Titel: Ueber das Bouquet der Weine und dessen Nachbildung.
Fundstelle: Band 147, Jahrgang 1858, Nr. LXIV., S. 230
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LXIV. Ueber das Bouquet der Weine und dessen Nachbildung. Aus der schweizerischen polytechn. Zeitschrift, 1857, Bd. II S. 182. Ueber das Bouquet der Weine und dessen Nachbildung. Worin das Boquet der Weine besteht und wie es sich nachbilden läßt, wird in einem Aufsatz von E. Strache in Stamm's illustrirter Wochenschrift „die neuesten Erfindungen“ in folgender Weise, mit nur vielleicht etwas zu viel Sicherheit besprochen: Die Vergährung reinen Zuckers mit Bierhefe gibt außer dem Alkohol wohl Amyloxydverbindungen, aber keinen Fettsäureäther, und was die von Mulder angeführte Bildung von Buttersäure und Buttersäureäther – dem Riechstoff des Rums – aus Kartoffel-Cellulose betrifft, so weisen wir auf den von Mulder selbst ausgesprochenen Zweifel, ob denn wirklich diese Cellulose als fettfrei angenommen werden dürfe, hin. Es wäre jedenfalls anormal, aus einem Zersetzungsproceß, wie es doch die Gährung ist, höhere organische Verbindungen hervorgehen zu sehen; bis jetzt war es wenigstens der organischen Thätigkeit allein vorbehalten, die Entstehung solcher höherer Verbindungen aus einfachem zu vermitteln. Mir ist es gelungen, den Ursprung des wesentlichsten Riechstoffs im Weine, des Oenanthäthers, aus Fettsäuren direct darzuthun. Bei jeder in geistiger Gährung begriffenen Flüssigkeit erzeugt der Zusatz einer Oelemulsion Weingeruch, somit Oenanthäther. Zucker mit ausgewaschener Bierhefe und mit der aus Traubenkernen, Nüssen, Mandeln u.s.w. erhaltenen Emulsion vergohren, riecht ganz wie junger Wein und gibt das gleiche Destillat. Derselbe Geruch entsteht bei Zusatz künstlicher Emulsionen, ja Stearinsäure in Stärke aufgelöst und so der gährenden Flüssigkeit zugesetzt, gibt trefflichen Weingeruch. Die Oele müssen deßhalb als Emulsion angewendet werden, weil sie sonst nicht in der Flüssigkeit suspendirt bleiben, und, an der Oberfläche schwimmend, nicht im nöthigen Contacte mit den gährenden Stoffen wären. Unrichtig ist die von Liebig zuerst ausgesprochene und von Mulder und Andern wiederholte Annahme, als sey das Vorhandenseyn der Weinsäure eine Bedingung der Bildung von Oenanthäther. Der Weingeruch entwickelt sich gleichmäßig, ob man dem mit einer Emulsion gährenden Zucker Weinsäure zusetzt oder nicht. Liebig scheint zu der Annahme, als sey Weinsäure ein wesentlicher Factor des Weingeruchs, durch den Umstand veranlaßt worden zu seyn, daß die wenig sauer schmeckenden Weine des Südens auch wenig Geruch besitzen. Es ist aber bekannt, daß diese Weine keineswegs frei von Säure sind, und nachdem wir jetzt wissen, daß es die im Traubensafte enthaltene Oelemulsion ist, welche die Grundstoffe des Geruches abgibt, so erklärt sich das Nichtriechen süßer Weine ganz einfach dadurch, daß bei höherer Reife der Traube sämmtliche öligen Bestandtheile ihrem eigentlichen Bestimmungsorte, dem Kerne zugeführt, mithin im entölten Traubensafte nicht mehr die Bedingungen zur Bildung von Fettsäureäthern vorhanden sind. Werthvoll für die Branntweinerzeugung ist diese Notiz, da ein Stückchen Stearin in Stärke aufgelöst, genügt, und den Branntweinmaischen Weingeruch zu geben, und bei sonstig guter Rectification und genügendem Alter ein dem Weinesprit ähnliches Product herzustellen. Außerdem ist in älteren Weinen ein diese vorzugsweise charakterisirender riechender Bestandtheil nachgewiesen: das Acetal – eine Verbindung der Essigsäure mit Aether. Ein Ergebniß des Contactes der im Wein enthaltenen Essigsäure mit dem Alkohol, bildet sie sich in bemerkbarer Menge erst nach vieljährigem Lager. Man nennt diesen Geruch in Oesterreich deßhalb das „Altl,“ sonst heißt er auch nach der Aehnlichkeit des Geruchs das „Jufteln.“ Man kann das Acetal künstlich darstellen, und mit einigen Tropfen desselben allen Weinen diesen höchst angenehmen Geruch mittheilen, die Darstellung selbst kann aber nur in chemischen Laboratorien erfolgen, da die Abscheidung anderer, gleichzeitig mit entstehender Producte eine schwierige Arbeit ist. Außer diesen im Weine mehr oder weniger direct nachweisbaren riechenden Bestandtheilen ist es der Praxis gelungen, eine Reihe von Gerüchen durch Gährung von Pflanzentheilen darzustellen, von welchen einige an die eigenthümlichen Gerüche von Weinen aus bestimmten Gegenden oder bestimmten Traubengattungen erinnern. So hat man durch Mitgährung von Hollunderblüthen im Weinmost den Muscateller Geruch, durch Gährung von Traubenblüthen das Rheinweinbouquet nachgeahmt. Die Gährung fast aller der verschiedenen Pflanzen und ihrer Theile gibt verschiedene, zum Theil höchst angenehme Gerüche, so Lindenblätter – Theegeruch, Buchenblätter – Erdbeergeruch u.s.w. Man nennt diese durch Gährung hervorgebrachten ätherischen Oele Fermentöle, und sie verdienen alle Beachtung, da sie wohl Mittel bieten dürften, eine Menge charakteristischer Gerüche, wenn auch künstlich, doch naturgemäß hervorzubringen, und damit Weinen, denen solche Gerüche abgehen, diesen geschätztesten ihrer Bestandtheile zu geben.