Titel: | Ueber die Färbung der Zeugfasern thierischen und vegetabilischen Ursprungs; von Hrn. F. Verdeil. |
Fundstelle: | Band 151, Jahrgang 1859, Nr. LI., S. 205 |
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LI.
Ueber die Färbung der Zeugfasern thierischen und
vegetabilischen Ursprungs; von Hrn. F.
Verdeil.
Aus den Comptes rendus, Decbr. 1858, Nr.
24.
Verdeil, über die Färbung der Zeugfasern thierischen und
vegetabilischen Ursprungs.
Wenn man isolirte Fasern von Holzstoff, von Seide oder von Wolle, welche nach den in
den Färbereien gebräuchlichen Verfahrungsarten gefärbt worden sind, unter dem
Mikroskop untersucht, so erkennt man daß die Substanz der Faser mittelst ihrer
Durchdringung von Seite des Farbstoffs gefärbt ist. Die Faser ist gleichförmig
gefärbt, durchsichtig; es zeigt sich durchaus kein unauflösliches färbendes
Theilchen auf ihrer Oberfläche; sie ist homogen, ohne Poren und Canäle. Wenn man aus
den gefärbten Stoffen Fasern isolirt, so zeigen sie bei der Untersuchung alle
dieselben Charaktere. Eine Ausnahme bilden jedoch die mit chromsaurem Blei oder
Chromoxyd gefärbten Stoffe, denn diese sind zum Theil mittelst Ablagerung des
Farbstoffs auf der Oberfläche der Faser und zum Theil mittelst Durchdringung
gefärbt. In einigen ausnahmsweisen Fällen ist die schwarz gefärbte Seide durch eine
der Faser wenig anhaftende Kruste gefärbt; diese Hülle zerbricht und zeigt die Faser
gleichmäßig mittelst Durchdringung gefärbt. Abgesehen von diesen eigenthümlichen
Fällen, sind die gefärbten Zeugfasern stets mittelst Durchdringung des Farbstoffs
und durch seine innige Vereinigung mit der Substanz der Faser gefärbt.
Die Verfahrungsarten welche man in der Praxis zum Färben der Stoffe anwendet, sind
nach der Natur der Gewebe verschieden. Während nämlich die Fasern thierischen
Ursprungs, Wolle und Seide, sich der Farbstoffe bemächtigen, die in einem Färbebad
aufgelöst sind welches ein Metallsalz als Beize enthält, wird dagegen der Holzstoff
unter denselben Umständen keine Spur von Farbe fixiren. Damit Baumwolle, Flachs oder Hanf, sich so
färben können, daß weder das Waschen mit Wasser noch das Reiben die Farbe beseitigt,
muß nothwendig der Farbstoff, nachdem er die Substanz der Faser durchdrungen hat,
unauflöslich gemacht worden seyn. Die Wolle und die Seide scheinen hingegen eine
wirkliche Verwandtschaft zu den mit den Beizen gemischten Farbstoffen zu
besitzen.
Um wo möglich diese Erscheinungen erklären zu können, untersuchte ich die Wirkung der
Thonerde-, Eisen- und Zinnsalze, welche man als Beizen für wollene und
seidene Stoffe anwendet; ich fand, daß diese Substanzen thierischen Ursprungs die
Eigenschaft besitzen eine gewisse Menge von der Basis der Beize, mit welcher man sie
in Berührung brachte, zu fixiren.
Diese Eigenschaft besitzen alle stickstoffhaltigen Substanzen, das Albumin,
Muskelfibrin etc., aus denen die Gewebe des Körpers der Thiere bestehen.
Wenn man einen gebeizten wollenen oder seidenen Stoff einäschert, so findet man in
der Asche entweder Eisen, oder Thonerde, oder Zinn in Form von Oxyd. Die Menge der
so fixirten Basis ist sehr gering; sie reicht jedoch hin, um eine intensive Färbung
des Stoffes und des Albumins zu bewirken, wenn man dieselben mit einem aufgelösten
Farbstoff in Berührung bringt, mit welchem das Oxyd sich verbinden kann.
Chevreul hat schon gezeigt, daß die Seide Eisenoxyd
aufnimmt durch ihre Berührung mit einer Auflösung von schwefelsaurem Eisen; überdieß
hat er beobachtet, daß Wolle und Seide, wenn sie andauernd mit Eisenoxydhydrat in
Berührung bleiben, Eisenoxyd fixiren, während die Baumwolle keine Spur davon
fixirt.
Durch Einäschern der gebeizten Stoffe erhielt ich folgendes Verhältniß von Asche:
In 100 Theilen
Wolle, gebeizt mit Alaun
0,75 Asche
„ deßgleichen
0,72 „
„ schwefelsaurer
Thonerde
0,86 „
„ Alaun
und Weinstein
1,12 „
„ essigsaurem
Eisen
0,75 „
„ Zinnchlorid
1,25 „
Seide, gebeizt mit essigsaurer Thonerde
0,50 „
„ essigsaurem
Eisen
1,00 „
„ Alaun
0,40 „
Albumin, coagulirt bei Gegenwart von Alaun
1,30 „
„ „
von schwefelsaurer Thonerde
3,00 „
Casein in Berührung mit Alaun
2,66 „
Der Holzstoff, unter dieselben Umstände versetzt, fixirt keine Spur von der Basis der
Beize.
Das Product der Einäscherung, dessen Verhältnisse oben angegeben sind, besteht fast
vollständig aus dem Oxyd der Beize. Die Asche der mit Alaun gebeizten Wolle enthält
80 Proc. Thonerde.
Die geringe Menge Eisenoxyd, welche in den gebeizten wollenen und seidenen Stoffen
fixirt ist, scheint nicht in Verhältniß mit der intensiven Färbung zu stehen, welche
sie in Berührung mit einem Farbstoff erlangen, welcher mit dem von ihnen fixirten
Oxyd eine Verbindung eingeht. Man muß aber auch in der physischen Constitution der
Faser die Ursache des Färbungsgrades suchen, welchen sie durch das Färben erlangen
kann. Die Fasern der Wolle und der Seide sind sehr durchsichtig; die durchsichtigen
gefärbten Körper erfordern aber nur ein sehr schwaches Verhältniß von Farbstoff, um
im reflectirten Licht von dunkler Farbe zu erscheinen. Der Versuch, welchen ich nun
mittheilen will, liefert den Beweis, daß aus diesem Grunde die gefärbten wollenen
und seidenen Stoffe ihre charakteristische intensive Färbung besitzen.
Albumin, welches in einem Wasser, das Zinnchlorid enthält, durch die Wärme coagulirt
wurde, färbt sich hernach in Berührung mit einer Cochenille Auflösung, wie ein
gebeizter Stoff. Durch das Austrocknen bekommt die Masse eine dunkle Granatfarbe.
Wenn man die Masse zerreibt, so ändert sich die Farbe, sie wird hellroth. Fährt man
fort zu reiben, so erhält man eine zunehmend hellere Farbe, welche endlich rosenroth
wird. Untersucht man die Partikelchen in ihrem verschiedenen Zertheilungszustande
unter dem Mikroskop, so findet man daß sie keine andere Veränderung erlitten als
eine Volumverminderung. Sie bleiben immer durchsichtig. Diese Erscheinung zeigt sich
bei einem undurchsichtigen gefärbten Körper nicht; selbst durch lange fortgesetztes
Zerreiben ändert ein solcher seine Farbe nicht.
Die Färbung der Gewebe, woraus der Körper der Thiere besteht, welche bekanntlich
durch sehr geringe Mengen von Blut veranlaßt wird, ist ohne Zweifel der
Durchsichtigkeit des Fleisches zuzuschreiben.
Die Durchsichtigkeit der Gewebe, aus welchen die Blätter der Blumen bestehen,
verursacht bei diesen ebenfalls die Intensität der Färbung, welche das schwache
Verhältniß der in denselben enthaltenen Farbstoffe bei einem undurchsichtigen Körper
nicht hervorbringen könnte.
Die Resultate, zu welchen ich gelangt bin, lassen sich in folgenden Sätzen
zusammenfassen:
1) Die Fasern woraus die gefärbten Stoffe bestehen, sie mögen vegetabilischen oder
thierischen Ursprungs seyn, sind gleichförmig in ihrer Substanz selbst gefärbt.
Abgesehen von einigen seltenen Ausnahmen befindet sich an ihrer Oberfläche gar kein
unauflösliches färbendes Theilchen.
2) Die Fasern der Wolle und der Seide haben die Eigenschaft, ein gewisses Verhältniß
von der Basis der als Beizen angewandten Metallsalze direct zu fixiren.
3) Das Verhältniß der vom gebeizten Stoff fixirten Basis und folglich das Verhältniß
des vom gefärbten Stoff zurückgehaltenen Farbstoffs ist sehr schwach. Die
Durchsichtigkeit der Faser und ihr Durchmesser haben einen merklichen Einfluß auf
den Färbungsgrad welchen sie erlangen kann.