Titel: Einiges aus der Praxis der Bierbrauerei; von G. E. Habich.
Autor: G. E. Habich
Fundstelle: Band 147, Jahrgang 1858, Nr. LXXXIX., S. 308
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LXXXIX. Einiges aus der Praxis der Bierbrauerei; von G. E. Habich. Habich, über Bierbrauerei. Mit der Einführung des Dampfes (als Träger der Wärme) in die Brauereien war auch die Möglichkeit geschaffen, sich der Vortheile der Erzeugung concentrirter Würzen zu bemächtigen. Wäre man sich früher darüber klar geworden, daß die Erzeugung concentrirter Würze, die vor oder nach der Hauptgährung mit Wasser verdünnt wird, bis auf den herkömmlichen Gehalt, die bedeutendsten Ersparnisse an Anlagecapital, Arbeit und Brennstoff herbeiführt: so würde man auch längst den Brauapparat so construirt haben, daß er diese Praxis gestattet. Ich will hier nur in der Kürze auf einige weitere Vortheile hinweisen, welche die Sache im Gefolge hat. Man denke sich ein Publicum, welches ein Bier aus nur 10procentigen Würzen verlangt. Solch schwache Würzen bedürfen sehr kühler Tage, um auf den Kühlschiffen nicht Noth zu leiden, – oder aber man muß sich künstlicher Kühlung durch Refrigeratoren, mit Wasser oder Eis bedienen. Im ersten Falle ist man nur auf einen kleinern Theil des Jahres angewiesen, um arbeiten zu können, – im andern Falle hat man sich in der Regel nach der ökonomischen Decke zu strecken, um im Wasser- und Eisverbrauch nicht zu verschwenderisch seyn. Beiden Uebelständen nun hilft die Praxis der Erzeugung concentrirter Würzen ab. Man braucht jetzt nur eine Würze von 20 Proc. zu erzeugen, um folgende Vortheile zu genießen: 1. Eine concentrirte Würze leidet auch bei wärmerer Zeit nicht so leicht auf dem Kühlschiffe, und die Vollendung der Kühlung kann, wenn man will, mit der Hälfte Eis vollendet werden, weil man ja nur der Hälfte des Flüssigkeitsquantums dieselben Wärmemengen zu entziehen hat. Dasselbe Verhältniß findet natürlich auch bei Anwendung von Refrigeratoren statt. 2. Eine concentrirte Würze nimmt auch im wärmern Gährlocale einen langsamern Gährungsverlauf und man kann das fehlende Wasser dem Jungbier im Lagerkeller zusetzen. Gegen diese Praxis wird man nun einwenden, daß sich alle Verluste, die durch Adhäsion, sey es durch Anhaften in den Trebern oder an den Wandungen des Kühlapparats, hervorgerufen werden, auch verdoppeln. Man wird also auch darin die nothwendige Abhülfe zu schaffen haben. Und die ergibt sich aus Nachstehendem. Da die Würzen noch eine starke Verdünnung mit Wasser ertragen können, so ist der Verlust auf der Kühle am leichtesten und vollständigsten zu beseitigen. Man wäscht mit kleinen Portionen frischen Wassers ab und filtrirt durch Trubsäcke. Was aber die in den Trebern restirende Würze anlangt, so kann solche nur auf dem Wege der Verdrängung so vollständig als möglich gewonnen werden. Die bisherige Praxis hat bekanntlich ein ganz entgegengesetztes Resultat geliefert, – man hat durch Verdrängung nur höchst mangelhafte Erfolge erzielt und ist schließlich auf der ausgefahrenen Bahn des Anschwänzens wiederum angelangt. Warum man das erstrebte Ziel nicht erreichte, wird man alsbald einsehen. Man hat bei der Anwendung der Verdrängungsmethode die Erfahrung gemacht, daß ganze Treberklumpen nicht vom Wasser durchdrungen werden, selbst wenn man den Oberteig vorher beseitigt hatte, – die aufgegossenen Wassermassen bildeten Separatcanäle, durch welche sie rasch abstoßen und von einer Verdrängung der in den Trebern verbliebenen Würzemengen konnte keine Rede seyn. Fragt man nach dem Grunde dieses räthselhaften Umstandes, so ergibt er sich sehr einfach aus den physikalischen Eigenschaften des in der Trebermasse ebenso wie im Oberteig enthaltenen geronnenen Eiweißstoffs. Diese Substanz ist etwas klebrig und bildet einen für das Nachgußwasser undurchdringlichen Damm, wenn sie nach dem Abfließen der Würze theils sich als oberste Schicht absondert (Oberteig), theils die Trebern zu Klumpen verkittet. So lange aber diese Eiweißstoff-Flocken frei schwimmen, sind sie höchst unschädliche Gesellen. Die schottischen Brauer haben das längst gewußt und demgemäß gehandelt, indem sie das siedendheiße Nachgußwasser nicht auf die Treber, sondern während des Abläuterns auf die Maische leiteten. Ist das Abläutern zu weit vorgeschritten, liegt die Oberfläche der Treber bereits trocken und hat sich ein Oberteig abgelagert, so ist vom Anschwänzen durch Verdrängung nichts mehr zu erwarten, man ist dann genöthigt, die Treber mit dem Nachgußwasser aufzurühren. Hält man sich aber streng an die oben erwähnte Vorsichtsmaßregel, so kann man auf ein sehr vollständiges Verdrängen der Würze aus den Trebern rechnen. Ich bediene mich in meiner Brauerei des in Schottland unter dem Namen sparger allgemein gebräuchlichen Instrumentes und süße die Treber so vollständig aus, daß die zuletzt abfließenden Portionen nur noch 2 bis 2 1/2 Proc. Extractgehalt zeigen. Dieses einfache Geräth ist so wenig bekannt, daß ich mich darüber etwas weiter auslassen muß. Otto erwähnt desselben in seinem Lehrbuch der rationellen Praxis (4te Aufl. S. 799) im Vorbeigehen, aber er ist im Irrthum, wenn er gesehen zu haben glaubt, daß sich das Nachgußwasser aus demselben „über die Treber ergoß. Eine etwas detaillirtere Beschreibung mag nicht überflüssig seyn, um dem vortrefflichen Instrumente die Anerkennung zu verschaffen, welche es in hohem Grade verdient. Eine kupferne Schale, die auf der Mitte des Bodens eine mit Hartblei ausgefütterte Vertiefung hat, mit welcher sie sich auf einem eisernen Dorn balanciren kann – läuft in vier waagrechte Arme aus. Diese an ihren Enden verschlossenen Arme tragen seitwärts – und zwar alle in derselben Richtung – eine Reihe von Löchern. Wird das Geräth nun auf einem im Seihbottich befindlichen und mit dem aufrecht stehenden Dorn versehenen Querbalken aufgesetzt und das siedende Nachgußwasser in die Schale geleitet, so tritt sofort eine Rotation des Kreuzes ein, nach Art des Segner'schen Wasserrades. Ich wiederhole, daß die Leistungen dieses sparger unübertrefflich sind, wenn man ihn in Thätigkeit setzt, so lange die Treber noch von Würze bedeckt sind, – daß er aber nichts leistet, wenn die Treber bereits bloß liegen. Der Dampfapparat, welchen ich mir construirt habe, arbeitet zu meiner völligen Zufriedenheit. Alle Bedenken, welche von Praktikern in Deutschland dagegen erhoben wurden, concentrirten sich dahin, daß wegen der allmählichen Erhöhung der Temperatur die Verzuckerung eine höchst vollständige sey, – in Folge dessen würde den Bieren das Dextringummi und damit auch die vielbeliebte Vollmundigkeit fehlen. Daß die Bedenken auf eine Gespensterseherei hinauslaufen, habe ich in meinem Aufsatz „zur Theorie der Bierbrauerei“ genügend nachgewiesen. Meine Biere sind frei von Dextrin und Dextringummi, dennoch können sie sich in Bezug auf Vollmundigkeit mit jedem andern von gleicher Schüttung messen! Ich habe deßhalb auch nicht gezögert, mir denselben für die Vereinigten Staaten Nordamerika's durch ein Patent zu sichern und für Deutschland die Einführung desselben sammt meinem Brauverfahren auf dem Wege der Subscription zu versuchen. Noch eine andere Seite der Braupraxis muß zur Sprache gebracht werden, um die Beseitigung derselben anzubahnen, – es ist der Gebrauch, Lagerbier (Sommerbier) zu brauen. Betrachtet man sich die Veränderung, welche mit dem Bier während der Lagerzeit vor sich geht, so besteht sie wesentlich in der Zunahme der Vergährung. Damit aber verändert sich der Geschmack des Bieres bedeutend. Und nun verlangt diese Praxis, daß die Biertrinker diese Aenderung geduldig hinnehmen sollen! Erst mit dem Verzapfen des Winterbieres läßt man sich das Urtheil der Consumenten wieder zur Richtschnur dienen. Das sind denn doch Zumuthungen, welche für die Folge beseitigt werden müssen. Die Aufgabe muß seyn, stets Biere von gleichem Vergährungsgrad auf den Markt zu liefern, also die Fabrication das ganze Jahr hindurch zu betreiben. Dazu bedarf man eines rasch wirkenden und leicht zu reinigenden Kühlapparates. Ich habe einen construirt und bin mit den Leistungen desselben sehr zufrieden. Die fast siedendheiße Würze wird binnen 1 1/2 Stunden auf die Temperatur des Kühlwassers gebracht, während ein großer Theil des erhitzten Kühlwassers zu Brauzwecken nutzbar gemacht wird. Ueber die Construction desselben kann ich mich zur Zeit noch nicht aussprechen, weil er einen Theil meines Brausystems bildet. Die demselben zu Grunde liegenden physikalischen Principien werbe ich in einem andern Artikel demnächst besprechen.