Titel: Ueber den Schwefelwasserstoff- und Blausäuregehalt des Tabakrauches; von Prof. Dr. August Vogel jun.
Fundstelle: Band 148, Jahrgang 1858, Nr. LV., S. 232
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LV. Ueber den Schwefelwasserstoff- und Blausäuregehalt des Tabakrauches; von Prof. Dr. August Vogel jun. Vogel, über den Schwefelwasserstoff- und Blausäuregehalt des Tabakrauches. Die Fortsetzung meiner früheren Arbeiten über die chemischen Eigenschaften der Verbrennungsproducte des Tabaks hat zu einer speciellen Untersuchung des Tabakrauches Veranlassung gegeben. Die weiteren Versuche über diesen Gegenstand, welche ich gemeinschaftlich mit meinem Freunde Dr. C. Reischauer ausgeführt habe, ergaben als Resultat die Nachweisung zweier Substanzen, des Schwefelwasserstoffes und der Blausäure im Tabakrauche, welche meines Wissens bisher noch nicht darin bekannt waren. Leitet man Tabakrauch durch eine alkoholische Lösung von Bleizucker oder basisch essigsaurem Bleioxyd, so schwärzt sich das Einströmungsrohr nach kurzer Zeit in auffallender Weise, während sich in der Flüssigkeit selbst ein durch Schwefelblei gebräunter Niederschlag von kohlensaurem Bleioxyd absetzt. Um in den folgenden quantitativen Versuchen das Schwefelblei unvermengt mit kohlensaurem Bleioxyd zu erhalten, wurde der Tabakrauch durch eine mit Essigsäure stark angesäuerte alkoholische Bleizuckerlösung hindurchgeleitet. Der Niederschlag von Schwefelblei ward nach dem Auswaschen mit Alkohol getrocknet und gewogen. 1) Türkischer Tabak, 3,4 Grm. ergaben 7 Milligramme Schwefelblei. 2)       „            „        3,7    „        „ 7,5      „                  „ 3) Inländische Cigarre,  3    „        „ 9         „                  „ Somit ist denn die Gegenwart des Schwefelwasserstoffes im Tabakrauche auf das Unzweifelhafteste dargethan. Man kann sich übrigens auch auf eine noch einfachere Weise vom Schwefelwasserstoffgehalte des Tabakrauches überzeugen, wenn man den Rauch durch die Cigarre hindurch auf ein mit essigsaurem Bleioxyde befeuchtetes Papier bläst, wobei sogleich eine Bräunung der betroffenen Stelle eintritt. Ganz besonders charakteristisch zeigt sich die bekannte Reaction des Schwefelwasserstoffes auf Nitroprussidnatrium, wenn man ein paar Tropfen einer mit Ammoniak versetzten Nitroprussidnatriumlösung in ein Proberohr bringt und nun den Tabakrauch durch ein Einströmungsrohr, welches nicht ganz auf den Boden der Proberöhre reicht, einleitet. Die durch Schütteln mit der Lösung von Nitroprussidnatrium befeuchteten Wände des Glases färben sich durch die Einwirkung des schwefelwasserstoffhaltigen Tabakrauches tief violettroth. Die angeführten Daten ergeben zugleich, von welchem Einflusse überhaupt das Einäschern der Pflanzentheile auf die Genauigkeit der Schwefelsäurebestimmung in den Aschen ist. Um den durch die Einäscherung bedingten Verlust an Schwefelsäure in der Asche direct zu ermitteln, wurde die Schwefelsäure in der aus dem Versuche 1 resultirenden Tabakasche bestimmt. Hieraus ergab sich, daß von 100 Thln. Schwefelsäure im Tabak 12,63 Proc. im Rauche als Schwefelwasserstoff entweichen. Dieses Verhalten ist daher von Wichtigkeit für die Schwefelsäurebestimmung in eingeäscherten Pflanzentheilen, um so mehr, da doch noch ein Theil des Schwefelwasserstoffes in dem oberen Rauche des brennenden Tabaks der Beobachtung entgeht. Nachdem wir in der Tabakasche auch in größeren Mengen vergebens Cyanverbindungen aufzufinden versucht hatten, sind wir darauf gekommen, den Tabakrauch selbst auf Cyan zu untersuchen, und es ist gelungen, dasselbe hier auf das Bestimmteste nachzuweisen. Die Methode, um Blausäure im Tabakrauche zu entdecken, ist folgende. Man läßt Tabakrauch durch eine concentrirte Lösung von caustischem Kali hindurchströmen. Die Lösung färbt sich dadurch schwach braun, und muß, wenn beim Verdünnen mit Wasser eine Trübung entsteht, filtrirt werden. Hierauf versetzt man die Lösung mit schwefelsaurem Eisenoxyd-Oxydul und erwärmt. Es ist nothwendig dazu ein geräumiges Gefäß zu verwenden, da namentlich beim Kochen eine starke Kohlensäure-Entwickelung stattfindet. Man behandelt nun den erhaltenen Niederschlag mit chemisch reiner Salzsäure im Ueberschuß, wobei sich das gefällte Eisenoxyd-Oxydul auflöst unter Zurücklassung von Berlinerblau. Die Abscheidung des Berlinerblau wird durch Erwärmen der Flüssigkeit befördert; nach dem Filtriren und vollständigen Auswaschen mit heißem Wasser und später mit Alkohol bleibt das Berlinerblau gewöhnlich schon tief dunkelblau gefärbt auf dem Filtrum zurück. Ist es dagegen von brenzlichen Bestandtheilen des Tabakrauches schmutzig grün gefärbt, so muß es durch Schütteln mit Aether und Alkohol von dieser Verunreinigung befreit werden, worauf es stets in seiner charakteristischen Färbung zurückbleibt. Am schönsten wird es erhalten, wenn man dasselbe, nachdem es auf dem Filtrum so viel wie möglich ausgewaschen, mit verdünnter Kalilauge zersetzt und in die vom Eisenoxyde abfiltrirte Lösung ein Eisenoxyd-Oxydulsalz bringt, wodurch es nach der Behandlung mit Salzsäure von fremden Beimengungen befreit, regenerirt wird. Auf die Quantitätsbestimmung der Blausäure im Tabakrauch behalten wir uns vor, demnächst noch ausführlicher zurückzukommen; ich bemerke vorläufig nur, daß von 2 Cigarren, zusammen im Gewichte von 10,6 Grm., 0,018 Berlinerblau und von 2 Cigarren einer anderen Sorte, zusammen im Gewichte von 8,2 Grm., 0,010 Berlinerblau erhalten wurden. Unter allen Tabaksorten, die ich bis jetzt auf Blausäure nach der angegebenen Methode untersucht habe, befand sich nur eine und zwar eine sehr alte abgelagerte, welche auf 5 Grm. nur eine unwägbare Spur von Berlinerblau ergab. Alle übrigen zeigten ganz entschieden Blausäuregehalt. Auch die Art des Rauchens der Tabakblätter, ob in Form einer Cigarre oder aus der Pfeife, überhaupt die Art der Verbrennung scheint auf die Bildung der Blausäure im Tabakrauche nicht ohne Einfluß zu seyn. Das Vorkommen von Blausäure im Tabakrauche ist übrigens durchaus nicht auffallend, da sie ja, wie man weiß, unter den Destillationsproducten von Steinkohle und Torf in so reichem Maaße vorkommt, daß in neuerer Zeit sogar die Darstellung der Blausäure aus Steinkohlen in Frankreich patentirt worden ist.Krafft, Brevets d'inventions t. XVII p. 159 (polytechn. Journal Bd. CXXXV S. 393): „Aus 100 Kilogr. Gaskalk können 15 Kilogr. Berlinerblau rhalten werden.“ Ihr Vorkommen schien mir nur hier in diesem speciellen Falle, in den Verbrennungsproducten des Tabaks, eines Genußmittels des täglichen Lebens, nicht ohne Interesse.