Titel: Ueber die Absorption des Wasserdampfes durch die Ackererde; von Prof. v. Babo.
Fundstelle: Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CXII., S. 386
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CXII. Ueber die Absorption des Wasserdampfes durch die Ackererde; von Prof. v. Babo. Aus dem Journal für praktische Chemie, 1857, Bd. LXXII S. 273. Babo, über die Absorption des Wasserdampfes durch die Ackererde. In der in Nr. 17 und 18 der Berichte über die Verhandlungen der Gesellsch. für Beförderung der Naturwissenschaften in Freiburg veröffentlichten Abhandlung über die Spannkraft des sich aus Salzlösungen entwickelnden Wasserdampfes habe ich darauf hingewiesen, daß auch die Salze des Bodens eine verdichtende Wirkung auf den in der Atmosphäre enthaltenen Wasserdampf äußern müßten. Die in der letzten Zeit von Liebig in der „Allgemeinen Zeitung“ erschienenen Briefe über die Absorption von Salzen durch die Ackererde veranlaßten mich, über den in der angeführten Abhandlung berührten Gegenstand einige Versuche anzustellen, deren Resultate mich so sehr überraschten, daß ich nicht anstehe, sie hier jetzt schon zu veröffentlichen, um auch Andere auf eine Erscheinung aufmerksam zu machen, welche wie ich glaube, eine allgemeinere Untersuchung verdient. Die zu beschreibenden Versuche wurden bis jetzt nur mit einem leichten humusarmen Sandboden des hiesigen botanischen Gartens und einer humusreichen Topferde von da angestellt; da sich aber beide im Wesentlichen gleich verhalten, so zweifle ich nicht, daß die beobachteten Erscheinungen auch bei anderen Bodenarten eintreten werden. Trocknet man den durch Sieben von Wurzeln und Steinen befreiten Boden bei einer Temperatur von etwa 35–40° C., so erhält er die Eigenschaft, einer begränzten Menge feuchter Luft den Wasserdampf fast so vollständig zu entziehen, als dieß die Schwefelsäure, das Chlorcalcium oder das Chlorzink thun. Bringt man nämlich 50 Grm. der in einem luftdicht verschlossenen Kolben erkalteten Ackererde in eine Flasche, welche mit Feuchtigkeit bei 20° C. vollständig gesättigte Luft enthält, deren Thaupunkt also nach der in der oben angeführten Abhandlung beschriebenen Methode bestimmt, bei 20° liegt (wobei man nur darauf zu achten hat, daß die Flasche kein tropfbar flüssiges Wasser enthält), und läßt die Flasche verschlossen etwa 1/4 Stunde ruhig stehen, so ist die Luft darin so sehr ausgetrocknet, daß man auch bei einer Temperatur von – 8–10° auf dem hineingebrachten Psychrometer keinen Thaubeschlag hervorzubringen im Stande ist. Die Spannkraft des Wasserdampfes der Luft ist also von 17 Millim. auf weniger als 2 Millim. herabgedrückt. Bringt man dagegen den gleichen Boden einige Stunden unter einer Glocke in Luft von der gleichen Temperatur, die man durch einen darin befindlichen befeuchteten Schwamm beständig mit Wasserdampf gesättigt erhält, so hat sie die angeführte Eigenschaft gänzlich verloren. Die getrocknete Ackererde muß demnach aus jeder Luft von 20°, welche Wasserdampf von mehr als 2 Millim. Spannkraft enthält, so lange Wasserdampf aufnehmen, bis sich ein Gleichgewichtszustand der Spannkraft des in der Luft enthaltenen Wasserdampfes und der durch die Aufnahme von Wasser verminderten Anziehung des Bodens zum Wasser hergestellt hat. Indem nämlich die Erde Wasserdampf verdichtet, verliert sie allmählich die absorbirende Kraft in der Art, daß sie die Spannkraft des in der Luft enthaltenen Wasserdampfes nicht mehr von 17 Millim. auf 2, sondern um einen viel geringeren Bruchtheil vermindert. Läßt man dieselbe Erde in einer weniger feuchten Luft, deren Wasserdampf z.B. bei einer Temperatur von 20° eine Spannkraft von 10 Millim. besitzt, deren Thaupunkt also bei 12° liegt, einige Stunden liegen, so hat sich die Anziehung zwischen Wasserdampf und Erde und die Spannkraft des Wasserdampfes durch Luft vollständig ausgeglichen, wenn nur eine so große Luftmasse mit dem Boden in Berührung war, daß das aufgenommene Wasser den Gehalt der Luft an Dampf nicht bedeutend änderte. Stellt man dann mit dieser Erde den oben beschriebenen Versuchen ähnliche an, d.h. bringt man einen Theil derselben in eine Flasche, welche feuchte Luft, einen anderen Theil in eine zweite, welche durch Schwefelsäure getrocknete Luft enthält, so findet man nach einiger Zeit die Spannkraft des Wasserdampfes in beiden Flaschen gleich. An die trockene Luft hat die Erde so viele Feuchtigkeit abgegeben, aus der feuchten so viel aufgenommen, bis die Spannkraft des Dampfes in beiden Fällen die der Luft war, aus der der Boden vorher seine Feuchtigkeit aufgenommen hatte. Im oben angenommenen Falle liegt ihr Thaupunkt bei 12°. In gleicher Weise entzieht ein durch Schwefelsäure getrockneter Luftstrom dem Boden auch bei einer Temperatur von 16–20° so viel Wasser, daß diese Erde den Thaupunkt der Luft von 20° bis auf – 6 bis 8° herumzudrücken vermag. Wo also Luft, welche mit Wasserdampf bis zu einem gewissen Sättigungsgrad beladen ist, mit Erde bis zur Ausgleichung in Berührung war, nimmt diese aus Luft, welche Wasserdampf von anderer Spannkraft enthält, entweder diesen auf oder gibt Wasserdampf ab, bis das Gleichgewicht hergestellt ist. Diese Vorgange sind von einer anderen, wie es mir scheint eben so wichtigen, Erscheinung begleitet. Bringt man nämlich die wie oben getrocknete Erde in einem frei Hangenden Papierfilter unter eine Glasglocke, deren Wandungen man stark mit Wasser befeuchtet hat, um die darunter befindliche Luft mit Wasserdampf gesättigt zu erhalten, und befestigt in dem Filter die Kugel eines Thermometers, so sieht man dieses im Verlauf einer halben Stunde sehr bedeutend steigen. Das Gelingen des Versuchs hängt nur davon ab, daß man die getrocknete Erde möglichst schnell in die feuchte Luft bringt. In der oben erwähnten humusreichen Erde stieg die Temperatur von 20 auf 31°, in der humusarmen auf 27°, und diese Temperatur erhielt sich über eine Stunde, nach der sie allmählich auf die der Umgebung herabsank. Auch als man Erde, die durch theilweise gesättigte Luft von 20° und 12° Thaupunkt ausgetrocknet war, in die mit Wasserdampf gesättigte Luft von 20° brachte, stieg die Temperatur um 2–3°. Die Erklärung dieser Erscheinungen ergibt sich aus den in der oben erwähnten Abhandlung besprochenen Thatsachen. Die Erde verhält sich wie eine Salzlösung. Indem sie den Wasserdampf vom Maximum der Spannkraft verdichtet, wie eine Vergrößerung des darauf lastenden Druckes, zwingt sie diesen, seine latente Wärme an die Umgebung abzugeben, und die Temperaturerhöhung muß, abgesehen von der Wärmeabgabe, von der Menge und specifischen Wärme des zu erwärmenden Bodens einestheils und der Quantität des in einer bestimmten Zeit verdichteten Wasserdampfes und dessen latenter Wärme anderntheils abhängig seyn. Daß sich die einzelnen Bodenarten verschieden verhalten müssen, geht daraus hervor. Die Aufnahme von Wasserdampf durch den Boden nach dem oben beschriebenen Gesetz ist stets von Wärmeentwickelung, die Abgabe von Wasserdampf von Erkältung begleitet. Daß die beschriebenen Erscheinungen auf die Vegetation einen Einfluß äußern, ist einleuchtend. Treten die hervorgehobenen Extreme auch nur selten ein, so sind die dazwischen liegenden Fälle um so häufiger. Wo in einem heißen Sommer die Oberfläche des Bodens austrocknet ohne daß der Ersatz der Feuchtigkeit aus tieferen Erdschichten durch Kapillarität stattfinden kann, liefert die Anziehung des Bodens zu dem gasförmigen Wasser das Mittel zur Erhaltung der Vegetation. Der. zu verdichtende Wasserdampf wird aber durch zwei Quellen geliefert. Eines Theils sinkt während der Nacht die Temperatur der Luft. Die Spannkraft ihres Wasserdampfes wird erniedrigt, und auch ohne daß die Temperatur unter den Thaupunkt sinkt, tritt durch die Anziehung des Bodens Aufnahme von Wasser und mit diesem von Ammoniak und Kohlensäure ein, begleitet von Wärmeentwicklung, die der Erkältung des Bodens durch Ausstrahlung u.s.w. entgegenwirkt. Namentlich in den regenlosen Tropen dürfte diese Erscheinung von unberechenbarem Einfluß seyn und gleichfalls allein die Möglichkeit der Vegetation auf nur wenige Zoll hoch von Erde bedeckten Felsen bedingen. Ist ihre Wirkung in unseren gemäßigten Klimaten auch keineswegs eine so durchgreifende als dort, so kann sie doch nicht immer als verschwindend angesehen werden. Die dabei auftretende Temperaturerhöhung des Bodens beträgt, da die Verdichtung allmählich erfolgt, in vielen Fällen wohl nur Bruchtheile eines Grades, dock ist auch diese bei in nördlichen Gegenden wachsenden Pflanzen, welche einem südlicheren Klima angehören, gewiß nicht ohne Bedeutung. Eine zweite Quelle, aus welcher die ausgetrocknete Erdoberfläche, durch diese Erscheinung vermittelt, ihre Feuchtigkeit schöpft, bieten die tieferen feuchten Erdschichten. Von ihnen muß nach der Oberfläche eine beständige Destillation von Wasserdampf, die von der gleichen Wärmeentwicklung in den oberen Schichten begleitet ist, stattfinden, welche um so rascher erfolgt, je mehr der Boden durch Bearbeitung und Humus gelockert erscheint, je leichter der Austausch dadurch ermöglicht wird. Diese und gewiß noch viele andere Folgerungen lassen sich mit Sicherheit aus den beobachteten Erscheinungen ziehen; wie groß deren Einfluß auf die Vegetation ist, wie verschieden sich die Wirkungsweise einzelner Bodenarten zeigt, ob sie nicht eine rationelle Erklärung der Wirkung des Humus liefern, ist die Aufgabe weiterer Bearbeitung des Gegenstandes. Mögen diese Zeilen dazu dienen, an recht vielen Orten dazu aufzufordern.