Titel: | Weitere Notizen über Bierbrauerei; von G. E. Habich. |
Autor: | G. E. Habich |
Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. LXV., S. 215 |
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LXV.
Weitere Notizen über Bierbrauerei; von G. E. Habich.
Habich, Notizen über Bierbrauerei.
Aus der Reihe von Erfahrungen, die ich in Sachen der Bierbrauerei im Laufe der
letzten Zeit gemacht habe, veranstalte ich hiermit noch eine ziemlich bunte
Nachlese, die sich an meine früheren, in diesem Journal veröffentlichten Aufsätze
anschließen soll.Ein vollständiges Bild des der Bierbrauerei zu
Grunde liegenden chemischen Protestes, wie er sich mir dargestellt hat, habe ich in meinem eben beendigten
„Taschenbuch der Chemie des Bieres, für praktische
Bierbrauer“ gegeben, dessen Druck jetzt, nach meiner Ankunft
in Deutschland, begonnen hat.
Ueber die Zeit, welche die Maische auf der Ruhe bedarf, um
vollständig zu verzuckern, habe ich – wie bereits erwähnt –
Versuche gemacht und kam zu dem Resultat, durchschnittlich 15 Minuten als
ausreichend zu erklären. Diese Versuche aber bezogen sich auf ein Gemenge von Malz
und vielem Maismehl. Als ich später gelegentlich einmal
reines Malz (ohne
Maismehl) verarbeitete, zeigte sich die Maische nach fünf
Minuten auf der Ruhe vollständig verzuckert. Ein Resultat, welches nur durch die gleichförmige
fortschreitende Erhitzung vermittelst Einleiten von Dämpfen zu ermöglichen
ist!
Die Einwirkung des Hopfens auf den Verlauf der Gährung
steht mit der Meinung der Bierbrauer, daß er nämlich das Bier auch auf dem Lager
„haltbarer“ mache, im
engsten Zusammenhange. Betrachtet man die Hefe, welche sich aus einer stark gehopften Würze ausscheidet, unter dem Mikroskope,
so zeigen sich die einzelnen Zellen hier und da von einer färbenden Substanz überzogen, die sich durch Ammoniak leicht beseitigen läßt
und aus Hopfenharz besteht. Dieser Harzüberzug ist es auch, dem solche Hefe, selbst
nach dem sorgfältigsten Abwässern, ihren bittern Geschmack verdankt. Und in dem
Umstande, daß dieses Harz die Hefenzellen überzieht und
dieselben an den betroffenen Stellen für die umgebende
Flüssigkeit unzugänglich macht, liegt der alleinige Grund der Verzögerung der Gährung durch starken Hopfenzusatz. Die
Zersetzung des Zuckers in der Würze kann nicht stattfinden, wenn die Würze nicht von
der Zelle endosmotisch aufgenommen wird, – von dem Umfange der endosmotischen
Strömung der Flüssigkeit in die Zelle hängt auch der Umfang der vollbrachten
Zuckerzersetzung ab. Da diese Strömung durch die Zellenwände vor sich geht, so ist
der Umfang derselben
proportional der Oberfläche der arbeitenden Hefenzellen.
Durch das Ueberkleiden der Zellenwände mit Harz ist aber die Summe der Oberflächen
tatsächlich vermindert und der Erfolg ist derselbe, als
wenn man eine schwach gehopste Würze mit dem geringsten Quantum von Stellhefe hätte gähren lassen. Je
weniger Stellhefe verwendet wird, desto größer wird das Zuckerquantum seyn, welches
beim Fassen des Bieres noch mit aufs Lager gebracht wird. Und je größer dieser
Zuckervorrath ist, um so länger wird sich – bei sonst gleichen Umständen
– das Bier auf dem Lager erhalten. Daß aber auch die größten Vorräthe
allmählich aufgerieben werden müssen, ist natürlich, und deßhalb werden auch die hopfenreichsten Viere (Porter, Ale) schließlich eben
sowohl sauer wie die hopfenarmen. Die bayerischen (insbesondere Münchner) Brauer,
welche ihre Biere nicht übermäßig Hopfen, wissen sehr wohl, daß man zeitig genug mit
„Aufkräusen“ nachhelfen muß, wenn man das Bier in seiner
allgemein beliebten Jugendkraft erhalten will.
Zu den Gährungserscheinungen, welche den Bierbrauer zuweilen belästigen und in ihrem
räthselhaften Verlauf seiner Herrschaft zu spotten scheinen, gehört das sogenannte
Rasten der Gährung. Der Umstand, daß man zwei in
ihren Ursachen sehr verschiedene Erscheinungen mit
demselben Namen bezeichnet hat, mag es herbeigeführt haben, daß man sich noch heute
über diese Sache die wunderbarsten Vorstellungen macht.
Wenn eine stark gehopste Würze mit wenig Stellhefe in Gährung gebracht wird, so können beim Beginn der
Ausscheidung des Hopfenharzes die sämmtlichen entwickelteren Zellen den oben erwähnten Ueberzug in solchem Grade
erhalten, daß die Gährung. ziemlich erlahmt. Die äußerst
kleinen Hefensporen bleiben vor solchen Unbilden geschützt und sie treiben das
Gährungsgeschäft fort, nachdem sie nach Beendigung des Hopfentriebs etwas mehr
herangewachsen sind. Dann tritt also die Gährung nach kurzem
„Rasten“ von selbst wieder auf, – beschleunigen kann
man diesen Zeitpunkt durch Zusatz von etwas neuer Stellhefe, was besser ist, als das
allgemein empfohlene Aufrühren der am Boden liegenden verharzten Hefentheile.
Das Rasten der Gährung kann aber auch im Wechsel des
Luftdrucks seinen legitimen Grund haben. Bei plötzlicher Verminderung des
Luftdrucks wird eine Menge Kohlensäure, die vorher in der Flüssigkeit gelöst war,
entweichen und nur das dem niedrigern Barometerstande
entsprechende geringere Quantum dieses Gases wird in dem Biere verbleiben. Vermehrt
sich nun der Luftdruck wieder rasch, so wird das
unaufhörlich durch die nicht
„rastende“ Gährung producirte Kohlensäuregas von der
Flüssigkeit zurückgehalten, aufgelöst, – an der
Oberfläche des gährenden
Bieres wird's plötzlich ruhig und still. Und insofern man dermalen den Fortgang
einer Gährung kurzer Hand nach dem Augenschein zu taxiren
pflegt, spricht man auch in diesem Falle von einem
„Rasten“ der Gährung, während uns das Saccharometer sehr
leicht belehrt, daß dem nicht so ist.
Die Beobachtung des Barometers ist auch für die
Ueberwachung des Lagerkellers von Wichtigkeit. Praktische
Brauer werden mir recht geben, wenn ich sage, daß Fälle, wie der nachfolgende, nicht
zu den Seltenheiten gehören. Ein Lagerfaß, dessen Inhalt nächstens in die
Schenkstube wandern soll, wird „gespundet,“ – nach
einigen Tagen zeigt eine am Zäpfel gezogene Probe, daß es genügend Kohlensäure
enthält und den verlangten Schaum leistet, – es wird zum Abfüllen
geschritten. Das Bier ergießt sich unter starkem Schäumen in die Transportfässer,
welche dem Wirthe mit Stolz überbracht werden. Der Wirth prüft's und –
– das Bier steht ziemlich leblos im Glase, es macht wenig Schaum. Woran liegt das? – Während des Abfüllens war der
Luftdruck vermindert, viel Gas entwichen, welches durch die Nachgährung nicht
ersetzt war, als das Bier dem Consum überliefert wurde. Darum
soll man nur bei hohem Barometerstande das Bier auf die Transportfässer
abziehen!
Mit den Klärmitteln wird viel Unsinn getrieben, besonders
hier in Nordamerika, wo die obergährigen Ale-Sorten sämmtlich durch
Hausenblase geklärt werden. Das Capitel über die Wirkung des thierischen Leims (wie
er in der Hausenblase enthalten ist) scheint mir zur Zeit noch etwas unverständlich
zu seyn und ich will deßhalb meine Auffassung der Sache, wie ich mir solche durch
die Praxis geschaffen habe, hierher setzen. Das einzig vernünftige Klärmittel für
Bier ist – – die Kohlensäure, indem sie sich massenhaft in Gasform aus dem Biere
ausscheidet. Dabei reißt sie alle trübenden Theile (kleinere Hefenzellen und
Hopfenharz-Partikel) mit sich fort an die Oberfläche, wo man sie abschäumen
kann oder beim Nachstoßen auf den Lagerfässern durch Eingießen von Wasser ins
Spundloch verdrängt. Es liegt auf der Hand, daß die Klärung auf diesem Wege zwar
nicht momentan, aber in kurzer Zeit und ohne alle Nebenwirkung zum Schluß kommt.
Ist die Gasentwickelung zu schwach, um die trübenden Theile an die Oberfläche zu
treiben, – aber gerade ausreichend, um dieselben schwebend zu erhalten, so
ist natürlich an eine Klärung nicht zu denken, bevor nicht diesem agitatorischen
Treiben der Kohlensäure ein Ende gemacht wird. Das einfachste Mittel dazu ist Kochsalz, welches sofort eine lebhafte Gasentwickelung
veranlaßt, indem die Kohlensäure vollständig verjagt wird. Die Klärung erfolgt dann
rasch, – binnen 24 Stunden steht das Bier klar da.
Die Wirksamkeit der Hausenblase etc. als Klärmittel sucht
man sich dadurch klar zu machen, daß der Leim im Momente seiner Abscheidung die
trübenden Substanzen umhülle und mit sich fortschleppe. Wir haben also eigentlich
durch den Zusatz der Hausenblase die Trübung vermehrt,
und es wird jetzt nur darauf ankommen, ob die Flüssigkeit keine Kohlensäure enthält
(Wein oder gesalzenes Bier), sich dann aller Unrath am Boden ausscheiden kann,
– oder ob die vorhandene Kohlensäure einen ziemlich raschen Gasstrom bildet,
der die unliebsamen Gäste (Hausenblase u. Comp.) an die Oberfläche wirft, –
oder ob die Kohlensäure langsam fortschleichend den trüben Zustand unterhält, wobei
natürlich auch die Hausenblase nicht zu klären
vermag.
Hinsichtlich der praktischen Ausführung dieser Klärmethode ist noch zu erwägen, daß
eine Auflösung der Hausenblase in bloßem Wasser zum Klären des Bieres nicht dienen
kann. Der Leim ist in heißem Wasser löslich, in kaltem aber nicht. Es müßte demnach
die heiße Auflösung in das Bier gegossen werden, wenn man
die beabsichtigte „Umhüllung“ der trübenden Stoffe während der
allmählichen Ausscheidung des Leims beim Erkalten herbeiführen will. Da das nun
nicht durchzuführen und eine kalte
Hausenblase-Gallerte als Klärmittel ganz untauglich ist, so hat man sich eine
(wenigstens für die Behandlung des Bieres) abscheuliche
Praxis ausgebildet, welche ihren Grund darin hat, daß sich der Thierleim mit
mehreren Säuren zu äußerst dünnschleimigen Flüssigkeiten verbindet, welche bei der
Verdünnung mit vielem Wasser zersetzt werden, – der Leim scheidet sich in
Flocken aus und die Säure bleibt in Wasser gelöst. Auf
diesem Wege wird z.B. das Berliner Weißbier (die bekannte „kühle
Blonde“), an welchem man etwas Säure haben will, durch eine Verbindung von Hausenblase und Weinsäure geklärt, und
dagegen läßt sich am Ende nur wenig einwenden. Die Engländer und Amerikaner aber
Pflegen ihre Hausenblase mit Essigsäure zu verbinden,
indem sie solche in saurem Bier auflösen und verwenden
diese Mischung als Klärmittel! Es liegt klar am Tage, daß durch den Zusatz der
Essigsäure dem Biere der Keim des Verderbens eingeimpft wird. Daher kommt es denn
auch, daß die nordamerikanischen Ale-Brauer ihr Product nicht länger als 3
bis 4 Wochen zu garantiren pflegen.
Es steht zwar fest, daß ein Bier, bei dessen Fabrication keine Fehler vorgekommen
sind, keiner künstlichen Klärung bedarf, weil im kühlen
Lagerkeller (wo die Differenz der Dichtigkeiten beider Medien, des
Hefen-Zellinhalts und des Bieres, auf welcher die Endosmose beruht, geringer
wird) die Nachgährung
erlahmt, alle Kohlensäure von der kälter werdenden
Flüssigkeit zurückgehalten wird und somit alle trübenden Substanzen leicht zur Ruhe
kommen können. Dennoch kann man schon bei der Gährung untergähriger Biere der demnächstigen Klärung vorarbeiten, indem man nach
Beendigung der Kräusengährung die an der Oberfläche
schwimmende Schaumdecke, welche die emporgetriebenen Hefen- und
Hopfenharztheile enthält, abnimmt, – was einigemal wiederholt werden
kann.
Schließlich noch den Bierbrauern Deutschlands zur Nachricht, daß ich vom August ab
bis zum nächsten Frühjahre in Deutschland bleiben werde. Sollte irgend Jemand mich
als technischen Advocaten in Rath nehmen wollen, so werden mich frankirte Briefe
unter der Adresse des Betriebs-Inspector Rudolph in
Cassel davon benachrichtigen können.