Titel: | Beschreibung des Verfahrens der Spitzenverfertigung im belgischen und französischen Flandern. |
Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. LXXIV., S. 262 |
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LXXIV.
Beschreibung des Verfahrens der
Spitzenverfertigung im belgischen und französischen Flandern.
Aus der deutschen Gewerbezeitung, 1857, Heft 6 S.
346.
Beschreibung des Verfahrens der Spitzenverfertigung im belgischen
und französischen Flandern.
Wenn in der Hauptsache die Gerätschaften, welche man zur Anfertigung der sogenannten
Brüsseler Spitzen nöthig hat, denen gleich sind, die man zur Erzeugung gewöhnlicher
Spitzen nach deutscher Art bedarf, so findet man doch in Form und Anwendung jener
Geräthschaften wesentliche Abänderungen, wenn man sie gegen die in Deutschland bis
jetzt üblichen vergleicht.
Um mit dem größten Gegenstande, dem Klöppelkissen zu beginnen, so hat dasselbe, statt
der Walzenform des deutschen, die Gestalt einer Scheibe, deren Oberfläche gepolstert
in einer, nach der Klöpplerin zu geneigten Lage auf einem Gestelle ruht und durch
eine Schraube gedreht werden kann. Auch gehört zu jedem derartigen Kissen ein
passender Sessel für die Arbeiterin.
Der Klöppel wird nicht, wie dieß bei dem deutschen der Fall ist, an der den Zwirn
bedeckenden hölzernen Scheide angefaßt, sondern an der Verlängerung des kleinen
Cylinders, auf welchem der Zwirn mit Hülfe eines Rades aufgespult ist. Durch diese
unfehlbar bessere Einrichtung wird die Möglichkeit des Beschmutzens des Zwirnes sehr
vermindert.
Ebenso wie beim deutschen Klöppeln bildet auch hier der sogenannte Klöppelbrief (ein
Stück rothes Pergamentpapier) die Auflage der zu fertigenden Arbeit. Auf diesem
Klöppelbrief ist die Zeichnung mit ganz eng an einander befindlichen Nadelstichen
angegeben, deren Zweck ist, der Klöpplerin einen Anhalt für Nachahmung des Musters
und Richtschnur zum Einstecken der Nadeln, worum sich der Zwirn schlingt, zu
gewähren.
Beim Beginn der Arbeit wird zuvörderst der oben beschriebene Klöppelbrief auf dem
Klöppelkissen befestigt und darüber ein Tuch gebreitet, in dessen Mitte sich eine
Oeffnung von der Größe eines Thalers befindet. Diese nun wird genau auf diejenige
Stelle des Briefes gebracht, woselbst die Arbeit beginnen soll, und je nach dem
Fortschreiten dieser weiter gerückt. Dahin auch werden 10 Klöppel, welche zuvor an
ihren Fäden zusammengebunden worden sind, mit einer Nadel befestigt und mit ihren
Handhaben der Neigung des Kissens nach gelegt. Bei dem ganz regelmäßigen
Durchschlagen derselben, welches man Flechten nennen kann, verfolgt die Arbeiterin
genau den vorgestochenen Umriß der Zeichnung, indem sie in strenger Reihenfolge
feine, eigens hierzu gefertigte Nadeln bis an den Kopf in die schon vorhandenen
Stiche bringt. Auf diese Weise wird ein fadenstarker regelmäßiger Rand, der
gewissermaßen das Gerippe der ganzen Klöppelei bildet, erzeugt. Es wird hierauf zum
Ausfüllen des durch den Rand gebildeten Umrisses der Blätter geschritten, so zwar,
daß die Arbeiterin je nach der Größe des auszufüllenden Blattes, mehr oder weniger
Klöppel einhäkelt und durch deren fortgesetztes Durcheinanderschlagen ein feines
Gewebe hervorbringt, welches, je nach der Angabe auf dem Klöppelbriefe, bald dicht,
bald dünn wird. Hat jedoch die Arbeiterin an irgend einer Stelle unterlassen,
entweder um die Arbeit nicht zu massig zu machen, oder sich dieselbe zu erleichtern,
den Rand zu klöppeln, so sondert sie ein Paar der eingehängten Klöppel ab, führt
dieselben jedoch stets in Verbindung mit den noch übrigen, zum Ausfüllen des
fraglichen Blattes dienenden Klöppeln an der noch offenen Seite desselben herunter
und schließt auf diese Weise durch einen leichten Umriß den geklöppelten Gegenstand.
Das ganze Verfahren ist ähnlich dem des Webens glatter Stoffe, nur daß die
Verbindung des gleichsam den Schuß bildenden Klöppels mit dem Rande durchs
Festhäkeln und jedesmaliges Verknüpfen eine äußerst mühsame und zeitraubende
ist.
Wir haben hier nur von der Anfertigung einzelner Blumen gesprochen, deren Bestimmung
es ist, auf Maschinenspitzengrund aufgenäht (applicirt) zu werden. Soll aber auch
dieser Grund geklöppelt werden, so ist es nöthig, zuvörderst das Muster des
beliebten Gegenstandes vollständig herzurichten. Das Muster wird sodann ganz oder
theilweise, je nach
seiner Größe, auf dem Klöppelkissen, die Rückseite nach oben, durch Nadeln
befestigt, der Grund darüber geflochten und durch Festhäkeln am Muster mit diesem
verbunden. So viel von der Points-Klöppelei, nun
noch einige Worte über die Points-Nähterei.
Hierzu bedarf man lediglich als unentbehrlichsten Geräths der Nadel (die von
besonderer Feinheit seyn muß) und der Schere. Auch hier bildet, wie beim Klöppeln,
der Brief, der jedoch von grünem Pergament ist, unter dem sich ein Stückchen weiße
Leinwand befestigt befindet, die Auflage der anzufertigenden Spitze oder Blume. Die
Arbeiterin beginnt mit einem Faden dem Umriß des Mustere zu folgen und diesen Faden
mit Stichen in den Löchelchen des Umrisses zu befestigen, dann legt sie innerhalb
dieses Fadens, um jeden, mit verschiedenem Grund auszufüllenden Theil des Musters
eine Lage perlenartig erscheinender Stiche und reiht hieran, durch das Legen von
Quer- und Längenfäden oder eigens geschlungenen Stichen, diejenige Art des
Grundes, die ihr in der Zeichnung vorgeschrieben ist. Man bezeichnet diese
Sticharten mit plat, gaze, fond Stich u.a.m.
Ist dieß geschehen, so werden mit gewöhnlichem Knopflochstich mehrere Fäden auf den
ersten das Muster heraushebenden Fäden befestigt und durch Abreißen des hinter dem
Briefe angebrachten Stückchens Leinwand die den ersten Contourfaden an jenem
befestigenden Stiche vernichtet, und so ist die fertige Blume von dem Briefe
losgetrennt. Ein Stück Papier mit einem Loche vertritt bei dieser Arbeit das
Klöppeltuch. Weit weniger schwierig in der Herstellung ist diese Arbeit auch von
weit geringerer Dauer, als die geklöppelte Point de
Bruxelles.