Titel: | Ueber die Anwendung des Thonerdehydrats als Entfärbungsmittel für alle Gattungen von Melassen, Colonial- und Rübenrohzucker; von C. Ceßner und Dr. Kletzinsky. |
Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. XCV., S. 376 |
Download: | XML |
XCV.
Ueber die Anwendung des Thonerdehydrats als
Entfärbungsmittel für alle Gattungen von Melassen, Colonial- und Rübenrohzucker;
von C. Ceßner und Dr.
Kletzinsky.
Aus Böttger's polytechnischem Notizblatt, 1857, Nr.
23.
Ceßner und Kletzinski, über die Anwendung des Thonerdehydrats als
Entfärbungsmittel für alle Gattungen von Melassen etc.
Dieses in Oesterreich patentirt gewesene Verfahren besteht in der Anwendung des
reinen Thonerdehydrats, theils in abgeschiedenem feuchten Zustande, theils im
Momente seines Freiwerdens und zwar unter nachstehenden Modalitäten:
1) Dem in siedenden Wasser gelösten Rohzucker oder dem unverdünnten erwärmten Syrupe
wird bei neutraler Reaction der Lösung gut gewaschenes, feuchtes Thonerdehydrat
zugesetzt, das auf eine der im Anhange angegebenen Art dargestellt wird.
2) Reagirt die zum Klärungsprocesse vorbereitete Rohzuckerlösung stark alkalisch, was
vom übermäßigen Kalkgehalte des Zuckers herrührt und namentlich bei Rübenrohzucker
oft stattfindet, und durch Verwandlung des Rohzuckers in Schleimzucker einen Verlust
an Ausbeute und durch das sogenannte Fettkochen eine geringere Qualität des
Productes bedingt, so kann man unmittelbar schwefelsaure Thonerde der Zuckerlösung
zusetzen und die Fällung in derselben so zu sagen im Entbindungsmomente durch
Eintragen geschlämmter Bergkreide hervorrufen, womit so lange fortgefahren werden
muß, bis bei erneuertem Zusatze von Bergkreide zur heiß erhaltenen Flüssigkeit sich
kein Aufschäumen und Brausen mehr einstellt. Hiebei bildet sich neben dem zur
Klärung benöthigten Thonerdehydrat noch Gyps (schwefelsaurer Kalk), dessen größerer
Theil allerdings später mit dem Absatze auf dem Filter zurückbleibt, von dem aber
ein kleiner Theil in Klärsel und Zuckerbrod übergeht und daher gypshaltige Waare
darstellt – ein Umstand der auf die Kennzeichen der Güte des Zuckers keinen
Einfluß übt und überhaupt bei dem beliebten Verwenden von Kalk und Antikalk in der
Rohzuckerfabrication und dem fast unvermeidlichen Einflusse gypshaltiger
Brunnenwasser wohl nie fast ganz umgangen wird.
3) Bei Zucker von entschieden saurer Reaction (die fast immer nur von organischen
Säuren herrührt und einerseits Krystallisation und Lufttrockne des Zuckers
beeinträchtigt, andererseits Ammoniak zurückhält und speciell in unserem Falle etwa
dem Zucker durch die Bildung eines löslichen Thonerdesalzes einen störenden Alaungeschmack ertheilen
könnte), empfehlen wir, der kochenden Zuckerlösung so lange Kreide zuzusetzen, bis
die saure Reaction gewichen ist, wobei wir der Kreide vor dem üblichen Kalk deßhalb
den entschiedensten Vorzug einräumen, weil dieselbe in Folge ihrer Unlöslichkeit im
Falle eines bei Manipulationen im Großen leicht angewendeten Ueberschusses
indifferent zu Boden fällt und nicht, wie der Kalk, die im vorigen Abschnitte
entwickelten zerstörenden Einflüsse ausübt. Die so neutralisirte Lösung wird nach
einer der später folgenden Methoden geklärt.
Zum Behufe des eigentlichen Klärungsprocesses gehe man Folgendermaßen vor:
Die heißbereitete wässerige Rohzuckerlösung von üblicher Dichte wird in dem
Verhältnisse beschickt, daß auf je
40 Pfund
Rohzuckermehl,
1/2 Pfund
reine geglühte Thonerde
oder 4/5 Pfund schwefelsaure Thonerde des Handels entfallen,
wobei zu bemerken ist, daß man sich, was von selbst einleuchtet, nicht auf diese
Verhältnisse zu beschränken braucht, so wie auch, daß hier die Maximalwerthe für die
ungünstigsten Verhältnisse gegeben wurden, und daß blondere Zuckersorten einen
geringeren Verbrauch an Klärmitteln erfordern.
Die Mengen aller übrigen in den Operationen namhaft gemachten Stoffe ausdrücklich
anzugeben, ist unzulässig und unnöthig, und leicht für jeden Sachverständigen im
speciellen Falle bestimmbar, da einerseits Kalkgehalt der Kreide, Concentration der
Salzsäure u.s.w. sehr verschieden sind, und andererseits das Reagenspapier oder die
Efflorescenz die genaue praktische Gränze angibt.
Sobald die siedende Zuckerlösung mit der proportionalen Menge des Klärmittels
beschickt ist, und dasselbe durch Umrühren möglichst gleichförmig in derselben
vertheilt wurde, ist der Klärproceß nach einem höchstens drei Minuten langen
Aufwallen völlig beendigt. Hierauf läßt man die Flüssigkeit zur Hintanhaltung
späterer Filterverstopfungen mit dem abgesetzten Schlamme einige Minuten in Ruhe und
sofort das leicht Abfließende aus der geöffneten Pfanne in die Taylor'schen
Vorfilter auslaufen. Das Filtrat dieser Taylor'schen Vorfilter wird nun entweder
unmittelbar im Vacuum verkocht oder in jenen seltenen Fällen, wo aus äußerst
schlechtem Rohzucker eine unverhältnißmäßig feine Waare producirt werden soll,
entweder dieselbe Procedur noch einmal wiederholt oder etwa ein einziges
Knochenkohlen-Druckfilter zum Ueberflusse noch in Anwendung gebracht. Die
Aussüßung und Ausdämpfung des in den Taylor'schen Vorfiltern und in der Pfanne
zurückgebliebenen zuckerhaltigen Klärschlammes gelingt auf die wesentlich gleiche nur noch weit
einfachere Art, wie die bisherige Extraction der Knochenkohle vor deren
Wiederbelebung.
Im gegenwärtigen Verfahren ist somit die getrennte und zeitraubende Doppeloperation
des Klärens und Entfärbens in eine einzige und verhältnißmäßig kürzere
zusammengedrängt.
Das dargestellte Thonerdehydrat wirkt:
1) Durch seine gelatinöse und gleichsam gerinnungsfähige Beschaffenheit, mechanisch
einhüllend und klärend, auf die trübenden Unreinigkeiten weit besser, als das bisher
in Anwendung gebrachte Ochsenblut oder Eiweiß, indem außer der Neigung letzterer zur
Zersetzung und anderen damit bisher unvermeidlichen Uebelständen, nunmehr die nach
unserer Methode erhaltenen Klärungen noch überdieß weitaus blanker und glänzender,
als die Blutklärungen sind.
2) Das Thonerdehydrat wirkt entfärbend, wie die Knochenkohle der Druckfilter, indem
es die dem mechanischen Filtrationsprocesse entgehenden gelösten Pigmente
größtentheils bindet und mit sich niederreißt.
3) Durch die Wechselanwendung von schwefelsaurer Thonerde und Kreide ist bei diesem
Klärverfahren die sicherste Garantie neutraler Klärungen auf die praktisch
einfachste Weise gegeben.
4) Hat das gallertartige Thonerdehydrat außer für Pigmente noch ein beträchtliches
Absorptionsvermögen für Riech- und Schmeckstoffe, was sich namentlich in der
Qualität der verkochten Rübenzucker und deren Syrupe darthut. Das reine Thonerdehydrat wird auf eine der folgenden Arten
bereitet.
a. Die im Handel vorkommende, schwefelsaure Thonerde
wird mit Ammoniaküberschuß bis zum Vorwalten der alkalischen Reaction gefällt,
absitzen gelassen und decantirt.
Die abfließende Decantirungslauge kann, wenn örtliche Verhältnisse es gestatten, zu
krystallinischem schwefelsaurem Ammoniak abgedampft und als solches oder einfach als
Rohlauge zu Düngungen oder weiterer Darstellung von Ammoniakpräparaten in Handel
gebracht oder „endlich im Fabrikslocale“ durch Vermischen mit
Aetzkalk und Destillation zur Regeneration der zur Fällung verbrauchten
Ammoniakflüssigkeit benutzt werden.
Der Niederschlag, das Thonerdehydrat, wird in Colirschläuche gefüllt, unter
fließendem oder öfter erneuertem Wasser geknetet und zuletzt ausgewaschen, bis das
ablaufende Waschwasser rothes Lackmuspapier nicht mehr bläut. In diesem Zustande
zeigt das Präparat eine am Rande durchscheinende welche, fast kleisterartige
Beschaffenheit, und muß, wenn der Zeitpunkt seiner Verwendung zur Klärung noch nicht
gekommen ist, unter
reinem Wasser aufbewahrt werden, weil es sonst seine Wirkungen größtentheils
verlieren würde.
Sollte seine Anwendung an entfernten Orten, also seine Verführung als Handelswaare
nothwendig werden, so muß das Präparat nach dem Auswaschen und Abpressen in Tüchern
oder Filzlagen, welche in Wasser getränkt sind und die zur Vermeidung von
Geruchsanziehungen allseitig gut geschlossen sind, verpackt werden, und bei längerem
Transport wird überdieß täglich die Durchfeuchtung der
Umhüllung, durch Uebergießen mit Brunnenwasser nothwendig.
b. An Orten, wo käufliche Salzsäure mit den hier nicht
störenden gewöhnlichen Verunreinigungen derselben und geglühte Thonerde billig zu
beziehen sind, kann man sich durch Auflösen der letzteren in der ersteren kochenden
Flüssigkeit Chloraluminium bereiten und diese Verbindung mit gemahlener Bergkreide
bis zum völligen Verschwinden alles Aufbrausens in Chlorcalcium und Thonerdehydrat
zerlegen, wovon bei Anwendung der oben beschriebenen Decantirungs- und
Aussüßungsmethode das Thonerdehydrat zurückbleibt, während die Decantirungslauge auf
Chlorcalcium (salzsauren Kalk) auszubeuten ist. In diesem Falle muß das Aussüßen bis
zu dem Punkte fortgesetzt werden, wo das (abfließende) Wasser durch kohlensaures
Ammoniak und salpetersaures Silberoxyd nicht mehr und stärker getrübt wird, als das
zur Operation verwendete Brunnenwasser, da jeder dem Thonerdehydrat verbleibende
Chlorcalciumgehalt bei dem Klärungsgeschäfte an den Zucker übertreten und in Folge
seiner Eigenschaft Wasser anzuziehen, eine nässende klanglose Waare erzielen
würde.