Titel: Ueber Cyanbildung; von Hrn. Langlois.
Fundstelle: Band 149, Jahrgang 1858, Nr. XV., S. 56
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XV. Ueber Cyanbildung; von Hrn. Langlois. Aus den Annales de Chimie et de Physique, März 1858, S. 326. Langlois, über Cyanbildung. Spielt das Wasser eine Rolle, wenn man Cyankalium dadurch erzeugt, daß man Stickgas über ein heftig glühendes Gemenge von Kohle und kohlensaurem Kali leitet? Man weiß jetzt, daß sich das Cyankalium leicht auf Kosten des Stickstoffs der Luft und ohne Beihülfe thierischer Substanzen erzeugen läßt. Diese wichtige Thatsache wurde zuerst von Desfosses beobachtet, und L. Thompson Polytechn. Journal Bd. LXXIII S. 281. fand dann, daß ein Gemenge von käuflicher Potasche mit Kohks und Eisenfeile, in einem offenen Gefäß heftig geglüht, ein Product liefert, welches Cyankalium enthält. Bezüglich dieser Angabe bemerkte Berzelius Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie, 1842, XXI. Jahrg., es bleibe noch die Frage zu entscheiden übrig, ob die Kohks bei dieser Operation mehr Cyan geben, als ihrem eigenen Stickstoffgehalt entspricht. Fownes l'Institut, No. 413, page 406. machte in dieser Hinsicht einige Versuche; er fand, daß Kohle von krystallisirtem Zucker, mit reinem kohlensauren Kali gemengt, Cyankalium erzeugt, wenn man in einer zum Rothglühen erhitzten Röhre einen Strom Stickgas darüber leitet. Streng genommen, war nach diesem Versuche nicht mehr zu bezweifeln, daß sich der Kohlenstoff bei Gegenwart alkalischer Basen direct mit dem Stickstoff zu Cyan verbinden kann. Um dieselbe Zeit veröffentlichte ich meinerseitsAnnales de Chimie et de Physique, 3e série, t. I p. 117., daß Cyanammonium gebildet wird, wenn man trockenes Ammoniakgas über heftig glühende Kohlen leitet. Etwas später wiederholten Erdmann und Marchand Journal für praktische Chemie, 1842, Bd. XXVI S. 412. den Versuch von Fownes und erhielten bei Anwendung von trockenem Stickgas keine Spur von Cyankalium. Berzelius Jahresbericht, 1844, XXIII Jahrgang. bemerkte hiezu, daß von Wöhler angestellte Versuche vollkommen mit letzteren übereinstimmen und überdieß zeigen, daß stets Cyankalium gebildet wird, wenn das Stickgas feucht war oder das Kali Hydratwasser enthielt. Hiernach hielt es Berzelius für wahrscheinlich, daß die Dazwischenkunst von Wasser, zur Bildung von Ammoniak, erforderlich ist, und daß erst alsdann auf Kosten dieses letztern das Cyan gebildet wird. Diese Ansicht wurde wieder etwas zweifelhaft, als A. V. Newton Polytechn. Journal Bd. XCV S. 293. in London im J. 1843 ein Patent nahm auf die Bereitung des Cyankaliums im Großen durch Glühen von kohlensaurem Kali und Kohle in einem Strom von Stickgas. Possoz und Bobierre errichteten in England eine Blutlaugensalz-Fabrik, worin sie das Cyankalium mittelst des Stickstoffs der Luft erzeugen; sie bemerken, daß die Gegenwart selbst einer geringen Quantität Wasser in dem Gemenge von Kohle und Potasche die Erzeugung von Cyanverbindungen verhindert oder die bereits gebildeten zersetzt.Polytechn. Journal Bd. CVII S. 444. Ueber die Rolle des Wassers bei dieser Operation stehen somit die bisherigen Versuche in Widerspruch, was mich veranlaßte dieselben zu wiederholen. Ich glaubte vor Allem unter Umständen operiren zu müssen, wo unzweifelhaft Cyanbildung stattfindet, nämlich mit feuchtem Stickstoff und Kalihydrat. Mein Apparat bestand aus einer Röhre mit Kugelapparat, welcher theilweise mit Wasser gefüllt war; aus einer 75 Centimeter langen Röhre von grünem Glase, welche mit Kupferdrehspänen gefüllt, mit dünnem Messingblech umhüllt und in einem eisernen Ofen angebracht war; endlich aus einem Porzellanrohr, welches das Gemenge von Kalihydrat und Kohle enthielt, durch einen Windofen gesteckt war und durch eine Kautschukröhre mit einem Aspirator-Cylinder von beiläufig 10 Liter Inhalt in Verbindung stand; letzterer war oben mit zwei Tubulaturen und unten mit einer versehen. An diesen Tubulaturen befanden sich Hähne, um Wasser einfüllen oder ausfließen lassen zu können, ohne die Anordnung des Apparats zu ändern, daher man die Operation zehn bis zwölf Stunden lang ohne Unterbrechung fortsetzen konnte. Nachdem man den Aspirator-Cylinder mit Wasser gefüllt und die Hähne geschlossen hat, bringt man das Porzellanrohr zum Rothglühen und erhitzt die Kupferspäne fast auf dieselbe Temperatur. Man öffnet alsdann den untern Hahn des Aspirator-Cylinders sehr schwach, damit das Wasser langsam daraus abfließt; auch öffnet man einen andern, zwischen diesem Cylinder und dem Porzellanrohr angebrachten Hahn. Die Luft gelangt nun in den Apparat, indem sie zuerst durch den Kugelapparat zieht und sich dadurch mit Feuchtigkeit sättigt, dann über die Kupferspäne, an welche sie ihren Sauerstoff abgibt, und hierauf in das Porzellanrohr, wo der Stickstoff auf das heftig glühende Gemenge von Kohle und Kali einwirkt. Man setzte die Operation einen ganzen Tag lang fort, ließ den Apparat erkalten und nahm hernach die kalihaltige kohlige Masse aus dem Porzellanrohr, um sie mit destillirtem Wasser zu behandeln. Die so erhaltene Flüssigkeit wurde filtrirt und dann in eine wässerige Auflösung von schwefelsaurem Eisenoxyduloxyd gegossen. Es entstand sogleich ein reichlicher Niederschlag, welchen Salzsäure zum Theil auflöste, Berlinerblau hinterlassend. Die Cyanbildung bei dieser Operation war also ein Beweis, daß sie unter günstigen Bedingungen ausgeführt wurde. Es fragte sich jetzt noch, ob man dasselbe Resultat erhält, wenn man in gleicher Weise mit Anwendung ganz wasserfreier Substanzen operirt. Ich nahm daher kohlensaures Kali, durch mäßiges Glühen von Kali-Bicarbonat bereitet, und gut calcinirte Kohle. In den Kugelapparat, durch welchen die Luft zog, brachte ich concentrirte Schwefelsäure, statt Wasser wie beim vorhergehenden Versuch; überdieß ließ ich die Luft noch durch zwei Röhren mit Chlorcalcium ziehen, wovon die eine nach der Röhre mit Kugelapparat angebracht, die andere zwischen dem Aspirator-Cylinder und dem Porzellanrohr befestigt wurde. Bei diesem Versuch, wo alle Vorsichtsmaßregeln ergriffen wurden, um die Gegenwart des Wassers zu vermeiden, bildete sich ebenfalls Cyankalium. Dieß ist immer der Fall, wenn man Porzellanröhren benutzt; man erhält aber kein Cyankalium mehr, wenn man innerlich glasirte irdene Röhren anwendet; es erzeugt sich in letzterm Falle kein Cyan mehr, weder mit feuchtem, noch mit trockenem Stickstoff. Ich habe diese Thatsache beobachtet, als ich zur Ersparniß die Porzellanröhren durch irdene ersetzen wollte. Die innere Glasur der irdenen Röhren besteht bekanntlich aus einem leichtflüssigen Glase, welches Bleioxyd enthält; letzteres zerstört ohne Zweifel das Cyan in dem Maaße als es sich bildet. Ich habe mich davon indirect überzeugt, indem ich dem Gemenge von Kohle und Kalihydrat in den irdenen Röhren Cyankalium zusetzte, welches sich nach der Operation nicht mehr vorfand. Derartigen Erscheinungen lind auch die negativen Resultate zuzuschreiben, welche Erdmann und Marchand bei Wiederholung der Versuche von Fownes erhielten; denn es besteht jetzt kein Zweifel mehr, daß sich der trockene oder feuchte Stickstoff in Gegenwart alkalischer Vasen direct mit der Kohle verbindet.