Titel: Chemische Untersuchung der Runkelrübe während der zweiten Periode ihres Wachsthums; von Hrn. C. Corenwinder.
Fundstelle: Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CXXX., S. 457
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CXXX. Chemische Untersuchung der Runkelrübe während der zweiten Periode ihres Wachsthums; von Hrn. C. Corenwinder. Aus den Comptes rendus, Decbr. 1857, Nr. 23. Corenwinder's chemische Untersuchung der Runkelrübe während der zweiten Periode ihres Wachsthums. Bekanntlich ist die Runkelrübe eine zweijährige Pflanze. Unter den normalen Umständen erzeugen sich die Stengel, Blüthen und Früchte erst im Verlaufe des zweiten Jahres ihres Wachsthums. Die Rübe, welche während des ersten Jahres eine veränderliche Menge Zucker in ihrer Wurzel angehäuft hat, wird im October herausgenommen, in Silos gebracht, und wenn sie zur Samenerzeugung verwendet werden soll, im Monat April in gehörig gedüngten Boden versetzt, wo ihr Wachsthum sich rasch vollendet. Die Samen werden gewöhnlich Ende Augusts geerntet. Durch Peligot's Versuche ist bekannt, daß diese Wurzel, wenn die Samenkörner ihre Reife erlangt haben, keine Spur von Zucker mehr enthält. Ich habe jedoch beobachtet, daß sich manchmal an der zum Samentragen gepflanzten Mutterwurzel kleine, so zu sagen, darauf gepfropfte Nebenwurzeln erzeugen, welche eine nicht unbeträchtliche Menge Zucker enthalten. Diese Nebenwurzeln haben gewöhnlich kleine Blätter, ähnlich jenen der Rübe während ihres ersten Wachsthums. Nach Peligot's Beobachtung muß man natürlich annehmen, daß der Zucker der zur Samenerzeugung eingesetzten Rübe den im zweiten Jahre ihres Lebens sich entwickelnden Stengeln, Blättern etc. zur Nahrung dient. In welchem Zeitpunkt aber findet die Zuckerabnahme in der Wurzel statt? Geht dieselbe in regelmäßiger Weise, im Verhältniß der Entwickelung der Blattorgane, vor sich, oder findet sie zu einer bestimmten Zeit statt? Diese Frage beabsichtigte ich durch meine Versuche zu lösen. Im November 1856 wählte ich von einem Felde 30 Stück, aus demselben Samen gezogener Runkelrüben von gleicher Gestalt, Größe und überhaupt möglichster Aehnlichkeit aus, und bewahrte dieselben den Winter über in einem Silo auf, aus welchem sie erst im darauffolgenden April wieder genommen wurden. Alsdann wurden sie auf einem und demselben Feld und in gleicher Lage eingesetzt. Drei derselben wurden jedoch zurückbehalten, miteinander zerrieben, das Mark wohl vermischt und der Analyse unterworfen. Ich versetzte hernach drei dieser Rüben zu verschiedenen Zeitpunkten ihres Wachsthums (am 20. April, 20. Mai, 20. Juni, 24. Jul., 8. Juli, 6. August, 20. August) und bestimmte ihre mittlere chemische Zusammensetzung. Diese Analysen lieferten mir folgende Resultate: 1) daß die Dichtigkeit des Saftes, welche während der Bildung der ersten Blätter etwas abnimmt, dann keine merkliche Abnahme mehr erleidet bis der Same sich der Reife nähert; 2) daß zur Zeit der Reife des Samens der Wassergehalt etwas zunimmt; 3) daß der Zuckergehalt während der Entwicklung der ersten Blätter, wo sie wahrscheinlich ihre Nahrung noch nicht aus der Atmosphäre zu schöpfen vermögen, etwas abnimmt. Die Stengel und die Blätter wachsen hierauf beträchtlich heran, ohne daß der Zucker merklich abnimmt. Erst wenn die Samenkörner zum Vorschein kommen, wird die Abnahme des Zuckers sehr merklich und während ihres Reifens verschwindet derselbe rasch. Eine geringe Abnahme desselben ist jedoch auch zur Blüthezeit wahrzunehmen; ich muß aber bemerken, daß kein Rübenstengel zu finden ist, welcher nur Blüthen trägt, und nachdem diese, wenn auch noch unvollkommen, sich entfaltet haben, sind an der Spitze der Zweige schon Samen zu finden; 4) daß zur Zeit der Samenbildung auch der Kaligehalt sehr beträchtlich zunimmt. Die Runkelrübe, welche ihr Wachsthum vollendet hat, enthält ungefähr fünfmal so viel Kali als die normale Wurzel. Es ist anzunehmen, daß das Kali zu dieser Zeit großentheils als salpetersaures Kali darin enthalten ist, denn wenn man das getrocknete Mark einzuäschern beginnt, um den Kaligehalt zu bestimmen, so findet in der ganzen Masse ein lebhaftes Abbrennen statt. Uebrigens hat schon Peligot auf den großen Salpetergehalt der am Ende des Wachsthums von Zucker erschöpften Runkelrübe aufmerksam gemacht. Auch die anderen wichtigeren Bestandtheile der durch vollendetes Wachsthum an Zucker erschöpften Runkelrübe, wie den Stickstoff, die Holzfaser etc., habe ich quantitativ bestimmt und die erhaltenen Zahlen mit jenen der normalen Runkelrübe, die nur ein Jahr gelebt, verglichen. Die Resultate der Analyse, unter sich und mit den von Boussingault erhaltenen verglichen, ergaben: 1) daß der Holzstoff in der Runkelrübe, welche reife Samen gebildet hat, allerdings in einem gewissen Verhältniß zuzunehmen scheint, aber doch nicht so bedeutend, als man ihrer faserigen Beschaffenheit nach glauben könnte; 2) daß auch die Menge der Asche beträchtlich zunimmt; diese Zunahme besteht hauptsächlich in Kali und Kieselerde; 3) daß, wenn man die in zwei Rübensorten enthaltenen Stickstoffmengen vergleicht, man dieselben fast gleich findet. Es wäre jedoch ein Irrthum zu glauben, daß die stickstoffhaltigen organischen Substanzen in der samentragenden Rübe nicht abgenommen haben. Ein großer Theil des Stickstoffs dieser letztern rührt von dem in ihr enthaltenen Salpeter her. Nehmen wir mit Peligot an, die Rübe enthalte gegen das Ende ihres Wachsthums 0,9 Procent Salpeter, so beträgt der von der Salpetersäure herrührende Stickstoff 0,124, folglich der der organischen Substanz angehörende Stickstoff nur 0,097, entsprechend 0,621 Eiweißstoff. Der Stickstoff der normalen (nur ein Jahr alten) Runkelrübe läßt sich mit größerer Sicherheit bestimmen, weil diese Wurzel, besondere Fälle ausgenommen, nur eine geringe Menge von Salpeter enthält. Was endlich den Phosphorsäuregehalt der samentragenden zwei Jahre alten Runkelrübe anbelangt, so verschwindet die Phosphorsäure während der zweiten Periode des Wachsthums gänzlich, um in den Samen überzugehen. Ich werde in einer später erscheinenden Abhandlung zeigen, daß diese Säure beim Keimungsproceß eine bedeutende Rolle spielt.