Titel: Ueber die Verwendung des Johannisbrodes als Futter, und Analyse desselben; von Prof. Völcker.
Fundstelle: Band 146, Jahrgang 1857, Nr. C., S. 390
Download: XML
C. Ueber die Verwendung des Johannisbrodes als Futter, und Analyse desselben; von Prof. Völcker. Aus der Zeitschrift für deutsche Landwirthe, 1856 S. 18. Völcker, über die Verwendung des Johannisbrodes als Futter. In England hat man seit einiger Zeit das Johannisbrod (Locust, Carob) mit Vortheil als Viehfutter angewandt. Prof. Völcker in Cirencester hat es durch M. Kinsington analysiren lassen. Besonders bemerkenswerth in den Bestandtheilen ist die große Menge Zucker; es enthält das Johannisbrod in dem Zustande, wie es importirt wird, mehr als die Hälfte seines Gewichtes an Zucker. Außer dieser großen Menge Zucker sind noch über 17 Proc. Fett producirende Stoffe und beinahe 1 Proc. Fett darin enthalten. Es geht hieraus hervor, daß das Johannisbrod besonders zum Mästen von Thieren geeignet ist. Die Menge der Proteïnstoffe ist verhältnißmäßig nur gering, es wird hierin vom Gerstenmehl, vom Hafer, überhaupt von den Körnerfrüchten übertroffen. Es folgt hieraus, daß das Johannisbrod kein so geeignetes Futtermittel für Jungvieh und Milchkühe ist, wie mehr stickstoffhaltige Futterstoffe, da, den Erfahrungen Horsfall's zufolge, diese sich vorzüglich für Jungvieh und Milchkühe, welche letztere eine besonders an Fett reiche Milch nach ihrem Genusse geben, eignen sollen. Die anorganischen Materien bestehen hauptsächlich aus alkalischen Salzen und enthalten eine nicht unbedeutende Menge Phosphorsäure. Die Hülsen des Johannisbrodes enthalten dunkelbraune, sehr harte Samen, die von den Thieren nicht genossen werden; ihre Menge beträgt den angestellten Untersuchungen zufolge 13 1/2 Proc. des ganzen Gewichtes des Johannisbrodes, wie es nach England gebracht wird; es leuchtet ein, daß dadurch, daß die Samen von den Thieren nicht gefressen werden, und daher ein bedeutender Theil verloren geht, der Werth dieses Futterstoffes wesentlich herabgesetzt wird. Vergleicht man die Zusammensetzung des Johannisbrodes mit der des Gerstenmehles, so scheint das erstere keinen besondern Vorzug vor dem letzteren zu haben. Die Zusammensetzung des Gerstenmehles ist folgende: Wasser   14,65 stickstoffhaltige Bestandtheile         10,84 stickstofflose   68,31 Holzfaser     3,45 Asche     2,75 –––––– 100,00. Johannisbrod und Gerstenmehl enthalten demnach ziemlich gleiche Mengen Feuchtigkeit und unverdaulicher Holzfaser; nehmen wir den Zucker und die anderen stickstofflosen Stoffe zusammen, so enthält das Johannisbrod hiervon 71 Proc., das Gerstenmehl aber an stickstofflosen Stoffen 68 Proc. Der geringe Unterschied, der sich hierin zwischen beiden zeigt, wird durch die größere Menge der stickstoffhaltenden Bestandtheile bei der Gerste ausgeglichen, wir können daher vom theoretischen Standpunkte aus beiden Stoffen einen ziemlich gleichen Nährwerth beilegen. Der Preis des Johannisbrodes betrug 12 Pfd. Sterl. per Tonne, es würde dieser Preis aber, da die Samen, deren Menge 1/8 des Gesammtgewichts des Johannisbrodes beträgt, nicht verwerthet werden könkönnenkönnen, um 30 Shillinge sich erhöhen, und somit die Tonne Johannisbrod auf 13 1/2 Pfd. Sterl. zu stehen kommen. Zu der Zeit, als dieser Preis für das Johannisbrod gezahlt wurde, galt aber die Tonne Gerstenmehl nur 11 Pfd. Sterl. Seit der Zeit ist der Artikel schon billiger geworden. Auf der zur College Cirencester gehörigen Farm sind vergleichende Fütterungsversuche mit Gerstenmehl und Johannisbrod angestellt worden; es wurden zu dem Zwecke zwei schottische Ochsen mit 4 Pfd. Johannisbrodhülsen und 4 Pfd. Gerstenmehl per Haupt und per Tag, und zwei andere Ochsen derselben Race und in demselben Futterzustande mit 8 Pfd. Johannisbrodhülsen per Haupt und per Tag gefüttert. Beide Partien zeigten, nachdem sie zwei Monate hindurch so gefüttert waren, keinen wahrnehmbaren Unterschied in ihrem Ernährungszustande, so daß man hiernach annehmen konnte, daß 4 Pfd. Gerstenmehl denselben Nähreffect ausüben, wie 4 Pfd. Johannisbrod. In Frankreich hingegen hat Proust schon vor längerer Zeit diese Frucht untersucht und die Ergebnisse seiner Untersuchung in Gehler's neuem Journal Bd. II bekannt gemacht. In Deutschland wurde von Reinsch eine Analyse der Johannisbrodhülsen und der Samen ausgeführt. Die Hülsen enthalten nach ihm in 1000 Theilen folgende Stoffe: Wasser     12 Pflanzenfaser     62 Traubenzucker   412 Eiweiß, Pflanzenleim und etwas Kali         208 Gummi und rothen Farbstoff   104 Pektin     72 Gerbstoff     20 Chlorophyll, fettes Oel und Stärke       2 ––––– 1000. Die Bestandtheile der Kerne hingegen waren: Schleim in der äußeren Haut u.    Schleimgummi im Inneren zusammen   448 Eiweiß, Gummi und Faser   337 Wasser     90 Stärke, Gerbstoff und Pflanzenleim           80 Zucker und Gerbstoff     21 fettes Oel     15 Wachs und gelber Farbstoff       9 ––––– 1000. Grieumard hatte schon 1834 entdeckt, daß die Kerne des Johannisbrodes viel Schleim enthalten und fein pulverisirt ein Material liefern, welches, in gleichen Mengen angewandt, fast eben so viel Schleim bildet, als Traganthgummi. Er hatte auf die Darstellung und den Verkauf dieses Gummi ein Patent genommen. Ein Bestandtheil des Johannisbrodes, der weder in der Analyse von Kinsington noch in der von Reinsch aufgeführt, und der wahrscheinlich dem Johannisbrode den eigenthümlichen Geruch verleiht, ist die Buttersäure, die zuerst von Redtenbacher 1846 hierin aufgefunden wurde, und zwar in solcher Menge, daß 5 Pfd. Johannisbrod 1 Loth reines Buttersäurehydrat enthalten. Später hat bekanntlich Marson mitgetheilt, daß man aus dem Johannisbrode Buttersäure durch Gährung in großer Menge darstellen könne. Bereits stimmen mehrere Angaben namhafter Landwirthe darin überein, daß Johannisbrod für Wiederkäuer und Schweine ein vortreffliches Futter ist. Schafe gehen Anfangs nicht leicht, später mit Eier daran. Pferde verschmähen es ganz, Schweine fressen es mit Eier.