Titel: Ueber die Anwendung der Gasfeuerung bei Glasöfen; von C. Schinz.
Autor: C. Schinz
Fundstelle: Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LXXXV., S. 332
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LXXXV. Ueber die Anwendung der Gasfeuerung bei Glasöfen; von C. Schinz. Schinz, über die Anwendung der Gasfeuerung bei Glasöfen. Verbrennungsproceß. Bei allen Anwendungen der Wärme ist die Art des Verbrennungsprocesses vom größten Einfluß auf den erzielbaren Nutzeffect; dieß ist im höchsten Maaße der Fall bei solchen Operationen, welche eine möglichst intensive Hitze erfordern. Unter diese Operationen gehört besonders das Schmelzen des Glases, dessen Schmelzpunkt zu 1250° C. angegeben ist; diese Temperatur reicht aber nur hin, um das Glas im Flusse zu erhalten und wenn in dem Glasofen keine höhere Temperatur herrschen würde, so bliebe der Glassatz in demselben eine sehr lange Zeit ungeschmolzen; je höher diese Temperatur ist, desto schneller und vollkommener wird das Glas schmelzen. Die Temperatur des Feuers, der Flamme und der Verbrennungsproducte nun hängen ganz und gar von dem Verbrennungsprocesse ab; findet dieser, wie in den meisten gewöhnlichen Feuerungen, mit einem Ueberschusse an Luft statt, so wird die anfängliche Temperatur der Verbrennungsproducte, selbst bei gedarrtem Holze, höchstens 1140° C. betragen, sie also weit unter dem Schmelzpunkt des Glases stehen; wird hingegen durch große Schichthöhe des Brennstoffes auf dem Roste ein Minimum von Luft zugeführt, so entweicht ein Theil des im Brennstoffe enthaltenen Kohlenstoffes als Kohlenoxydgas, und es geht ein bedeutender Theil der Wärme verloren, die der Brennstoff unter anderen Umständen zu geben vermöchte, aber die Temperatur steigert sich auf circa 1666° C. Ein solcher Verbrennungsproceß ist aber für den Glasfabrikanten untauglich, weil das vorhandene Kohlenoxyd reducirend auf den Glassatz einwirken würde. Es ist daher die Aufgabe, solche Kunstgriffe anzuwenden, daß mit möglichst wenig Luft aller Kohlenstoff in Kohlensäure übergeführt wird; gelingt dieses vollkommen und ohne Luftüberschuß, so kann dabei mit gedarrtem Holze die Temperatur bis 2136° C. gesteigert werden. Die Thatsache, daß mit gedarrtem Holze und in großen Oefen mit großen Häfen das Glas im günstigen Falle in 18 Stunden geschmolzen werden kann, beweist, daß die bei der Glasfabrication angewandten Kunstgriffe wenigstens bis zu einem gewissen Grade ausreichen; jedoch kann die Temperatur der Glasöfen, nach Messungen welche von Pouillet mit dem Luftpyrometer gemacht wurden, nur auf 1500° C. geschätzt werden. Diese Kunstgriffe hier näher zu beleuchten, liegt außer dem Zwecke dieser Mittheilung; ich begnüge mich zu bemerken, daß sie viel Arbeit und große Aufmerksamkeit erfordern, daher auch ihr Erfolg ein stets schwankender ist. Weit günstigere, constantere und regelmäßigere Resultate gewährt in dieser Beziehung die von Bischoff erfundene und von Thoma verbesserte sogenannte Gasfeuerung,Polytechn. Journal Bd. CXX S. 272 und 338. bei welcher der im Brennstoffe enthaltene Kohlenstoff in einem vom Glasofen getrennten Raum gänzlich und absichtlich in Kohlenoxydgas verwandelt wird, welches dann im Ofen durch Eintreiben eines frischen Luftstromes zur Kohlensäure verbrannt wird. Es ist dem Verfasser dieser Mittheilung gelungen, mittelst dieser Art des Verbrennungsprocesses in der berühmten Glashütte der HHrn. Gebrüder Böhringer in Buhlbach (Württemberg) eine höhere Temperatur zu erzielen, was sich aus der gleichzeitigen Verminderung der Schmelzzeit und des Brennstoffaufwandes ergibt. Construction der Glasöfen. Jeder Glasfabrikant weiß, daß die anscheinend kleinste Veränderung der Dimensionen der einzelnen Theile seines Ofens den Erfolg, den Brennstoffverbrauch und die Schmelzzeit beeinflussen; selbst der längere Zeit im Gange gewesene und daher in seinen Dimensionen etwas modificirte Ofen gibt andere Resultate als der neugebaute. In allen bisher gebräuchlichen Glasöfen wird der Zug, d.h. die Luftzuführung und die Abführung der Verbrennungsproducte, hervorgebracht durch das Emporströmen der Flamme durch die Tonne bis an die Kuppe. Ist z.B. die senkrechte Höhe vom Roste bis zur Kuppe 6 Fuß, die Temperatur der aufströmenden Gase, nämlich: Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenoxyd und Kohlenwasserstoffe, 1000° C., so wird die Geschwindigkeit der Feuersäule = v = √(65,4 . 6 . 0,003665 . 1000) = 37,9 Fuß per Secunde; diese Geschwindigkeit entspricht einem Wasserdrucke von 0,29 Zoll. Diese Kraft ist größer als bei den meisten Feuerungen wo der Zug mittelst eines Kamins hervorgebracht wird; aber es ist auch eine große Geschwindigkeit dieser Feuersäule nöthig, weil sie, nachdem sie an der Kuppe angeschlagen hat, sich noch mit einer gewissen Geschwindigkeit unter der Kuppe in großer Ausdehnung nach den Arbeitsöffnungen vertheilen muß. Jenes Gasgemisch muß auch deßhalb mit einer namhaften Geschwindigkeit emporströmen, damit die Vereinigung der Gase, d.h. die vollkommene Verbrennung derselben, bewirkt wird, denn nur die durch die Verbrennung des Gasgemisches entwickelte Wärme kann auf das Glas wirken (die noch nicht verbrannten Gase haben eine niedrigere Temperatur), und wenigstens die Kuppelfläche, welche senkrecht über den Häfen liegt, muß von glühenden Verbrennungsproducten, nicht von der Flamme, d.h. von im Verbrennungsprocesse begriffenen Gasen bestrichen werden, weil nur erstere die erforderliche Temperatur besitzen, letztere aber nicht, und diese überdieß leicht eine Reduction der Glasmasse bewirken könnten. Das Verhältniß zwischen den aus dem Brennstoffe abgegebenen brennbaren Gasen und der angesogenen atmosphärischen Luft wird bedingt: durch die Größe der Oeffnungen unter dem Roste, in demselben und über demselben, durch welche die Luft eindringt, ferner durch die Höhe der Brennstoffschicht auf dem Roste und deren Zertheilungszustand, endlich durch die Kraft mit welcher Luft und Gase angezogen werden. So viele zusammenwirkende Factoren, deren Werthe nur annähernd geschätzt werden können, erklären hinreichend das Unzureichende dieser Feuerungsart; namentlich der letztere Factor, die vorhandene Kraft, welche von der Temperatur der Feuersäule abhängt, wechselt fortwährend, da jede Wärmeabsorption, wie sie z.B. beim Eintragen in die Häfen stattfindet, deren Temperatur herabstimmt. Ferner ist es praktisch unmöglich, den Brennstoff fortwährend in ganz gleicher Menge und in gleich hoher Schicht auf dem Roste zu erhalten; dieses möglichst annähernd zu erreichen, ist allerdings die Aufgabe des Schürers, und von dessen Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit hängt der Erfolg größtentheils ab; aber selbst durch die geschickteste Leitung läßt sich noch keine annähernde Vollkommenheit erreichen. Da die Temperatur im Ofen die wirkende Kraft bedingt, diese Kraft aber erst mit der wachsenden Temperatur normal wird, so kann dieselbe auch nur sehr allmählich gesteigert werden, während der Glasschmelzproceß gerade dann die höchste Temperatur erheischt, wenn durch frisches Eintragen die meiste Wärme absorbirt wird. Zu diesen die Erzielung einer constanten und möglichst hohen Temperatur hemmenden Umständen gesellt sich noch der Einfluß von Wetter und Wind, welcher beim Glasofen viel bedeutender ist, als bei den gewöhnlichen Feuerungen. Aber auch abgesehen von den bedeutenden Unvollkommenheiten, welche der gewöhnliche Glasofen bezüglich der wünschenswerthen Temperatur darbietet, kommen noch zwei Umstände in Betracht, welche an und für sich der Brennstoff-Oekonomie entgegenwirken. Der eine dieser Umstände ist der, daß die glühenden Verbrennungsproducte nur über die Oberfläche der Häfen hergespült werden, und durch Strahlung auf dieselben wirken müssen; da die Feuersäule in der Mitte des Ofens eine geringere Temperatur hat, als dieselbe unter der Kuppe ist, so empfangen die Wandungen der Glashäfen nur wenig Wärme, wodurch natürlich der Schmelzproceß verlangsamt wird; selbst bei den englischen Oefen, in welchen Kamine an der Grundfläche der Glashäfen einen Theil der Verbrennungsproducte anziehen, ist der angezogene Theil nur ein kleiner Bruch von dem was durch die Arbeitsöffnungen entweicht, und daher von untergeordneter Wirkung. Der zweite Umstand, welcher in den bisher üblichen Glasöfen der Brennstoff-Oekonomie entgegenwirkt, ist die kleine Fläche über den Glashäfen, auf welche die heißen Verbrennungsproducte wirken, um dann, ohne ausgenutzt zu seyn, durch die Arbeitsöffnungen zu entweichen. Dieses Verhältniß wird noch ungünstiger durch die Form des Raumes über den Glashäfen, welche den glühenden Verbrennungsproducten eine sehr große Fläche darbietet, an der sie sich fortwährend abkühlen. Diese Abkühlung beträgt bei einer inneren Temperatur von 1500° C. mindestens 525 Wärme-Einheiten per Quadratfuß und per Stunde, und da eine Kuppe von 10 Fuß Durchmesser 60 Quadratfuß Fläche hat, so ist die durch diese transmittirte Wärme gleich dem Aequivalente von 8 Pfd. gedarrtem Holz per Stunde. Dieser Verlust erscheint zwar im Vergleich mit dem gesammten Brennstoffverbrauch des Ofens gering, aber er hat den Einfluß, daß er für sich allein die anfängliche Temperatur um 100° C. herabdrückt, daher man genöthigt ist, durch die Quantität der Wärme, oder was gleichbedeutend ist, durch vermehrten Brennstoffaufwand, die Intensität zu erzielen. –––––––––– Da es durch die Gasfeuerung möglich ist, die vollkommenste Verbrennung und damit die höchste Temperatur zu erhalten; da ferner die Gasfeuerung nicht durch die Kraft einer, wie im Kamin wirkenden heißen Säule, sondern durch eine mechanische Kraft, durch Gebläse betrieben wird, und da das Gebläse nicht nur gestattet die über 2000° C. heißen Verbrennungsproducte so zu leiten, wie der Schmelzproceß es wünschbar macht, sondern auch eine Benützung der abgehenden Wärme zuläßt, so ist es auch möglich, mit dieser abgehenden Wärme die zur Verbrennung nöthige Luft zu erhitzen und nebstdem die Kühlöfen und die Holzdarre (insoferne letztere bei Anwendung von Holz erforderlich ist) mit Wärme zu versehen. Durch Vorwärmen der Verbrennungsluft wird die Temperatur im Ofen noch um 100° gesteigert, wodurch abermals der Effect der ganzen Operation vermehrt und der Brennstoffverbrauch vermindert wird. Auf diese Weise ist es dem Verfasser gelungen, beim Betriebe mit gedarrtem Holze in Buhlbach eine Brennstoffersparniß zu erzielen, welche alle Erwartungen überstieg. Bei dem bisherigen Betriebe wurden per Ofen und per Woche 40 Klafter lufttrockenes Holz consumirt, ferner   6 Klafter = 15 Proc. zum Darren von diesem Holze und   2,4 Klafter =   6 Proc. für die Kühlöfen. ––––––––– 48,4 Klafter. Mit diesen wurden in 18 Stunden Schmelzzeit 10    „ Arbeitszeit –––––––– 28 Stunden 60 Ctnr. Glas geschmolzen und verarbeitet, also per Woche 168/28 = 6 Schmelzen à 60 Cntr. Glas gemacht, somit per Woche 60. 6 = 360 Cntr. verarbeitetes Glas erzeugt. Folglich war der Holzverbrauch per Cntr. Glas 48,4/360 = 0,134 Klafter lufttrockenes Holz. Ich glaube, daß die meisten Fabriken mit weit höherem Holzverbrauch arbeiten, obgleich die Glassätze der HHrn. Gebrüder Böhringer keineswegs zu den leichtflüssigsten gehören. Der neue, zum Versuch erbaute kleine Glasofen mit Gasheizung erzeugte in 15 Stunden Schmelzzeit mit   86 Pfd. gedarrtem = 103 Pfd. lufttrockenem Holze = Pfd. 1545 10 Stunden Arbeitszeit mit   50 Pfd.          „               „ =   „   500 –––––––– Zusammen lufttrockenem Holze Pfd. 2045 18 Cntr. verarbeitetes Glas, welches mit der abgehenden Warme gekühlt (und das Holz gedarrt) wurde. Pfd. 2045 Holz à 23 Cntr. per Klafter geben 0,889 Klafter; es entfallen somit auf den Cntr. verarbeitetes Glas 0,889/18 = 0,049 Klftr. gegenüber von 0,134 Klafter beim bisherigen Betriebe. Das gibt im einfachen Verhältnisse 4 : 11.