.
Fundstelle: Band 146, Jahrgang 1857, Nr. LXXVII., S. 324
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LXXVII. Bemerkungen über Cylindergebläse, insbesondere über die horizontalen Schiebergebläse. Ueber Cylindergebläse. Das von Noblet in Brüssel herausgegebene Portefeuille de John Cockerill beschreibt in den Lieferungen 32 – 34, mit Hülfe der sehr schön ausgeführten Royalfoliotafeln 31 – 33 ein direct wirkendes Gebläse (d.h. ein solches, bei welchem der Gebläsecylinder senkrecht über dem Dampfcylinder steht, so daß die Achsen beider Kolbenstangen in einer Linie zusammenfallen) von 80 Pferdekräften, mit Hochdruck und Expansion, aber ohne Condensation. Diese Beschreibung enthält folgende beachtenswerthe allgemeine Bemerkungen über Construction der Gebläsemaschinen. Obgleich es sehr verschiedenartig eingerichtete Maschinen zur Bewegung von Gebläsen gibt, so können sie doch sämmtlich in zwei Classen eingetheilt werden. Bei den einen wird der Gebläsecylinder-Kolben direct durch eine horizontale Dampfmaschine bewegt, deren Cylinderachse gewöhnlich eine Verlängerung von der Achse des Gebläsecylinders bildet. Da sich der ganze Apparat nur wenig über der Sohle erhebt und keiner hohen gemauerten Fundamente bedarf, so ist seine Construction leicht, wenig kostbar und auch rasch ausgeführt, was stets Vortheile gewährt. Während aber Constructionen dieser Art nur eine geringe Höhe haben, nehmen sie in der Länge einen bedeutenden Raum ein und dieß ist ein wesentlicher Nachtbeil, wenn man zur Aufnahme des Gebläses nur einen beschränkten Raum hat.Man vergl. Truran's Bemerkungen über Gebläse im polytechn. Journal Bd. CXXXIX S. 173. Zur zweiten Classe kann man die verschiedenen Einrichtungen zählen, bei denen der Gebläsecylinder über dem Betriebsapparat angebracht ist, es sey übrigens die Art der Bewegungsmittheilung welche sie wolle. Von den alten Balanciermaschinen, bei denen an dem einen Ende des Balanciers der Dampf- und an dem andern der Gebläsecylinder angebracht ist, reden wir nicht, da nach diesem Systeme jetzt nur noch wenig Maschinen erbaut werden. Natürlich müssen einerseits die Beschaffenheit der Localität und andererseits die eigenthümlichen Umstände der Construction und der Aufstellung welche man zu berücksichtigen hat, einen großen Einfluß auf die Wahl des einen oder des andern von diesen Systemen haben. Man hat sich neuerlich sehr bemüht, die Dimensionen der horizontalen Gebläse, ihr Gewicht und ihre Anlagekosten zu vermindern und dadurch auch die Räumlichkeiten, in denen die Maschinen aufgestellt werden, zu reduciren. Um zu einem solchen Resultat zu gelangen, hat man in sehr bedeutenden Verhältnissen die Kolbengeschwindigkeit und folglich auch die Anzahl der Umdrehungen der Maschine gesteigert, und da die Klappenventile, welche gewöhnlich zum Ansaugen und zum Ausdrücken der Luft angewendet werden, bei dieser bedeutenden Geschwindigkeit nicht gehörig zu wirken im Stande sind, so hat man sie durch einen oder mehrere Schieber ersetzt und den Gebläsecylinder mit Canälen oder Oeffnungen versehen, ähnlich denen, wie sie zum Ein- und zum Ausströmen des Dampfes in und aus dem Dampfcylinder dienen. Die Bewegung dieser Schieber wird alsdann durch eine besonders zu diesem Zweck bestimmte Kurbel oder ein Excentricum bewirkt.Ein Gebläse dieser Art ist beschrieben und abgebildet im polytechn. Journal Bd. CXXXIX S. 352. Es scheint als habe die bisherige Erfahrung noch nicht gestattet den wirklichen Werth dieses neuen Systems festzustellen; auch sucht man es noch fortwährend zu verbessern, was schon den Beweis liefert, daß es in Beziehung auf den Nutzeffect noch gegen die Gebläse mit großen Dimensionen und mit geringer Geschwindigkeit, welche bei guter Construction den höchsten Nutzeffect geben, zurück steht. Wollte man sich aber mit Bestimmtheit und mit Beweisen über den Werth dieser Maschinen aussprechen, so müßten besondere Versuche angestellt werden und zwar vergleichende mit Maschinen von beiderlei Systemen und von gleichen Kräften. Man könnte alsdann beurtheilen, ob der Vortheil der geringeren Anlagekosten groß genug ist, um die Nachtheile auszugleichen, welche die große Kolbengeschwindigkeit der Apparate dieser Art veranlaßt, wohin ein bedeutender Brennmaterialverbrauch und größere Reparaturkosten gehören. Gegen den Schieber hat man oft den Einwand gemacht, daß er die Oeffnungen nur nach und nach entblöße und daß er für die Vertheilung der Luft durchaus dieselben Nachtheile habe wie für die Vertheilung des Dampfes, mögen die Canäle seyn welche sie wollen. Die Klappen gewähren in Folge ihrer plötzlichen Oeffnung dem Winde eine sehr große Ausströmungsöffnung; der durch eine Kurbel, ein Excentricum oder auch durch einen Hebedaumen bewegte Schieber dagegen zwängt die Luft, sowohl saugend als drückend, mehr durch enge Oeffnungen, daher in den gebogenen Leitröhren weit eher ein Verlust an lebendiger Kraft stattfindet, als bei der ältern Einrichtung. Es würde in dieser Beziehung interessant seyn, einen Watt'schen Indicator an einem Gebläsecylinder mit Schieber anzubringen; die Gestalt der Curve würde alsdann zu beurtheilen gestatten, ob der Nutzeffect in beiden Fällen gleich ist, oder ob diese Vorrichtung bis zu ihrer weitern Vervollkommnung aufzugeben ist. Ein anderer Einwurf ist in Beziehung auf die bedeutende Räumlichkeit der Leitungen gemacht worden, welche verhältnißmäßig weit größer sind als der freie Raum der Cylinder mit Ventilkasten. In diesen Leitungen verdünnt und verdichtet sich die Luft abwechselnd, wodurch der Betrieb des Gebläses an Regelmäßigkeit verliert; dazu kommt noch ein anderer großer Nachtheil. Während nämlich der Kolben ansaugt, dehnt sich die Luft, welche durch den Druck im Windbehälter oder Regulator verdichtet worden ist, aus, und erst dann, wenn ihre Dichtigkeit gleich groß oder etwas geringer als die der Atmosphäre geworden ist, kann die atmosphärische Luft in den Gebläsecylinder eindringen. Während dieser Zeit hat aber der Kolben schon eine gewisse Länge seines Laufes zurückgelegt und das dieser entsprechende Volum muß also von dem theoretischen Volum oder dem Kubikinhalt des Cylinders abgezogen werden, weil die es ausfüllende Luft während des folgenden Kolbenlaufes von Neuem zusammengepreßt wird. Daraus folgt, daß die in den Canälen verdichtete Luft das Einströmen der äußern Luft verzögert und sie vielleicht auch theilweis zurückdrängt. In allen Fällen müssen die Dimensionen des Schiebers und daher auch sein Gewicht verhältnißmäßig bedeutend seyn; auch die ihn bewegenden Theile müssen hinreichende Dimensionen haben, um den erforderlichen Widerstand leisten zu können. In Beziehung auf die Luftvertheilung ist also diese neue Construction viel complicirter als die ältere mit Klappenventilen, und es sind die Lenk- und anderen Stangen, die Kurbeln oder Excentrics weit eher Reparaturen unterworfen und weit schwieriger in gutem Zustande zu erhalten, als die einfachen Ventilkasten der ältern Gebläse. Uebrigens scheint es eine Geschwindigkeitsgränze zu geben, über welche hinaus man bei diesen Maschinen nicht gehen darf, wenn der Nutzeffect nicht bedeutend vermindert werden soll. Man war bemüht, die Schieber bei den mit großen Geschwindigkeiten fahrenden Locomotiven dahin zu verändern, daß die Oeffnungen weit schneller und weit vollständiger frei werden; dessenungeachtet findet, wie die Erfahrung bewiesen hat, bei Kolbengeschwindigkeiten von 2 bis 2,5 Meter in der Secunde ein bedeutender Unterschied zwischen dem Druck in dem Kessel und dem in den Cylindern statt; nun ist aber der Druck, welcher den Dampf in die Cylinder treibt, weit bedeutender, als der Druck der verdichteten Luft in einem Gebläsecylinder. Je größer die Geschwindigkeit des Kolbens ist, desto kleiner kann sein Durchmesser seyn, wodurch allerdings eine Verminderung der Dimensionen und des Gewichts aller Theile der Maschine, so wie ein verhältnißmäßig geringerer Ankaufspreis veranlaßt wird. Andererseits entsteht aber auch ein größerer Kraftverlust durch die Verengungen der Oeffnungen für das Durchströmen der Luft, durch die Richtungsveränderungen der Luft, durch den freien (sogen. schädlichen) Raum etc., die Maschinentheile nutzen sich mehr ab und das Ganze wird eher unbrauchbar. Sey übrigens die Einrichtung einer derartigen Maschine welche sie wolle, so bleibt das Gewicht der beiden Kolben, der gemeinschaftlichen Kolbenstange, der Lenkstange, des Schiebers u.s.w. immerhin bedeutend. Wir wiederholen daher, daß man erst nach einem mehrjährigen Betriebe dieser Maschinen im Stande seyn wird, ein richtiges Urtheil über dieselben zu fällen und Vergleichungen in Beziehung auf Brennmaterialverbrauch, Betriebs- und Reparaturkosten, Dauer der Stillstände etc. zu machen; erst dann wird man aus Erfahrung sagen können, ob man die neuen kleineren und geschwind gehenden Maschinen unbedingt einführen, oder im Gegentheil auf die Gebläse mit großen Dimensionen und mäßiger Betriebsgeschwindigkeit zurückkommen muß.